Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 04
Kaiserlich Selaque, 30. Firun 1036 BF
Auf dem Castillo da Vanya im Vanyadâl, morgens
Autor: SteveT
Kurz nach dem morgendlichen Aufstehen, das bei ihr gewohnheitsmäßig sehr früh erfolgte, las Rifada noch einmal den rußgeschwärzten Brief, den ihr die Zofe Hazinda gestern Abend kurz vor dem Zubettgehen überbracht hatte. Richeza hatte am Kamin gestanden, sie musste den Brief ins Feuer geworfen haben. Dabei hatte sie aber offenbar nicht wahrgenommen, dass dieser Tage auf dem einstmals stolzen Castillo da Vanya selbst an Brennholz Mangel herrschte, denn Selaque war seit Jahrhunderten arm an Bäumen, die alle einst als 'Rollholz' für den Transport der quaderschweren Marmorblöcke abgeholzt worden waren.
Rifada wurde nicht recht schlau aus dem Schreiben, da wichtige Passagen durch Brandlöcher fehlten. Irgendwer liebte irgendwen – konnte es sein, dass die Schwester dieses Lindholzer Scharlatans ein Auge auf Richeza geworfen hatte? Dass eine Frau eine andere Frau begehrte, dafür hatte Rifada vollstes Verständnis, denn die Mannsbilder waren dümmliche Jammerlappen – zu nichts zu gebrauchen! Richeza war natürlich nach wie vor eine attraktive Erscheinung, aber Rifada hatte nie den Eindruck gehabt, dass sie sich zu einer anderen Person – egal ob Weib oder Mann – sonderlich hingezogen fühlte.
Achselzuckend warf sie den verkohlten Brief in eine kleine Truhe, die ihr heute als Nachttisch, Kleider- und Bücherschrank in einem diente, denn alles andere war von Praiosmins Schergen gestohlen worden.
Rifada streifte sich nur ein dünnes Leinenhemd über, denn sie fror fast nie. Alle andere Kleidung würde sie auch nur bei ihrem alltäglichen Morgenritual behindern, dem Holzhacken drunten im Burghof, dass ihre Muskeln stramm und fest hielt.
Sie pfiff den Ragathsky-Marsch, während sie in der kühlen Luft den Hof überquerte – obwohl sie die Ragatier im Großen und Ganzen nicht leiden konnte, hatte sie doch immer ein Faible für diese schneidige Marsch-Melodie gehabt. Vom Torhaus her rumpelte ein zweirädriger Karren heran, gezogen von ihrem einzigen verbliebenen Esel, den das Burggesinde einst despektierlich nach ihrem Gatten Berengar II. getauft hatte, sowie ihren beiden Knechten Ezequiel und Orbino, die tatsächlich von irgendwoher eine offenbar vom Blitz gefällte Schwarzpappel heranschafften.
"Seht nur, Herrin!", frohlockte der junge Orbino stolz, "Brennholz für mindestens einen Mond!"
"Packt an!", befahl Rifada äußerlich unbeeindruckt. "Ihr Zwei nehmt die Seite, ich nehm die andere." Die zwei Knechte ächzten beim Anheben des schweren Pappelstammes, Schweißperlen traten auf die Stirne der jungen Männer, denen dass gleichwohl etwas peinlich war, da ihre Herrin das ganz sicher genauso schwere andere Ende des Stammes aus dem Karren hob, ohne dabei eine Miene zu verziehen. "Nicht so wackeln! Wir tragen ihn dort neben den Brunnen!", blaffte Rifada sie an. "So weit?", echoten die Beiden entsetzt, denn das waren über fünfzehn Schritt. Schlussendlich gelangte der Stamm aber doch an die gewünschte Stelle und die beiden jungen Knechte gingen etwas auf Abstand, als Rifada mit dem großen Holzfällerbeil weit über dem Kopf ausholte und den Stamm mit drei Hieben in der Mitte durchschlug.
Autor: SteveT
Am Fenster des Großen Saals verfolgte Belisetha da Vanya das unwürdige Geschehen kopfschüttelnd. Sie würde aus Rifada keine Edeldame mit guten Manieren mehr machen können, das war ihr seit dreißig Jahren klar. Aber dieser egozentrische Stolz, selbst dem niederen Gesinde immer wieder vor Augen führen zu müssen, wer der eigentliche 'starke Mann' im Hause war, fand sie peinlich und unverbesserlich. Sie schloss das Fenster, obwohl die Beilschläge sowieso laut genug waren, auch den letzten Schlafenden auf der Burg und drunten im Dorf zu wecken.
"Vier Gedecke?", fragte sie den alten Hausdiener Peregrin überrascht, als sie die Tafel besah. "Erwarten wir außer unserem studierten Gast, Rifada und mir noch jemand weiteren zum Frühmahl?"
Peregrin nickte: "Ja, Euer Wohlgeboren! Domna Richeza, die werte Nichte von Domna Rifada, geruhte gestern Abend hier einzutreffen!"
"Ah wie schön!", hellte sich Belisethas Miene augenblicklich auf. "Dann lasst bitte nach ihr schicken. Jemand der mir beim Frühmal etwas erbaulichere Neuigkeiten als Einzelheiten zum Zerlegen eines Baumstamme zu berichten weiß, ist mir höchst willkommen!"
Autor: von Scheffelstein
Belisetha da Vanya hatte ihr erstes Schüsselchen Hirsebrei bereits geleert und ließ sich vom alten Peregrin einen ordentlichen Schlag Honig in das zweite rühren. Ihre Großnichte sei unpässlich und werde sich verspäten, hatte die Magd ihr ausrichten lassen, die nach der Scheffelsteinerin geschickt worden war.
Von draußen drangen noch immer der Klang der Axthiebe herein und die endlosen Belehrungen der Hausherrin an ihre Dienerschaft, wie man das Holz zu schlagen habe.
Belisetha seufzte, bedeutete Peregrin mit einem Heben ihrer von der Gicht geschwollenen Hand, dass sie genug Honig hatte, ließ sich verdünnten Wein nachschenken und setzte ihr Mahl fort.
Bald darauf klopfte es an der Saaltür, und Peregrin meldete: "Seine Wohlgeboren, der Gelehrte Herr Amaros Desidero von Lindholz."
Man wünschte sich wechselseitig einen guten Morgen, und der junge Mann hatte eben erst auf dem Stuhl Platz genommen, den Peregrin ihm gewiesen hatte, als abermals die Tür aufging, und Belisethas Großnichte Richeza den Saal betrat, blass, mit tiefen Augenringen und einer tiefen Falte über der Narbe an ihrer linken Wange, wo wohl das Betttuch ihr im Schlaf gelegen hatte.
Ihr Blick wanderte von Belisetha zu dem jungen Magier, über deren beider Anblick sie wenig erfreut schien, dann nickte sie dem Lindholz zu, presste ein "Gutenmorgneuerwohlgeborn" zwischen den Zähnen hervor, trat an Belisethas Seite und küsste ihr, als diese ihr die Hand entgegen streckte, die schmerzenden Finger mit einem ebenso unverständlich gemurmelten "Großtante", was angesichts der Tatsache, dass ein Fremder im Raum war, ein unerhörter Etiketteverstoß war, der Belisetha zu einem tadelnden Stirnrunzeln veranlasste.
Dieses aber schien die Edle ebenso wenig zu bemerken wie den strengen Blick der Junkerin, als sich Richeza wortlos auf den Stuhl neben dem Magier sinken ließ, sich die große Holzschüssel mit dem Hirsebrei heranzog und sich lustlos etwas auf ihren Teller klatschte, ehe Peregrin heran war, um ihr dienlich sein zu können. Den Wein, den er ihr anbot, lehnte sie mit einer derben Handbewegung ab, verlangte stattdessen nach Tee, aß drei Löffel der Hirse, ohne Honig, schob dann den Teller fort und starrte an Belisetha vorbei aus dem Fenster.
Autor: Lindholz
Amaros von Lindholz betrachtete die Landedle nachdenklich während er sich den gesüßten Brei schmecken ließ. Der Adept der arkanen Künste hatte ihre recht dürftige morgendliche Begrüßung ungetrübt freundlich erwidert, war sich jedoch nicht einmal sicher, ob die Scheffelsteinerin es überhaupt wahrgenommen hatte. Es war wohl die Liebe, die ihr so zusetzte, mutmaßte er. Und wie gut Amaros sie verstehen konnte! Manche behaupteten, dass die Liebe ein Spiel sei, aber nach allem, was er in den vergangenen Monden gelernt hatte, konnte man in Herzensangelegenheiten nur verlieren, wenn man sie nicht ernst nahm.
Gerne hätte er der schöne Domna Richeza versichert, wie sehr er mit ihr fühle und dass sie Vertrauen haben solle. Doch nein, das war mehr als unpassend. Zum einen dürfte die streitbare Dame kaum Wert auf seinen Ratschlag legen, und zum anderen, wer war er schon, dass er Ratschläge in diesen Dingen gab, wo er selbst so schändlich versagt hatte?
Zügig nahm der blonde junge Adlige einen Schluck Wein. Zum Betrinken war der verwässerte Rebensaft kaum geeignet, auch wenn seine süße Beerennote durchaus das nötige Verve dafür erahnen ließ. Blieb ihm nur, sich anderweitig abzulenken. Kurzerhand stürzte Amaros sich in ein Gespräch mit der Junkerin von Wildenfest, das er mit der Herkunft besagten Weines begann und welches sich mit einigen Belanglosigkeiten fortsetzte.
Irgendwann, die Schüssel vor ihm war längst geleert, endete das stete Klock, Klock, Klock, das die gesamte Mahlzeit begleitet hatte, endlich. Gönnte sich Domna Rifada eine Pause oder hatte sie die gesamte Pappel bereits zerlegt? Zuzutrauen wäre es ihr! Als das Schlagen des Beils ihn heute früh geweckt hatte, hatte er kaum glauben können, welches Bild die kräftige Burgherrin im Innenhof abgegeben hatte. Am Fenster stehend hatte ein Blick nach unten ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass er mit Sicherheit nur von einem Körperteil sagen konnte, dass es bei ihm mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es bei Domna Rifada der Fall war. Der Tanz der Mada und regelmäßiges Ausreiten waren nun einmal kein Vergleich zu Bäumespalten und Schwertübungen; wobei es in diesen Breiten wohl des Häufigeren nicht nur reine Übungen, sondern wahrhaft gefährliche Auseinandersetzungen mit der Waffe waren.
"Sagt, Domna Belisetha, im Yaquirtal vernimmt man nicht mehr viel von den Ferkinas und Ogern. Haben diese Wilden und Menschenfresser wirklich kleinbei gegeben oder lässt man uns nur im Dunkeln?"
Autor: von Scheffelstein
Belisetha da Vanya, die während ihrer Unterhaltung mit dem jungen Gast immer wieder einen missbilligenden Blick auf ihre Großnichte geworfen hatte, die scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster im Rücken der Junkerin blickte, als wären der Schnee auf den Dächern oder die krächzend vorbei fliegenden Krähen interessanter als das Tischgespräch, ja, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig, wie unhöflich sie erschien – Belisetha da Vanya schüttelte kaum merklich den Kopf und schenkte dem jungen Mann ein Lächeln.
"Der verblichene Kaiser, gnade im Boron, hat die Wilden gezähmt und unterworfen. Jedenfalls ist es das, was man sich im Lande erzählt. Derlei Reden solltet Ihr Domna Rifada besser nicht vernehmen lassen. Nun, da der Kaiser tot ist, wird es aber nicht viel geben, was die Barbaren davon abhält, weiter plündernd über unsere Ländereien herzufallen. Ein Glück nur, dass der Feldzug gegen die Bergwilden einst auch diese einige Männer gekostet hat und die einzelnen Stämme zumeist zerstritten sind."
Abermals schüttelte sie den Kopf, dann wandte sie sich an die Scheffelsteinerin, wohl hoffend, diese in das Gespräch hineinzuziehen. "Richeza, was führt dich hierher ins Vanyadâl? Vermisst du wieder irgendeinen Vetter oder besinnst du dich deiner Familia und ihrer Gäste?"
Die Edle schien den strengen Unterton zu überhören. Sie wandte den Kopf, straffte sich ein wenig, lehnte sich ausatmend zurück, mit einer Hand den noch immer kaum angerührten Teller befingernd. Dann zuckte sie – unerhört! – mit den Schultern. "Wollte nur nach … Domna Rifada sehen. Wie's ihr geht."
Belisetha warf ihr einen zornigen Blick zu und klopfte mit dem Stil ihres Löffels dezent auf den Tisch. Richeza setzte sich gerade hin, sah aber auf ihren Teller.
"Entschuldigt vielmals", wandte die alte Junkerin sich an den Magier. "Was müsst Ihr nur vom alten und stolzen Hause da Vanya denken? Einstmals dienten wir am Hof der Kaiser und herrschten, nicht nur über Ragath, sondern über dieses ganze Land, götterfürchtig und gewissenhaft, vor allem aber …"
Ein plötzliches Krachen und Scheppern und ein spitzer Schrei ließen die Domna zusammenfahren. "HimmelHerr…", drang es von draußen herein, und als Peregrin die Tür öffnete, sah man eine Magd, die auf dem Boden hockte, weinbesprenkelt, zwischen den Scherben eines Kruges, und eine zweite, jüngere, auf dem Treppenaufgang neben einem Eimer kniend. Peregrin schloss leise die Türe hinter sich, ehe man halblaut die aufgeregte Stimme der älteren Magd vernahm, die sich über den nassen Boden beklagte. Es folgte eine gemurmelte Unterhaltung, dann Peregrins strenge Stimme: "Du da, wisch das auf. Und du, Dela, zieh dich um und bring einen neuen Krug!"
Dann kam er herein, als sei nichts gewesen, entschuldigte sich für die Mägde, verneigte sich und verschmolz wieder mit den getäfelten Wänden, wie die Ahnenporträts in hölzernen Rahmen, die rings um den Saal hingen.
Belisetha da Vanya wandte sich abermals dem Magier zu. "Reist Ihr allein?", fragte sie. "Ihr solltet Euch vorsehen: Wenn es so weiter schneit, sind die Straßen gefährlich. Vielleicht mögt Ihr noch eine Woche warten, bis meine Reisigen aus Wildenfest eintreffen, um mich nach Ragath zu geleiten. Einstweilen wollen wir doch mal sehen, ob Eurem Anliegen Befriedigung verschafft werden kann." Sie hielt ihm die Hand entgegen. "Wenn Ihr die Güte hättet, junger Mann? Wir werden sehen, ob noch Kirchenbücher meines Bruders auf da Vanya zu finden sind, und Ihr werdet mir über das stolze, alte Haus Lindholz und seine Politik in diesen jungen Tagen berichten."
Sie ließ sich von dem jungen Adligen aufhelfen und zur Tür geleiten, die Peregrin vor ihnen öffnete und hinter ihnen schloss.
Richeza blieb allein zurück, schickte den Diener fort, legte die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und weinte.
Autor: SteveT
Rifada kam leicht verschwitzt, aber dafür in deutlich besserer Stimmung als noch am frühen Morgen die Treppenstufen zum Großen Saal herauf. Ihre Arme schmerzten zwar etwas von der immer wiederkehrenden Aushohlbewegung mit dem großen Beil, aber das schadete ihnen nicht, sondern hielt sie im Gegenteil schön stramm und kräftig.
Ihre Miene verfinsterte sich, als sie die Bescherung auf dem Treppenabsatz mit dem verschütteten guten Wein sah und sie versetzte den beiden den Boden schrubbenden Mägden im Vorbeigehen einen leichten tadelnden Schlag auf den Nacken.
Zu allem Überfluss kamen ihr auch noch Belisetha mit vorwurfsvollem Blick und der gestern Abend angereiste Yaquirtaler Hexer entgegen, an dessen Arm sich ihre greise Muhme abstützte. Wollte sich dieser Scharlatan bei ihr Liebkind machen und ihr am Ende noch irgendwelche Tinkturen oder andere vermeintliche Wundermittel gegen die Gicht und andere Altersgebrechen andrehen? Sie hatte oft von Amando gehört, dass es in den Städten Almadas Quacksalber gab, die verkaufsfördernd vorgaben, Hexer zu sein, die sich dann aber beim Verhör durch die Suprema als gänzlich arkan unbegabt herausstellten.
"Oh – Ihr seid noch da? Ihr solltet Euch sputen, denn wenn es so weiterschneit, wird der einzige Weg aus unserem Tal vielleicht schon heute Mittag unpassierbar sein!", gab sie ihm im Vorbeigehen einen ebenso gutgemeinten wie unmissverständlichen Wink mit dem Palisadenpfahl mit auf den Weg, was ihr einen noch vorwurfsvolleren, fast schon feindseligen Blick Belisethas einbrachte. Es scherte Rifada nicht – wenn es sie störte, sollte sie nach Wildenfest oder Schrotenstein zurückkehren und dort das Zepter schwingen – hier auf diesem Castillo war immer noch sie selbst die Herrin!
"Rondraseidank! Wir essen unter uns!", rief sie frohgemut, als sie zu Richeza in den Saal eintrat und die Türe hinter sich schloss. Doch sie blieb abrupt mitten in der Bewegung stehen, als sie das Weinen ihrer Nichte hörte und deren in den Händen verborgenes Antlitz wahrnahm. Im ersten Moment schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, diese lautstark tadelnd zurechtzuweisen, wie es ihre eigene Mutter Leonida immer getan hatte, wenn sie sie einmal heulend erwischt hatte. Sie könnte sich wie diese vor Richeza aufbauen, sie grob am Kragen packen und anbrüllen, dass ein solches Verhalten unweibisch sei und dass sie diese Flennerei den zarten Knäblein überlassen solle, weil sie am Ende ja doch nichts nützte. Es kam aber kein Ton über ihre Lippen.
Langsam ging sie näher an Richeza heran, zog sich mit dem Fuß den Schemel, der ihr sonst zum Bein-Hochlegen diente, direkt neben Richezas Stuhl und ließ sich extra geräuschvoll ächzend darauf nieder, sodass ihre Nichte sie wahrnahm. Sie überlegte, dass es jetzt sicherlich eine schöne Geste wäre, Richeza übers Haar zu streichen und ihr irgendwelche schwülstigen tröstenden Worte ins Ohr zu flüstern, wie ein Troubadour. Aber so ein unweibisches Gehabe war einfach nicht ihre Welt, jede Faser ihres Körpers wehrte sich dagegen, so etwas Ammenhaftes zu tun.
So klopfte sie Richeza stattdessen schlussendlich wenigstens kumpelhaft auf die Schulter – versehentlich so hart, dass diese zusammenzuckte – und sie sagte im sanftesten Tonfall zu dem sie fähig war: "Schon gut, Kind! Jetzt will ich keine Rohalsmärchen und keine Ausflüchte mehr hören! Du sagst deiner alten Tante jetzt geradeheraus, was dich so bedrückt und was dir auf der Seele liegt! Darum bist du doch in Wahrheit hier oder nicht?"
Sie umfasste Richezas Kinn und hob deren Kopf an, so dass sie ihr geradewegs in die Augen schauen musste.
Autor: von Scheffelstein
Richeza blickte die Junkerin aus verweinten Augen an, blinzelte die Tränen fort. Je klarer sie sehen konnte, desto verwirrter wirkte sie, gerade so, als drängen die Worte ihrer Tante erst allmählich zu ihr durch. Beinahe ungläubig sah sie sie an, wie eine Traumgestalt, dann brach sie erneut in Tränen aus, die ihr in Bächen lautlos die Wange hinunterstürzten. Sie schien den Blick abwenden zu wollen, doch da Rifada sie unverändert festhielt, senkte sie nur die Augen und stieß bebend hervor: "Ich … brauche Euren Rat. Ich weiß nicht, was ich tun soll! Ich bin verloren!"
Doch auch mit diesem Gestammel wollte die Hausherrin sich nicht zufrieden geben, und so wischte sich Richeza mit dem Handrücken übers Gesicht, sah ihre Tante einige Herzschläge schweigend an, während ihr Atem ruhiger wurde und ihr Zittern aufhörte, dann sagte sie sehr leise, beinahe tonlos: "Ich erwarte ein Kind."
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