Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 22

In der Baronie Selaque, 3. Rondra 1033 BF

Auf Burg Albacim


3. Rondra, morgens

Autor: SteveT

Am Morgen nach Domnatella Rominas Alptraum war im herrschaftlichen Speisezimmer im Palas von Castillo Albacim, wo die Grafentochter und der Castellan schon am Abend zuvor zu Gast gewesen waren, eine noch weitaus größere und längere Tafel eingedeckt. Die Comtessa und der Castellan saßen wieder zur linken und zur rechten Seite der Gastgeberin, Domna Praiosmin, die am Kopfende der Tafel thronte, von wo aus sie die ganze Schar ihrer Gäste gut im Blick hatte.

Auch die junge Zaida, der kleine Praiodor und sogar Dom Gendahar waren diesmal ausdrücklich an die Tafel der Reichsvogtin geladen worden. Sie hatte man am weit entfernten, jenseitigen Ende des sechs Schritt langen Tisches platziert, und zwischen ihnen und der Hausherrin saßen noch Caballera Lilithrud Ernathesa von Silvansbühler, Caballero Servando Cronbiegler sowie - den Vorgenannten gegenüber - ein weiterer, bislang unbekannter Caballero aus Praiosmins Gefolgschaft, den man den Gräflichen als Dom Azzato von San Owilmar vorstellte. Nur Golshan als Wilde hatte man nicht an die Tafel der Vogtin geladen und ihr stattdessen einen Napf mit Weizengrütze auf ihre Kammer gebracht, die sie sich auf ausdrücklichen Wunsch der Comtessa mit dieser geteilt hatte, was unter dem Gesinde von Burg Albacim zu vielerlei Getuschel führte.

Praiosmin war ihre gestrige nächtliche Interrogatio drunten in der Folterkammer nicht anzusehen. Da sie ohnehin immer tiefhängende Tränensäcke und schlaffe Wangen hatte, sah sie im Grunde genommen aus wie immer - nur ihr dünnes Spinnwebhaar war heute, dem würdevollen Anlass entsprechend, besonders kunstvoll von Valbetta hochgesteckt und zu einer akkuraten Duttfrisur geformt worden.

Von der Comtessa konnte man dergleichen nicht behaupten - tiefe Augenringe gaben Zeugnis von ihrer kurzen Nacht inklusive dem verstörenden Traum mit Aureolus.

An eben diesen dachte auch dessen Mutter einen Augenblick lang, während sie in ihrer heißen Rosinengrütze mit Benbukkel rührte. Seine Kammer war leer gewesen, als sie ihn heute früh hatte aufsuchen wollen - niemand vom Gesinde hatte ihn seit gestern Abend mehr gesehen. Ob er etwa bereits auf eigene Faust aufgebrochen war, um mit seiner scheußlichen arkanen Lehrmeisterin Mordaza Maraneta Kontakt aufzunehmen? Praiosmin überlief beim bloßen Gedanken an diese Frau sofort ein eiskalter Schauer, und so wandte sie ihre Aufmerksamkeit lieber ihren Gästen zu, die es weiter in Sicherheit zu wiegen und gleichzeitig auszuhorchen galt.

"Fehlt es Euch an etwas, meine Liebe?", wandte sie sich mit zuckersüßer Liebenswürdigkeit an Romina-Alba. "Ihr seht heute etwas unwohl aus."

"Mit Verlaub, das finde ich überhaupt nicht, Euer Hochgeboren!", sprang der Grafentochter unerwartet der junge Ritter Azzato zur Seite, der Romina-Alba schon die ganze Zeit mit verstohlenen Seitenblicken gemustert hatte. "Hätte ich gewusst, dass unser hoher Graf eine so bezaubernde Tochter hat, so hätte ich meine Knappenschaft sofort an seinem Hof verbracht."

Mit einem strahlenden Lächeln reichte er Romina-Alba über die lange Tafel hinweg das Brett mit dem angeschnittenen frischen Brotlaib - statt ihrer nahm es ihm aber der junge Servando Cronbiegler aus der Hand, der ihm schnippisch entgegnete: "Na ja, wer weiß ob man Euch dort überhaupt für gut genug befunden hätte."

Der Blick, den die beiden daraufhin tauschten, war kälter als die Grimmfrostöde, und die Reichsvogtin dachte amüsiert stumm bei sich: 'Sieh an, die zwei aufgeplusterten Gockel buhlen um die Gunst der schönsten Henne.' Von hinten trat derweil ihr Majordomus Zalameos an sie heran und flüsterte ihr ins Ohr: "Hochgeboren! Domna Morena von Harmamund ist soeben drunten im Hof eingetroffen. Sie erbittet von Euch empfangen zu werden."

"Das trifft sich gut!", nickte Praiosmin. "Ich habe Pläne mit ihr! Führ sie herein! Sie möge sich zu uns gesellen."

"Wie sehen nun Eure weiteren Pläne aus?", wandte sie sich danach mit entschuldigendem Lächeln wieder an Romina und blickte nach dieser auch den Castellan und Gendahar direkt an.


Autor: Romina Alba

Domna Romina versuchte, sich auf das Mahl und die Konversation zu konzentrieren, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu diesem eigenartigen Traum. Sie nahm sich vor, den Boroni ihres Vaters danach zu fragen, verwarf den Gedanken gleich wieder und nahm sich als nächstes vor, selbst den Borontempel aufzusuchen. Doch auch dort könnte es sein, dass man ihren Vater über solch einen Traum informierte.

Warum nur träumte sie von diesem jungen Magier?

Unter dem Tisch fühlte sie eine kurze Berührung an ihrem Fuß, sie sah auf und direkt in die streng auffordernden Augen von Dom Rondrigo. Verwirrt bemerkte sie, dass sie sinnlos in ihrer Grütze rührte und dabei vom gesamten Tisch beobachtet wurde.

Dom Rondrigo wandte sich an die Vogtin.

"Verzeiht, Euer Hochgeboren. Wie ihr selbst seht, leidet die Comtessa noch unter den Nachwirkungen ihrer Gefangenschaft." Er räusperte sich und tauschte einen Blick mit Dom Gendahar. "Wir gedenken gleich nach dem Frühstück aufzubrechen, um Domnatella Romina in die Obhut zu bringen, derer sie bedarf, um sich gänzlich von den schrecklichen Erlebnissen zu erholen."

Die Domnatella schenkte dem Castellan einen giftigen Blick, was diesen zutiefst zu befriedigen schien. Nach einem kurzen Augenduell wandte sich jetzt die Grafentochter an die Elenterin.

"Der Castellan meines Vaters hat recht, edle Vogtin." Zuckersüß lächelnd sah sie zu der Frau auf. "Ich habe nicht gut geschlafen und benötige wohl einen Boroni, um meiner Alpträume Herr zu werden. Ich träumte von einem goldäugigen, blonden Jüngling, der mir bei den Ferkinas begegnet war. Er wollte mir helfen, doch er schien trotz seiner sanften Schönheit unberechenbar und böse zu sein. Selten in meinem Leben passierte mir Eigenartigeres. Weswegen sollte ein junger Schwarzmagier, der es mit den Ferkinas hält, mir helfen wollen, aber alle anderen verdammen? Ihr seid eine praiosgläubige Frau, bitte betet für uns. Möge der Fürst ihm seine goldenen Augen nehmen, wenn er den Rechtgläubigen Schaden zufügt!"

Die junge Frau betrachtet Domna Praiosmin unablässig, jede Regung in sich aufnehmend.


Autor: SteveT

"Wie bedauerlich, dass Ihr uns schon so schnell wieder verlassen wollt!", hatte Praiosmin von Elenta auf das Vorhaben des alten Castellans entgegnet. Dann aber, als die Comtessa haarklein ihren nächtlichen Traum schilderte, entglitten ihr für einen kleinen Moment ihre Gesichtszüge. Ihre Augen weiteten sich ungläubig, und auch ihr Mund stand für einen kurzen Moment offen, was während des Essens keinen allzu appetitlichen Anblick bot. Schnell aber fasste sie sich wieder und kaute auffällig in aller Seelenruhe weiter, als müsse die weiche Rosinengrütze vor dem Schlucken erst aufwendig zermahlen werden.

Was hatte ihr Sohn mit diesem blonden Klappergestell zu schaffen? War er gestern Nacht etwa sogar in ihrer Kammer gewesen und deswegen heute Morgen ohne jede Verabschiedung spurlos verschwunden, und diese miese kleine Dirne redete sich nur ein, dass es ein Traum gewesen war, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen? Recht hübsch war sie ja, das musste Praiosmin neidvoll anerkennen, der junge Caballero von San Owilmar hing mit seinen öligen Stielaugen an ihr, als wäre die Heilige Rahja höchstselbst aus Alveran herabgestiegen.

"Ein blonder Jüngling mit goldenen Augen", kicherte Praiosmin geziert und schüttelte den Kopf darüber. "Wann hat man so etwas schon gehört? Es gibt keine Menschen mit güldenen Augen - nur die Alveraniare unseres Herrn, des Götterfürsten, sehen dergestalt aus! Ein Boroni sagte mir einmal, Träume dienten der Reinigung der Seele. Ich halte nichts von dieser These, denn ein rechtschaffener Mensch hat auch nur rechtschaffene Träume! Ihr solltet Euch also fragen, mein Kind, was so einen schmucken blonden Jüngling in Eure Träume geführt haben könnte ..." Sie grinste anzüglich.

Ihr Majordomus Zalameos und der junge Azzato von San Owilmar hatten indes bei Rominas Ausführungen überrascht aufgeblickt und glotzten dann nicht minder überrascht ihre Herrin an, ehe Letzterer schließlich mit seinem Frühmahl fortfuhr. Die Beschreibung der Comtessa hatte ja beinahe haargenau auf Ramin, das hochnäsige Mündel Domna Praiosmins gepasst, der sich auf Castillo Albacim oft aufspielte, als wäre er nicht etwa nur ein gemeiner Zögling der Burgherrin, sondern selbst der leibhaftige Herr der großen Burg. Sonderbar, dass der Herrin dies nicht ebenfalls auffiel - sie kannte doch selbst jemanden mit so sonderbar goldgelber Augenfarbe.

Ehe sie diesen Gedanken weiter vertiefen konnten, öffnete sich die lederbespannte Tür des Speisezimmers und eine den Gräflichen bereits wohlbekannte, schwarzhaarige Edeldame mittleren Alters trat ein.

"Hochedle Domnas und Doms," stellte sie Haushofmeister Zalameos sogleich mit tragender Stimme vor, "Ihro Wohlgeboren Morena von Harmamund!"


Autor: Romina Alba

Domna Romina nahm jede Regung der Vogtin auf, konnte damit aber nicht viel anfangen. Kurz wirkte die feiste Frau betroffen, doch zu schnell war dieser Augenblick vorbei. Es konnte gut sein, daß ihre Betroffenheit Rominas Redseligkeit zuzuschreiben war. Schlieslich war es nicht schicklich, solch einen Traum am allgemeinen Frühstückstisch zu erzählen. Was hatte die Comtessa da nur geritten. Die Mienen sowohl Dom Rondrigos als auch ihres Onkels sprachen Bände. Sie wurde auch prompt rot, als die Bemerkungen von Domna Priaosmin anzüglich wurden. Die beiden Doms tauschten einen Blick, der Castellan hob an zu Reden, als Morena von Harmamund den Raum betrat und alle Aufmerksamkeit auf sich zog.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Die Züge Servando Cronbieglers schienen regelrecht erfroren, als die fette Vogtin sich dergestalt lustig machte. Und diesem Gecken auf der anderen Seite des Tisches hätte er auch nur zu gerne das ölige Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Zu schade, dass sie so bald aufbrechen mussten, ein oder zwei Runden mit Übungsschwertern im Burghof, und der Caballero von San Hinterwald hätte schon gesehen, dass man am gräflichen Hofe aus anderem Holze geschnitzt sein musste, als hier draußen am Rande der zivilisierten Welt. Nachdem nun freilich Dom Gendahar und Dom Rondrigo scheinbar noch zu pikiert über die Offenheit Domna Rominas waren, war es an ihm auf Domna Praiosmins Ausführungen hin zu murmeln: „Die Anrede lautet nicht mein Kind, sondern Comtessa oder Euer Hochgeboren.“

Bevor nun freilich die Elenterin hierzu Stellung nehmen konnte, rauschte auch schon Morena von Harmamund herein. Noch staubig vom Ritt, war offensichtlich, dass etwas die schöne Domna verärgert hatte, sodass sie sich auch gar nicht großartig mit Höflichkeiten aufzuhalten gedachte. Nach einem kurzen Neigen des Hauptes gegenüber den übrigen Anwesenden, und einem hastigen „Domnas y Doms.“, fixierten ihre Augen Praiosmin von Elenta. „Domna Praiosmin, soeben komme ich von meinem Castillo. Man hat mir dort den Einlass verweigert, Eure Leute haben mir den Einlass verweigert! Und nicht nur das, sie haben sich einer direkten Anordnung meines Onkels nicht nur widersetzt, sondern die schriftliche Order zerstört! Von der Gefahr unter die Wilden zu fallen einmal ganz zu schweigen. Was hat das zu bedeuten?“

Immerhin, trotz ihres Zornes hatte die Harmamunderin es vermieden jenes fragliche Castillo genauer zu benennen, sodass die meisten Anwesenden sich wohl zusammen reimen mussten, um welches Castillo es sich dabei wohl handeln mochte. Morena von Harmamund jedenfalls gönnte sich erst einmal einen großen Schluck aus dem Kelch, den ihr ein Diener schon seit geraumer Zeit auf einem Tablett zur Verfügung hielt …


Autor: SteveT

"Euch schickt der Himmel, meine Gute!", begrüßte Praiosmin ihre angehende Lehnsvasallin mit einem strahlenden Lächeln. "Vergesst einmal das Castillo, welches - wie Ihr richtig sagtet - noch immer von den Meinigen gehalten wird. Solange es nicht zurück an unser beider Feinde fällt, ist ja alles in bester Ordnung."

Morenas Augen, die sich bei diesen Worten zu Schlitzen verengten, verrieten ihr, dass die junge Harmamund ganz anders darüber dachte - darum fuhr Praiosmin gleich in ihrer Rede fort, ehe diese ihr widersprechen konnte. "Zunächst einmal habe ich eine kleine Aufgabe für Euch, die Eure Eignung als meine Lehnsfrau in proscriptione auf die Probe stellen wird! Ich habe gestern Abend die Information erhalten, wo sich die treulos verräterische Aufwieglerin Rifada da Vanya herumtreibt - Praiosseidank wurde sie offenbar gefangen gesetzt und sitzt zur Zeit in einem Verlies am Schwarzen See in Schrotenstein. Ich will, dass Ihr mit einem Aufgebot dorthin zieht, die Verräterin dingfest macht und sie dann hierher schafft, damit ich ein Urteil über sie sprechen kann, auf dass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt wird."

Bei diesen Worten hatte sie die Comtessa, Zaida und Gendahar sehr genau im Auge behalten - sie wusste genau, dass diese bis vor wenigen Tagen zusammen mit der Lehnseidbrecherin gereist waren.

"Derjenige, der sie fasste", fuhr Praiosmin unterdessen an Morena gewandt fort, als sprächen sie zu zweit und nicht vor einem Dutzend Personen, "ein Raubritter und Schnapphahn mit Namen Gasparo, ist wohl so dumm zu glauben, uns mit der Verräterin erpressen zu können. Tausend Dukaten - man stelle sich das nur vor! - verlangt er für die Herausgabe der Schurkin - aber von mir wird er keinen roten Kreuzer bekommen, ganz im Gegenteil! Ihr werdet diesem Menschen klarmachen, dass er nur auf meine Nachsicht und meine Gewogenheit hoffen kann, wenn er Euch die Treulose sofort und ohne Bedingungen übergibt. Ziert er sich oder zeigt sich verstockt, so legt ihr sein Castillo in Schutt und Asche, das meiner Erinnerung nach sowieso schon einer halben Ruine gleicht!

Der edle Dom Azzato von San Owilmar hier," sie deutete auf den jungen Mann, der aus seinem träumerischen Anhimmeln von Romina hochschreckte, "wird Euch als Euer Adjutant begleiten! Draußen im Burgvorhof lungern genug wehrfähige junge Burschen und Maiden herum, die mir in Krisenzeiten wie diesen allesamt den Dienst an der Waffe schuldig sind! Nehmt so viele von ihnen mit, wie Ihr als nötig erachtet - zwanzig, dreißig, vierzig oder meinetwegen fünfzig - aber bringt mir dieses verrückte Mörderweib Rifada da Vanya! Da ich alle Waffen aus ihrer Burg konfisziert habe - Aberdutzende von Schwertern, Säbeln, Spießen, Rüstungen, Helmen - braucht Ihr Euch um die Armierung unseres Aufgebots keinerlei Sorgen zu machen - wir werden die Verrückte mit ihren eigenen Waffen schlagen, im wahrsten Sinne des Wortes höhöhö!"

Die Reichsvogtin lachte glucksend und wandte sich dann an Castellan Rondrigo vom Eisenwalde: "Ihr tragt Euch doch gewiss ebenfalls in der Absicht, Exzellenz, über Schrotenstein nach Ragath zurückzukehren? Ihr und die Euren könntet also mit Domna Morena und meinem Aufgebot gemeinsam bis an den Schwarzen See ziehen, denn so genießt Ihr das Geleit eines kopfstarken Kriegshaufens, und die Meinigen genießen im Umkehrschluss den Schutz des gräflichen Banners - nur für den Fall, dass irgendwelche Briganten oder Rebellen entlang des Weges Unfrieden suchen ..."


Autor: Der Sinnreiche Junker

Rondrigo vom Eisenwalde furchte skeptisch die Stirn, und tauschte einen kurzen Blick mit dem Streitziger. Dieser schien freilich ihm das Reden überlassen zu wollen, und so räusperte sich der alte Castellan vernehmlich, ehe er sachte das greise Haupt schüttelte. „Ich bedaure, doch müssen wir Euer großzügiges Angebot ausschlagen, Domna Praiosmin. Der Ara…man war so freundlich uns Reittiere zur Verfügung zu stellen, und wir gedenken bestmöglichen Gebrauch von ihnen zu machen. Euer Fußvolk würde unsere Reise nur unnötig verlängern.“

Ein wenig sackte Servando Cronbiegler bei der Entscheidung seines Vorgesetzten zusammen, hatte er sich doch über die Gelegenheit gefreut, diesem Schmierlappen von einem Caballero womöglich doch noch eins auswischen zu können. Einen Augenblick später aber saß er wie manch andere auch wieder kerzengerade in seinem Stuhl, als nämlich der gräfliche Castellan die Höflichkeit aus seiner Stimme verbannte, und stattdessen Bestimmtheit und Warnung an ihre Stelle traten. Und Lautstärke knapp an der Grenze zur Unhöflichkeit: „Darüber hinaus weise ich Euch darauf hin, dass die Baronie Schrotenstein nicht Eurer Iurisdiktion unterliegt. Sondern der Ragaths. Offen gestanden erscheinen mir die Vorgänge in Selaque alleine schon befremdlich genug, doch ist dies ein Belang über den Seine Kaiserliche Majestät zu urteilen haben wird. Alles was hingegen die Vasallen Seiner Hochwohlgeboren betrifft, habt Ihr zunächst dem Marmorthrone vorzutragen. Ich kann Euch also nur eindringlich raten, Euren Streit nicht weiter auszudehnen…“


Autoren: SteveT, Romina Alba

Praiosmins Lächeln verschwand während Rondrigos Rede so schnell, wie es erschienen war, und wütend blitzten ihre stechenden Augen den Castellan an: "Landschädlichen Leuten ein für allemal das Räuberhandwerk zu legen, ist eine Tat, die die Grafenkrone gutheißen sollte - eine Tat, die eigentlich in ihren Verantwortungsbereich fallen würde. Sie wäre für den Landfrieden der Grafschaft bedeutsamer, als seine Kräfte darob zu verzetteln, fortgelaufene Domnatellas wieder heimzuschaffen oder kaiserlichen Beamten bei der Ausübung ihrer Pflichten hineinzureden! Euer Dienstherr ist nicht der meinige - also reist, wie Ihr es für richtig haltet, aber verleidet mir nicht meine Gastfreundschaft mit unerbetenen Zurechtweisungen!"

Die Reichvogtin wandte sich vom Castellan ab und würdigte ihn demonstrativ keines weiteren Blickes mehr. Stattdessen nahm sie ihre Schüssel auf, schlürfte den Rest der Rosinengrütze in einem einzigen Zug hinunter und setzte die Schüssel dann äußerst geräuschvoll wieder auf den Tisch. Meister Zalameos verstand den Wink, dass das Frühmahl nun rasch beendet werden würde, da die Hausherrin ihr Mahl in mehr als schlechter Stimmung beendet hatte. Mit einem stummen Nicken befahl er zwei Mägde herbei, die mit leeren Tabletts hinter den Stühlen der Gräflichen darauf warteten, deren Schüsseln einsammeln zu können.

Das war zu viel! Romina rasselte hoch, ihr Stuhl hüpfte zurück und wurde von dem Bediensteten gerade noch aufgefangen.

"ICH bin nicht FORTGELAUFEN, ich habe mich dem Orden der Heiligen Hadjinsunni zu Blutfels angeschlossen. Ich ritt mit Dienern der Rondra, die gegen eine der unzähligen Horden der Ferkinas in einem Hinterhalt den Tod fanden! Für meinen Vater und den Kaiser! Und was macht Ihr?" Ihre Faust flog auf den Tisch, laut hallte ihre Stimme durch den Saal.

"Ihr frönt Eurer persönlichen Fehde, während andere für das Land, das man Euch anvertraut hat, sterben! Ihr bringt in einer Zeit, in der Ungläubige uns bedrängen, Rechtgläubige ums Leben! Seid Ihr von Sinnen? Wenn Ihr so weitermacht, gebt Ihr unbewohntes Land an die weiter, die Euch bei diesem Wahnsinn helfen." Ihr Blick glitt böse zu der Harmamunderin. "Wenn Ihr zukünftig überhaupt noch etwas zum weitergeben habt!" Romina richtete sich stolz auf und wandte sich zum Gehen. "Ich will abreisen!"

Sie ging zu ihrem Onkel, der ihr zunickte. Alle Gräflichen standen auf, die kleine Zaida sprang mit leuchtenden Augen an die Seite der Comtessa.

Dom Rondrigo sah zu der Gastgeberin und deutet eine Verbeugung an.

"Die Götter mit Euch, habt Dank für die Gastfreundschaft." Er machte sich daran, der Tochter seines Herrn zu folgen.

Der junge kräftige Caballero Azzato verstand nicht recht, was hier vor sich ging. Er schirmte seine Schüssel vornüber gebeugt mit beiden Armen ab, ehe sie ihm noch jemand fortnehmen konnte und löffelte hastig den Rest des Frühmahls hinunter. Dabei sah er mehrmals zu der zuletzt eingetretenen Frau hinüber, als deren Adjutant er nach der Reichsvogtin Willen an einen Schwarzen See im götterverlassenen Schrotenstein ziehen sollte. Er kannte die Edeldame nicht, aber sie sah nicht gerade aus, wie man sich einen freundlichen, umgänglichen Menschen vorstellte, und ihr Blick war fast noch kälter und schneidender als der der Reichsvogtin, wenn sie auch müde und abgekämpft aussah.

"Wann brechen wir auf, Commandanta?" frug er sie schmatzend. "Soll ich schon einmal die Waffen und die Leute unseres Aufgebots zusammenstellen?"


Autor: Der Sinnreiche Junker

Morena von Harmamund schien in Gedanken versunken gewesen, als der ihr zur Seite gestellte Caballero sie wegen des Aufbruchs ansprach. Womöglich hatten ihr die jüngsten Entwicklungen etwas zu denken gegeben. Konnte es sein, dass die Elenterin sie nur benutzte, ja, am Ende gar hinterging? Castillo da Vanya hätte ihr gehören sollen, und nun saß dort jemand anderes – und keine Erklärung, keine Entschuldigung, nicht einmal ein Versprechen seitens der Hausherrin was die zukünftigen Besitzverhältnisse anging. Sie hatte sich selbst als Verbündete gesehen, doch nun nur einen weiterer Auftrag erhalten, bei dem sie nichts weiter als das Werkzeug der Reichsvogtin war, die sich auch weiterhin hier in der Sicherheit ihres Castillos zu verkriechen gedachte. Und ihr nicht einmal anständige Streiter zur Verfügung stellte, sondern nur irgendwelche Bauernburschen und Schweinehirtinnen. Natürlich, wenn die Sache schief ging, hatte sich die fette Bosquirierin wenigstens einiger nutzloser Fresser entledigt.

Nein, die Sache entwickelte sich in eine Richtung, die der Harmamunderin nicht gefiel, wozu auch die Warnungen des alten Castellans und der anschließende Ausbruch der Comtessa ihren Teil dazu beigetragen hatten. Sicher, weder hatte sie etwas für den Alten übrig, der es sich hier in Ragath gemütlich gemacht hatte, und erst recht nichts für seine Dienstherrn, die sich, ortsfremd, auf dem Thron breit gemacht hatten, der rechtmäßig ihrer Familia zustand. Doch Unrecht hin oder her, es erschien wenig klug, es sich mit dem herrschenden Grafengeschlecht zu verscherzen, wenn man bereits in Fehde mit einer der ältesten und einflussreichsten Familias Ragatiens lag. Und augenblicklich bot ihr Praiosmin von Elenta wirklich nicht viel, als dass es sich lohnen würde, sich auf Narreteien einzulassen. Das vage Versprechen auf Castillo da Vanya…nun, sie war die Erbin eines der reichsten Junkergüter der gesamten Grafschaft…“

„Ich muss zunächst meinen Condottiere die Leute mustern lassen. In militärischen Belangen vertraue ich auf seinen Ratschluss.“, erklärte sie schließlich Domna Praiosmin und Dom Azzato gleichermaßen.



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 22