Chronik.Ereignis1044 Dubiose Hochzeit 05

Tyras und vorallem Dubiahöh, Mitte/Ende 1044 BFBearbeiten

Autor: Der Sinnreiche Junker und Jan

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Ein wenig merkwürdig mochte Resadan di Vascara der Besuch seines alten Waffenbruders ja vorgekommen sein, als dieser ohne Ankündigung auf Tyras aufgetaucht war, wo er eigentlich nur zufällig gerade verweilte. Er sei auf dem Wege nach Punin, doch wäre in drei Tagen auf der Rückreise, und ob der Herr Kamerad ihn nicht begleiten möge für einen Aufenthalt auf Castillo Dubiahöh. Resadan hatte eigentlich selbst vorgehabt in den nächsten Tagen wieder nach Punin aufzubrechen, doch war er neugierig, so vertagte er dies. Auch weil ihm die versprochene Kurzweil zusagte: Jagen und Fischen könne man und ein paar Weinschläuche auf die glorreichen Tage des Höchst Ruhmreichen und Ehrenhaften Banners der Junker Seiner Kaiserlichen Majestät leeren. Was seine Neugier nur noch mehr schürte. Natürlich wusste der Vascara, dass Juanito di Dubiana bisweilen anderen Kameraden, die nicht wie sie beide das Glück hatten aus halbwegs begütertem Hause zu stammen – oder deren Familias im Zuge des Falles des Mondenkaisers Besitz und Ehre eingebüßt hatten – nach der Auflösung der Hofjunker durch Fürst Gwain hin und wieder Obdach und Unterschlupf gewährte. Und so war es nicht schwer gewesen sich auszumalen, dass die Einladung gewisslich weniger pläsierlicher denn konspirativer Natur war.

So hatte er drei Tage lang gegrübelt, ehe ein Lakai die Rückkehr Dom Juanitos gemeldet hatte. Und schließlich hatte doch die Neugier obsiegt und am Abend des gleichen Tages hatte er sich in der Großen Halle von Castillo Dubiahöh wiedergefunden. Es stand der Herrin des Hauses wohlan, dass sie nicht versuchte mit eilig aus anderen Zimmern herbeigeschafften Möbeln, Gemälden, Teppichen und Gobelins über den heruntergekommenen Zustand des Castillos hinweg zu täuschen, der Resadan di Vascara selbst im letzten Licht der weit gen Efferd versinkenden Praiosscheibe nicht verborgen blieb. Entsprechend schmucklos und kalt wirkte der für die kleine Gesellschaft viel zu große Raum. Im Gegensatz dazu konnten sich die Speisen durchaus sehen lassen und auch der Weinkeller hatte zweifellos herbe Verluste einstecken müssen, derweil man sich – ein wenig gezwungen freilich – über Belangloses unterhielt und Höflichkeiten austauschte.

Schließlich, der letzte Gang war abgetragen, erhob sich Gujadalia di Dubiana aus ihrem Stuhl am Kopfende der Tafel – der Gast hatte den Ehrenplatz zur Rechten, ihr Sohn Juanito saß ihm gegenüber zu ihrer Linken – und hielt dem Vascara ihren linken Arm hin: „Dom Resadan, mir ist nach dem Mahl nach etwas frischer Luft. Seid so gut und helft einer alten Frau.“ Etwas überrascht sah der Angesprochene, der natürlich ebenfalls aufgestanden war, zwischen der Soberana und ihrem Sohn hin und her, doch musterte Letzterer eingehend die Tischplatte und machte keinerlei Anstalten sich zu erheben. So blieb ihm nichts anderes übrig als Domna Gujadalia den Rechten zum Unterhaken zu reichen. Viel war an der alten Dame nicht mehr dran, wie er beim Gehen feststellen musste, eine Laterne in der Hand durch verlassene Flure und Hallen, die Treppen hinauf auf den Wehrgang und schließlich auf einen der zinnengekrönten Türme. Doch so schwerfällig sie sich bewegen mochte, ihre Augen, das hatte er schon beim Festmahl bemerkt, war klar und wach und ungebrochen.

Oben angekommen hatte man einen durchaus beeindruckend zu nennenden Ausblick auf den Dubianer See hatte, in welchem sich das Madamal silbrig spiegelte. Resadan di Vascara stellte die Laterne in einer Zinnenscharte ab, sodass das Licht entsprechend gedämpft wurde und das nächtliche Panorama weniger störte. So blickten sie eine kleine Weile schweigend hinaus in die Nacht, ehe seine Begleiterin anhob: „Ich habe Euch immer für den Schlaueren der beiden Vascarabrüder gehalten, Dom Resadan. Natürlich wisst Ihr, dass mein Sohn Euch nicht aus einer Laune heraus hierher eingeladen hat. Die Götter wissen welch Einfaltspinsel er ist, doch meint er es recht.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten fuhr sie fort: „Verzeiht einer alten Frau, doch mangelt es mir mittlerweile an Geduld, daher lasst uns gleich zur Sache kommen. Eure Familia wird sich mit den de Verlez verbinden und ein starkes Band in Dubios formen. Die Dinge sind im Fluss, Dom Resadan. In der Baronie, und bald auch in der Grafschaft. Und womöglich in nicht allzu ferner Zukunft in ganz Almada. Wenn eine Eiserne Zeit kommt, dann benötigen wir alle Verbündete. Dann müssen wir jetzt bereits den Stahl für später schmieden.“ Einige Augenblicke ließ sie ihrem Gast Zeit über das Gesagte nachzusinnen, dann brach ihre Stimme abermals das Schweigen. „Und wenn die Dinge im Fluss sind, ergeben sich Möglichkeiten. Wo manche fallen müssen, können andere aufsteigen. Ihr habt es selbst erlebt, als die Hofjunker aufgelöst wurden. Ich frage mich, wo sieht ein drittgeborener di Vascara sich in zwei, in fünf, in zehn Götterläufen?“

Resadan war hin- und hergerissen zwischen dem aufkommenden Ärger wegen der kleinen Spitzen gegen seinen Bruder und ihn sowie dem schmeichelden Gefühl in so eine heikle Sache einbezogen zu werden, beinahe wie zu Zeiten des Mondeskaisers, als man von höherem träumte. Seid dem war viel Wasser den Yaquir hinunter geflossen, er war lange kein hofierter Hofjunker mehr und sein Bruder ergab sich scheinbar nur noch in alten Traditionen und eitlen Spielereien. Eine Annahme die aber auch zur Überraschung ob der plötzlichen ambitioniert anmutenden Heiratspläne in Dubios führte.
So entschied sich Resadan für das geschmeichelt sein und sein geliebtes politisches Parkett, er wollte sehen was die alte Schachtel von ihm wollte und ob er dies hinter dem Rücken seines Bruders bewerkstelligen könnte, wenn es nötig wäre, weil so wirklich wollte er noch nicht daran glauben, dass Rasdan tatsächlich größere politische Ambitionen in Dubios hatte.
Er rüttelte leicht an einem der loseren Zinnensteine des renovierungsbedürftiges Gemäuers. "Ich muss zugestehen, dass mein Bruder mich überrascht hat mit diesem Bündnis. Doch mögt Ihr ein Stück weit Recht haben mit unserem Verhältnis zueinander, daher mag ich dies vielleicht als eher glückliche Eingebung auf seiner Seite verbuchen. Glücklich weil es uns dieses erheiternde Treffen in einer lauen Nacht ermöglicht und mir daher eine Perspektive darauf, dass überhaupt etwas in fünf bis zehn Götterläufen interessantes auf mich warten könnte. Dabei lag es doch so nah, wie mir scheint. Wie Ihr sagtet, die Dinge sind ihm Fluss und der Wasserstand scheint mir nun abschätzbarer, so auch die Möglichkeiten die sich daraus ergeben." Ein Stück vom Zinnenstein bröselte unter Resadans Hand hinfort, während er fortfuhr. "Eine Eiserne Zeit also? Mir scheint um für eine solche gewappnet zu sein, müssten wir erstmal die passenden Werkzeuge schmieden und nicht etwa gleich an blinkende Klingen und Wehren denken. Was schwebt Euch vor – und viel wichtiger wie könnte ich euch helfen und was wäre mein Lohn bzw. der meiner Familia?"

„Seht Euch um, Dom Resadan“, lachte die alte Junkerin mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme. „Was könnte ich Euch schon bieten? Unsere Gemäuer sind morscher als meine alten Knochen und wenn ich noch einen einzigen Bediensteten mehr entlasse, muss der Hufschmied unseren Gästen aufwarten.“ Sie pausierte und ließ den Blick über die in der Dunkelheit liegenden Ländereien des Junkerguts San Everdo schweifen.

„Nein, Dom Resadan“, schüttelte sie ihr graues Haupt. „Die Frage ist nicht, was mir für Euch vorschwebt. Oder für Eure Familia. Sondern…“ Domna Gujadalia wandte sich zu ihm und tippte ihm mit spitzem Zeigefinger auf die Brust. „Sondern die Frage ist, in welchem Eurer Begehren wir Euch unterstützen können. Auf dass Ihr uns in unseren unterstützt. Auf dass wir Mittel und Wege finden, gemeinsam unsere jeweiligen Ziele zu erreichen. Sofern…“

Sie lachte leise und wandte sich wieder der Aussicht zu, die Stimme nach einer kurzen Pause herabgesenkt: „Sofern sie denn miteinander in Einklang zu bringen sind.“

Resadan schauderte etwas als der alte, knochige Finger seine Brust auf Herzhöhe berührte, ließ sich dies aber nicht anmerken. Stattdessen setzte er seinen weit gefürchteten "Durchdringenden Blick" ein und schaute der alten Dubiana direkt in die Tiefe ihrer Augen, was wiederum ein etwas unbehagliches Kribbeln bei ihr hervorrief. Erneut bröckelte er etwas am Gemäuer rum. "Ihr habt Recht, anscheinend ist meine Intuition etwas eingestaubt, verehrte Domna. Meine Interessen liegen allerdings außerhalb Dubios, was vmtl. gut für eine Zusammenarbeit ist, sofern ich eure weitreichenden Absichten richtig interpretiere. Gehe ich da Recht in der Annahme, dass Euch starke dubianer Bündnisse interessieren, weil Ihr alte "Ungerechtigkeiten" ausbügeln möchtet?", Resadan zwirbelte am seinem feinen Schnauzer. "Was mich angeht, ich misse die Tage an denen Almada wieder eine kurzzeitige Bedeutung innehatte und ich darin eine Rolle spielte, eurem Sohn wird es da ganz ähnlich gehen. Ich will dahin zurück, zumindest will ich nicht weiter in der Bedeutungslosigkeit dahin vegetieren, mein Name soll in Punin oder auch meinethalben erstmal Ragath wieder Gewicht haben." Er verzog sein Gesicht. "So werde ich versuchen meinem Bruder, über die glückliche Eingebung hinaus, diese Linie halten zu lassen und Euch bei Gesprächen mit den de Verlez zur Seite stehen. Evtl. ist die Hochzeit meiner Schwester auf Tyras dafür genau die richtige Gelegenheit, selbst wenn mein Bruder nur eigenes im Sinn hat. Wie stehen wir also zueinander, werte Domna?"

Seine Gastgeberin zuckte mit den Schultern: „Überall dort, wo Tyrannen am Werke sind, müssen sich ihre Vasallen zusammen schließen, wenn sie diese Tyrannen überdauern wollen. Und wenn diese Tyrannen Freunde, Verbündete jenseits der Baroniegrenzen haben, so müssen auch wir Freunde und Verbündete jenseits der Baroniengrenzen gewinnen. Aber ein sicherer Sitz im Sattel hier in der Baronie wäre der erste Schritt, gewiss.“

Daraufhin erfolgte ein sachtes Lächeln in den faltigen Zügen. Offensichtlich gefielen ihr seine Ausführungen. „Ich mag Eure Ambitionen, Dom Resadan“, nickte sie. „Gewisslich werden wir unsere Freunde nicht vergessen, auch über Dubios hinaus. Graf Brandil wird nicht ewig leben, und viele sehen es als nicht so selbstverständlich an wie seine Zweitgeborene, dass sie seine Erbin unter ihre Fittiche nehmen wird. Und der Fürst wird sogar noch früher sterben, und niemand kann heute sagen, wer ihm nachfolgen wird. Wandel bringt Gelegenheit, es werden eher früher als später Posten, Pfründe und Titel zu vergeben sein. In der Grafschaft wie im Königreich.“

Sie bleckte die Zähne dergestalt zu einem Grinsen, dass Resadan di Vascara selbst im gedämpften Licht erkennen konnte, dass das Gebiss der Alten erstaunlich vollzählig war. „Ich würde Euch ja meine Tochter zur Gemahlin anbieten, um unser Bündnis zu besiegeln, doch wird sie mir dereinst hier auf Dubiahöh nachfolgen. Und ich hatte Euch nicht so eingeschätzt – und auch gerade nicht so verstanden – dass es Euer bestreben ist als Nachgeborener an der Seite einer Junkerin zu herrschen. Aber vielleicht fällt Euch ja jemand ein, den wir auf diese Weise für unsere Sache…“, sie verbesserte sich mit verschwörerisch herabgesenkter Stimme: „…für unsere Sachen…gewinnen könnten.“

Resadans Gesicht knautschte sich etwas skeptisch - oder nachdenklich, je nach Blickwinkel. Im Kopf prüfte er seine Optionen, musste aber feststellen, dass er tatsächlich etwas eingerostet war. Schließlich fand er aber Worte: "Werte Domna, ich stimme Euch vollumfänglich zu. Gelegenheiten machen Bündnisse und bringen mannigfaltige Optionen." des Vascaras Züge entspannten sich zu einem gewinnenden Lächeln. "Optionen, die mal mehr mal weniger sofortigen Handlungsbedarf bedürfen. Daher habt ihr recht, wir müssen uns jetzt aufstellen, aber eine weitere Hochzeit bedarf es NOCH nicht. Das könnte schlafende Hunde wecken. Dennoch werde ich eurer Familia, wie gesagt, bei Gesprächen mit den de Verlez, während der Hochzeit auf Tyras, behilflich sein. Desweiteren möchte ich als weiteren Schritt vorschlagen, dass ich und Euer Sohn gemeinsam an unsere alte Wirkungsstätte reisen und dort versuchen alte Bande zu knüpfen, gleiches sollten wir in der Grafenstadt tun. Dies wird uns Spesen kosten, gemeinsam aus Eurer, meiner und der Kasse der de Verlez könnten wir solche decken. Das wäre ein Anfang, was meint Ihr?" Resadan war mit der Entwicklung zufrieden, er konnte beobachten was sich ergab und hatte noch alle Optionen offen.

„Gewiss, gewiss…“, lächelte die Alte, ohne den verschwörerischen Unterton zu verlieren. „Keine schlafenden Hunde wecken, gewiss Dom Resadan.“ Einen Moment erwog sie seinen Vorschlag und nickte schließlich: „Einverstanden. Ich werde meinem Sohn erlauben gegebenenfalls Verhandlungen über ein Ehebündnis zu initiieren. Sei es für meine Tochter, sei es für ihn selbst. Mir wäre es lieber ich könnte meine Tochter schicken, doch sie an Eurer Seite…das könnte…“ sie gluckste vergnügt, als sie die Redewendung wiederholte „…schlafende Hunde wecken. Mein Tropf von einem Sohn hingegen wird keinen Verdacht erregen. Zwei ehemalige Hofjunker am Ort ihres früheren Wirkens, da sollte niemand Verdacht schöpfen. Versprecht mir nur, Dom Resadan, dass Ihr ihn an der kurzen Leine haltet. Wenn Ihr ihn zu viel alleine entscheiden lasst, stellt er nur irgendeinen Unsinn an. Ich werde ihn entsprechend instruieren.“

Sodann schürzte sie die Lippen und legte den Kopf schräg. „Und um Silber macht Euch mal keine Sorgen, mein Lieber. Wir mögen hier auf Dubiahöh den Gürtel enger schnallen müssen, aber wider dem Tyrannen finden sich immer Geldmittel. Oder glaubt Ihr, dass die Neuadligen, die betuchten Kaufleute von Quirod bis Franfeld besonders erpicht darauf sind, dass dereinst ein erklärter Alt-Answinist und seine verzogene Vettel in der Grafschaft das große Wort führen? Silber…“, nickte sie zufrieden und ließ wieder ihren Blick über den mondsilbernen Widerschein des Madamals auf den Wassern des Dubiasees unter ihnen schweifen „…ist die geringste unserer Sorgen.“

Bedächtig nickte Resadan, er spürte wie langsam ein altes Lebensgefühl zurückkehrte, sein Dasein würde wieder etwas angenehmer werden. Also tippte er an seine Hutkrempe und erwiderte: "Hochgeschätzte Domna, es hört sich ganz danach an als hätten wir eine Vereinbarung. Und seid euch gewiss, euren Sohn werde ich, aus eigenem Interesse, im Auge haben. Ich kenne ihn und weiss mit ihm umzugehen, so wird er uns eine große Stütze sein. So soll es sein, den ersten Schritt machen wir auf Tyras."


Capitale Punin, des Nächtens in einer Schenke in SerenoBearbeiten

Autor: Der Sinnreiche Junker

"Seht wen ich gefunden habe!", rief Juanito di Dubiana aufgeregt und zog einen sichtlich angetrunkenen Kerl ins Blickfeld Dom Resadans. Etwas mürrisch blickte der Vascara von seinem Weinkrug auf. Bislang hatte ihre Reise in die Capitale nur wenig Früchte getragen. Sie hatten einige frühere Kameraden aufgetrieben, Hofjunker, die nach dem Fall des Mondenkaisers ob der wenig ruhmreichen Rolle des Höchst Ruhmreichen und Ehrenhaften Banners der Junker Seiner Kaiserlichen Majestät in jener Zeit nicht oder nicht mehr über die Connexes verfügten eine Position im Dunstkreis der Mächtigen zu halten. Und die ihnen seither ob der Aussicht auf Rehabilitation, feste Anstellung und Aufstieg im Zuge einer Querella oder sonstigen anstehenden Veränderungen im Wesentlichen nur auf der Tasche gelegen waren. Wenn die alten Kameraden freilich genauso tüchtig fochten wie sie soffen, hätten sie durchaus eine schlagkräftige Truppe beisammen. Und scheinbar hatte der Dubiana einen weiteren Trunkenbold aufgetan.

Resadan di Vascara fixierte den Schwankenden mit prüfendem Blick und versuchte unter dem ungepflegten Bart den früheren Kameraden zu erkennen. Doch obwohl ihm die Züge bekannt vorkamen, konnte er den Mann nicht recht einordnen. Die einstmals durchaus vorzeigbare Garderobe hatte sichtlich gelitten, war an einzelnen Stellen zerschlissen, doch zeugten vor allem diverse Flecken - nicht nur vom Weine - dass die Zechtour des Mannes nicht erst an diesem Abend begonnen hatte. Wenig verwunderlich, dass der Mann mitunter mehr an Juanito di Dubiana, der ihn am Arm gegriffen hatte, lehnte, als dass er stand. Fragend hob sein Kamerad die Augenbrauen und wechselte den Blick zum feixenden Dom Juanito, der ganz offensichtlich mächtig stolz darauf war, dass er den Mann erkannt hatte und Resadan di Vascara nicht. "Servando Cronbiegler!"

"Dom Servando, wenn's beliebt!", straffte sich der solchermaßen Vorgestellte einen kurzen Augenblick, um dann aber gleich wieder gegen seinen Begleiter zu taumeln. "Oder...doch kein Dom mehr? Ich weiß es gar nicht...", kicherte er lallend, derweil er vom Dubiana auf einen Stuhl gegenüber von Dom Rasdan bugsiert wurde. Andächtig sah Servando Cronbiegler dabei zu, wie Dom Juanito ihm einen Weinkrug füllte und vor die Nase stellte. "Dom Servando ist einer von Graf Brandils Caballeros", erklärte er dabei, falls sein Kompagnon den Neuankömmling immer noch nicht einzuordnen vermochte. "Ehemaliger Caballero des Grafen", korrigierte der Mann ihn und gönnte sich einen ordentlichen Schluck aus dem Weinkrug. "Daher vielleicht ja auch eher 'ehemaliger Dom'. Wer weiß das schon so genau." Er lachte wie nur Betrunkene über ihre eigene Rede lachen konnten.

Es bedurfte nicht mehr allzu viel des Weines um dem ehemaligen Gefolgsmann Graf Brandils auch gegenüber Resadan di Vascara seine Geschichte zu entlocken. Bereits seit geraumer Zeit tobte am Hofe zu Ragath ein Machtkampf zwischen Rondrigo vom Eisenwalde, dem alten Castellan des Grafen und dessen Schwiegersohnes, Hernán von Aranjuez. Sukzessive verdrängte dieser die Vertrauten und Verbündeten des Castellans und ersetzte sie durch seine Gefolgsleute, zweifellos um dereinst Graf anstelle des Grafen zu werden. Nun hatte es zuletzt auch den Nebenbuhler des Tyrannen erwischt, dessen bekanntermaßen gutes Verhältnis zu dessen Gemahlin Rahjada von Ehrenstein-Streitzig ihm gewisslich schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge war. "Mit einem doppelten Monatssold hat man mich aus den Diensten Graf Brandils entlassen", klagte der ehemalige Caballero lallend. "24 Götterläufe treuer Dienste, einfach beiseite gewischt mit einem Federstrich und einem doppelten Monatssold." Offensichtlich hatte er diesen in den letzten zwei, drei Wochen auf den Kopf gehauen.

Plötzlich lachte der Gefallene dergestalt laut auf, dass seine Mitzecher zusammenzuckten und sich an den Nebentischen Köpfe um wandten. "Doch das Beste daran ist...", neigte sich Servando Cronbiegler mit verschwörerisch herabgesenkter Stimme nach vorne, wenngleich sein ob der Trunkenheit leicht debiles Grinsen und ein halb herabsenktes Augenlied der Gravität des Augenblicks etwas Abbruch taten. "Das Beste daran ist, dass es alles eine Kabale ist. Ausgeheckt von Domna Rahjada. In Wahrheit bin ich weiterhin ein treuer Gefolgsmann Seiner Hochwohlgeboren. Ein treuer Gefolgsmann der Comtessa. Es ist alles nur zum Schein, um das Vertrauen ihrer Feinde zu erlangen. Und diese dann zu verderben." Wieder folgte ein betrunkenes Lachen.