Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 07
Im Raschtulswall am Mittag des 28. Praios 1033 BF
Grezzano
Autor: Der Sinnreiche Junker
Es war vollbracht! Erschöpft wischte sich Hernán von Aranjuez mit einem Zipfel des Tuches, das er um den Hals geschlungen hatte, den Schweiß von Stirn und Wangen. Sie waren die ganze Nacht und den heutigen Morgen unterwegs gewesen, doch nun hatten sie endlich Grezzano erreicht, eine der Steinbruchsiedlungen im Raschtulswall, die seit den Ferkinaüberfällen verlassen war, und welche man als Treffpunkt auserkoren hatte.
Neun Tage war dies nun her, doch es fühlte sich schon an wie eine halbe Ewigkeit. Viel war seither geschehen, doch nun waren sie endlich angekommen, auch wenn es letztlich gerade einmal die Hälfte der ursprünglich einmal über achzig Klingen zählenden Gruppe hier herauf geschafft hatte. Und der Aufstieg war anstrengend gewesen, war man doch überein gekommen, dass man ausreichend Plänkler abstellen musste, um in den engen Schluchten und auf den schmalen Bergpfaden nicht das Schicksal des Rossbannerordens zu teilen, sodass sich ein Teil der Leute viel vor, hinter und neben dem Zug bewegen musste, der Rest aber dafür umso mehr zu schleppen hatte.
„Wann und wie gedenkt Ihr die Suche nach Domna Romina zu beginnen?“, riss ihn sein gräflicher Plagegeist aus den Gedanken.
„Mhm…“, kaute der Condottiere nachdenklich auf seiner Unterlippe, und sein Blick schweifte von der Praiosscheibe in Richtung des hahnenkammförmigen Djer Kalkarif. „Wir sind die Nacht hindurch marschiert. Die Leute sind erschöpft, aber wir könnten die Vorhut los schicken. Sie sind ausgeruht, und hätten noch viele Stunden Tageslicht.“
„Und wohin wollt Ihr sie schicken, wenn ich fragen darf? Es gibt doch keinerlei Anhaltspunkte. Wir sollten stattdessen Patrouillen in alle Richtungen aussenden“, wandte Rondrigo vom Eisenwalde ein.
„Wollt Ihr ein solches Alveranskommando führen, Dom Rondrigo? Die Hälfte Eurer Patrouillen würde nicht zurück kehren, in irgendeiner Schlucht niedergemacht von einer Horde Ferkinas, die nur darauf warten, dass wir uns in kleine Gruppen aufteilen. Nein, nein…“, schüttelte der Baron und Junker sein Haupt „…erstens ist dies der Treffpunkt, den ich unter anderem mit Dom Gendahar besprochen hatte, und zweitens weiß ich, dass der junge da Vanya auf jenem Gipfel dort ein Leuchtfeuer für die Amazonen entzünden wollte. Wahrscheinlich sind sie dorthin aufgebrochen.“
„Nun, von Euren Freunden fehlt aber jede Spur. Womöglich haben die Ferkinas sie hier erwischt.“
Hernán von Aranjuez lachte leise. „Ihr kennt Domna Richeza schlecht, will mir scheinen. Gewiss hätten wir in dem Fall Spuren von Kämpfen gefunden, denn Ihr glaubt doch nicht, dass sich die Ragatische Furie so einfach ohne Gegenwehr gefangen nehmen ließe. Dazu kommt noch, dass Ferkinas weder ihre Toten, noch erschlagene Feinde bestatten, und selbst wenn sich bereits die Aasfresser über sie her gemacht haben, müsste man mindestens noch Knochen herumliegen sehen. Denn für Dom Gendahar oder den jungen da Vanya haben die Ferkinas gewiss wenig Verwendung, zumindest sie hätte man massakriert zurück gelassen. Nein, nein, sie waren überhaupt nicht hier, sondern sind zum Djer Kal…Kark…Djer Wieauchimmer gezogen. Der junge da Vanya sprach von an die zwanzig Meilen, welche er in anderthalb Tagen schaffen wollte. Mir scheinen eher drei oder gar vier realistisch, vor allem in Anbetracht ihres Zustandes. Und womöglich mussten sie das eine oder andere Mal vor den Ferkinas in Deckung gehen, sodass sie sich gut und gerne noch auf dem Rückweg befinden können.“
„Meinethalben“, zuckte er alte Castellan mit den Schultern. „Und was habt Ihr somit vor?“
„Wir werden ihnen entgegen ziehen. Die Leute der Vorhut werden heute schon einige Meilen auskundschaften, wir brechen morgen auf.“
Womit man wieder am Anfang angelangt war: „Und was gedenkt Ihr wegen Domna Romina zu tun?“
„Mein lieber Dom Rondrigo…“, lächelte Hernán von Aranjuez schwach „…wenn die vier noch leben, dann haben sie zuletzt mehr Zeit hier im Raschtulswall verbracht, als Ihr und ich zusammen in den letzten Jahren. Womöglich können sie uns dahingehend helfen, und sei es nur mit der Information, dass wir in Richtung Djer…Krak…Wieauchimmer nicht zu suchen brauchen.“
Es war gewiss nicht glücklich zu nennen, wie der treue Vertraute des Grafen drein blickte, doch sah er wohl ein, dass einstweilen das Beste war, was man hier ausrichten konnte. Zu seiner Zeit ein gefürchteter Turnierstreiter, und erfahren in manchem Gefecht, war er vernünftig genug zu wissen, dass sie auf der Hut sein mussten, um nicht wie die Streiter des Rossbannerordens zu enden, auch wenn ihm zweifellos eher danach war, an der Spitze seiner Gräflichen geradewegs drauf los zu galoppieren.
Während nun also die Neuankömmlinge sich so gut es ging häuslich einrichteten, und die Mitte des Dörfleins somit wieder über ein paar Bewohner verfügte, rüsteten sich Anzures Ballan und Gualterio Colonna mit ihren Leuten zum baldigen Aufbruch in Richtung Djer Kalkarif.
„Vetter“, trat indes Hernán von Aranjuez an den Magier Rondago heran. „Wie ist es um Dich bestellt? Um der Wahrheit die Ehre zu gereichen, hätt‘ ich Dich gern bei der Vorhut dabei, doch wird’s ein tüchtiger Marsch werden. Gualterios und Anzures‘ Leute sind frisch, doch wärst Du ihnen womöglich eine gute Hilfe…wenn Du Schritt halten kannst. Es ist eine Sache, den Wilden drunten in Ragatien eine blutige Nase zu verpassen, aber hier oben…hier oben ist ihr Territorium, und weiß der Herr Praios, wie viele ihrer verschrumpelten Hexenmeister hier hausen…“
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