Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 22

Brief, Hut und Kartenspiel

Wie Leonora vom Berg ihren ersten Knappendienst leistete.


Baronie Taubental, 3. Travia 1033 BFBearbeiten

Im Rahjakloster Santa Catalina (frühmorgens)Bearbeiten

Autor: vivar

Leonora war aufgeregt. Gleich am Morgen nach ihrer Ankunft zu Santa Catalina hatte ihr Herr ihr eine Aufgabe erteilt. Sie sollte einen wichtigen Brief überbringen! Noch während die Praiosscheibe mühsam über die Altoshöhen kletterte und die Hügel von Aralar in ihr fahles Morgenlicht tauchte, eilte die blondgelockte Knappin des Barons im Taubental die Stufen hinauf, die zum Kloster führten. Nach wenigen Fragen wurde sie in das Hospitium vorgelassen, wo sie ein verschlafener Ardan von Kündoch abfing.

"Was willst du zu dieser Morgenstund' schon hier?"

"Mein Herr, Seine Hochgeboren León de Vivar, schickt diesen Caldabreser und dieses Kartenspiel, accompagniert mit diesem Brieferl von eigener Hand, Ihrer Hochwohlgeboren der Comtessa", brachte Leonora, etwas außer Atem, hervor.

Dom Ardan wedelte mit der Hand. "Na, gib schon her. Ich werde es der Comtessa beim Morgenmahl überreichen. Sie ruht noch."

Die zwölfjährige mit der Löwenmähne zog zunächst einen Schmollmund, händigte dann aber widerstrebend Hut, Kartenspiel und Brief aus und machte auf dem Absatz kehrt. Bestimmt gab es bald neue Aufgaben!

Der Leutnant blickte der jungen Knappin einen Augenblick hinterher, schüttelte dann den Kopf und schaffte es gerade noch, der Novizin Rahjanetta die Gaben des Barons auf das Frühstückstablett zu schieben.

Als Domna Romina wenig später ihr Morgenmahl - gebackene Taubeneier, Tosch Murer Nussbrot, gebratener Speck und verdünnten Wein - einnehmen wollte, stellte sie zufrieden fest, dass ihr Caldabreser wieder da war. Da war von Kündoch aber schnell gewesen! Dann erste entdeckte sie verwundert den mit einer Lilie versiegelten Brief, auf in großzügig geschwungener Handschrift zu lesen war:

"Ihrer Hochwohlgeboren, der Comtess Romina Alba von Ehrenstein-Streitzig
- privatim -"

Die Comtessa erbrach das Siegel und las:

Gruß und Segen in Rahjam, treusorgende Schirmerin aller Rosen, die zu ihrer Zierde blühen!

Obschon Ew. Hochwohlgeb. unerwarteter Aufbruch von meiner Tafel mich in basses Erstaunen versetzt und erstaunet hat, repraesentiere Ew. Hochwohlgeb. ich dieses Brieflein mit dem gebührenden untertänigsten Respekte folgendes: Dass Ew. Hochwohlgeb. spätabendl. Besuch am gestrigen Tage in meiner bescheidenen Stuben mir herzlichste Freude und höchste Ehre bereitet, so ich selbst durch unaussetzliches Sollicitieren und beharrliches Werben zu hoffen nicht gewaget; dass ich mich in der gestrigen Nacht mit einem seligen Lächeln an jener Stelle, wo Ew. Hochwohlgeb. Lippen von den meinigen berührt werden durften, dem Gevatter in die Arme geworfen und mit selbselbigem Lächeln am heutigen Morgen wieder erwachet bin, nur um sogleich diese Zeilen abzufassen.

Gleichfalls gratificiere ich Ew. Hochwohlgeb. für die gnädigste Überlassung Ew. Hochwohlgeb. Handschuhe, Caldabreser und Spielkarten, so ich durch Ew. Hochwohlgeb. Hände bekommen. Den Hut und das Kartenblatt sende ich Ew. Hochwohlgeb. untertänigst mit diesem Brieflein zurück, hoffend, dass der eine Ew. Hochwohlgeb. vor der allzu warmen Traviensonnen protectieren, die in diesen Hochtälern eine gewisse, der Gesundheit bisweilen abträgliche Kraft entfaltet, vor der ich - das wünsche ich von den allmächtigsten Göttern aus innerstem Herzen - Ew. Hochgeb. liebreizendes Antlitz gerne beschützet wüsste, das andere Ew. Hochwohlgeb. zur Kurzweil in diesem bisweilen wenig plaisierlichen Tosch Mur dienen möge.

Ew. Hochwohlgeb. Einverständnis vorausgesetzt, werde ich Ew. Hochwohlgeb. Handschuhe als allerliebstes Pfand bis zu einem Wiedertreffen, so ich aus allerlei Conventien und absonderl. Inclination meiner bescheidenen Person Ew. Hochwohlgeb. gegenüber spätestens am heutigen Abend erhoffe, da in der Halle Unserer Lieben Rosenfrau der Reigen der Feierlichkeiten zu Ehren Santa Catalinens eröffnet wird, behalten.

Ew. Hochwohlgeb. untertänigster Diener

León de Vivar.

-Der Brief Dom Leóns an Domna Romina