Chronik.Ereignis1044 Dubiose Hochzeit 10
Im Lager der Ragather Schlachtreiter - Einen Tag vor der Hochzeit , 30. Ingerimm 1044 BFBearbeiten
Das allmorgendliche Training der kleinen Einheit von Rohalijo de Verlez war gerade vorbei. Leider nahmen die Kämpfer seiner Schwester nicht daran teil, sondern hielten ihre eigenen Übungen ab, die meistens in einer Rauferei endeten. Er persönlich hätte lieber ein gemeinsames Auftreten gesehen, vor allem da gestern mit Dom Lerondo von Kornhammer der Fähnrich einer anderen Einheit der Schlachtreiter im Gefolge des Barons erschienen war. Aber Roxalba war nirgends zu finden.
Dafür erblickte er aber seinen Leutnant Laurentio von Taladur und ihm kam das nächtliche Gespräch mit seiner Frau in den Sinn. "Herr Leutnant. Auf ein Wort."
Der junge Offizier, der tief in Gedanken den Kämpfern hinterher geblickt hatte, die sich inzwischen auf den Weg zu ihren Zelten machten, trat zu seinem Vorgesetzten. “Rittmeister?" Erwartungsvoll blickte Laurentio den Älteren an.
"Nun, Leutnant. Ich kann mir vorstellen, dass diese Frage für euch überraschend kommt, aber habt ihr euch schon einmal Gedanken über eure weitere Zukunft bei den Schlachtreitern gemacht?'
Laurentio blickte erstaunt. "Diese Frage kommt in der Tat überraschend, Dom Rohalijo! Ich hoffe doch sehr, der Anlass für sie ist kein schlechter!”
Tatsächlich hatte er sich bereits des Öfteren Gedanken über seine Zukunft bei den Schlachtreitern gemacht. Ob er noch eine hatte? Seit man seiner jüngeren Schwester Farfanya und auch ihm unterstellt hatte, am plötzlichen Verschwinden des Barons des Taubentals während des im letzten Jahr von ihr veranstalteten Selkethaler Pferderennens beteiligt gewesen zu sein. An seinem Verschwinden und seinem unerwarteten Wiederauftauchen in Taladur sowie der darauf folgenden Arrestation des in Taladur von Gläubigern und Klägern gesuchten Barons.
Und Laurentio zweifelte. Schließlich war ihre oberste Befehlshaberin, die Marschallin Gerone vom Berg , keine geringere als die Gemahlin des Entführten, wie es einige dem Baron freundschaftlich Verbundene sehen wollten.
Wobei es wie stets wohl am Blickwinkel des Betrachters lag, ob man in der nicht gänzlich freiwilligen Überführung des Vivars eine verurteilenswerte Entführung sehen wollte, oder nicht eine bewundernswerte Ergreifung eines verurteilenswerten Delinquenten, dem es schon viel zu lange gestattet worden war, sich vor den gerechtfertigten Konsequenzen seiner Taten zu drücken.
In Taladur war Laurentio - stets hinter vorgehaltener Hand - des Öfteren dazu beglückwünscht worden. Auch seine Schwester hatte seither noch mehr Bewunderer, die ihre vermeintliche Rolle jedoch alle falsch einschätzen. So wollten viele in ihr die Drahtzieherin hinter der vermeintlichen Falle sehen, andere hingegen hielten ihre intrigante Mutter dafür und Farfanya nur für ihre hübsche Mirhamionette. Doch auch wenn er bis heute noch nicht gänzlich hatte ergründen können, was damals genau geschehen war.
Laurentio war überzeugt, dass sie, im Gegensatz zu ihm selbst, der wirklich beteiligt gewesen war, nie einen Plan verfolgt hatte. Weder ihren eigenen noch den ihrer Mutter.
Doch je mehr sie es abgestritten hatte, desto mehr waren alle überzeugt gewesen. Irgendwann hatte sie aufgegeben und die Bewunderung der Taladurer hingenommen.
Doch dass die oberste Kommandantin der Schlachtreiter nicht die bewundernde Meinung der Taladurischen Magnaten teilte, daran bestand kein Zweifel. Laurentio war überzeugt, dass seine Beförderung, wäre sie nicht vor Bekanntwerden der Gefangennahme bereits vollzogen worden, wohl niemals erfolgt wäre. Seither mühte er sich noch mehr als zuvor, in seinem Dienst für die Schlachtreiter keinen Anlass für Kritik zu bieten, da er sicher war, dass man ihm nicht den kleinsten Fehler durchgehen lassen würde, sollte er der Marschallin bekannt werden.
Woher kam also nun diese Frage? War ihm doch ein Fehler unterlaufen? Oder hatte sich nach der langen Zeit doch noch ein Zeuge gefunden, dessen Zunge Contessina nicht mit Silber oder Stahl zum Schweigen gebracht hatte?
Oder hatte Dom Rohalijo mit Domna Romina gesprochen, die im Gefolge ihrer Schwester zu den Feierlichkeiten hier in Tyras angereist war? Immerhin war auch sie eine Teilnehmerin des Selkethaler Rennens gewesen und wohl eine Freundin des Vivar. Wenn man einigen Gerüchten glauben mochte gar eine ehemalige Geliebte.
War es Zufall? Sein zahorischer Freund Ta'iro, der vor wenigen Jahren die Weihen Aves - oder Aveshas wie der Tulamide es sah - empfangen und damit sein Leben der Suche nach dem Schicksal gewidmet hatte, würde wohl wieder einmal mehr darin sehen… Was er wohl daraus schließen würde, dass mit Domna Romina zusammen Lerondo von Kornhammer, der Neffe des zweiten Mannes, der ihm neben dem Vivar, während des Rennens so viele Sorgen bereitet hatte, angereist war?
Nur gut, dass Farfanya nicht hier war! Die Anwesenheit des Fähnrichs würde sie wohl als Zeichen sehen…
Laurentio betrachtete aufmerksam das Gesicht des Rittmeisters. Doch konnte er in seiner Miene keinen Unmut erkennen.
"Nun, der Wahlspruch unseres Hauses fordert von mir, mich meines Namens als würdig zu erweisen… so hoffe ich dem Namen meines Vaters und meiner anderen Vorfahren Ehre zu machen und mich eines Tages ausreichend bewiesen zu haben, um wie sie ebenfalls zum Rittmeister aufzusteigen.”
Auch wenn es dazu wohl erst einmal eine andere Marschallin bräuchte - oder aber den Einfluss unseres Soberans, setzte er in Gedanken hinzu.
"Begleitet mich ein Stück." Er wartete die Antwort nicht ab, sondern ging schon los. "Wie euch bestimmt bekannt ist, werde ich eines Tages Soberan meiner Familia werden. Dies wird der Tag sein, an dem ich Taladur verlassen und nach Ragath zurückkehren werde. Bis es aber soweit ist, möchte ich meine Nachfolge geregelt haben. Es liegt nicht in meinem Sinne, einen Trümmerhaufen zu hinterlassen. Und da kommt ihr ins Spiel Leutnant." Laurentio warf einen Seitenblick auf seinen Begleiter. "Ihr kennt die Einheit genauso gut wie ich und seid mit einigen der Soldaten aufgewachsen. Wer könnte Eure Nachfolge antreten?"
Laurentio ließ sich einen Moment, ehe er antwortete, in dem er versuchte, den Rittmeister einzuschätzen.
War diese Frage wirklich aus dem Wunsch des Rittmeisters heraus erwachsen, einen Plan für die noch ferne Zukunft zu haben, der die Einheit möglichst unterbrechungslos in seinem Sinne weiter funktionieren lassen würde? Oder wollte man nicht viel wahrscheinlicher nur ihn, den der Marschallin gewiss unliebsamen Leutnant, durch einen möglichst geeigneten Kandidaten ersetzen? Und er selbst sollte ihn vorschlagen…
Aber er hatte den Rittmeister in dem Jahr, in dem er nun schon unter ihm diente, nicht als Mann der politischen Finten und Intrigen kennengelernt. Stets schien er eher gerade heraus zu handeln und zu reden.
Doch das musste nichts heißen, spielte hierzulande doch oft genug der Einfluss der Familia und ihrer eigenen Interessen eine bedeutende Rolle. Und vor Dom Rohalijos Frau hatte ihn seine Mutter gewarnt. Sie war wohl aus einem anderen Holz geschnitzt, als ihr Gemahl es zu sein schien.
“Ich mag mit einigen von ihnen in meiner Kindheit zu tun gehabt haben, doch haben sie ihre Ausbildung hier bei den Schlachtreitern absolviert, während ich nach Ragath an die Akademie ging. Meine Erinnerungen an die Kinder von damals würden den Soldaten von heute wohl nicht gerecht. Und ich muss gestehen, dass ich bisher mein Augenmerk noch nicht auf ihre Tauglichkeit für einen höheren Rang gelegt habe. Aber wenn Ihr meine Einschätzung wünscht…”
Der junge Leutnant blickte nachdenklich zu den Zelten.
“Von seinen Fähigkeiten wäre Calvino sicher geeignet, weiter aufzusteigen, wenn er den uneingeschränkten Respekt seiner Untergebenen hätte! Doch ich fürchte, er würde bei jedem nur etwas zu standesbewussten Rekruten gezwungen sein, ihn neu einzufordern. Seine bürgerliche Herkunft wird immer ein Problem bleiben, gerade für die Rekruten aus Taladur.”
Rohalijo verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. "Ich denke da genauso wie ihr. Seine bürgerliche Herkunft ist auf jeden Fall aus der Sicht von einigen ein Problem und würde so für Unruhe innerhalb der Einheit sorgen. Auch habe ich das Gefühl, dass einige Rekruten sich nur zurückhalten, solange einer von uns beiden in der Nähe ist."
“Gegenüber einem Fähnrich kann man über Respektsverweigerung vielleicht für eine sehr, wirklich sehr kurze Zeit hinweg sehen. Natürlich nur, wenn es der Einheit dient und eine politisch günstigere Lösung ermöglicht, als es die konsequente Bestrafung täte. Aber bei einem Leutnant?”
"Allen Widrigkeiten zum Trotz sollten wir uns bald einig sein, denn wenn ich Taladur verlassen sollte, hätte ich Euch gerne weiterhin als Leutnant an meiner Seite. Und bis es soweit ist, sollte euer Nachfolger bereit sein." Rohalijo blieb stehen. "Es sei denn, ihr habt andere Pläne, Leutnant." Rohaljo schaute Laurentio ernst an.
Dieser blickte seinen Vorgesetzten einen Augenblick sichtlich erstaunt an, dann lächelte er kurz und nickte in einer Geste der Dankbarkeit. “Ich danke Euch für Euer Vertrauen in meine Fähigkeiten, Rittmeister! Dass Ihr mich weiterhin unter Eurem Kommando wissen wollt, ist, gerade in Anbetracht der… Umstände, eine sehr große Anerkennung für mich!”
Kurz hielt er inne, straffte sich, bevor er mit ernster Miene fortfuhr: “Doch so sehr mich Euer Wunsch ehrt, fürchte ich, solange ich nicht den Befehl erhalte, Taladur zu verlassen, werde ich ihm nicht entsprechen können!”
Nicht wenn er dafür Farfanya wieder zurücklassen musste! Auch wenn der Einsatz an einem anderen Ort ihren Interessen, den Interessen der Erben des Almandin, vielleicht dienlich sein konnte… sie brauchte jemand verlässlichen an ihrer Seite, der auf ihrem gefährlichen Weg auf sie aufpassen konnte!
Und auch Milia wollte schließlich auch um nichts in der Welt aus Taladur weg.
“Seht, Rittmeister, seit meinem fünfzehnten Lebensjahr war ich verlobt. Und dass ich erst im letzten Jahr heiratete, lag nicht an meiner Weigerung! Meine Gemahlin wollte Familia und Heimat nicht zurücklassen und so war ihre Bedingung für die Hochzeit meine dauerhafte Rückkehr nach Taladur.” Laurentio zuckte kurz mit den Schultern. “Sie will wohl nicht, wie meine Mutter, ihre Kinder alleine großziehen. Immer darauf wartend, wann die Reiter ihren Gemahl lange genug entbehren können, dass er sie für kurze Zeit besuchen kann. Und als Kind eines Rittmeisters kann ich diesen Wunsch verstehen!”
Laurentio lächelte entschuldigend. “Ich würde es wahrlich sehr bedauern, Euch als Vorgesetzten zu verlieren, Rittmeister! Doch wüsste ich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wie ich meine Frau überzeugen könnte, Taladur den Rücken zu kehren! Und ich wäre ihr gegenüber wohl äußerst unloyal, wenn ich ihren Wunsch, mich an ihrer Seite zu wissen, bereits jetzt hinter meinen Interessen zurückstellen würde!”
"Ich respektiere eure Gründe und kann sie auch sehr gut nachvollziehen. Und auch eure Offenheit zeichnet euch aus. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, aber seid euch gewiss, dass ich euch auf eurem Weg unterstützen werde, solange ich es kann." Rohaljo räusperte sich. "Ich will euch nun nicht weiter aufhalten, Leutnant. Ihr werdet ebenso wie ich noch einige Dinge vor den Festlichkeiten zu erledigen haben."
Laurentio nickte. “Rittmeister.”. Er verabschiedete sich mit kurzem militärischem Gruß und ging dann in Richtung seines Zeltes.
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