Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 17
Im Raschtulswall, 28. Praios 1033 BF
In den Höhlen unter dem Djer Kalkarif
Autor: von Scheffelstein
Nein, diesmal täuschte sie sich nicht: Da waren Stimmen, ganz nah! Angespannt suchte Richeza den Höhleneingang mit den Augen ab. Die beiden Männer tauchten so plötzlich auf, dass sie zusammenzuckte. Sie mussten bereits in der Höhle gewesen sein, vielleicht in einem der anderen Gänge. Gegen das Licht konnte Richeza nicht mehr als ihre Umrisse ausmachen. Sie schienen Hemden, Hosen und Stiefel zu tragen, doch der Kleinere hatte das scharf geschnittene Profil und bärtige Gesicht eines Ferkinas. Suchend blickten sie sich in der Höhle um.
"Hier sind sie nicht. Los, schauen wir draußen nach!", sagte der Ferkina.
Drei, vier Herzschläge vergingen, ehe Richeza verstand. "Mo...!" Sie sprang so schnell auf, dass ihr schwindelig wurde. Keuchend hielt sie sich an der Wand fest. "Moritatio!"
Sie taumelte aus dem Gang - und zuckte zurück, als die Degenspitze des größeren Mannes beinahe ihr Gesicht berührte. Erschrocken sah sie in das unrasierte Gesicht des Streitzigs.
"Ich ... Moritatio! Rondra sei Dank, ihr lebt!", seufzte sie.
Doch der Mann, den sie zunächst für einen Ferkina gehalten hatte, starrte sie nur an, seinen abgebrochenen Rapier halb erhoben. Richeza blickte an sich herunter: Hals und Brusttuch waren blutbefleckt, ebenso ihre Hände, und wie ihr Gesicht aussah, ahnte sie nur. Ihr Rock starrte vor Schmutz, und die Stiefel hatten wahrlich schon bessere Tage gesehen.
"Eine lange Geschichte", seufzte sie erneut, während die Männer unschlüssig ihre Waffen senkten.
Autor: SteveT
Moritatio war zusammengezuckt und herumgewirbelt, als plötzlich jemand seinen Namen rief - schwach, mit einer Frauenstimme, ihrer Stimme!
"Richeza! Den Göttern sei dank! Ihr ... ihr ... du lebst!" Er ließ seinen Rapierstumpf zu Boden fallen und umarmte sie, um sie links, rechts und dann auf die Stirn zu küssen. Sie auf die Lippen zu küssen, wie er es nur allzu gerne getan hätte, war ihm in Gegenwart des Streitzigers zu verfänglich, dessen Blicke er hinter sich spürte. So wirkte es für diesen nur wie ein freudiges Wiedersehen unter Verwandten - genauso wie der selbst seine verlorengeglaubte Nichte begrüßt hatte. Nur mit dem kleinen, aber bedeutsamen Unterschied, dass Richeza und Moritatio weniger Jahre trennten und dass sie sich erst vor zwei Wochen kennengelernt hatten.
"Du siehst übel aus!", stellte Moritatio korrekterweise, aber ohne groß nachzudenken, fest, als er Richeza von Kopf bis Fuß musterte - und biss sich gleich darauf auf die Zunge und schalt sich einen Trottel - sowas sagte man doch nicht zu der Frau, die man liebte!
"Äh, ich meine nicht übel in diesem Sinne ... mitgenommen ... angestrengt ... das wollte ich nur sagen!", verbesserte er sich hastig und spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Nur schnell das Thema wechseln! "Wo steckt meine Mutter? Ich hatte gehofft, sie sei bei dir und es gehe ihr gut?"
Autor: von Scheffelstein, SteveT
Richeza, die Moritatios Umarmung erleichtert erwidert hatte, hob die Augenbrauen und grinste. "Bei den Göttern, Moritatio, ich bin froh ..." Sie brach ab, schüttelte den Kopf und grinste. "Wahrlich, du solltest dir den Bart abnehmen, Vetter, wenn deine Mutter dich so sieht, hält sie dich noch für einen Ferkina und erschlägt dich!" Ihr Gesicht verdüsterte sich. "Ich hoffe, dass es ihr noch gut geht! Sie ist ..."
Im selben Moment ließ ein fürchterliches Gebrüll, dessen Echo von den Höhlenwänden dutzendfach gebrochen und reflektiert wurde, sie und die anderen beiden erschrocken zusammenfahren. Eine laute Stimme brüllte irgendwo vom Höhleneingang her: "RIIIIIICHEZZAAAAAAAAAAAA ALDOOOONAZZAAAA! Wo steckst du, verflucht nochmal? Na wart' bloß!"
Damit waren alle Fragen nach dem Schicksal von Moritatios Erzeugerin geklärt ...
Einen Augenblick lang verharrte Richeza wie erstarrt, dann eilte sie an Moritatio vorbei zum Höhleneingang. Oben auf dem Weg stand Rifada da Vanya - blutbespritzt, das Falcata erhoben, wirkte sie nun eher wie eine Rachedämonin denn wie ein Bildnis Rondras.
"Hier!", rief Richeza, und ihre Tante wirbelte herum. Der große Hund, der Richeza umgerannt hatte, tauchte an Rifadas Seite auf und ließ ein freudiges Bellen erklingen, in dem Richezas folgende Worte untergingen.
Autor: Ancuiras
Der Thangolforster beobachtete das Wiedersehen der beiden ungleichen Verwandten. Der sonst oft so mürrische Moritatio schien ja wirklich sehr erfreut zu sein, seine verloren geglaubte Cousine wiederzusehen, dachte der Streitzig schmunzelnd. Doch auch Gendahar merkte wie ihm ein weiterer großer Stein vom Herzen fiel. Bislang hatte seine Sorge vor allem Romina gegolten, doch nun merkte er, dass auch das Schicksal der kratzbürstigen Scheffelsteinerin ihm alles andere als gleichgültig war. Lag es nur daran, dass sie - unter gewöhnlichen Umständen - so außergewöhnlich schön war?
Seine Freude und Erleichterung ließ er sich indes kaum anmerken; ein Lächeln auf den Lippen verbeugte er sich vor Domna Richeza formvollendet, nachdem Moritatio sie zu Ende geherzt hatte. "Hoch erfreut, Euch so wohlauf ..." begann er, als eine dröhnende, unverkennbare Stimme ihn unterbrach und Richeza hinfort eilte.
Autor: SteveT
"Potzblitz! Da soll mich doch der Blitz beim Schei ... äh ... beim Schimpfen treffen! Hier drin steckst du also, Kind ... und nicht alleine, wie ich sehe!", polterte Rifada da Vanya übellaunig und steckte die längere ihrer beiden Klingen weg, während sie auf die drei Gestalten im Halbdunkel zugestapft kam.
"Frau Mama!", stieß Moritatio freudestrahlend aus und streckte ihr die Hände entgegen - doch statt einer warmen Begrüßung fing er sich eine wuchtige Backpfeife an, die seinen Kopf zur Seite federn ließ.
"A-a-aber Mutter, wir fürchteten schon, Ihr wäret tot - gefallen gegen Praiosmins Schergen!", stotterte der Hofjunker verdutzt und rieb sich die linke Wange, wo ohne Frage für einige Stunden der Abdruck ihrer Finger zurückbleiben würde.
Sofort fing er sich klatschend die nächste Ohrfeige ein - diesmal auf der anderen Seite. "Sprich diesen Namen nie wieder in meiner Gegenwart aus, hörst du? Mit diesem Stück Dreck wird abgerechnet, wenn wir wieder zu Hause sind! Aber ich habe dir Nichtsnutz gesagt, dass du bei Richeza bleiben sollst - aber stattdessen treffe ich sie mutterseelenallein im Gebirge an ... na ja, fast zumindest. Und das Knäblein musste ich auch selbst finden und aus einem Harpyiennest ziehen, das hat keiner von Euch zweien in der ganzen Zwischenzeit zuwege gebracht!"
Sie blickte vorwurfsvoll zu Richeza und dann wieder zu Moritatio, der jetzt einen wilden Stachelbart fast wie ein Blutsäufer trug. Aber sie bemerkte nun auch, wer noch bei den beiden war - über die sie sich in Wahrheit insgeheim freute, sie lebend und zumindest ohne schwerwiegende Verletzungen oder Verstümmelungen wiederzusehen - der blonde Strohkopf nämlich, der ihnen in der Hütte des entlaufenen Hexenweibes in die Hände gefallen war. Ja, es war der Yaquirtaler Geck, kein Zweifel!
"Kommt! Wir haben keine Zeit zu verlieren!", übernahm sie sofort befehlsgewohnt wieder das Kommando und winkte die anderen hinter sich her in Richtung Höhlenausgang. "Wir müssen eine junge blonde Nordprovinzlerin und ein Wildenweib einholen und aufhalten, die Richezas Jungen haben! Da draußen laufen noch etwa zwei Dutzend junge Wildenkrieger herum - wenn die die Weiber kriegen, ehe wir sie selbst stellen können, dann ist es um den Jungen geschehen - die Wilden verschonen nicht einmal Kinder! Also rapido! Raus hier!"
Autor: Von Scheffelstein
Richezas Freude, ihre Tante lebend wiederzusehen, verwandelte sich binnen weniger Herzschläge erst in Befremdung und dann in Zorn, als Rifada da Vanya ihren Sohn nicht nur einmal, sondern gleich ein zweites Mal ohrfeigte.
"Bei allem Respekt, Tante," sagte sie und hielt selbige am Arm fest. "Wenn Ihr unbedingt jemanden schlagen wollt, dann schlagt mich und nicht den Jungen! Ich habe ihn und den Streitzig verlassen und nicht umgekehrt!" Ihr Augen blitzten wütend in ihrem blutverkrusteten Gesicht. "Überhaupt: Ich brauche kein Kindermädchen! Wenn ich wegen meiner eigenen Dummheit sterbe – so sei es! Das ist nicht seine Schuld, verdammt noch mal! Wagt es nicht, ihn noch einmal für einen meiner Fehler zu verurteilen! Und überhaupt: Vielleicht könntet Ihr dem St... Dom Gendahar wenigstens erzählen, dass seine Nichte lebt. – Das tut sie, wir haben die Domnatella gefunden", wandte sie sich kurz an den Yaquirtaler. "Das heißt ... ich habe sie nun wieder verloren, aber bis gerade war sie, nun ja, den Umständen entsprechend wohlauf."
Sie drehte sich wieder ihrer Tante zu, deren Arm sie noch immer festhielt. "Also ...", setzte sie mit finsterer Miene an, doch als sie Rifadas Blick begegnete, veränderte sich ihre Haltung: Ihre Schultern fielen, sie senkte den Kopf und der Ärger wich aus ihrem Gesicht.
"Verdammt, Tante", sagte sie leise, als sie wieder auf- und Rifada in die Augen sah, "könnt Ihr nicht einfach verstehen, wie froh wir sind, dass Ihr da seid?"
Autor: SteveT
"Ja, ja, schon recht - von solchem Gesindel lasse ich mich doch nicht kleinkriegen!", wischte Rifada alle Gefühlsduseleien flugs mit einer wegwerfenden Handbewegung beiseite.
"Eure Nichte lebt also, Yaquirtaler - noch! Wenn wir sie zuerst finden und sie den Jungen freiwillig wieder herausrückt, dann soll ihr auch nichts weiter geschehen! Dann gehen Richeza, mein Sohn und ich unserer Wege und Ihr und Eure Nichte geht die Eurigen. Solltet Ihr es tatsächlich bis Ragath schaffen, so braucht Ihr dort gegenüber dem Tobrier gar nicht weiter zu erwähnen, dass wir hier Bekanntschaft gemacht haben, denn wenn ich dereinst komme, um mir den Thron und die Krone meiner Mutter zurückzuholen, dann kann ich auf Euch oder das Mädchen natürlich keinerlei Rücksicht nehmen - das versteht sich ja von selbst! Vergessen wir also besser alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, sobald diese Berge hinter uns liegen. Und jetzt genug des dämlichen Palavers! Raus aus der Höhle, oder alle Mühen und Opfer für den Jungen waren umsonst!"
Autor: Ancuiras
Mit zunehmender, wenn auch unangebrachter Belustigung betrachtete Gendahar von Streitzig die von Ohrfeigen und Verwünschungen geprägte Familienzusammenführung. Wenn der viel beschworene Zusammenhalt in der Familie da Vanya so aussah, brauchte sich sein Schwager wahrlich keine Sorgen um den Grafenthron zu machen. Vermutlich wusste er nicht einmal von der Existenz der Junkerin, die seine Krone beanspruchte. In der Tat war es sicherlich besser, in Ragath die Bekanntschaft mit der Junkerin zu verschweigen.
Als die Junkerin geendet hatte, sah er erstmals die Möglichkeit, zu Wort zu kommen. "Auch ich bin erfreut, Euch wohlauf anzutreffen", sagte der Vogt, ein Lächeln unterdückend, auch wenn Rifada nichts dergleichen gesagt hatte. "Dies gibt mir Gelegenheit, mich bei Euch zu bedanken, dass ihr Romina hierher geleitet und den kleinen Praiodor aus den Klauen der Harpiyen errettet habt. Beide befinden sich in Sicherheit in einer Höhle tief unter dem Berg; wir kommen gerade daher. Ich schlage vor, wir begeben uns zu ihnen, denn dort wagen sich die Wilden nicht hin. In der Höhle, die die Wilden von Geistern bevölkert halten, befindet sich ein See, dessen Wasser große Heilkraft besitzen, wie ich selbst erfahren durfte. Wenn man sie zu nutzen weiß, wie der Eremit Tsacharias Krähenfreund, den wir gefunden haben. Zur Zeit kümmert er sich um meine Nichte, vor allem aber um den Jungen - der übrigens mein Neffe 2. Grades ist, sodass ich durchaus beabsichtige, mich bis auf Weiteres um sein weiteres Schicksal zu kümmern."
Autor: von Scheffelstein
"Was, er lebt? Sie sind hier? Geht es ihm gut, ja? Sprecht schon!" Erregt griff Richeza mit beiden Händen ins Hemd des Yaquirtalers - fast sah es aus, als wollte sie ihn schütteln - ehe ihr aufzufallen schien, wie unangemessen dies war. Sie nahm ihre Hände zurück, wischte sie unschlüssig an ihrem Rock ab, als würde dies den Handgriff rückgängig machen, wartete aber gar keine Antwort ab, sondern packte Moritatio am Arm.
"Los, komm schon, zeig' mir, wo sie sind!" Sie zog ihn hinter sich her auf die drei Gänge am anderen Ende der Höhle zu und blieb vor dem mittleren stehen. "Hier oder rechts?" Wieder wartete sie nicht auf eine Antwort, sondern deutete das leiseste Zeichen in Moritatios Gesicht und schob ihn vor sich in den mittleren Gang hinein. "Schnell, wo geht's lang? Ist es weit? Wieso habt ihr kein Licht dabei? - Ihr habt also Krähenfreund gefunden? Au, verdammt, ist das dunkel! Hat er Praiodor helfen können?"
Richezas aufgeregte Stimme wurde rasch leiser, bald verschwanden sie und Moritatio in der Dunkelheit, ohne sich noch einmal nach Domna Rifada oder Dom Gendahar umzudrehen.
Autor: Ancuiras
"Ich würde sagen, es geht ihm gut, den Umständen entsprechend zumindest, auch wenn er ..." Verdutzt bemerkte der Vogt von Thangolforst, dass Domna Richeza ihm nicht mehr zuhörte und schon hinfort geeilt war. Augenrollend folgte er den beiden, nicht ohne einen Blick auf die ebenso überrascht wirkende Domna Rifada zu werfen.
Autor: von Scheffelstein
Richeza griff nach Moritatios Arm, um ihn im Dunkeln nicht zu verlieren. Erst als es heller wurde, ließ sie ihn los. Kurz darauf folgte sie Moritatio in die vom warmen Licht der Steine erleuchtete Höhle. Doch die Edle hatte keinen Blick für die Schönheit des fremdartigen Gesteins, für den regenbogenfarben schimmernden Dunstschleier über dem See, für die Stille –. Auch auf den Alten achtete sie kaum, der neben der Comtessa hockte, die ihre Blößen spärlich mit einem Umhang bedeckte.
"Praiodor!", rief Richeza und ging neben dem Jungen auf die Knie. Sie nahm sein bleiches Gesicht in beide Hände, fuhr mit den Daumen über die eingefallenen Wangen. "Götter, er hat Fieber!" Beinahe vorwurfsvoll sah sie den Alten an, der die Hüfte Domnatella Rominas mit Leinenbinden umwickelte. "Seid Ihr Krähenfreund? Könnt Ihr ihm nicht helfen? Könnt Ihr ihn heilen?"
Der alte Mann sah nicht einmal auf, zog eine weiche Metallnadel aus seiner Tasche und bog sie so, dass sie den Verband zusammenhielt. "Der bin ich", sagte er. "Und heilen wird ihn die Zeit. So die Götter wollen, vermag ich sein Leiden zu verkürzen."
Für einen Augenblick herrschte eine Stille in der Höhle, die fast greifbar war.
"Was? Wie ... meint Ihr das: Sein Leiden verkürzen? Seid Ihr verrückt? Ihr wollt ihn doch nicht sterben lassen?" Richeza sprang auf.
Tsacharias Krähenfreunds Blick ruhte in den Augen der Comtessa. Er schlug den Umhang über ihre Hüfte und lächelte sie an. "Haltet Euch warm! Und schlaft bald", sagte er.
"He! Ich rede mit Euch ..."
"Geduld ist der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung." Der Alte stand auf, wandte sich endlich Richeza zu.
"Was? Hört Ihr mir überhaupt zu? Es geht um den Jungen! Verdammt noch mal, wisst Ihr eigentlich, was wir für ihn durchge..." Sie verstummte, als der alte Mann seine Hand auf ihren Kopf legte, die Berührung so sacht, dass ihr eigens Haar sie auf der Stirn kitzelte.
"Ihr seid verwundet. Wascht Euer Gesicht mit dem Wasser aus der Kalebasse. Und dann ruht. Morgen werden die Schmerzen besser sein."
Einen Moment lang starrte Richeza ihn einfach nur an. Dann schüttelte sie leicht den Kopf. Tsacharias ließ seine Hand sinken. "Es geht nicht um mich, versteht Ihr nicht? Könnt Ihr den Jungen jetzt heilen oder nicht?"
"Nur wer sich selber achtet, kann auch geben! Habt Vertrauen! Nehmt an diesem Abend von den Kräften, die an diesem Ort wirken. Schenkt Euch Ruhe! Erwacht zu einem neuen Tag und seht, dass Euer innerer Frieden auch diesem Knaben Zuversicht ..."
"So ein Schwachsinn!", schnaubte Richeza gereizt. Der Hunger und die Kopfschmerzen machten sie unleidig. Das also sollte der lang gesuchte Heiler sein? Ein palavernder Quacksalber, das war alles, was er zu sein schien! Sie hatte schon etliche davon auf den Straßen Punins und Ragaths gesehen. Sie versprachen einem Alveran auf Deren, ewiges Glück, vollkommene Gesundheit, ein sorgenfreies Leben – wenn man nur dieses oder jenes täte und ihnen ihre Wundermittel abkaufte. Wehe diesem hier, wenn er Praiodor nicht half! Grollend hielt Richeza auf den See zu, um sich das Blut aus den Augen zu waschen.
"Wehrt Euch nicht! Seid offen für die Schönheit des Seins! Die Kräfte, die Ihr ruft, werden Euch be ... HALT!"
Richeza zuckte zusammen. "Was – ist – denn – jetzt – schon wieder?"
Tsacharias Krähenfreund hatte die Hand erhoben. Seine hageren Schultern waren gespannt, die Ruhe war aus seinem Gesicht gewichen. "Bleibt von dem Wasser fort! Berührt es nicht! Blut klebt an Euren Händen!"
"Ja und? Natürlich! Was meint Ihr wohl, warum ich es abwaschen will? – Verrückter!", fügte sie zischend hinzu und bückte sich nach dem Wasser.
Autor: Romina Alba
Romina spürte deutlich, wie der Schmerz nachließ. Als der alte Mann zu ihr kam und sie verband, hielt sie still und staunte ihn an. Alles war so friedlich und schien irgendwie richtig. Sie hatte das Gefühl, sich keine Sorgen mehr machen zu müssen und nickte gehorsam zu seinem Wunsch. Schlafen wäre etwas Wunderbares.
Doch Richeza war wieder da, und immer noch war sie schlecht gelaunt. Sie forderte und hörte nicht zu, sie zerstörte die Stille. Die Grafentochter schaute zu ihr, ihre Stirn bewölkte sich. Sie war respektlos, ja, sie war undankbar! Und jetzt wollte sie sich gegen den Wunsch des Heilers in der Quelle waschen. Romina wurde wütend.
"Domna Richeza da Vanya", sie zog die Füße an, ihre laute Stimme hallte von den Wänden wider. "Ihr vergesst Euch, Ihr seid arrogant und ohne jeden Respekt vor dem Können Peraines und Tsas, denen dieser Mann dient. Wie könnt Ihr nur so sein, so ganz ohne ein Gefühl für andere Menschen, für ein Miteinander, für Freundschaft? Ihr stoßt weg, wer immer Euch die Hand reicht, ja, Ihr hackt die Hand eher ab, bevor sie Euch berühren könnte! Wir haben das Kind hierher getragen, aber das interessiert Euch nicht, ihr wollt einfach - und sogar die Götter haben sich zu beugen. Ihr seid Eurer Tante so ähnlich ... nur ungleich schöner ... aber das ist auch nur eine Frage der Zeit. Verbitterung zerstört jede Schönheit!"
Ihr Tonfall und ihre Miene wurden traurig.
"Und jetzt geht ruhig hin und zeigt wie stark und unabhängig Ihr seid, verschmutzt die Quelle und spuckt auf das, was unserem Verwandten vielleicht helfen wird." Sie wandte sich ab.
"Mir hat es schon geholfen!" Sie legte sich vorsichtig zurück und legte der ängstlich neben ihr knienden Golshan die Hand aufs Knie. Für sie schien das Thema erledigt.
Autor: Ancuiras
Gendahar erreichte die Höhle wenige Augenblicke nach Richeza. Dem Krähenfreund schien die lange Zeit in der Höhle die Sinne noch weiter vernebelt zu haben. Nun denn, der Alte war eben ein merkwürdiger Kauz, aber auch Romina schien seltsam entrückt. Er besah sich kurz ihre Wunden, ob es sich um das Delirium des Wundfiebers handeln konnte, aber diese schienen bestens versorgt, ja, sie waren kaum noch zu sehen.
Mit Erstaunen hörte er die harschen Worte, die seine Nichte an Domna Richeza gewandt hatte. Woher kam plötzlich diese Feindseligkeit? Frauen!
Doch als er sah, wie Richeza sich zum Wasser hinab beugte, rief er auch: "Fort von dem See! Der Alte hat uns davor gewarnt, das Wasser zu beschmutzen, warum auch immer! Nehmt eine Kalebasse und wascht euch draußen damit. Dann hat das Wasser heilende Kräfte!"
Autor: von Scheffelstein
Richeza richtete sich bei den Worten der Comtessa auf. Der anfängliche Zorn erstarrte auf ihrem Gesicht, bis es einer Maske glich, hart, unnahbar. Sie blickte zu dem schlafenden Jungen hinüber, den Mund zu einem Strich zusammengepresst.
Schulterzuckend wandte sie sich von dem Wasser ab. Nur Moritatio bemerkte die helle Spur im Rot und Braun des getrockneten Blutes auf ihrer Wange. Beiläufig wischte sich die Edle über das Gesicht, als streife sie eine Strähne aus ihrer Stirn.
Sie ließ sich neben Praiodor nieder. Den Rücken an die Wand gelehnt, die Beine angezogen, starrte sie auf den See, blickte nicht auf, als Tsacharias Krähenfreund sich zu ihr herunter beugte und ihr die Kalebasse reichte.
"Trinkt!", sagte er. Sie nahm ihm das Gefäß ab, trank in kleinen Schlucken. Der alte Mann sah ihr dabei zu. Als sie die Kalebasse abstellte, zog er ein Tuch aus seiner Tasche, tauchte es in das restliche Wasser und wischte ihr vorsichtig über Stirn und Wangen, ohne die Wunde zu berühren. Richeza schaute an ihm vorbei, während er Schmutz und Blut von ihrem Gesicht wusch, beachtete das kühle Wasser nicht, das ihren Hals hinab lief und das Brusttuch tränkte.
"Atmet!", sagte der Alte sanft, als er das Tuch auf dem Boden auswrang und über seinen Gürtel hängte. "Atmet und spürt! Der Schmerz ist ein Geschenk der Götter, kein Fluch!", sagte er leise. "Er lässt uns das Leben in aller Schönheit erfahren, so wie die Wolken, die uns vor der ewig sengenden Sonne bewahren und der Regen, der Neues wachsen lässt."
Richeza wandte den Kopf ab, blickte zum Höhleneingang, in dem soeben ihre Tante erschien. Krähenfreunds Finger drehten sacht ihr Gesicht, bis sie ihn ansah. "Atmet!", flüsterte er und drückte mit der anderen Hand gegen ihr Brustbein. Entsetzt riss Richeza die Augen auf, ihr Mund öffnete sich wie von selbst - zitternd strömte ihr Atem über ihre Lippen, salziges Wasser lief über ihre Wangen. Sie barg ihren Kopf zwischen ihren Knien, die Arme um ihre Beine geschlungen.
Der Alte stand auf und wandte sich der Frau am Höhleneingang zu.
Autor: von Scheffelstein
Mit zusammengekniffenem Mund starrte Aureolus von Elenta in die Höhle hinunter. Was wollten all diese Leute hier? Erst der verrückte Alte, der hier irgendwo auf dem Berg hauste, und die beiden anderen Männer, die sich anredeten, als seien sie von Stand, dabei aber eher aussahen wie Strauchdiebe. Und dieses Mädchen mit ihrem dämlichen Köter! Dann waren die Männer wieder gegangen – bis auf den Alten – und Aureolus war ihnen gefolgt, um an ihnen vorbei – oder notfalls über ihre Leichen hinweg – zum Ausgang zu gelangen. Stattdessen hatten sie irgendwo in der Finsternis drei weitere Verwundete aufgetrieben, eine von ihnen war – wie war das möglich? – die schöne junge Comtessa. Wie, bei Hanaestil!, kam sie hierher? Wer hatte sie befreit? Hatte er sie nicht geheißen, im Zelt auf seine Rückkehr zu warten?
Zornig nagte der junge Mann an seiner Lippe und schob sich etwas weiter in seinem Versteck vor, aus dem heraus er die Höhle einsehen konnte, ohne selbst entdeckt zu werden, denn hier oben in diesem Spalt gab es keine Gwen-Petryl-Steine.
Aureolus war den Männern gefolgt, als sie die Comtessa in die Höhle brachten. Einer der Männer schien mit ihr verwandt – ihr Onkel – zu sein. Fast hatte Aureolus gehofft, sich ihr offenbaren zu können, als die jüngeren Männer die Höhle bald wieder verlassen hatten und nur der Alte, das Mädchen und die Wilde bei der Comtessa zurückgeblieben waren. Sehnsuchtsvoll hatte er den Leib der jungen Frau betrachtet, während der Alte ihre Wunden wusch und verband. Wie unglaublich schön sie war!
Aber er hatte zu lange gezögert! Bald darauf waren die Männer zurückgekehrt und mit ihr diese verfluchte Scheffelsteinerin! Lief denn gar nichts so, wie es sollte? Hatte sie die Comtessa befreit? Verdammt sollte sie sein!
Jetzt aber kam es noch schlimmer: Die Frau, die soeben die Höhle betreten hatte, kannte er. Das war die unverschämte Junkerin aus dem Vanyadâl, die seiner Mutter die Stirn zu bieten wagte! Sie schien ihm die einzige ernstzunehmende Gegnerin in der Höhle – 'Nicht totzukriegen!', das war es, was seine Mutter über das Da-Vanya-Gezücht zu sagen pflegte.
Kaum erwähnenswert, dass auch der dämliche Hund zurück war! Er strich um die Hosenbeine der Vanyadâlerin und hatte ihn bislang noch nicht gewittert oder ihm noch keine Beachtung geschenkt – aber es war nur eine Frage der Zeit, wie lange das so blieb. 'Horriphobus!', flüsterte Aureolus, als der Hund den Kopf hob, dann duckte er sich hinter einen Felsblock, während der Köter unter ihm vorbei aus der Höhle schoss, mit dem gleichen jämmerlichen Geheule wie vor einer Stunde.
Autor: SteveT
Rifada schenkte dem aus der Höhle schießenden Köter keinerlei Beachtung, sondern deutete mit ausgestrecktem Arm auf den neben ihrer Nichte stehenden Heiler.
"Nimm deine Frevlerpfoten von ihr, du Quacksalber! Du kümmerst dich nur um das Kind und sonst um gar keinen - verstanden?"
Moritatio kam zu ihr und hob beschwichtigend die Hände. "Aber Frau Mama! Das ist Tsacharias Krähenfreund - der Heiler, um dessen Suche willen wir alle diese Strapazen auf uns genommen haben!"
"Ich weiß sehr gut, wer das ist!", fauchte Rifada zurück. "Aber wir sind hier wegen Richezas Jungen und der Torheit von dieser Domna Fenia - nicht um zwei treulose fortgelaufene Halbfreie wiederzufinden - nicht mehr und nicht weniger sind nämlich dieser Hexer und seine Schwester."
Sie begutachtete mit kritischem Blick die offenbar ebenfalls invalide Tobrierin, das vorlaute junge Mädchen und den Streitziger. Sie sahen alle nicht gerade so aus, als ob sie sich mit ihnen auf den sofortigen Rückmarsch nach Selaque begeben konnte. Aber das war deren Sache, sie würden alleine den Rückweg finden müssen oder eben nicht ...
"Sorg' dafür, Alter, dass der Junge transportfähig wird. Wir können hier nicht verweilen! In dieser Höhle bestatten die Wilden ihre Anführer - sie ist ihnen sowas wie ein heiliger Ort. Du begleitest uns nach Selaque zurück! Wen du den Jungen durchbringst, werde ich mich vor meinem Soberan dafür einsetzen, dass dir Gnade vor Recht geschieht - aber nur dann und nur dieses eine Mal!"
Sie ging zu Richeza hinüber und tätschelte ihr den Kopf, wie bei einem Pferd, das einem gute Dienste geleistet hat. "Ruh' dich noch ein kleines Weilchen aus, Kind! Aber dann müssen wir zurück und dürfen keine weitere Zeit mehr verlieren, Moritatio soll dich stützen, bis es wieder besser geht und ich trage den Jungen."
Autor: von Scheffelstein
Tsacharias Krähenfreund verzog keine Miene, ob der harten Worte der Junkerin. Falls diese ihn verletzten oder ärgerten, ließ er es sich nicht anmerken. Allein ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen, als er von Rifada zu Richeza und schließlich zu dem schlafenden Jungen blickte.
"Sofern wir den Frieden dieses Ortes wahren, wird uns nichts geschehen", erklärte er sacht. "Wir werden in dieser Nacht den Schutz nutzen, den diese Höhle uns bietet. Es ist wahr: Sie ist den Ferkinas heilig. Und eben darum werden sie sie nicht betreten. Allein ihrem Nuranshâr ist es gestattet." Er warf einen kurzen Blick auf Golshan, die neben der verwundeten Comtessa hockte und sich an diesem Ort wahrlich nicht wohl zu fühlen schien, dann wandte er sich wieder der Junkerin zu.
"Wenn Ihr in dieser Nacht aufbrecht, müsst Ihr alleine gehen", sagte er bestimmt. "Denn es wäre der Tod des Knaben, würdet Ihr ihn mit Euch nehmen, und es ist nicht der Wille Tsas, dass sein junges Leben hier endet."
Eine solche Entschiedenheit sprach aus seiner Stimme, dass Richeza den Kopf hob. Sie sah in das finstere Gesicht ihrer Tante und dann zu dem fiebernden Knaben. Unwillkürlich rückte sie ein wenig näher an Praiodor heran, legte ihre Hand an seine bleiche, heiße Wange.
"Bitte, Tante", sagte sie rasch. "Er hat recht! Lasst uns diese Nacht abwarten und hoffen, dass es Praiodor morgen besser geht." Sie selbst sehnte sich nach nichts mehr als Schlaf, aber darüber schwieg sie, sagte stattdessen: "Wir haben keine Waffen. Ihr seid die Einzige, die einem Ferkina etwas entgegenzusetzen hat. Ihr könnt nicht den Jungen tragen und gleichzeitig kämpfen, wenn es sein muss. Wartet, bis es ihm ein wenig besser geht." Und uns, dachte sie. Sie sah zu Moritatio, vermied es, auch dem Streitzig einen Blick zuzuwerfen.
Irgendwo aus den dunklen Tunneln über ihnen erklang das irre, langgezogene Heulen dieses verrückten Hundes. Richeza schauderte.
Autor: von Scheffelstein
Ein Geräusch weckte Richeza. Wasser plätscherte. Doch sie hatte etwas anderes gehört. Sie öffnete die Augen. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand. Warmes Dämmerlicht hüllte sie ein. Der Boden war feucht, Haut und Kleider von feinen Wassertropfen bedeckt. Keine Armeslänge entfernt lag Praiodor. Seine schmale Hand lugte unter dem Umhang hervor. Sie war kühl, doch Richeza spürte seinen Herzschlag unter ihren Fingern.
Sie hob leicht den Kopf. Nicht weit von ihr lag ihr Vetter, eine Hand unter den Kopf geschoben. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Nahe des Höhleneingangs saß Rifada da Vanya, den Rücken an einen Felsen gelehnt, das Falcata auf den Knien. Richeza konnte nicht sehen, ob sie schlief oder wachte.
Die Edle rollte sich wieder zusammen, umschloss Praiodors Hand mit ihren Fingern. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich sicher. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie wieder ein.
Aureolus senkte den Stab, verharrte aber reglos, bis er sicher war, dass die Scheffelsteinerin wieder schlief. Verfluchte Frau, wie leise sollte er noch sein? Bedauerlich, dass er keinen Zauber wusste, sie lautlos zu töten, sonst hätte er es getan. Aufmerksam ließ der junge Magier die Augen über die Schlafenden wandern. Niemand schien wach zu sein. Gut so! Der alten da Vanya war das Kinn auf die Brust gesunken. Auf sie musste er am ehesten achtgeben. Der gut gekleidete Ferkina hingegen war sicher keine Gefahr. Die Wilde und das Mädchen, die sich beide nahe der Comtessa zusammengerollt hatten, ohnehin nicht. Der Alte, der vornübergebeugt im Sitzen schlief, schnarchte leise. Blieb der Onkel der Comtessa. Den konnte er nicht recht einschätzen. Sah durchaus wie ein Kämpfer aus. Aber er lag etwas abseits, den Kopf zur Höhlenwand gedreht. - Wenn er den Zauber seiner elfischen Vorfahren nur kennte, Menschen in Schlaf zu versetzen!
Lautlos – elfengleich, oh ja! – näherte sich Aureolus der schlafenden Grafentochter. Ihr blondes Haar lag wie ein Fächer um ihr Haupt gebreitet. Der dunkle Umhang, in den sie gehüllt war, war halb von ihrer Schulter gerutscht, auch das verwundete Bein schaute hervor. So weiß und doch kräftig. Einige Augenblicke lang sah er sie nur an. Bei allen Dämonen, wie konnte ein Mensch nur so schön sein, so rein und anmutig – selbst schlafend, selbst mit staubigem Haar und blutbesudeltem Verband?
Kurz spielte Aureolus mit dem Gedanken, ein Inferno in der Höhle zu entfachen, die Geister zu erzürnen, Tod und Verderben auf die Schlafenden herabzurufen, nur um einen Grund zu haben, die Comtessa aus der Höhle zu tragen. Sie zu retten. Mitzunehmen.
Er konnte sie nicht mitnehmen! Selbst, wenn sie dem Tod geweiht wäre: Bestimmt würde sie ihrem Onkel nicht von der Seite weichen, selbst wenn dieser bereits tot wäre. Sie war halsstarrig genug, das hatte er bei den Ferkinas gesehen, als sie dem Shâr mehr als einmal die Stirn geboten hatte. Und dennoch: Er allein hatte sie davor bewahrt, dass der Shâr ihren Willen nicht brach. Und nicht nur diesen.
Ein lautloses Seufzen entrang sich Aureolus' Kehle. Zorn rang mit seiner Sehnsucht, ihr zu gefallen. Zorn auf all jene in dieser Höhle, die zwischen ihr und ihm standen. Er konnte sie nicht alle töten, er hatte Wichtigeres zu tun. Und dennoch ...
Der Anblick der blutgetränkten Leinenbinden um ihre Hüfte, dauerte ihn. Selbst, wenn sie noch nicht ahnte, wer ihr Ritter war, konnte er sie nicht leiden lassen! Der verschrobene Alte, was konnte er für sie schon tun? Wie sollte sie mit Schmerzen lebend das Gebirge durchqueren? Wie vor Ferkinas fliehen, wenn die Wunden nicht heilten und sie Blut verlor?
Aureolus kniete sich neben die junge Frau, legte seinen Stab neben sich, bedacht, kein Geräusch zu machen. Vorsichtig hob er den Umhang, zog ihn Fingerbreit um Fingerbreit vom Leib der Comtessa, bis ihre rechte Seite unbedeckt war. Am liebsten wollte er sie küssen, sie bitten, mit ihm zu kommen!
Er riss sich zusammen, zog ein kleines Messer aus einer Tasche, zerschnitt behutsam die Binden um ihren Leib.
Die Wunde sah hässlich aus! Der Pfeil war tief eingedrungen, durch den Muskel, bis auf den Knochen. Sie hatte viel Blut verloren. Die Salbe, die der Alte auf ihre Wunde geschmiert hatte, hatte die Blutung zwar vorerst aufgehalten, doch wenn sie liefe, würde die Wunde erneut aufreißen. Sacht legte Aureolus seine Linke auf die Verletzung, das Messer noch immer in der anderen Hand. Sein Blick wanderte zu den Augen der Comtessa, als er im Geist die Melodie anstimmte, fast stimmlos hauchte: "Bha'sama sala bian da'o."
Autor: Romina Alba, von Scheffelstein
Romina seufzte leise und kam langsam, mit einem Lächeln auf den Lippen, aus den Armen Borons zurück. Ihre schweren Lider hoben sich, sie drehte den Kopf und sah in goldene Augen.
"Ramin." Leise und etwas erstaunt, aber auch erfreut, flüsterte sie seinen Namen. "Verzeih, ich konnte nicht auf dich warten." Es schien ihr irgendwie richtig zu flüstern. Ihr Blick glitt über ihn, er war ein Magier. Sie schaute wieder tief in diese erstaunlichen, goldenen Augen.
Aureolus nahm die Hand von Rominas Hüfte. Unter seinen Fingern hatte die Wunde sich geschlossen. Zarte rosa Haut schaute zwischen den zerschnittenen Leinenbinden hervor, machte die Domnatella noch begehrenswerter ...
Aureolus senkte das Messer, für einen Moment um Worte verlegen. "Domnatella", sagte er dann, ebenso leise wie sie, und warf einen kurzen Blick über die Schulter auf die Schlafenden. "Kommt mit mir! Ich bringe Euch in Sicherheit." Er zögerte kurz. "Ich bringe Euch, wohin Ihr wollt. Jetzt. Aber Ihr müsst leise sein, die anderen dürfen nicht erwachen."
Sie schaute zu ihrer Hüfte und kam langsam hoch.
"Du ... Ihr habt mich geheilt ..." Sie bemerkte, dass der Umhang über ihre Brust zu rutschen drohte und hielt ihn leicht errötend fest.
"Ihr wollt, dass ich meine Freunde, meinen Onkel zurücklasse?" Sie suchte seinen Blick und nickte verständnissvoll. "Ihr seid jung und könnt uns bestimmt nicht alle magisch in Sicherheit bringen. Aber Ihr könntet Hilfe holen, die Truppen meines Vaters suchen bestimmt nach uns. Bringt Euch in Sicherheit, findet sie und schickt sie zu uns."
Ihre Hand legte sich auf seine. "Sagt Rondrigo vom Eisenwalde - er wird sie anführen -, sagt ihm ...", sie dachte kurz nach, "... sagt ihm, der schwarze Jagdhund wird niemals auch nur eine Ente finden." Sie schaute ihn ernst an. "Dann wird er wissen, dass Ihr von mir kommt." Ihr Blick wurde eindringlich. "Bitte, Dom Ramin, schickt uns Hilfe." Sie nahm seine Hand. Es drängte sie zu fragen, warum keiner wach werden dürfte, doch ein Gefühl hielt sie zurück. Er wirkte so scheu.
Aureolus' Augen schweiften über ihren Körper und zurück zu ihrem Gesicht. Er erwiderte den Druck ihrer Hand. Sein Herz schlug schneller. Doch sein Blick verhärtete sich. "Ihr versteht nicht", erwiderte er leise. "Ich sagte: Ich bringe Euch in Sicherheit, wenn Ihr das wünscht. Und ich verspreche Euch, dass ich Euch dorthin bringe, wo Ihr Euch hinsehnt." Unverwandt sah er sie an. "Aber ich bin nicht Euer Dienstbote." Für einen Augenblick blitzten seine Augen wie Münzen im Fackelschein. Ein Flammenkranz säumte seine Iris. "Was aus Euren ... Freunden ... wird, ist mir gleich! Seid gewiss", ergänzte er mit einem kurzen Blick über die Schulter auf die nahe des Höhleneingangs sitzende da Vanya, "dass Eure Freunde Euch nachts die Kehle durchschnitten, wenn es ihren Zielen diente. Wenn sie hier im Gebirge verrecken, kann es Euch nur recht sein."
Er umfasste ihre Finger mit seiner Hand, zog sie sacht an seine Brust, näherte sein Gesicht dem ihren ein wenig. Drei rasche Herzschläge lang schwieg er, der Blick seiner goldenen Augen fast flehentlich. Doch als er erneut zu flüstern begann, war seine Stimme eindringlich und aus seinem jugendlichen Gesicht sprachen Entschlossenheit und Selbstvertrauen, die mancher weit ältere Mann vermissen ließ. "Entscheidet Euch, Domnatella: Ihr könnt schon in wenigen Augenblicken in Sicherheit sein, bei Eurem Vater, wenn Ihr das wünscht. Dann könnt Ihr Euren Freunden soviel Hilfe schicken, wie Euch beliebt. Oder bleibt hier, aus falsch verstandener Loyalität. Kämpft Euch zurück durch Ferkinahorden und Schluchten, die andere als Euch das Leben kosteten. Dann kann ich Euch nicht helfen."
Romina betrachtete ihn, wieder verwundert über sein so gegensätzliches Verhalten. Dann schüttelte sie den Kopf.
"Ihr versteht es nicht, Dom Ramin. Ich kann und will wegen meines Onkels und der zwei jungen Frauen hier nicht einfach verschwinden. Die da Vanyas ...", sie verzog das Gesicht und nur ihre gute Erziehung schien sie von weiteren Worten abzuhalten, "... sind mir egal. Aber mein Onkel hat mich gesucht und die Frauen haben mir geholfen." Ihr Blick verlor sich im Gold seiner Augen. "Seid gedankt für die Heilung und Euer Angebot."
Einen Moment schien Satinav die Zeit anzuhalten, dann schluckte die Comtessa trocken und entzog ihm ihre Hand. "Ihr müsst jetzt gehen, sonst erwacht noch jemand und wie es scheint, wollt ihr nicht gesehen werden, Dom." Die langen Wimpern senkten sich über ihre blauen Augen und entzogen ihm ihren Blick. Ihre Hände zogen den Umhang hoch. Sie legte sich zurück, als wolle sie weiterschlafen.
Aureolus presste die Zähne aufeinander und stand auf. Einen Augenblick lang sah er auf die Domnatella hinab. Als er sprach, war seine Stimme ebenso leise wie zuvor, doch Zorn und verletzter Stolz sprachen aus ihr ebenso wie bittere Enttäuschung.
"Wie Ihr wollt, Domnatella", sagte er. Ein Geräusch hinter ihm in der Höhle lenkte ihn kurz ab, dann fuhr er fort, seine Worte nur für die Comtessa hörbar.
"Denkt an mich, Domnatella Romina, wenn Ihr dereinst in den Armen eines Mannes liegt, dem Ihr, wenn Ihr Glück habt, sogar etwas bedeutet. Denkt an mich, wenn er Eure Reinheit nimmt, die dank meiner kein Ferkina bislang befleckte, auch nicht der Shâr - denn glaubt nicht, dass es Eure Wildheit war, die ihn von Euch fernhielt. - Vielleicht denkt Ihr eines Tages anders über mich und wisst zu schätzen, was ich für Euch getan habe."
Brüsk wandte er sich ab.
Autor: SteveT
Zwischen zwei tiefen Atemzügen, die schon als ein Schnarchen hätten gelten können, wenn sie denn wirklich fest geschlafen hätte, vernahm Rifada ein Wispern in der Höhle und kurz darauf ein weiteres, die ihre Sinne im Dämmerschlaf nicht so recht einzuordnen vermochten. Ihr Unterbewusstsein signalisierte ihr augenblicklich, dass möglicherweise etwas nicht in Ordnung war und dass sie besser ganz schnell erwachen sollte. Sie hob leicht den Kopf von den Knien und gleich darauf auch das Lid des linken Auges.
Das eine war die dumme tobrische Gans, die da zur nachtschlafenden Zeit Palaver hielt. Erst dachte sie, der Köter wäre womöglich in die Höhle zurückgekehrt und dass das Blondchen ihn bloß von ihrem Krankenlager fortjagte. Aber spätestens als der "Hund" mit einer männlichen Flüsterstimme antwortete, die nicht so recht zu ihrem Sohn, dem Heiler oder dem Streitziger passte, war ihr klar, dass noch jemand weiteres in der Höhle sein musste. Im fahlen Licht der Gwen-Petryl-Steine erkannte sie aber nur einen dunklen Schatten, der vor dem Lager der Tobrierin kniete und dann plötzlich abrupt aufstand, worauf sie auch ausmachen konnte, dass die Person so blond war, wie die Tochter des falschen Grafen selbst, mit der sie geflüstert hatte.
"Heda!", rief Rifada zu den beiden hinüber. "Wer in der Götter Namen ist da?"
Autor: von Scheffelstein
Aureolus erstarrte und wandte langsam den Kopf zu der da Vanya um. Auch das noch, nun war die Alte doch aufgewacht! Eine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass es klug wäre, jetzt zu verschwinden. Sofort! Aber eine lautere Stimme, die seinen ganzen Kopf ausfüllte brüllte vor Zorn und verletzter Eitelkeit.
Aureolus ballte die Linke um seinen Stab und die Rechte zur Faust. "Horriphobus!", zischte er ins Zwielicht der Höhle, denn mit Heda! wollte er sich nicht anreden lassen, er, Sohn des mächtigsten almadanischen Magiers seit Zulipan von Punin. Sollte die Alte ihm den nötigen Respekt zollen, bevor er ging!
Doch zu seinem Missfallen schrie sie nicht und kauerte sich nicht wimmernd in die Ecke. Schlimmer noch: Sie kam erstaunlich schnell auf die Füße, das Schlachtschwert in der Hand. Verflucht! Hätte er den Zauber doch besser schreien sollen, wie man ihn gelehrt hatte? Vielleicht wirkte er bei Menschen nicht, wenn man ihn flüsterte?
Autor: Ancuiras
Gendahar wurde aus dem Schlaf gerissen. Was schrie Domna Rifada schon wieder herum? Er sah auf und folgte ihrem Blick und sah den Fremden, der über Romina stand, hörte dessen Worte. Ein Magus? Hier? Der Streitziger tastete nach seinem Degen und rappelte sich auf. "Wer seid Ihr, bei den Zwölfen? Den Stab zur Seite!"
|