Chronik.Ereignis1036 Wider die Taifas 03
Baronie Brindâl, 28. Travia 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
In den Straßen Dâls (mittags)[Quelltext bearbeiten]
Autor: vivar
Davos Rakane, der im Torbogen mit seiner Tochter den Weg des Vivar und seiner Knappin kreuzte, als sie sich zu Fuß auf den Rückweg zum Heerlager machten, blickte den beiden nur einen kurzen Augenblick lang hinterher. Dann wollte sich der alte Condottiere mit dem graubärtigen Vollbart aus Kaiser Retos Tagen dem Jungspund zuwenden, der mit seinem Gefolge das Tor gestürmt hatte. Als er die Comtessa bemerkte, die ebenfalls dem Baron hinterherblickte, verzog er nur spöttisch das Gesicht. Als er jedoch sah, dass seine eigene Tochter es ihr gleich tat, knurrte er sie an: "In drei Mantikors Namen, Smeralda! Halt hier keine Maulaffen feil! Der Feind ist vor, nicht hinter uns!"
Die junge Frau, einen halben Kopf größer als Rakane, aber unter ihrer Plattenrüstung nicht ganz so kräftig wie er, drehte sich um und spuckte aus. Statt der Schaller ihres Vaters bedeckte eine Kappe ihr Haupt, die aus einem Wolfskopf genäht war. Ihr dunkelbraunes Haar trug sie darunter offen. Es umrahmte ein Gesicht mit großen braunen Augen, das ansehnlich zu nennen gewesen wäre, würden nicht eine große Narbe auf der linken Wange und ein paar abgebrochene oder -gefaulte Zähne daran erinnern, dass das Söldnerleben hart und blutig war. In einer Rückenscheide stak eine geschwungene, neun Spann lange Klinge - eine Boronssichel, wie auch Davos Rakane eine führte. "Pah!", rief Smeralda. "Dieser Tag mag ohnehin unser letzter sein, Vater, und da wäre es doch Sünde vor der Herrin Rahja, mir so einen edlen Hintern nicht anzusehen!"
"Heute kommt dich der Gevatter noch nicht holen, Smeralda! Dafür werde ich schon sorgen", brummte Davos Rakane unwirsch. Dann blickte er aus dem Torbogen hinaus in die menschenleeren Gassen Dâls hinein, musterte die verschlossenen Fensterläden und Dächer. "Wenn er es aber doch tun wollte, so wäre es ihm in diesen verwinkelten Gassen ein Leichtes", setzte er dann, mehr zu sich selbst, hinzu. Er hasste es, durch enge Gassen zu schleichen. Wald und Gebüsch, ja sogar offenes Feld waren ihm lieber.
Schließlich pflanzte er sich vor Dom Ferando auf und richtete das Wort an ihn: "Davos Rakane, Dom. Nebst 80 Rauwölfen, die noch unter den Mauern stehen. Wir sollen bis zum Cabildo Dâls vordringen. Und wie lauten Eure Befehle?"
Autor: Meeltheuer
"Ferando Meeltheuer von Brigellan", erwiderte dieser und nickte in Annerkennung dem alten Condottiere zu. Er blickte kurz zu der weiblichen Begleiterin, welche sich noch auf dem Pferd befand, um dann Rakane erneut anzusprechen.
"Auch wir haben die Anordnung erhalten, bis zu jenem Ort vorzurücken. Eure Truppe wird uns wertvolle Dienste leisten, wenn wir die Heiden aus den Häusern prügeln und sie vor Boron richten." Seine Augen richteten sich auf die Waffen des Condottiere, dann auf die verwinkelten Gassen von Dâl. "Ich würde empfehlen eine etwas günstigere Waffe zu wählen. Eure Boronssichel könnte in den Gassen zum Nachteil gereichen und die Bastarde schlachten Euch ab wie Vieh." Ferando befleißigte sich nicht der höfischen Sprache, der blumigen Umschreibungen, der verdeckten Andeutungen und des Innuendo, als er mit dem Condottiere sprach. Er wusste, dass die einfachen Worte oftmals bei der käuflichen Gewalt besser verstanden wurden als an so manch edlem Hofe. "Habt Ihr Eure Truppe für den Häuserkampf gerüstet? Wie mir scheint, werden wir nicht umhin kommen, so manchen das Dach über ihrem Kopf zu zertrümmern, bis dass die Schweine flüchten oder sterben."
Er wusste, dass viele der Edlen sich der ritterlichen Tugenden, der formalen Geplänkel näher sahen als der Wirklichkeit des Schlachtens. Seinem Studium der rondrianischen Schriften waren die des Kor gefolgt und sofern es die Zeit erlaubt hatte, auch die der Nanduskirche in Belangen des Krieges. Er war nicht so engstirnig, wie manch anderer, mit denen er gedient hatte während seiner Zeit des Mondenkaisers. Manch einer möge ihn vor einen Widersacher halten, jedoch nie wissen, dass sein Vater ihn zum Schutz vor möglichen Repressalien an die damalig Herrschenden schickte. Viele mochten vermuten, dass er ein weiterer Adliger war, der Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld suchte, um dann auf Festivitäten von diesen in übermäßgen Tönen zu prahlen. Dies war jedoch nicht die Welt, die er sah. Gewiss, Rang und Ordnung waren Teil seines Seins, doch Mittel zum Zweck für manch größeres Unterfangen. Der Zug in die Südpforte war der erste Schritt und all diejenigen, die dachten, er sei ein unbedeutender Sprössling eines Barons, würden ihre Verblendung noch verwünschen.
Er blickte erneut zu der Reiterin, als der Gedanke ihm wieder entwich. "Eventuell mag Eure Begleiterin sich auch des Pferdes entledigen und die Aufwartung machen?"
Autor: vivar
Während sich Smeralda von ihrem Gaul schwang und stahlscheppernd landete, bequemte sich ihr Vater, Dom Ferando selbstsicher zu antworten: "Ihr habt mich und meine Rauwölfe noch nicht mit der Boronssichel erlebt, junger Dom. Für Vieh sind wir zu gut gepanzert, und wer an uns herankommen möchte, muss sich gegen unsere Gassenhauer zur Wehr setzen. Und sollte der Novadi die überstehen, so können wir ihn mit dem halben Schwerte noch katzbalgen. Wie wollt Ihr zu unserem gemeinsamen Ziel vorrücken?" Er blickte zum Brillo hinüber, dem Bach, der in einem Graben am anderen Ende des kleinen Torplatzes von Norden gen Süden vorbeifloss, dann zu den schäbigen und windschiefen Häusern an seinem Ufer. "Weiter unten gibt es eine Brücke, aber da wir alle zu Fuß sind, können wir gewiss auch an dieser Stelle über oder besser durch den Bach ins Marktviertel kommen, wo der Cabildo steht. Im Zweifelsfall durch ein Gärtchen und im Notfall durch eine dieser Katen hindurch."
Autor: Meeltheuer
Ferando blickte ebenfalls auf die geographischen Beschaffenheiten und erwiderte Davos: "Ein direktes Vorrücken durch den Flussgraben wäre am einfachsten zu bewerkstelligen, jedoch würde es uns ungeschützt feindlichem Feuer von der anderen Seite aussetzen. Die Brücke wäre sicherlich dem ein oder anderen bequem, doch wird sie ohne Weiteres von den Heiden verstärkt gehalten und noch schwerer zu überqueren sein. Sofern Ihr Schützen unter Euch habt, so würde ich vorschlagen, dass wir zuerst die Häuser von Ungeziefer säubern, um dann dort die Schützen in Stellung gehen lassen, dann unter ihrem Schutz wird ein Sturmlauf auf die andere Seite unternommen und alles niedergemacht, was Widerstand leistet, sofern es sich nicht um Zivilisten handelt; Befehl der Marschallin, sie zu schonen. Sollte alles verlaufen wie erhofft, so sollten die Verluste sich gering halten und mehr von Eurem Leuten können nachher den Trosshuren frönen. Wenn Ihr nun noch Euren stellvertretenden Kommandanten mir vorstellt, für den Fall der Fälle, dass Ihr zu Boron geht und koordiniert werden muss, dem Vorhaben zustimmt, können wir sofort zur Tat schreiten, es sei denn, die Domna hat Einwände und schlägt ein anderes Vorgehen vor."
Ferandos Blick wandte sich zu Romina, die bis jetzt geschwiegen hatte.
Als von dieser keine Antwort kam, nahm er dies als Akzeptanz des Planes an und wandte sich erneut an den altgedienten Condottiere: "So sei es denn. Auf Euer Zeichen beginnt der Vormarsch. Gebt Euren Leuten Bescheid was sie erwartet! Der Novadi wird nicht uns einfach in dieser Stadt herumspazieren lassen." Ein erneuter Blick zu Romina entlockte ihm die Worte: "Der Geist ist auf dem Schlachtfeld, nicht in dem Bett mit einem anderen, egal wie verlockend dies klingen mag. Wir sehen uns auf der anderen Seite, Domna." Er verbeugte sich leicht zu ihr und drehte seinen Kopf zu Davos; auf das Zeichen wartend.
Autor: vivar
Davos Rakane kämmte sich mit dem stählernen Handschuh den Kaiser-Reto-Bart. "Ei, Dom Ferando, mir dünkt, dass Euer Gefolge weitaus behänder ist als meine schwer gepanzerten Rauwölfe. Ihr habt den Torturm flink genommen, flink werden auch Eure Weiber und Mannen sein, wenn es gilt, die Schaben aus den Häusern zu treiben. Wir sind dagegen sind stark gerüstet und können wohl am ehesten den Sturmlauf durch den Bach überstehen, wenn versteckte Heiden ihre Pfeile schleudern. Seht Ihr dieses rote Haus auf der Linken und die Taberna auf der Rechten?" Er wies auf zwei Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Torplatzes. Dazwischen neigte sich der Torplatz zum Bachufer hinunter.
"Lasst mich vorrücken und die Türen aufbrechen. Dann dringt Ihr ein und sichert den Übergang, während wir die Furt durchqueren und das selbe jenseits des Baches erledigen, so dass Ihr mit Euren und die Domna Romina mit den Streitziger Knechten ungehindert queren könnt. Einverstanden?"
Autor: Meeltheuer
Ferando blickte zu den angewiesenen Gebäuden und nickte leicht. "Möge Kor Euch reichlich Arbeit geben, damit sich Eure Recken ihren Sold verdienen können." Mit diesen Worten zog er erneut seine Waffe und wies seine Leute an, sich auf die Taberna zu konzentrieren, während er Romina das rote Haus als Aufgabe ihrer Streiter übergab. Als sich dann die Rauwölfe an den Türen zu schaffen machten, ertönte aus der Taberna der Ruf "Bei Rahja, wir sind zwöflgöttergläubig, bitte schont uns!" und den hereinströmenden Kämpfern zeigte sich das Bild des Wirtes, welcher mit seiner Familie versuchte, sich hinter dem Tresen zu schützen und einige überraschte Gäste, welche, die umgeworfenen Tische zum Schutz gebrauchend, wimmerten, Gebete an die Zwölfe erhebend. Ferando gebot seinen Kämpen Einhalt und rief nur dem Wirt zu: "Verhaltet euch ruhig und euch wird nichts geschehen!" Dann wies er die Fernkämpfer an, nach oben zu stürmen und die Fenster zu besetzen. Als das Gebäude ohne Kampf gesichert war, trat er hinaus und gab Davos mit einem Handzeichen die Bestätigung zum Vorrücken von seiner Seite aus.
Autor: vivar
Dieser erwiderte das Zeichen, und als aus einem Fenster im Oberstock des roten Hauses auch die Grafentochter in entwarnender Geste die Hand hob, wank er seinem Bannerträger, der unter dem Tor stand. Binnen kurzer Zeit war die geordnete Kolonne der zwei Banner schwerer Mercenarios unter dem rotem Wolfshaupt auf weißem Tuch im Sturmschritt durch das Firunstor in Dâl eingerückt und über den Platz hinweg vorgerückt. In breiter Front kamen die Rauwölfe - Boronssichelträger, Pikeniere und einige Armbrustschützen - am Ufer des Brillobachs an.
Der Graben, grob von den Dâlern aus dem lehmigen Untergrund geschürft, um den Brillo in geordneten Bahnen durch die Stadt bis in den Yaquir zu lenken, war etwa drei Schritt breit, doch lediglich anderthalb Schritt tief und wäre für gewöhnlich kein wirkliches Hindernis gewesen. Rakane hatte in seinen Überlegungen jedoch nicht die Auswirkungen des tagelangen Regens bedacht. Vom Tor aus hatten weder er noch die anderen sehen können, dass der Bach den Graben beinahe bis zur Kante ausfüllte. In Richtung des Hafens, einige hundert Schritt zur linken Hand, war er sogar über die Ufer getreten, weil das Wasser des Yaquir in den Bachlauf hineindrückte. Die windschiefen Häuser auf der gegenüberliegenden Seite standen sogar spanntief im Wasser.
Als die ersten Mercenarios der unerwarteten Wassermassen gewahr wurden, wollten sie innehalten und sich umwenden. Doch eine Kolonne von 80 Gepanzerten ist, einmal in Bewegung gesetzt, nicht so schnell zum Stillstand zu bringen - umso weniger, wenn sie von hinten mit "Drauf und Dran!"-Rufen ihres Condottiere weiter angetrieben wird. Ehe ausreichend Mercenarios die Gefahr erkannt und sich gegen ihre von hinten vorwärtsdrängenden Kameradinnen gestemmt hatten, waren gewiss fünf oder sechs Rauwölfe in den Bach gestürzt. Nur zwei davon konnten mit Müh und Not wieder herausgezogen werden. Die anderen sanken an Ort und Stelle auf den Grund oder wurden abgetrieben. In jedem Fall ertranken sie kläglich.
Verärgert darüber, dass der Vormarsch unterbrochen worden war, eilte Davos Rakane, Flüche austeilend, selbst nach vorne. In wenigen Augenblicken hatte die Situation erfasst. "Reißt eine Hütte ein! Bringt Bretter und Balken!", schrie er erbost. "Wir brauchen eine Behelfsbrücke!"
Autor: Meeltheuer
Ferando sah was geschah und fluchte leise. Dieses Unterfangen würde wertvolle Zeit kosten, was die Verteidiger begünstigen würde. Er wies seine Kämpfer an, weiter ein wachsames Auge auf die gegenüberliegenden Seite zu haben und stapfte ungeduldig auf und ab, während die Söldlinge von Davos ein Nachbarhaus einrissen, das Baumaterial für eine Behelfsbrücke zusammentrugen und sich anschickten diese zu erschaffen.
Unbeobachtet von den Vorkommnissen auf almadanischer Seite hatte sich Chabun ben Nafiref an die vorderste Front gewagt. Er war aufgebracht, wie es sein könne, dass Kämpfer Rastullahs von einem kleinen Haufen Ungläubiger von den Mauern und Tor hatten vertrieben werden können. Er war kurz davor, dem Kommandanten der Einheit seines Kommandos zu entheben, als er selbst gewahr wurde was sich auf der anderen Bachseite abspielte. Sofort beorderte er einen Läufer zu sich: "Holt so viele Schützen zu diesem Punkt, wie ihr könnt. Bei Rastullah, die Ungläubigen werden den Bach mit ihrem Blut rot färben!" Dann wandte er sich zum Kommandanten der Einheit: "Haltet diese Häuserzeile! Versagt, so sucht euer Heil bei Rastullah, ich will nicht erneut von eurer Unfähigkeit hören." Er wandte sich von der Front ab, begab sich zu seinem bereitstehenden Shadif und ritt zur Festung, um die vollständige Aufrüstung seiner Leibtruppen für den Kampf um die Stadt zu übersehen und eine Notfalls zweite Verteidigungslinie zu Füßen der Festung zu etablieren.
Ein weiterer Läufer erreichte keuchend Chabun auf dem Weg. "Herr, die Ungläubigen dringen Richtung Hafen vor!" Chabun zügelte sein Pferd und wendete sich zum Läufer. "Haltet diesen um jeden Preis und schickt ein Boot über den Fluss mit Reitern. Lasst alle Rechtgläubigen, die für Rastullah ihr Leben geben würden, auf der anderen Seite zusammenrufen so schnell es ihnen möglich ist und schickt sie an, diese almadanischen Hunde in einer Flut aus Rastullahs Kindern zu ertränken!" Dem Pferd erneut Schnelligkeit gebietend, wandte er sich wieder ab und sprengte zur Feste.
Autor: vivar
Nareb, der Kommandant der Askarija, der soeben daran erinnert worden war, dass bei Versagen Gnade von Rastullah, nicht aber von seinem Bey zu erwarten war, gab eilig seine Befehle. Auch wenn er einer Sippe der Beni Sabah vom Fuße der Amhallassihkuppen entstammte, hatte er bereits vor vielen Jahren in Dâl seine Heimat gefunden. Daher kannte er die Gegebenheiten Brillones gut, denn er verfügte dort über einen kleinen Garten, den er in friedlicheren Zeiten täglich aufsuchte, um sich der Pflege seiner Mandel-, Feigen- und Arangenbäume, seiner Flieder-, Jasmin- und Lavendelbüsche zu widmen. Er war Narebs ganzer Stolz und es dauerte ihn, dass er jetzt zur Hälfte unter Wasser stand und Nareb aufgrund des Krieges sich nicht darum kümmern konnte.
In eben diesen Garten, der direkt am efferdwärtigen Ufer des Brillo lag, schoben die Rauwölfe nun über den Graben hinweg drei massive Balken hinein, die sie aus einer Hütte auf der rahjawärtigen Seite des Baches gerissen hatten. Diese Balken belegten sie quer mit Brettern, so dass zwei Mann bequem nebeneinander Platz hatten. Als nach einer gefühlten Ewigkeit Smeralda als erste aus Davos' Terzio die wackligen Planken überquert hatte, um die Brücke zu sichern, sauste von irgendwoher ein erster Pfeil heran, der jedoch nur eine leichte Delle in ihrem Harnisch verursachte und dann zu Boden fiel.
"Ayâl!" Ein Schrei drang zu den Mercenarios durch, und zwischen den Büschen tauchten zwei Wickelköpfe auf, die sich mit Krummschwertern und Rundschilden auf Smeralda stürzten. Diese hatte jedoch, durch den Pfeil gewarnt, ihre lange Boronsichel in Abwehr auf Kopfhöhe erhoben und hielt sich die Novadis nun mit großen Hieben behände vom Leibe. Schnell zerschlug sie dem einen den ledernen Schild und trieb so beide weiter in den Garten hinein.
Als ihre Kameraden dies sahen, rückten sie eilig nach. Wie eine stählerne Lanze weiches Fleisch durchbohrt, drangen sie immer weiter in Narebs Garten hinein, stampften durch den aufgeweichten Boden und achteten nicht auf reife Feigen oder Arangen, sondern auf die immer zahlreicher werdenden novadischen Kämpfer, die von den Seiten heran drängten und sie abzuwehren versuchten. Aufgrund ihrer Überzahl gelang es ihnen, den Ansturm zum Stehen zu bringen und die Mercenarios in einzelne Kämpfe zu verwickeln.
Etwa ein Dutzend Rauwölfe hatte die Behelfsbrücke bereits überquert, als der Pfeilhagel begann. Aus den Fenstern der Häuser und Hütten jenseits des Baches, aus verborgenen Gossen und hinter Bäumen schwirrten die tödlichen Geschosse heran und prallten meist wirkungslos an den schweren Rüstungen der Rauwölfe auf der Brücke ab. So mancher traf jedoch eine Halsbeuge, eine Wade oder eine andere leichter gepanzerte Stelle und durchschlug sie.
Davos Rakane hatte die Brücke noch nicht überquert, sondern stand noch immer auf dem Vorplatz. Deshalb überblickte er nicht nur die schwierige Situation am Graben, sondern auch die Gasse, die von diesem in die Stadt hinein führte. In etwa 200 Schritt Abstand wurde ein schwer mit Weidenkörben und Säcken beladener Ochsenkarren quer über die Gasse geschoben und einige Gestalten machten sich sofort daran, ihn zu verkeilen und somit den Durchgang zu blockieren. Dahinter nahmen weitere Bogenschützen Aufstellung. "Mantikor noch eins!", fluchte Davos. Dann schrie er: "Weiter, weiter! Wir müssen über die Brücke!"
Autor: Meeltheuer
"Gebt denen, was sie verdienen!", schrie Ferando und eine almadanische Antwort an Pfeilen und Bolzen flog von der anderen Seite heran. Auf Grund der begrenzten Menge seiner Fernkämpfer waren es nicht so zahlreiche Projektile, die den Novadi entgegengeschickt wurden, jedoch wurde der eine oder andere von ihnen getroffen und sank zu Boden. Dies war jedoch nicht genug, um den Rauwölfen Luft zu verschaffen, als mehr und mehr Novadis aus den Gassen und Häusern heran eilten, um für ihren Bey die Ungläubigen nicht passieren zu lassen.
"Magus, zu mir!", schrie Ferando erneut und der immer noch etwas mitgenommene Magier hechelte die Treppen hinauf, um in der höheren Etage der Taberna seinem Soldherrn aufzuwarten. "Seht Ihr das Haus direkt uns gegebüber, wo der Feind zahlreich Pfeile abgibt?"
Der Magier nickte.
"Gut, ich will, dass Ihr es mit all Eurer Kraft vernichtet."
Der Magier blickte überrascht zu Ferando." Aber... "
Die Hand von Ferando beendete den Protest des Magiers. "Ihr sagtet, Ihr könnt es. Also zeigt es, Magier."
Ferando blickte gebieterisch auf den nun in einer Zwickmühle befindlichen Zauberkundigen. Er hatte seinem Soldherrn gesagt, dass er einen Spruch könne, welcher ein ganzes Haus vernichten würde. Dies war der Hauptgrund gewesen, warum er für die Schlacht um Dâl angeworben worden war, und nun war er gezwungen zu zeigen, ob er es wirklich konnte. Er hatte die Formel zwar gelernt, aber sie nie so richtig gemeistert und er hatte gehört, dass andere Magier bei dem Versuch sie zu sprechen schon gestorben waren.
Mit einem tiefen Seufzer wandte er sich von Ferando ab und eilte die Treppen hinunter auf die Straße, hinter die Masse der voran drängenden Rauwölfe, die von ihrem Anführer mit Flüchen und Tritten zum weiteren Vorrücken angespornt wurden. Er atmete tief durch und begradigte seinen Rücken. Nun würde es gelten zu zeigen, ob er es könne. Die Arme erhoben sich und die Hände formten sich zur Schale. Mit starker Konzentration visierte der Magier das ihm gedeutete Haus an und sprach die Formel: "Ingisphaero Feuerball - Gleißen, Brand und Donnerhall."
Die Feuerkugel verließ seine Hände und flog zum Haus auf novadischer Seite. Kurz darauf hörte man laute Schreie und Flammen schlugen aus den Fenstern, die schnell auch das Dach in Beschlag nahmen. Der Magier reckte die Faust aus Freude in den Himmel, als das Haus anfing, in einem Feuersturm zu brennen als ob Ingerimm selbst ihm zürnen würde. Dann jedoch bemerkte er, dass es aus Nase und Ohren blutete. Kurz darauf brach er leblos zusammen.
Autor: vivar
Smeralda Rakane blockte den Hieb eines Khunchomer Säbels und band diesen mit ihrer Boronsichel. Dann zog sie das zweihändige Schwert an der gegnerischen Klinge nach oben und hieb im nächsten Augenblick von oben nach unten in den ungeschützten Hals ihres Gegners. Ein nachgesetzter horizontaler Hieb schlitzte ihrem zweiten Gegner den Bauch auf. Sie warf einen kurzen Blick hinter sich, auf das Haus. Das Feuer spiegelte sich im schlammigen Wasser und gab der Narbe auf ihrer Wange eine unwirkliche Lebendigkeit. Schreie des Entsetzens ertönten aus dem brennenden Haus, als die Flammen immer höher leckten. Ein brennender Bogenschütze stürzte sich in den Bach. "Rauwölfe! Zu mir!", brüllte sie über das Krachen und Knistern hinweg und stürmte gleich darauf auf den nächsten Gegner zu. In wenigen Schritt Entfernung konnte sie bereits trockenen Grund und dahinter ein offen stehendes Gartentor erkennen.
Gierig verschlangen die Flammen das Dachgestühl. Doch die Holzbalken sättigten ihren Appetit nicht - im Gegenteil. Es dauerte nicht lange, bis sie auf den Holzverschlag der benachbarten Gerberei übergriff und die dort zum Trocknen aufgespannten Häute verzehrten. Doch auch dies war ihnen nicht genug. Neben einem geringen Anteil Taladurer Alauns, welches die Gerberin für edle Weißgerbungen zu verwenden pflegte, lagerte in der Gerberei vor allem getrocknete Eichenrinde aus den nahen Inoshügeln - zermahlen zu feinem Pulver in der dem Hause eigenen Wassermühle. Nur etwa 20 weitere Mercenarios hatten die Brücke betreten und zum Großteil unverletzt überquert, ehe auch die Gerberei in einer Staubexplosion in die Luft flog. Funken stieben in alle Himmelsrichtungen.
"Châra!", fluchte Nareb. Wollten die Malukim[1] Dâl nun einnehmen oder niederbrennen?
Autor: Meeltheuer
Als der Staub und Nebel der Explosion sich gelegt hatten, klaffte ein großes Loch in der Häuserzeile und die Reihen der novadischen Verteidiger waren zerschnitten. Nareb hörte die Schreie der Verwundeten. Vor ihm lag ein Askari, dessen Körper von Holzsplittern regelrecht gespickt war. Aus dem Staubnebel heraus torkelten einzelne Bogenschützen und suchten ihr Heil in der Flucht, während sich andere ungläubig und sich die Ohren haltend nicht vom Fleck rührten, völlig unter Schock, was sie gerade gewahr wurden. Das Feuer war durch den Entzug der Luft erloschen, doch Nareb wusste, dass dies nur bedeutete, dass der Feind sehr bald seinen flüchtenden Männern folgen würde.
Zur almadanischen Seite hin zogen Staubnebelschwaden. Die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite hatten ihre bachzugewandten Seiten mit Holzsplittern übersät. Ferando war selbst etwas überrascht von der Heftigkeit des Zaubers und blickte sofort zur im Vorrücken begriffenen Formation der Rauwölfe. Durch den Nebel hindurch sah er, wie diese sich langsam wieder erhoben, ihre schweren Rüstungen mit Holzsplittern geschmückt, aber dennoch schützend für ihre Träger. Ferando lehnte sich aus dem Fenster und brüllte zu Davos, die Stille auf almadanischer Seite zerreissend: "Der Weg ist offen, stürmt voran, wir werden hinter euch sein!" Dann orderte er seine Kämpen an, schnellstens die Taberna zu verlassen und sich dem Vorstoß anzuschließen.
Autor: vivar
Einer eisernen Faust gleich stampften nun Davos Rakane und seine restlichen Gepanzerten über die Behelfsbrücke und drangen in Narebs Garten ein. Ferando, seine Mannen und die Streitziger folgten einer nach dem anderen nach, während Smeralda auf der anderen Seite bereits wieder die Gasse erreicht hatte und mit wenigen Getreuen ihrer Vorhut die novadischen Kämpfer vor sich hertrieb. Die Schwünge ihrer Boronsicheln fällten einen nach dem anderen.
Von seinem Aussichtspunkt aus sah Nareb, dass nicht nur seine Position unhaltbar, sondern auch sein Garten ein Opfer der Ungläubigen geworden war. "Rastullah, der Du die Oasen mit Wasser versorgst und die Früchte reifen lässt - strafe die Ungläubigen für diesen Frevel!", betete er mit zusammengebissenen Zähnen. Dann gab er den Befehl zum leisen Rückzug in Richtung des Hafens.
Smeralda hörte die novadischen Schreie, verstand sie aber erst, als der Pfeilhagel dünner wurde und schließlich verebbte und sich ein Gegner nach dem anderen zurückzog. Durch weitere Straßen hindurch, in denen nur noch vereinzelt Pfeile und Steine von den Dächern auf sie herabflogen, erreichten die Sturmtruppen Almadas schließlich am Nachmittag den Cabildo am nördlichen Rand des Dâler Marktplatzes.
Unter geringen Verlusten konnten sie die zahlenmäßig unterlegenen novadischen Wachen vertreiben und das weitläufige zweistöckige Gebäude einnehmen. Für Chabun ben Nafiref hatte das Gebäude keinen strategischen Nutzen, für Gerone vom Berg jedoch war es ein Symbol für die althergebrachte, von Graf und Bewohnern geteilte Verwaltung der Grafenstadt und musste damit als erstes in ihre Gewalt gebracht werden. Die Mercenarios besetzten auch noch einige umliegende Gebäude, wie das ehemalige Hotel Kaiser Valpo (jetzt Hotel Malkillah), und verschanzten sich nach aller Kriegskunst. Der Ratssaal wurde in ein Lazarett für die zahlreichen Verwundeten umgewandelt, und in der Ratsstube hielten Domna Romina, Dom Fernando und Davos Rakane Kriegsrat. Wenn alles nach Plan verliefe, würden sie noch in der Nacht von Gerones Haupttruppen entsetzt werden.
- ↑ Tul.: "Ungläubige"
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