Das 'güldene Zeitalter' der Convivencia
Durch die Tulamiden erhielt das tägliche Leben am Oberlauf des Yaquirs bald eine verfeinerte Note - so praktizierten bei ihnen beiderlei Geschlechter die Kunst der Körperpflege, sie führten die Barbier- und Frisierkunst ein, Künste und Wissenschaften standen bei ihnen hoch im Kurs und in allen Landesregionen, die den Siedlern bislang als zu trocken für ergiebige Landwirtschaft gegolten hatten, bewiesen sie mit künstlichen, von Menschenhand geschaffenen Bewässerungssystemen das Gegenteil. Düngemittel und der terrassierte Anbau von Obst und Getreide wurden eingeführt und mit ihnen bislang unbekannte Nutzpflanzen wie Zuckerrohr, Mandel-, Granatapfel- und Feigenbäume, Melonen, Datteln und Arangen oder der bis dahin nur den Elfen bekannte Bausch. Die Tulamiden ließen die alten Tempel in den Orten, die sie vorfanden, bestehen und errichteten zusätzlich neue Bethäuser für ihre alten Götter. So entstand zuerst in Punin der einzigartige Tempel der Tsa - direkt gegenüber dem Borontempel, wie es ihrer Glaubensauffassung gemäß dem Prinzip des göttlichen Dualismus entsprach.
Der in Puninum regierende Prefect Vesparius hatte zunehmend Probleme den Kaisertaler nach Bosparan zu überweisen. Durch den Mangel an Devisen fielen auch mehrere Sold-Zahlungen an die Legionäre aus, welche durch die Prägung von zunehmend wertlosen Münzen gelöst werden sollte. Als der Sold jedoch weiter ausbleibt konnten die Befehlshaber einen Aufstand nicht mehr verhindern. Die ansässigen Tulamiden unterstützten daraufhin den Centurio Jel und seine 'Legio II Yaquiria' beim Aufstand. Der Praefect wurde kurzerhand abgesetzt und dessen Residenz geplündert. Für kurze Zeit hatte Jel die Macht in Puninum, welche er mit den verbündeten Tulamiden teilte. Doch kurze Zeite später wurde bekannt, dass Bosparan überfallen und geplündert wird. Jel übergibt daraufhin Yaquiria Superior an seinen Verbündeten 'Aslam ybn Sarhidi' und setzt die Reste der Legionen gen Bosparan in Marsch um die Hauptstadt zu retten.
Zum ersten Emir des neu ausgerufenen Emirat Al'Mada bestimmte man den jungen Aslam, den erstgeborenen Sohn des greisen Anführers Sarhidi ybn Nebahat, der diese Ehre für sich selbst bestimmt abgelehnt hatte. Emir Aslam erwählte die auf einem granitenen Felsplateau westlich von Punin entstehende Festungssstadt Al'Muktur zum seinem Herrschaftssitz und ließ dort für sich und seine Nachfolger den Almadinpalast errichten - eine unfaßbar prunkvolle Palastanlage, die wie eine weiße Krone über der Stadt leuchtete.
Sein Statthalter auf der Feste Chabetz bei Nervath (dem heutigen Valpokrug) handelte mit den "kleinen Menschen der Berge" um Gold und Edelsteine. Besonders die rotfunkelnden, in den Randgebirgen Almadas besonders ergiebig vorkommenden Almadine hatten es dem Herrscher und bald auch allen anderen Mächtigen Almadas angetan. Almadine zu besitzen und zur Schau zu tragen, wurde zum Statussymbol - bis heute lassen sich Macht und Einfluß einer Person in Almada an Anzahl und Größe der von ihr getragenen Almadine ablesen.
Dank der Weisheit und dem staatskunstlichem Geschick der Emire hielten wieder Ordnung und Wohlstand Einzug in die während der Dunklen Zeiten niedergegangenen Provinz. Emir Gushadal ließ die inzwischen völlig verwahrloste und zugewucherte Reichsstraße II zwischen Punin und Ragath wieder herrichten, sein Nachfolger Yalacham hielt Bergkönig Andraschim durch die Schenkung magischer Kleinodien vom Krieg wieder die Menschen ab, nachdem man die Via Ferra quer durch Zwergengebiet zum Tal des Großen Flusses und den neubegründeten Siedlungen Al'Benush und El'Envina getrieben hatte. Der segensreiche Geist der Convivencia - des friedlichen Zusammenlebens der unterschiedlichsten Völker und Rassen - fand seinen Höhepunkt unter der einzigen Frau auf dem Emirthron: Ismeralda Al'Azila - genannt die »Almadinrose« - war als Haremsfavoritin nach dem Tode von Emir Yalacham durch dessen Testament an die Macht gelangt und baute Al'Muktur und den Almadinpalast zu einem Hort der Künste und der hohen Wissenschaft aus. Die von ihr begründete Bibliothek umfasste mehr als 5000 Schriftrollen, Poeten wurden zu Sängern und diese zu Troubadours, um den Liebreiz der Emirin in Versform in die Welt zu tragen. Sternkundler, Zauberer, elfische Künstler und zwergische Baumeister gingen im Almadinpalast ein und aus. Unter der Regentschaft Ismeraldas wurde das bereits unter ihren Vorgängern eingeführte Bewässerungs- wie auch das Mühlwesen weiter perfektioniert. Auf den Hügel des Almadinen Emirats entstanden die runden, weißgekalkten Windmühlen, an den Flüssen die Norias, gewaltige Wasserschöpfräder, die das Wasser in die Feggagir, die Bewässerungskanäle pumpten, so daß mancherorts drei oder sogar vier Ernten pro Jahr möglich wurden.
Aber auch das friedvolle Zeitalter der Emire von Al'Mada fand ein jähes Ende: Der letzte und heute berühmteste der Emire, Harabal y ben Avun, sah sich ab 85 v.BF derart vom wiedererstarkten Alten Reich bedrängt, daß er sich schweren Herzens entschloß - zum Wohle seines Volkes und Al'Madas - das Land kampflos der Oberhoheit von Kaiserin Obra-Horas zu überantworten. Damit erregte er jedoch das Mißfallen seines heißblütigen Sohnes Rashid, der einen guten Teil des Heeres seines Vaters unter sein Kommando bringen konnte und in feurigen Reden zum Widerstand gegen die anrückenden Truppen Bosparans aufrief. Allein, die Schlacht in den Nebelauen endete für die tulamidische Seite in einem ähnlichen Desaster wie fast genau 800 Jahre zuvor die Schlacht von Punin.
Rashid stürzte sich nach der Niederlage von dem nach ihm benannten Turm des Almadinpalastes zu Tode - Kaiserin Obra-Horas verzichtete nach dem leichten Sieg auf jegliche Strafsanktionen und gliederte das Emirat - in leicht veränderter Schreibweise - als Protektorat Almada wieder in ihr Reich ein.
Das Almadine Emirat | ||||||||||||||||||||||||||||||
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