Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 23

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Königlich Kornhammer, 5. und 6. Tsa 1036 BF

nahe Aventis und auf Burg Scheffelstein

Autor: SteveT

Nachdenklich ließ Rifada da Vanya ihr neues Ragathsqueller Pferd, das ihr ihr Vetter Talfan dankenswerterweise im Austausch gegen ihr vorheriges aus den Besitzungen des niedergebrannten Klosters zur Verfügung gestellt hatte, auf dem teils morastigen, teils hart gefrorenen Karrenweg gen Kornhammer traben. So war wenigstens das Tier frisch und ausgeruht – sie selbst war es nach nur kurzer Nachtruhe auf Burg Ragathsquell absolut nicht.

Natürlich waren sie nicht im Streit auseinander gegangen, dafür kannten Talfan und sie sich zu lange, und jeder wusste, was er am anderen hatte. Nichtsdestotrotz hätte sie sich von ihrem Vetter ersten Grades etwas mehr Engagement und Wagemut erhofft – aber Talfan war auf seine alten Tage noch mehr ein Zauderer und Paragraphenreiter geworden, als er es ohnehin schon immer gewesen war.

Als ob sich Amando als einer der Hochgeweihten der Heiligen Reichskirche zu einer so derischen und - in seinen Augen - kleingeistigen Handlung wie der Aussprache und dem Schwur einer Blutfehde hinreißen ließe. Er glaubte ja selbst noch an das Gute in der Dämonenbuhle Praiosmin - da glaubte er daran sicher sogar noch mehr beim niederträchtigen Harmamund-Geschmeiß, denn der falsche 'Fürst' Gwain und er waren alte Bekannte.

Und über Talfans anderen Vorschlag - mit der Bekanntgabe der Fehde bis nach dem kaiserlichen Hoftag zu warten - konnte Rifada erst recht nur den Kopf schütteln. Was ging sie der kaiserliche Hoftag an? Sie hatte mit dem jungen Ding auf dem Kaiserthron nicht das Allergeringste zu schaffen, und auch deren missratenem Bruder hatte sie damals nur unter Zwang und als reines Lippenbekenntnis den Treueeid geleistet. Diese flachsblonden Auswärtigen sollten gefälligst droben in Haferyaquirien unter sich bleiben und sich besser niemals in Almada blicken lassen, wo die Nobleza kein auswärtiges Hineinreden schätzte.

Rifada erhoffte sich von ihrem Schwagervater Hesindian mehr Unterstützung. Er versuchte zwar ebenfalls immer lange die Dinge mit müßigen Worten zu regeln - aber wenn es sein musste, dann konnte Hesindian auch ein Mann der Tat sein. Und was könnte ihn mehr mobilisieren, als die Nachricht von der grausamen und unwürdigen Ausmordung seiner Enkelin, seines Augensterns?

Die Vanyadâlerin war sich nicht sicher, wie sie ihm diese Kunde überhaupt überbringen sollte, ohne dass den armen alten Mann der Schlag traf. Wie alt war ihr Schwagervater mittlerweile? Sie musste sich eingestehen, es nicht genau zu wissen.

Der Weg wurde durch den Schneefall der letzten Tage stetig schlechter, umso weiter sie nach Königlich Kornhammer hineinkam und an Höhenschritt gewann. Die Hänge des Raschtulswalls, die man im Ragatischen Kessel nur als schroffe Silhouette am rahjawärtigen Horizont gesehen hatte, schienen nun zum Greifen nah und auch die steilen Hügel, die ihre Vorhut bildeten, hatten es teilweise schon gehörig in sich. Endlich - nach stundenlangem Ritt ohne einer Menschenseele begegnet zu sein - kamen ihr nun zwei bewaffnete Reiter entgegen, Frau und Mann, deren ihr unbekanntes Wappen zu einem der hiesigen Caballerogeschlechter gehören könnte.

"Die Zwölfe zum Gruße!" hielt sie Rifada mit ausgestreckter Hand auf. "Ist das hier der Weg zum Castillo Scheffelstein?"


Autor: von Scheffelstein

Die Reiter hatten Rifada den Weg gewiesen, ihr aber zugleich deutlich gemacht, dass es trotz der nahe scheinenden Berge noch ein guter Tagesritt bis zum Ort Kornhammer war, zumal bei den Witterungsverhältnissen und der hereinbrechenden Dunkelheit.

Rifada war zunächst weitergeritten – die Angelegenheit duldete keinen Aufschub! –, doch schließlich war der Karrenweg in der Dunkelheit kaum noch auszumachen gewesen, und in den Schneeverwehungen war sie kaum noch voran gekommen.

Die Nacht hatte sie in einem absonderlichen kleinen Ort verbracht, auf einem Hof, der von einer resoluten Vierzigjährigen und einem Greis bewohnt wurde, die ihr Heim stolz Gasthaus nannten und ihm sogar einen Namen gegeben hatten: "Wandervogel". Immerhin, eines hatte man den beiden lassen müssen: Das Mahl, das sie Rifada aufgetischt hatten, hätte vielleicht sogar ihren verfressenen Vetter zufrieden gestellt.

Früh war Rifada wieder aufgebrochen und hatte mittags die Garnison Tolaks Turm passiert und noch vor dem Dunkelwerden den Ort Kornhammer erreicht, dem man noch immer die Verwüstungen ansah, welche die Bergwilden vor drei Jahren verursacht hatten.

Jetzt stand Rifada im Rittersaal des Palacios der Burg Scheffelstein unter dem Porträt der lang verstorbenen Gemahlin des greisen Vogtes, der anderen Großmutter von Rifadas Nichte Richeza Aldonaza von Scheffelstein, und wartete auf das Erscheinen des alten Hesindian.

Endlich öffnete sich die Tür des Saales, und Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein trat ein, groß und noch immer aufrecht, aber seit Jahren schon auf einen Stock gestützt. Haar und Rohalsbart des Alten waren weiß, die Wangen eingefallen, das hoch geschlossene blaue Wams ein wenig zu weit über dem schwindenden Körper, aber der Blick der blauen Augen war klar und wach und die dünne Haut des Greises schimmerte rosig. Von den schweren Krankheiten, die ihn vor – wann? zehn? – Jahren heimgesucht hatten, war Dom Hesindian nichts anzumerken.

Lächelnd schritt Hesindian auf seine Besucherin zu, klemmte den Stock kurz unter dem Arm ein, um der Frau beide Hände auf deren muskelbepackte Schultern zu legen und ihr links und rechts einen Kuss auf die Wangen zu drücken.

"Meine liebe Rifada, wie lange ist es her, seit ich Euch hier willkommen heißen durfte?"