Chronik.Ereignis1032 Die Herren von Pildek 04

Baronie Pildek, zweite Hälfte des Ingerimm 1032 BFBearbeiten

Auf dem Hof des Stierkönigs von Carhag-LoBearbeiten

Autor: Von Scheffelstein

Der DienerBearbeiten

„Über den Kamin, habe ich gesagt! Weiter links. In die Mitte, ihr Trottel! Und jetzt verzieht euch!“ Ungeduldig winkte der Trigorner die Knechte aus der Stube, um in Ruhe das Gemälde zu betrachten.
Da stand er, Tauro Gonzalo Trigorne, den Caldabreser auf dem Kopf, in Hemd und Weste, um den Hals seine goldene Kette. Die Linke hatte er in die Hüfte gestemmt, die Rechte umfasste das Horn eines Stieres, der hinter ihm auf dem Boden lag, den Kopf verdreht, das Maul aufgerissen, unfähig, sich zu erheben. Der schwarze Stier. Und er – er war mehr als sein Diener. Ohne ihn war der Kult des Stieres nichts. Ohne ihn wäre der Stiergott in der Südpforte längst in Vergessenheit geraten.
Der Trigorner lächelte zufrieden: Der Maler hatte gute Arbeit geleistet. Ein Räuspern störte seine Andacht.
„Sgirro! Es heißt: Ich bitte um Verzeihung, Herr!“
„Ich ... bitte um Verzeihung, Herr!“
Der Trigorner nahm ein Tonkrüglein vom Kaminsims, durchmaß die Stube mit langen Schritten und setzte sich in seinen Sessel.
„Nun, Sgirro“, sagte er, während er den Krug entkorkte. „Was gibt es Neues von Fortezza?“
„Fortezza, Herr.“ Espejo Sgirro räusperte sich erneut. „Er macht immer noch Schwierigkeiten, Herr. Er beansprucht Carhag-Lo für sich. Zum Glück sind seine Mercenarios seit geraumer Zeit mehr damit beschäftigt, sich zu besaufen, sich zu prügeln und ... äh ... die Bäuerinnen zu ... äh ... beglücken. Aber er hat die Zahori angeheuert, und die kontrollieren jetzt die Straßen nach Endivarol und Tschelacon. Sie fordern Schutzgeld von den Bauern und Wegzoll von den Händlern.“
„Die Zahori!“ Feindselig starrte der Trigorner die Fliege an, die sich auf der Lehne des Sessels niederließ. „Erst erpressen sie Schutzgeld und dann verteilen sie Fleisch und Kleider an die Bauern? Was bilden die sich ein!“
„Verzeiht, Herr, aber es ist nicht ganz so: Es sind nicht dieselben Zahori. Es gibt mehrere Sippen in Pildek.“
„Was? Mehrere Sippen? Wo kommt das Pack nur her?“
„Nun, es scheint, als fühlten sie sich hier wie zu Hause, seit die Baronin fort ist.“
„Wie zu Hause? WIE ZU HAUSE?“ Mit Wucht ließ der Trigorner seine Linke auf die Lehne niederklatschen, dann wischte er sich die Überreste der Fliege von der Hand. „Dieses Dreckspack müssen wir loswerden, Sgirro. Sie haben hier nichts verloren! Ebenso wenig wie dieser unverschämte Fortezza.“
Sgirro schwieg. Was er wohl dachte in seinem kleinen kahlen Rattenschädel? Herausfordernd blickte der Trigorner seinen Diener an, bis dieser den Blick senkte.
„So. Mehrere Zahorisippen also.“
„Ja, Herr. Drei, um genau zu sein.“
„Drei?“ Das wurde ja immer besser!
„Die Cruentos, Herr. Das sind die, die in den Diensten von Galeazzo Fortezza stehen. Dann die Silfides. Die wiegeln das Volk auf ...“
„Die – WAS?“
„Äh ... ich meine: Sie verteilen ... äh ... Essen und Kleidung an die Armen ... an die Bauern. Sie stehlen es aus Schelak, vor allem aber aus Culming. Es scheint, als hätte ihre Matrone eine Rechnung offen mit dem Baron dort.“
Der Trigorner furchte die Brauen. „Woher weißt du das alles?“
Espejo Sgirro neigte leicht den Kopf. „Ihr habt mich geheißen, mehr über Fortezza in Erfahrung zu bringen. Wir haben es mit einer sehr ... vertrackten Situation zu tun.“
„Das scheint mir so“, brummte der Großbauer und nahm einen tiefen Zug aus dem Krug. Der Ragatzo brannte ihm die Kehle hinab.
„Und dann gibt es noch die Lovaras“, fuhr der Diener fort. „Die machen uns am wenigsten Probleme. Sind Pferdehändler und halten sich mehr an die Bürger von Pildek und die wenigen verbliebenen Adligen.“
Der Trigorner betrachtete Sgirro aus zusammengekniffenen Augen. Immerhin, der Mann nahm seine Aufgabe genau. Das war gut. „Drei verfluchte Zahorisippen. Das sind drei götterverdammte Sippen zuviel.“
„Verzeiht, Herr, aber das ist noch nicht alles ...“
Tauro Gonzalo Trigorne knirschte mit den Zähnen. „Was noch?“
„Die Bauern, Herr. Ich meine: die einfachen Bauern. Äh ... nun ... also, die Bauern sind unzufrieden.“
„Ha!“ Der Trigorner lachte auf und starrte Sgirro mit gefletschten Zähnen an. „Unzufrieden!“
„Das sind sie, Herr.“ Unruhig scharrte der Diener mit den Füßen, dann legte er die Hände vor dem Kinn zusammen. „Sie sind natürlich nicht erfreut über die Zahori und das Söldnerpack. Aber ... sie sind auch zunehmend verärgert über ... über Euch, Herr.“
Tauro Ganozalo Trigorne hielt den Blick des Mannes fest.
„Sie bemerken wohl, dass Ihr immer wohlhabender werdet, während sie hungern. Sie sind wütend, weil Ihr genügend Knechte und Mägde in Lohn und Brot haltet, während sie, deren Kinder dahinsiechen, nicht mehr ausreichend Hände haben, um die Felder zu bewirtschaften. Und der, den sie den Rinder-Rafik nennen, nimmt es Euch persönlich übel, dass Ihr ohne die Erlaubnis der Baronin oder der Junker in die Rinderzucht eingestiegen seid.“
„Rafik! Diese Missgeburt! Er züchtet Milchkühe, aber was versteht er von Stieren? Nichts!“
Wieder schwieg der Diener. Tauro Trigorne lehnte sich im Sessel zurück und schwenkte den Krug in einer Hand. „Und: Wenn du das Sagen hättest, Sgirro, was würde dir in deinem kleinen Köpflein einfallen, um unser Problem zu lösen?“
Espejo Sgirro blickte ihn an, diesmal ohne seinen Augen auszuweichen. „Lasst es mich so zusammenfassen, Herr: Wir haben Fortezza und seine Söldner, die sich hier in Carhag-Lo breitgemacht haben. Sie nehmen den Bauern ihr Essen weg und ihre Frauen, besaufen sich und sorgen für nichts als Ärger. Die Bauern hassen und fürchten sie, aber sie können nichts machen, denn Fortezzas Männer und ... äh ... Frauen sind bewaffnet und skrupellos. Außerdem sind da noch die Cruento-Zahori, die mit Fortezza gemeinsame Sache machen und für ihn Schutzgeld eintreiben. Auf der anderen Seite sind die Silfides. Sie sind auch immer mal wieder hier in der Gegend und bringen den Bauern Kleinwild, Vögel und Schweine mit, die sie jagen oder in den anderen Baronien stehlen. Sie schimpfen auf den Adel und predigen den Bauern, sich gegen die Mächtigen zu erheben. Und letztlich sind da die Bauern selbst, die zunehmend ungehalten sind. Wenn sie weiter hungern und von den Söldnern und Zahori ausgebeutet werden, könnte es sein, dass sie den Einflüsterungen der Silfides wirklich Gehör schenken. Und dann könnten sie auch Euch gefährlich werden, mehr noch als Fortezza oder den Junkern.“
Der Trigorner nahm noch einen Schluck Ragatzo und strich seinen Schnauzbart glatt. „Und weiter?“
„Wo zwei sich streiten, Herr, sagt man, da freut sich der Dritte. Oder wo drei sich streiten ... Wie auch immer: Wir müssen zusehen, dass die Parteien sich gegenseitig schwächen und wir von ihrem Streit profitieren.“
„Und wie?“
Fahrig strich sich der Diener durch das lichte Haar. „Es muss Tote geben, Herr.“
Der Trigorner lachte und beugte sich im Sessel vor. „Tote.“ Er leerte den Krug und warf ihn achtlos zu Boden. „Das ist gut.“
„Als erstes ein Bauer oder – noch besser: eine Frau. Wenn es uns gelingt, ihren Tod den Cruentos in die Schuhe zu schieben, kriegen die Zahori Ärger. Wir könnten die Gelegenheit nutzen, um Fortezza zu überzeugen, sich von den Zahori zu trennen. Gleichzeitig schüren wir den Verdacht der Leute auch gegen die Silfide-Sippe. Hexerei, Schwarzmagie, irgendsowas. Am besten wäre es, wenn wir es schafften, die Zahori gegeneinander aufzuhetzen, sie können sehr blutig sein in ihren Fehden.“
Der Trigorner grinste und nickte.
„Ihr dürft Euch in den Streit nicht einmischen. Verhandelt höchstens mit Fortezza, aber nicht mit den Zahori. Wir müssen uns auf einen Gegner nach dem anderen konzentrieren, und als erstes müssen wir die Fahrenden loswerden. Und: kümmert Euch um die Bauern. Zeigt Euch besorgt um sie, unterstützt sie mit Nahrung, Arbeitern, was auch immer Ihr entbehren könnt, ohne dass es zu sehr schmerzt.“
Tauro Trigorne musterte seinen Diener. Hager war er, nicht mehr ganz jung, aber deutlich vor der Zeit gealtert. Das graublonde Haar hing ihm in langen Strähnen neben den Ohren herab, sein Schädel selbst war kahl. Dunkle Ringe zeichneten sich unter den Augen ab, das glatte Kinn wies einige Narben auf, wo er sich beim Rasieren geschnitten hatte. Die weite Tunika betonte die schmale Brust, und auch die Hosen hingen erbärmlich an Sgirro herab. So jämmerlich der Mann auch war, so wenig Mann sogar in Tauro Trigornes Augen: Er war ein Glücksgriff. Ein kluges Köpfchen, das er sich da aus Taladur hatte kommen lassen. Ein gefährlich kluges Köpfchen. Sgirro fürchtete ihn, das glaubte er wohl. Aber wehe, der Mann geriet einst an einen anderen, der ihn mehr beeindruckte. Nein, Sgirro sollte auch wissen, was er an ihm, dem Trigorner, als Herrn hatte. Er würde ihn neu einkleiden lassen und ihm eines der Bücher besorgen, von denen der Mann geschwärmt hatte.
„So, eine Frau. Wir werden also eine Frau töten“, sagte er und strich sich über das Kinn. Im Geiste ging er die Bäuerinnen, Hirtinnen, Mägde durch, an die er sich erinnerte.
„Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte, Herr.“
Der Trigorner nahm die wässrig blauen Augen gefangen.
„Der Rinder-Rafik sollte sich auf anderes konzentrieren als Euch zu belästigen. Er hat eine Tochter, Herr.“
Tauro Gonzalo Trigorne zog die Nase hoch. Ein dämonisches Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er die Finger um die Lehnen des Sessels schloss. Das Holz knackte bedenklich unter seinen breiten Händen. Alle Bücher! Der Mann sollte alle Bücher bekommen, die er nur wollte!

Chronik:1032
Die Herren von Pildek
Teil 04