Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ragath 05

Ragath, am Nachmittag des 30. Praios 1033 BF

Im Palacio Sforigan


Autor: SteveT

Dom Ordonyos Kiefer mahlten gefährlich knackend vor Wut, weil er wie ein dummer Bittsteller in einem dunklen Korridor des ebenso luxuriösen wie wehrhaften Palacio Sforigan warten musste, um von einem bürgerlichen Emporkömmling empfangen zu werden. Für wen hielt sich dieser Mietling, dieser Parvenü, eigentlich, dass er einen Mann von Stand warten ließ, weil ihm irgendeine Besprechung mit seinen ungewaschenen Hauptleuten wichtiger war?

Der alte Diener von Aldea de Vargas, sein Name war wohl Jacopo, drehte nervös seine Valguziermütze in den Händen und tapste unruhig von einem Fuß auf den anderen. Wahrscheinlich war es das viele Geld, das er in zwei prallen Lederbeuteln am Gürtel trug - das Geld seiner Herrin, das sie Ordonyo vorzuschießen bereit gewesen war -, welches sogar einen alten Mann wie ihn nervös werden ließ.

Nach einer Weile, die dem Aliner endlos vorgekommen war, öffnete sich kurz die Tür zum Arbeitszimmer des berühmt-berüchtigten Söldnerfürsten. Ordonyo sprang sofort von der Holzbank auf, auf der man ihn hatte warten lassen, in der Annahme, Ludovigo Sforigan selbst käme nun heraus, um sich bei ihm in aller Gebühr zu entschuldigen. Stattdessen aber waren es nur zwei bärtige Landsknechte in Mi-Parti-Gewandung, die über der Brust gekreuzte Waffengurte mit jeweils sicher einem Dutzend unterschiedlicher Messer trugen, die aus besagtem Zimmer herauskamen und die Tür sofort wieder hinter sich schlossen. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, Dom Ordonyo oder Jacopo zu grüßen, sondern bedachten sie nur mit einem flüchtigen Seitenblick, ehe sie untereinander ungeniert eine Unterhaltung begannen: "Hehe, jetzt kommt's, wie ich es vorhergesehen habe und der Alte könnte sich vor Wut fast in den Hintern beißen, dass er dem Aranjuez letzte Woche so viele Leute für seinen Selaque-Feldzug gegeben hat. Jetzt toben die Ferkinakken immer doller und die hohen Damen und Herren von überall her brauchen unsereins als Schutz, um standesgemäß zur Hochzeit des blassen Prinzleins reisen zu können. Hehe, das Doppelte und Dreifache würd' ihm bei der Nachfrage jetzt für jeden einzelnen von uns gezahlt!"

"Ja, ja, ich weiß - aber auf dich Suffkopp hört ja keiner!", antwortete ihm sein Cumpan lachend, während sie direkt an Ordonyo und Jacopo vorbeigingen. "Wollen wir hoffen, dass er uns zur Abwechslung mal an 'ne hübsche kleine Domnatella als deren persönliche Leibwächter vermietet, hehe, und nich' wie immer an so 'nen vollgefressenen hochnäsigen Pfeffersack!"

Der Aliner wartete, bis sie den Korridor verlassen hatten. Seine Miene war erst rot und dann blass geworden. "Hat Er das gehört?"

"Ja, das habe ich, Euer Wohlgeboren!", nickte der alte Jacopo ebenso entgeistert wie er selbst. "Eine Schande, wie dieses ungehobelte Pack über unseren Kaiser spricht!"

"Was? Kaiser?", runzelte Ordonyo die Stirn. "Ach so, ja, ja - aber das ist mir im Grunde vollkommen gleich! Nein, das schon welche von ihnen für einen Feldzug in Selaque angemietet wurden - das meinte ich! Von Aranjuez ... sie meinen Hernán von Aranjuez, dieses miesen Sauhund, der mit den Da Vanyas paktiert! Jetzt wird mir vieles klar! Es war gar nicht Rifada da Vanya, die ja mutterseelenallein und ohne Burg und Gefolge aus dem Kerker meiner begriffsstutzigen Lehnsherrin entkommen ist. Es war dieser kleinliche, nachtragende, ragatische Bastard, der sich einfach in fremder Leute Angelegenheiten einmischt!"

"Halten zu Gnaden, Euer Wohlgeboren, aber ich verstehe leider kein einziges Wort, da ich die Leute nicht kenne, von denen Euer Wohlgeboren zu sprechen geruht!" antwortete der Valencaner Lakai höflich.

"Sei froh! Sei froh, dass du solches Pack nicht kennst! Aber deine Herrin wird sich freuen, dass sie ihr gesamtes Geld sofort wieder zurückerhält! Komm schon, wir gehen!" Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Palacio Sforigan, ohne abzuwarten, ob ihn der Hausherr später doch noch empfing.

Er stapfte finstergesichtig über den lebhaften Marktplatz von Ragath, wo auch gerade Markt abgehalten wurde. Jacopo folgte ihm mit geringem Abstand und behielt argwöhnisch die Menschenmenge im Auge, die um sie herum zwischen den Ständen wuselte. "Mit Verlaub, Herr - sollten wir nicht zu unserem Gasthaus gehen, die Pferde holen und geradewegs nach Valenca zurückkehren? Mit meinem Gepäck ist mir nicht allzu wohl zwischen den vielen Menschen."

"Nicht so schnell, Alter!", schüttelte Ordonyo den Kopf. "Sieht Er nicht, dass hier fast jeder so einen Sack oder Beutel trägt wie Er? Es ist Einkaufszeit, und auch wir haben noch etwas zu erledigen - und zwar dort oben!" Er deutete den steilen Burgberg von Ragath hinauf, der sich hoch über dem Marktviertel erhob, direkt auf die weißleuchtende Marmorsilhouette der mächtigen Grafenfeste Wendesinn.

Jacopo folgte blinzelnd seinem Fingerzeig, da die tiefstehende Sonne genau hinter dem Palast stand und von dessen Bergfried halb verdeckt wurde. "Dort oben? Aber ... aber dort oben wohnt der Graf!"

"Und genau vor dem werden wir jetzt vorstellig werden!", nickte der Aliner und strich sich ein paar Falten aus seinem schwarzgold verbrämten Umhang mit dem Elsterwappen. "Soll ein treusorgender Vasall nicht einmal seinen Lehnsherrn visitieren dürfen? Ehe ich mich bis zum Hals verschulde und das Gold deiner Herrin dem repsektlosen Wucherer Sforigan in den Rachen werfe, mache ich lieber vom meinem vornehmsten Vasallenrecht Gebrauch und erhebe Klage - Klage gegen die Leute, wegen denen ich jetzt hier stehe!"


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 05