Chronik.Ereignis1033 Feldzug Falado 01
Baronie Falado, 28. Praios 1033 BFBearbeiten
Im Valencagrund und auf dem Junkergut ValencaBearbeiten
28. Praios, im MorgengrauenBearbeiten
Autor: SteveT
"Reiß dich zusammen, Tochter! Wir müssen bald da sein!", maßregelte Junker Ordonyo di Alina seine Mundilla zum x-ten Mal in dieser Nacht, die wie ein nasser Sack auf ihrem Pferd hing, sodass er schon fast befürchten musste, dass sie im Sitzen während des Reitens einschlief und womöglich noch aus dem Sattel kippte. Vorsichtshalber ritt er näher an sie heran und griff sich auch den Zügel ihres Pferdes. Im Osten lag bereits ein goldrotes Glühen über den von hier aus betörend schönen Gletschergipfeln des Raschtulswalls, und langsam wich die mondsilberfarbene Dunkelheit der Nacht dem bläulichen Dämmerlicht des anbrechenden Morgens.
Jetzt wo er auch erste entferntere Umrisse der Landschaft erkennen konnte und nicht bloß anderthalb Schritt Weg direkt vor ihnen, bemerkte Ordonyo wie weit sie in der Nacht schon nordwärts in den Valenca-Grund vorgedrungen waren. Landschaftlich ähnlich geartet wie die südlich angrenzende Elentinische Ebene, war der Valenca-Grund deutlich hügeliger und höhenreicher, sodass man fast den Eindruck gewinnen konnte, bereits in Caldaia zu sein - auch wenn sie ganz Falado hätten durchreisen müssen, um dorthin zu gelangen - aber ihr Ziel war ja die Grafenstadt Ragath.
Glücklicherweise war das Reisen hier in Ragatien sicherer als im Bosquirtal, sodass sie getrost nur zu zweit reiten konnten - sie waren ja beide bewaffnet - und er all seine Waffenknechte mit entsprechenden Instruktionen in Selaque hatte belassen können. Wenn er sich recht erinnerte, musste dort hinter den Hügeln, auf die sich der Pfad in scheinbar sinnlosen Serpentinen hinaufschlängelte, das Dorf Valenca liegen, wo sie einen kurzen Zwischenstopp auf ihrem Weg einlegen würden, um den hiesigen Junker über alles ins Bild zu setzen, was sich gestern zugetragen hatte und ihn nach Möglichkeit auf ihre Seite zu ziehen. Am Fuße des Hügels graste eine riesige Schafherde, das war ein gutes Zeichen, daß ihn sein Erinnerungsvermögen bezüglich der Örtlichkeiten nicht täuschte.
"Junker Arrîdan von Valenca ist ein skrupelloser Windhund - ein Opportunist, der immer mit dem stärksten Wolf heult und der kein Gewissen und kein falsches Ehrgefühl kennt!", setzte er seine Tochter ins Bild und stieß sie dabei mit dem Ellenbogen an, damit sie die Augen offen behielt. "Kurz gesagt: Ein sehr sympathischer Mann, so recht nach meinem Geschmack! Ausserdem ist er noch unverheiratet und ohne Erben! Ich will also, dass du dich ihm gegenüber von deiner besten Seite zeigst!" Er zog seinen Wasserschlauch aus der Satteltasche und reichte ihn Dulcinea.
"Hier! Wasch Dir das Gesicht und richte Deine Haare! So verheult und verschlafen gefällst Du keinem Mann in ganz Almada! Und berichte ihm schön in allen Einzelheiten, was dir die hundsföttischen Da Vanyas und ihre Mercenarios angetan haben! Übertreibe ruhig ein bisschen - umso mehr er sie für blutrünstige Kriegstreiber hält, die vielleicht auch schon nach seinem Land schielen, umso eher wird er sich unserer Seite anschließen."
Nachdem sie die Hügelkuppe erreicht hatten, sahen sie im Licht des Sonnenaufgangs tatsächlich ein noch schlafendes Dorf und nahebei ein stattliches Junkergut liegen. "Da ist es!", frohlockte Dom Ordonyo und auch Dulcineas Lebensgeister schienen mit der Aussicht auf ein opulentes Frühmahl und eine bequeme Ruhepause zurückzukehren.
"Das Gut gehörte früher einer gewissen Familia de Vargas, die aber mit unserem alten Baron Rakolus gemeinsame Sache machten und deshalb von den Rescendientes der L.A.W. vertrieben wurden. Uns soll es recht sein, denn wie gesagt ist Junker Arrîdan schon eher ein Mann nach meiner Façon - ein strammer Nationalist und Kaisertreuer zwar - aber allemal zugänglicher wie das mürrische alte Narbengesicht Aldea, das hier vor ihm das Sagen hatte!"
Die beiden Aliner ritten auf einem sandigen Weg zwischen einigen Pferdekoppeln hindurch und gelangten so schließlich vor die Veranda des Herrenhauses, wo zwei Knechte trotz der frühen Stunde damit beschäftigt waren, ein großes Ölgemälde aus dem Haus zu einer Art Schubablade an der Seite des Junkergutes zu tragen, wo bereits einige andere Einrichtungsgegenstände auf einem Haufen lagen. Ordonyo blinzelte verwundert. War der Edelmann auf dem Gemälde nicht Junker Arrîdan gewesen?
"Aha! Der Junker ist offenbar zu Hause und hat sich neu eingerichtet! Dann wird er vermutlich Geld brauchen und für einen Beutezug gegen die Besitzungen der Da Vanyas zu haben sein! Heda! Ihr zwei Galgenstricke!", rief Dom Ordonyo den beiden Lakaien zu. "Lauft zu Eurem Herrn und sagt ihm, Junker Ordonyo Rigoroso Glaciano di Alina und seine Tochter Dulcinea di Alina seien hier und wünschten, ihm seine Aufwartung zu machen! Er möge die frühe Störung entschuldigen, aber wir wenden uns in einer Stunde der größten Not an ihn und benötigen seine Hilfe! Los, rapido! Bewegt euch, ihr Faulpelze!"
Autor: Vargas
Die Knechte, beide kaum älter als zwanzig Sommer, blinzelten den Gast verwundert an, als hätten sie einen Geist gesehen. Erst der harsche Tonfall schien ihnen die Verwirrung und Müdigkeit aus den Gliedern zu treiben, denn sofort ließ einer der beiden seine Last sinken und verneigte sich. Wortlos stolperte er dann ins Haus, während sein Kumpan ihm immer noch etwas irritiert hinterher sah. Nach einigen Momenten erst raffte er sich auf, nickte den beiden Reitern zu und schleppte seine Kiste weiter zum Haufen, wobei er irgendetwas von "Stallknecht holen gehen" vor sich hin murmelte.
Dann herrschte wieder Ruhe vor der Villa, die nur vom morgendlichen Zwitschern der Vögel durchbrochen wurde. Langsam schob der Morgen die Nacht vor sich her und teilte den Himmel in zwei Hälften, eine dämmrig grau, die andere rosarot wie junger Wein. Ein wahrhaft tsagefälliger Morgen, dessen Licht sich in den Tautropfen spiegelte und das Valencer Junkergut langsam aus den Schatten befreite. Aus der Villa trat wenige Augenblicke später eine Gestalt in dieses frühmorgendliche Lichtspiel. Es war eine Frau, und auch wenn ihre Gesichtszüge weitgehend von einem tulamidisch anmutenden Schleier verborgen waren, konnte man erkennen, dass sie noch recht jung sein musste. Sie ging einige Schritte auf die Gäste zu, bevor sie respektvoll den Kopf neigte und das Tuch vor ihrem Gesicht beiseite nahm. Dunkle Augen sahen Dom Ordonyo an.
"Guten Morgen, Euer Wohlgeboren. Es ist uns eine Freude, Euch und Eure Tochter in Valenca zu sehen. Seid herzlich willkommen im Namen Travias," sprach sie warme Worte, ohne dabei die Stimme zu erheben. "Es ist bedauerlich, dass Ihr Euren Besuch nicht vorher ankündigen konntet, denn nun sind die Herren des Hauses noch nicht aus Borons Armen zurückgekehrt, um Euch gebührend zu empfangen. Es sind lange Abende dieser Tage." Sie deutete beiläufig auf die ausgeräumten Möbel. "Aber ich höre, Ihr wendet uns in größter Not an uns, und wer wären wir, einem Nachbarn Hilfe zu versagen, ganz gleich zu welcher Stunde?"
Die junge Frau drehte sich um, schien etwas zu suchen, bis sich schließlich ihre Augen erhellten. "Ah, Pauro", wandte sie sich an einen Knecht, der gerade herbeieilte. "Versorge die Pferde der Herrschaften, gib ihnen gutes Futter."
Dann schenkte sie wieder den Gästen ihre Aufmerksamkeit. Ein merkwürdiges Lächeln kam über ihre Lippen. "Also bitte, tretet ein und erklärt bei einem Tee Eure missliche Lage, bis meine Eltern angekleidet sind. Sie werden Euch gewiss nicht allzu lange warten lassen. Was gibt es schließlich Schöneres als ein Wiedersehen mit alten Freunden?"
Autor: SteveT
"Äh, aber gewiß doch! Seid bedankt!", war alles, was Dom Ordonyo herausbringen konnte, der der jungen Frau verdattert ins Innere des Herrenhauses folgte. Er warf seiner Tochter einen ratlosen Blick mit gekräuselter Stirn zu. Hatte er ihr nicht vor kurzem noch gesagt, Dom Arrîdan sei unverheiratet - und nun hatte der Tunichtgut sogar noch eine Tochter, die er bislang - genau wie seine Ehegemahlin - vor dem ganzen Land geheim gehalten hatte.
"Äh, bevor wir alles zweifach erzählen müssen, mein Kind, warten wir wohl besser bis Euer Vater, der Herr Junker erscheint. Durch den dreisten Überfall einer Bande blutlüsterner Briganteros, die das Dreckswei......äh, verzeiht ...die unsere wenig leidliche Lehnsnachbarin Rifada da Vanya angeworben hat, haben wir heute Nacht unser Heim verloren und stehen nun vor einem kleinen financiellen Engpaß. Aber ich bin mir sicher, Euer werter Herr Vater kann uns aus der Bredoullie helfen, zumal ich ihm meine besten Vollblutrösser als Faustpfand bieten kann, die meine Fellachen sogar jetzt schon in dieser Stunde in den südlichen Valenca-Grund in Sicherheit gebracht haben. Aber wie gesagt, dergleichen will ich lieber mit Wohlgeboren Arrîdan persönlich bereden. Vielleicht wollt Ihr Euch einstweilen mit meiner Tochter Dulcinea hier zurückziehen und ihr ein wenig von Eurem schönen Gut zeigen?"
Autor: Vargas
"Bitte, nehmt doch im Salon Platz", bot sie dem überraschten Dom an, noch bevor dieser seine Ausführungen beenden konnte. Dann aber, als der Name Arrîdan fiel, blieb sie noch im Türrahmen stehen und wandte sich den ihr folgenden Gästen zu. In ihren Augen blitzte für einen Moment eine wahrhaft phexische Freude auf. "Oh, wie unhöflich und pflichtvergessen von mir, mich nicht vorzustellen. Ich bitte Euch inständig, mir diese Nachlässigkeit zu verzeihen, sie ist allein der frühen Stunde geschuldet", sagte sie mit betrübtem Ton in der Stimme, um sogleich einen ganz und gar ordentlichen Knicks aufzuführen.
"Flavia de Vargas. Es war nicht zu erwarten, dass Ihr Euch noch an mich erinnert, denn ich war nichts weiter als eine kleine Göre, als ich zum letzten Mal hier weilte. Allerdings bin ich voll der Zuversicht, dass Ihr Euch fortan an mich erinnern werdet." Etwas zu sehr betonte sie den letzten Satz, oder lag es nur an dem Schmunzeln auf ihren Lippen, dass es so wirkte?
"Es scheint, dass Ihr nicht auf dem neusten Stand seid, was hiesige Machtverhältnisse betrifft. Manche würden sagen, das sei eine gefährliche Nachlässigkeit, aber ich sage: Es ist ganz und gar verzeihlich angesichts Eurer eigenen Notlage. Ganz sicher nicht kann man von Euch in dieser Stunde verlangen, Euch mit solchen Kleinigkeiten zu beschäftigen. Im Gegenteil, wir sollten diese Dinge hinter uns lassen und uns ohne weitere Umschweife Eurer misslichen Lage annehmen."
Nach diesen Worten erst schritt sie durch die Tür in einen Salon, der ganz nach tulamidischem Vorbild eingerichtet war und auf bunten Diwans bequeme Sitzgelegenheit bot. Freundlich bedeutete sie ihren Gästen, sich zu setzen.
"Ihr müsst sicher erschöpft sein durch den schnellen Ritt. Man wird uns gleich einen Tee bringen, und wenn Ihr wünscht, auch etwas Gebäck." Sie schenkte dem Dom ein charmantes Lächeln. "Gerne würde ich Eurer Tochter zu etwas Zerstreuung verhelfen, allein, dies scheint mir nicht der rechte Zeitpunkt dafür zu sein. Sie ist gewiss sehr müde und benötigt Ruhe nach derart tragischen Erlebnissen. Einstweilen wird ihr hoffentlich bereits der Tee etwas Linderung verschaffen."
Eine Haushälterin trug mit verschlafenem Blick genau zu diesen Worten ein Tablett herein, auf dem sich eine bauchige, dampfende Kanne und einige glänzende Teebecher befanden. Sie goss den Tee schweigend auf und reichte jedem der Anwesenden einen der Becher.
Flavia, diese für den frühen Morgen viel zu gesprächige junge Frau, lächelte dankbar und roch kurz am Tee, bevor sie sich plötzlich wieder erhob und zur Tür sah. "Guten Morgen, Mutter."
Eine schmale, kleine Frau stand dort im Türrahmen, den zierlichen Körper von einem weich fallenden Morgenmantel umhüllt. Ihr zusammengekniffener Blick entzerrte sich erst, als sie sich ein Bild davon gemacht hatte, wer sie zu dieser frühen Morgenstunde aus dem Bett hatte rufen lassen.
"Mutter, das ist ... ", begann Flavia, doch ihre Mutter winkte ab.
"Dom Ordonyo di Alina, wenn mich meine Sinne nicht täuschen. Ich muss zugeben, ich bin erstaunt, dass ausgerechnet Ihr mein erster Besuch hier seid. Offenbar ist man nie zu alt, um vom Schicksal überrascht zu werden." Domna Aldeas Worte klangen ehrlich verwundert. "Allerdings hörte ich, es gäbe einen dringenden Notfall, der Euch hierher treibt, und da wollen wir unsere Zeit nicht mit belanglosen Plaudereien und dem Austausch von Höflichkeiten vergeuden, nicht wahr?" Sie nahm neben ihrer Tochter Platz, die wortlos beiseite rückte, und sah den Junker mit strengem, erwartungsvollem Blick an. "Was ist Euch widerfahren, und wo können wir Euch unsere nachbarschaftliche Hilfe angedeihen lassen?"
Autor: von Scheffelstein
Dulcinea di Alina hatte es sich auf dem Diwan bequem gemacht. Den Kopf in die Hand und den Arm auf eine Lehne gestützt, musterte sie die kleine Frau, während diese ihren Vater - und kurz auch sie - begrüßte. Die Frau schien sich nicht mit unnötigen Worten aufzuhalten. Ein Glück!– Hoffentlich dauerte diese Besprechung nicht zu lange. Dulcinea war müde, und der lange Ritt und die beständigen Ermahnungen ihres Vaters, zu denen sie auch noch gute Miene machen musste, hatten ihre Laune nicht eben gehoben.
Dulcinea leerte ihren Becher Tee in einem Zug, verbrannte sich die Zunge und unterdrückte einen Fluch. Auch wenn sie keineswegs vorhatte, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, wollte sie den Vater nicht in Verlegenheit bringen und so seinen Zorn schüren. Also gähnte sie nur verhalten, versank mit ihrer schlaksigen Gestalt ein wenig tiefer in den Kissen und ließ ihre Augen weiterwandern zu der jungen Frau, die wohl etwas jünger war als sie selbst und ein rechtes Plappermaul zu sein schien.
Während ihr Vater von den Überfällen auf Alina berichtete und den Schurkereien der da Vanyas, fielen Dulcinea immer wieder die Augen zu. Die Götter waren es gedankt, der Junker schien nicht zu Hause zu sein, und auch sonst war bislang kein Kerl im heiratsfähigen Alter aufgetaucht. Gut so! Sie hatte im Leben nicht vor, sich an einen alten Sack verheiraten zu lassen. Jedenfalls nicht, wenn er nicht so gut aussah wie ... wie ...
Während Dulcinea noch überlegte, welcher Mann vielleicht ihr Gefallen zu finden vermochte, nahm Boron sie sanft in seine Arme, und bald schon erklang ein halblautes Schnarchen aus ihrer Sofaecke.
Autor: SteveT
"Ihr?", starrte Ordonyo die eintretende Hausherrin entgeistert an. Es war die resolute Aldea de Vargas, kein Zweifel - die Pferdejunkerin, die schon früher zu Rakolus' Zeiten über den Valencagrund geherrscht hatte und mit der er manches Mal um die Zugehörigkeit dieser oder jener Viehweide gestritten hatte. Hoffentlich erinnerte sie sich heute nicht mehr daran - gewiss hatte sie im Exil vieles erdulden müssen. Das war ihm im zwar Grunde völlig gleichgültig - aber jetzt brauchte er Geld von ihr, so viel Geld wie möglich - und an dieses heranzukommen wäre unter dem hochfahrend-stolzen Dom Arrîdan gewiss einfacher gewesen ...
"Wie schön, Euch nach all den Jahren bei bester Gesundheit wiederzusehen!", heuchelte Ordonyo und erhob sich, um mit der Standesgenossin links und rechts Wangenküsse zu tauschen, wie es üblich war. 'Früher war sie sicher einmal ein hübsches Weib', dachte er stumm bei sich, aber die Narben auf beiden Wangen, der kalte Blick und die kurzen Haare verliehen ihr etwas androgynes, was auf einen Mann von seinem Schlag nicht eben anziehend wirkte. Wenn er sich recht erinnerte, war sie ohnehin mit einem Wickelkopf verheiratet - irgendwoher mussten ihre Bälger ja stammen ...
"Schreckliches ist geschehen!", begann er seine Erzählung, nachdem seine Gastgeberin und er wieder Platz genommen hatten. "Rigoroso - das Gut meines Vaters - wurde niedergebrannt! Mein Vieh wurde abgeschlachtet, die Fellachen alle ausgemordet! Kaum jemand ist dem Strafgericht dieser blutrünstigen Bestien entkommen, die uns feige wie Diebe in der finstersten Nachtstunde überfallen haben, ohne dass mir vorher irgendjemand die Blutfehde erklärt hätte, wie es guter alter Brauch unter Edelleuten ist. Wer besitzt solche Heimtücke und Niedertracht, fragt Ihr Euch nun sicher, edle Domna - und auch ihr Domnatella! - dass er einen so friedliebenden Mann wie mich und meine ererbten Besitztümer angreift, während ich in gerechter Sache im Auftrage meiner weisen Lehnsherrin Praiosmin von Elenta höchstselbst unterwegs im Lande war? Die Frage ist einfach zu beantworten – diejenigen, die sich das gesamte Bosquirtal Untertan machen wollen - die, die schon heute in Selaque, Schrotenstein und in Ragathsquell hocken und zudem mit den Herren von Bosquirien und Kornhammer verschwägert sind. Mein wackeres kleines Alina fehlte ihnen noch in ihrem gefräßigen Magen, war ihnen gewiss ein Dorn im Auge im Streben nach der uneingeschränkten Vorherrschaft. Und eine kluge Frau wie ihr, Domna Aldea, kann sich mit Sicherheit leicht ausmalen, wohin ihr gieriger Blick als nächstes fallen wird, nun da sie mein Hab und Gut dem Erdboden gleichgemacht haben: Richtig! Euer Valenca mit seinen ... äh ... saftigen Weiden, vielgerühmten Frauenzimmern und seiner großen Tradition wird gewisslich ihr nächstes Opfer werden, wenn wir diese Mörderbande nicht aufhalten!"
Er blickte Domna Aldea und ihre Tochter beschwörend lange an, ob er bereits ihre Zustimmung gewonnen hatte. Die junge Frau lauschte ihm, als sei er ein Troubadour, der eine gute Geschichte vorträgt. Aber das Mienenspiel der Junkerin war nach wie vor kaum wahrnehmbar beziehungsweise undeutbar.
"Ihr fragt Euch nun sicher, wer diese gierigen Schurken, diese Dreckssippschaft sind, von der ich spreche, die Euch und mich gleichermaßen bedrohen - aber das werdet Ihr wissen, sobald Euch meine arme kleine Tochter hier schildert, was sie gestern Abend mit ihren unschuldigen Augen mitansehen musste. Also Kind, Dulcinea - beschreib der Junkerin ganz deutlich, welchen Wappenrock die Schurken trugen, die die Brandfackeln auf unser Gut warfen. Wie du dich bis an dein Lebensende an die Drei Greifen auf purpurnem Grund erinnern wirst, an das tumbe Befehlsgeschrei des häßlichen Ogerweibes Rifada da Vanya ..." Er sprach den Namen seiner Feindin so angewidert aus, als handle es sich um eine ansteckende Rebkrankheit. Aus der Richtung seiner Tochter jedoch kam nichts - nichts bis auf ein leises Schnarchen ...
Fassungslos starrte Dom Ordonyo seine Mundilla an, die ihn derart schamlos vor einer fast fremden Familia brüskierte. "Wenn Ihr entschuldigt ...", knurrte er zur Junkerin. "Unser Ritt hierher war lang ..." Dann beugte er sich zu Dulcinea herüber und verpasste ihr eine so klatschende Ohrfeige, dass der Abdruck seiner fünf Finger auf ihrer Wange zurückblieb. "Wach sofort auf, undankbares Ding! Du bereitest mir Schande!", zischte er. "Berichte der Frau Junkerin auf der Stelle, was du letzte Nacht bei der Brandschatzung unseres Gutes gesehen hast! Aber subito!"
Autor: Vargas
„Das ist doch nicht nötig, werter Dom Ordonyo“, wandte die zierliche Frau mit energischem Tonfall ein. „Eure Tochter ist augenscheinlich mitgenommen von den Ereignissen und dem langen Ritt. Im Praiosseminar lehrte man uns einst, dass müde oder hungrige Zeugen von geringem Wert sind. Es ist nicht nötig, dass sie in ihrem jetzigen Zustand Auskunft geben muss. Euer Wort ist mir Versicherung genug, dass in Alina Dinge geschehen sind, die so nie hätten passieren dürfen. Es ist offensichtlich, das hier schnell und ohne zu Zögern gehandelt werden muss.“
Domna Aldea setzte ihren Teebecher ab und sah in das Gesicht ihrer Tochter, als suche sie Bestätigung oder einen Ratschlag, was nun zu tun war. Sie seufzte leise.
„Es muss etwas zu Eurem Schutz unternommen werden, denn wer Euer heimatliches Gut angreift, wird womöglich auch vor Eurem Leib nicht zurückschrecken. Und ich kann nicht tolerieren, dass ohne eine ordentliche Fehde oder sonstige Ankündigungen ein Nachbar, ein praiosgewollter Adliger bei Leib und Leben bedroht wird. Hier seid Ihr vorerst sicher, dafür will ich garantieren. Aber Ihr solltet unverzüglich um Unterstützung ersuchen, den Grafen informieren oder wenigstens ein paar schlagkräftige Mercenarios anwerben“, überlegte sie laut. Ihr Blick schweifte dabei kurz ab, bis er die unsanft geweckte Junkerstochter mit den rötlichen Abdrücken auf der Wange streifte.
„Im Grunde wäre es klug, Ihr würdet sofort nach Ragath aufbrechen, aber ich bezweifle, dass Eurer Tochter ein weiterer harter Ritt gut bekommen wird. Sie hat schreckliche Dinge gesehen; ihre Seele könnte Schaden nehmen, wenn Ihr sie jetzt überfordert.“ Wieder sah sie kurz zu ihrer eigenen Tochter, als male sie sich gerade aus, was sie tun, was sie denken würde, wäre Flavia Derartiges widerfahren. Dann aber erhellte sich ihre Miene schlagartig.
„Dom Ordonyo, weshalb lasst Ihr sie nicht hier, wo sie in Sicherheit schlafen kann? Nach Ragath dauert es nicht allzu lange, wenn Ihr zügig reitet, seid Ihr morgen dort. Und sobald die junge Dame ausgeschlafen hat, kann sie ausführlich berichten, was sich zugetragen hat, ohne dass Ihr wertvolle Zeit verliert. Mein Sohn Ramón ist ein ausgewiesener Kenner in Rechtsfragen, er kann die Worte Eurer Tochter sicher trefflich beurteilen.“
In diesem Moment räusperte sich ihre Tochter, die sich bis dahin auffällig still verhalten hatte. „Aber Mutter, Ihr könnt den Junker nicht alleine nach Ragath reiten lassen. Wenn Ihn nun jemand verfolgt hat und unterwegs angreift?“
Die Domna nickte schwerfällig. „Da hast du nicht Unrecht, Liebes. Wir könnten … hm … ja, wir könnten ihm Jacopo zur Seite geben.“ Sie sah Dom Ordonyo mit ungewöhnlich freundlichem Blick an. „Jacopo ist unser bester Mann, er würde Euch mit seinem Leben verteidigen, wenn ich es befehle. Und er könnte auch in unserem Namen einige Männer anwerben. Das scheint mir bitter nötig, nicht nur zu unserem eigenen Schutz, aber auch, da Euch – ohne Euch nahetreten zu wollen - nach der Brandschatzung Eures heimatlichen Gutes gewiss die Mittel fehlen, eine größere Bedeckung zu finanzieren.“
Sie warf noch einmal einen Blick auf die Domnatella, die so vieles durchlitten haben musste in der vergangenen Nacht. „Nun, was sagt Ihr, Dom Ordonyo? Es ist nicht viel, aber die beste Hilfe, die ich Euch derzeit anbieten kann, und bedenkt: hier wäre Eure Mundilla sicher und Ihr wärt schnell in Ragath, um ordentliche Bedeckung zu besorgen. Wäre das in Eurem Sinne?“
Autor: von Scheffelstein
Dulcineas Gesicht brannte wie Feuer. Erschrocken war sie hochgefahren, hatte einen Moment orientierungslos in die fremden Gesichter gestarrt, war aber nicht zum Antworten gekommen, denn die Junkerin hatte das Wort übernommen.
Wütend sog die junge Frau an ihrer Unterlippe. In ihrem Innern rang der Wunsch, ihrem Vater zu gefallen, mit haltlosem Hass. Er hatte sie geschlagen! Vor den fremden Frauen und der Dienerin! Wie konnte er es wagen?
Ihr Gewissen zwang sie, der Junkerin zu widersprechen: Ach, was! - Der Ritt nach Ragath: Ein Kinderspiel. Sie war doch nicht müde! Natürlich würde sie ihren Vater begleiten. Doch ihre brennende Wange und die Müdigkeit machten es ihr schwer, sich vorzustellen, was Dom Dulcineo, ihr von allen geliebter Bruder, getan hätte. Die Wunde, die ihre Zähne in ihr Wangenfleisch gerissen hatten, als die Hand des Vaters sie traf, die tiefe Erschöpfung und die Wut über die Demütigung machten es ihr unmöglich, jemand anderes zu sein, als Dulcinea di Alina, die Versagerin. Um so mehr rührten die Worte der Junkerin ihren Schmerz. Ja!, schrie ihre Seele, sie wollte ruhen. Ja!, sie hatte schreckliche Dinge gesehen, war müde und erschöpft: Sie wollte in Sicherheit sein und schlafen!
Dulcinea biss sich fester auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten, die gegen ihre Lider drückten. Sie riss die Augen auf und tat, als gähne sie hinter vorgehaltener Hand. Sie wusste, dass sie etwas sagen musste, dass sie lächeln, abwiegeln und ihrem Vater beistehen musste, egal, was es sie kostete. Dulcineo hätte sich mit einem gewinnenden Lächeln aus der Situation gerettet. Aber Dulcineo wäre niemals geschlagen worden.
Dulcineas Wange brannte noch immer. Sie ignorierte den Blick ihres Vaters, sah an ihm vorbei und schwieg beleidigt.
Autor: SteveT
Dom Ordonyo nickte beifällig zu den Worten seiner Gastgeberin, erst nur leicht, dann immer begeisterter zustimmend.
"Ihr habt die Situation trefflich erfasst, Teuerste! Dies ist leider auch der zweite Grund, warum ich Euch aufsuche: Wir sind nur auf der Durchreise nach Ragath, das ich so schnell wie möglich ereichen muss - erstens, um unserem tobrischen Grafen mitzuteilen, was gestern nacht geschehen ist und um zu sehen, ob er als Regent seines Amtes würdig ist. Und zweitens, um den alten Söldnerfürst Vigo Sforigan zu konsultieren - ich brauche Mercenarios, am besten zwei oder drei Dutzend, um es den Brandschatzern heimzuzahlen nach gutem alten Recht. Nur Blut kann sühnen, was das Blut verbrach, Feuer muss mit Feuer vergolten werden. Ich gehe davon aus, dass die verfluchte Da Vanya-Hunderasse versuchen wird, ihren eigenen Stammsitz im Vanyadâl zu befreien, der momentan gerechterweise von Yegua von Elenta, der Base der Frau Reichsvogtin, auf deren Befehl hin gehalten wird. Dort will ich über sie kommen und Rache nehmen, für alles was sie getan haben. Da es in Selaque derzeit vor Wilden nur so wimmelt, kann ich guter Hoffnung sein - sofern man das in Anbetracht der Grausamkeit der Wilden überhaupt sagen kann - dass ihr Kontingent bis zum Eintreffen auf dem Castillo da Vanya schon erhebliche Verluste wird erlitten haben. Ich dagegen könnte, wenn ich Eure Zustimmung habe, hier von Nordwesten aus dem Valencagrund kommend, wahrscheinlich ohne Feindkontakt bis zum Vanyadâl gelangen. Ihr müsst wissen, dass Elenta und der Großteil der Elentinische Ebene nun meiner Junkerschaft zugehören!"
Er warf seiner Tochter einen grimmigen Blick zu - schlief das dumme Ding hier einfach ein! Er musste Obacht geben, dass sie nicht mehr solche Unmengen an Wein in sich hineinschüttete ...
"Ich nehme Euer Angebot gerne an, von Eurem Waffenknecht begleitet zu werden und meine Tochter bis zu meiner Rückkehr hier bei Euch auf dem Gut zu belassen. Die Schlafmütze soll sich ausruhen - später wird vielleicht jede Klinge gebraucht! Um aber überhaupt Söldlinge anwerben zu können...", kam er nun zögerlich zum unangenehmen zweiten Punkt seines Besuches, "benötige ich zuerst einmal Geld - recht viel Geld - und mein Vermögen lagerte leider im Keller meines Gutes, das diese Ratten vernichtet haben. Als einzigen Wert, neben meinem großen Landbesitz, den ich nun habe, konnte ich nur meine Zucht an Vollblutrössern in Sicherheit bringen, die meine Leute gestern Nacht erst in die Aliner Kuppen und dann in den südlichen Valencagrund getrieben haben. Sie sind also bereits hier auf Faladoer Grund und Boden - leider ohne dass ich zuvor Eure oder Baron Bernfrieds Erlaubnis einholen konnte. Daher meine Frage: Könnt Ihr mir - gegen meine etwa zwei Dutzend Vollblutrösser als Sicherheit, die sich ohnehin bereits auf Eurem Land befinden - 500 oder besser noch 1000 Dukaten vorschießen? Ihr erhaltet sie mit Zinsen zurück, sobald ich mir von den Da Vanyas wiedergeholt habe, was mein ist - und ihnen auch genommen habe, was ihres war, denn diese Dreckssippschaft ist fünfmal so reich wie Ihr, ich und Euer Baron zusammen - das könnt Ihr mir glauben!"
Autor: Vargas
„Wussten Eure Feinde vom Vermögen im Keller, als sie Euer Gut niederbrannten?“ fragte die Domna sofort, als ihr Gast das Thema Geld anschnitt. „Könnte es sein, dass es noch dort liegt, oder vermutet Ihr, man hat Euer Gut vor der Brandschatzung geplündert? Dann wäre es nur Recht und billig, dass Ihr geht, um Euren Besitz zurückzufordern. Wir sind hier schließlich nicht in der Wildermark.“ Sie schüttelte energisch den Kopf, so als erschrecke sie schon allein bei dieser Vorstellung.
„Ihr solltet Eure Hoffnung auf den Grafen setzen, denn ich bezweifle stark, dass er derartige Vorkommnisse unkommentiert lassen kann. Wahrscheinlich wird er sich um einen Ausgleich bemühen müssen, um den teuren Frieden in seiner Grafschaft zu bewahren. Wenn er allerdings untätig bleibt, abwiegelt aus fadenscheinigen Gründen, dann muss gehandelt werden.“
Sie warf ihrer Tochter einen vielsagenden Blick zu und deutete auf die halbschlafende junge Dame auf der anderen Seite des Tisches. Flavia nickte und erhob sich. „Ich werde das Gästezimmer herrichten lassen. Wenn Domnatella Dulcinea mir folgen möchte, zeige ich ihr gerne den Weg“, fasste sie sich erstaunlich kurz. Sie verließ kurz den Raum, wohl um den Dienern mitzuteilen, dass eine Gästeunterkunft benötigt wird, aber auch um dem Dom Gelegenheit zu geben, sich von seiner Tochter zu verabschieden, falls er vorhaben sollte, noch vor ihrem Erwachen aufzubrechen.
Die Domna wartete all dies ruhig ab, wartete bis die Jugend den Raum verlassen hat, um sich ernsteren Dingen zu widmen. „Kinder sollten nicht in Finanzgeschäfte verwickelt werden, sie sind darin keine große Hilfe“, erklärte sie nüchtern. „Ich zweifle nicht an Eurem Wort, Dom Ordonyo, und in der Tat sollten wir Eure Rösser hierher holen, nicht nur zu meiner, auch zu Eurer Sicherheit. Und ebenso aus Gründen der Sicherheit möchte ich Euch ungern mit einer größeren Summe baren Geldes auf den Weg schicken. Ich werde sehen, was nötig ist, um, sagen wir, etwa 30 fähige Männer anzuheuern und zu bezahlen, bis sie hier eintreffen. Dann sollte der Sicherheit genüge … wobei ...“ Sie hielt inne und kratzte sich am Kopf. „Besitzen Eure Feinde Einfluss in Ragath? Was ist, wenn sie Euren Zug vorausahnen und Bestechungen machen, damit Ihr keine Männer anwerben könnt?“
Energisch stand sie auf, diese kleine, zierliche Frau, der man soviel Entschlossenheit nicht einmal auf den zweiten Blick zutrauen würde. „Ich werde Jacopo anweisen, mindestens die Hälfte der Männer im Namen der de Vargas anzuwerben, und notfalls alle Männer, falls Euer Name dort ungelitten ist. Sollte es Probleme mit dem Geld geben, werde ich ihm auch einen Brief mitgeben. Noch habe ich ein paar Freunde in Ragath.“
Sie wandte sich wieder ihrem Gast zu. „Braucht Ihr selbst etwas auf die Hand, oder tragt Ihr genug bei Euch, um für Unterkunft und vielleicht ausgebesserte Rüstung aufzukommen? Ein paar Dukaten solltet Ihr ohne Gefahr für Euer Leben bei Euch tragen können.“ Wieder bemühte sie sich um ein Lächeln, das halb mit einem unterdrückten Gähnen verschmolz. Sie hatte über die Aufregung fast vergessen, wie früh es war. „In jedem Fall würde ich jetzt eilig die Order geben und ein paar Zeilen für den Notfall schreiben. Währenddessen würde ich vorschlagen, dass Ihr ein gutes Frühstück zu Euch nehmt und kurz ausruht, und danach vielleicht meinem Knecht in den Stall folgt, um ein Pferd auszusuchen. Eure Pferde sind sicherlich nach dem Ritt erschöpft, sie werden Euch kaum schnell genug nach Ragath tragen. Nehmt eines von meinen für diese Zeit.“
Autor: SteveT
"Seid bedankt!", nickte der Aliner und erhob sich ebenfalls, als seine Gastgeberin aufstand. Vielleicht hätte er sich schon früher mit ihr gutstellen sollen - diese Aldea war ja in allem ein viel umgänglicheres und nützlicheres Weib wie die dumme Praiosmin, die ihm noch immer nicht recht über den Weg traute, obwohl sie nur dank seines großartigen Planes nunmehr im Besitz des Castillos ihrer Erzfeindin war.
"Ich weiß nicht, ob meine Wertsachen geraubt wurden, bevor man mein Gut brandschatzte oder ob sie ebenfalls ein Opfer der Flammen wurden" beantwortete er zunächst die erste Frage der Valencerin, um sogleich die Antwort auf die zweite hinterher zu schieben: "In Ragath selbst weiß ich nichts um irgendwelche Feinde - Dom Vigo und ich haben vor 15 oder 20 Jahren schon einmal miteinander Geschäfte gemacht. Wohl aber habe ich Feinde in der umliegenden Mark Ragathsquell! Eines der Castillos der Da Vanyas liegt dort - Quazzano - und außerdem stammt auch der elendige Mistkerl Hernan von Aranjuez von dort her, der scheinbar mit ihnen gemeinsame Sache macht. Vielleicht haben sie ihn auch als Heerführer gedungen - er hält sich ja ebenfalls für einen Feldherrn und Condottieri wie Sforigan und ich sah ihn vor kurzem zusammen mit Rifada da Vanya auf deren Burg. Leider sind sie uns alle beide entwischt - wenn auch getrennt voneinander. Aus diesem Grunde sollte ich mitsamt Eurem Waffenknecht wohl besser einen großen Bogen um Burg Quazzano und das Junkergut Aranjuez machen. Und nun ja ... auch auf Burg Harmamund oder im Kloster La Dimenzia gehöre ich nicht unbedingt zu den gern gesehenen Gästen. Am sichersten dürfte es also sein, über das Land derer von Ragathsquell nach Ragath zu reiten - mit ihnen hatte ich meinen Lebtag noch nichts zu schaffen, deswegen sind wir auch keine Feinde."
Er grinste und zuckte mit den Achseln. "Ihr wisst - viel Feind', viel Ehr - so heißt es schon im Bardensang 'Nimmermehr' ...
Er folgte Aldea hinaus auf die Veranda, wo ein Dienstbote tatsächlich bereits einen Tisch für ihn zum Frühmahl eindeckte. "Was das Geld betrifft, so ist es schwer zu sagen, ob Dom Vigo dreißig seiner Halunkinnen und Mordbuben allein auf ein Soldversprechen hin herausrückt - selbst wenn es von einer so untadeligen und ehrenvollen Edeldame wie Euch kommt. Diese Söldner sind kleingeistige Krämerseelen, die nichts vom Wesen der Ehre wissen. Wenn Ihr zu so einem sagt: 'Willst du einen Dukat oder lieber meine Gewogenheit bis zum Ende deiner Tage?', so wird er dumm das Goldstück wählen, weil er nicht absehen kann, daß die Gunst eines Magnaten letztendlich hundertmal wertvoller ist. Darum tut Ihr gut daran, Eurem Waffenknecht lieber gleich ein erkleckliches Sümmchen mitzugeben. Ich bin ein sehr guter Fechter - wenn uns einer an das Geld will, so muss er erst an mir vorbei!"
Autor: Vargas
„Nicht weniger hätte ich von Euch erwartet“, kommentierte die Domna den Verweis auf seine exzellenten Fechtkünste. „Ihr werdet dann in Jacopo einen würdigen Gefolgsmann finden. Mag er Euch nicht an Talent gleichkommen, so ist er doch ein schneller und vor allen Dingen unerschrockener Recke. Und was braucht Ihr gerade mehr als jemanden, der im Zweifelsfall keinen Atemzug lang zögern würde, sein Schwert für die richtige Sache zu ziehen?“
Sie nickte dem Diener zu, der den Tisch gedeckt hatte, und trug ihm auf, alsbald ausreichend Proviant, Wasser und Wein für die Weiterreise ihres Gastes herbeizuschaffen. Dann deutete sie freundlich auf den Stuhl, den man für den Dom bereitgestellt hatte.
„Bitte speist in Ruhe, während ich das Nötige in die Wege leite. Ich werde sehen, dass ich Euch ausreichend Gold mitgebe, doch nicht zu viel, damit Eure Pferde noch schnell genug in Ragath ankommen. Wie leicht ist ein Dukat ausgegeben, und wie schwer wiegt doch ein ganzer Sack voll.“ Sie seufzte im Gedanken daran, wie unnötig umständlich das Bezahlen großer Summen mit Münzgeld war. Für gemeines Volk mochte dies eine passable Art des Lebens sein, doch wie sollten jene von hohem Blut auch nur ein Vollblutross bezahlen, ohne einen Packesel mit Geldsäcken mit sich zu führen? Domna Aldea schüttelte leicht den Kopf, als sie bemerkte, wie ihre Gedanken abschweiften. „Wenn Ihr mich entschuldigt, ich kümmere mich um die Briefe und alles Weitere. Wenn Ihr fertig gespeist habt, wird Euch der Pferdeknecht bereits erwarten, doch lasst Euch nicht hetzen. Eile tut not, doch Hektik verdirbt jeden guten Plan, und auf leeren Magen kämpft es sich schlecht, nicht wahr?“ Mit diesen Worten eilte sie zurück ins Haus.
Derweil, einige Stockwerke über den beiden Junkern, schloss Flavia de Vargas möglichst geräuschlos die Türe des Gästezimmers, in das sie Domnatella Dulcinea geführt hatte. Sie hatte ihren Gast persönlich zum Zimmer geführt, einem schlichten Raum mit Aussicht auf den Hof und einem großen Himmelbett. Es war offensichtlich, dass auch hier noch nicht alle Umzugsarbeiten abgeschlossen waren, doch Flavia hoffte, die Domnatella würde es ob ihrer Müdigkeit nicht bemerken. Nachdem sie ihr einen ruhigen Schlaf gewünscht hatte, eilte sie über den knarrenden Holzboden durchs Haus, bis sie energisch an eine Türe klopfte. Noch bevor ihr geantwortet wurde, trat sie ein, was mit einem ungehaltenen Murren kommentiert wurde.
„Aufstehen, ihr Faulpelze. Wir haben wichtigen Besuch. Wie es scheint, braut sich im Süden etwas zusammen. Ramón, pack‘ deine klugen Bücher aus, Mutter verlangt nach deinem Rat. Und du!“ Sie zerrte die Decke vom Bett und knuffte den jungen Mann, der sie verschlafen daraus ansah. „Du kannst genauso gut aufstehen, ich möchte wetten, dein Schwertarm wird bald gebraucht!“ Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie zurück zur Türe, nur um dort stehenzubleiben und ihren mürrisch dreinblickenden Brüdern einen koketten Blick zuzuwerfen. Sie schmunzelte. „Ach … habe ich erwähnt, dass wir Damenbesuch haben?“
- Die Geschichte um Dom Ordonyo wird hier fortgesetzt: Schauplatz: Ragath, Teil 05.
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