Chronik.Ereignis1035 Flucht aus der Heimat 01

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Vinsalt, Rahja 1035 BF

Alt-Bosparan

Autor: Lindholz
Lucio Farfara befestigte die Stackstange mit geübten Handgriffen an dem flachen Kahn, während hilfreiche Hände auf der Gegenseite das Gefährt durch ein Seil sicher mit einem Pfahl verbanden. Ein steter Nieselregen ging nieder, doch war der Handelsmann - als solches betrachtete sich zumindest Lucio selber – zum Teil dankbar dafür; hielt doch Efferds Gabe die kleinen Plagegeister ab, die jeden anfielen, der sich in die dampfenden Sümpfe Alt-Bosparans wagte.

Lucio schlug die dunkle Kapuze zurück, da der schwere Stoff seine Sicht behinderte. Haselnussfarbene, kluge Augen maßen ihre Umgebung aus einem ovalen, leidlich rasierten Gesicht ab. Mit einer lässigen Geste, wischte er sich einige nasse Locken seiner braunen Haare aus der Stirn. Der Bruch, der dem Rücken seiner Nase einen Linksknick verlieh, und ihn stets an die liebevolle Erziehung seines Vaters erinnerte, pochte. Diese elende Schwüle konnte selbst der Regen nicht vertreiben!

Im fahlen Licht des abnehmenden Mondes glänzten die dunklen Bohlen des Steges und beinahe wäre Lucio auf dem langsam verrottenden Holz ausgerutscht, nachdem er sich mit einem eleganten Satz aus dem vollgepackten Kahn abstieß. Das Entladen überließ er den dienstbaren Geistern seines Geschäftspartners, während er selbst sich der ehemaligen Abdeckerei zuwendete. Eine leichte Brise dämmte den modrigen Geruch ein, wehte aber die brachialen Laute einer Prügelei von der 'Letzten Zuflucht' hinüber. Die Spelunke war noch ein Stück entfernt und man konnte den Steg, der ins morastige Wasser des Sumpfes hinausragte von dort nicht einsehen. Selbst wenn es so wäre, da war Lucio Farfara sicher, würde kaum einer der zwielichtigen Besucher sich darum scheren, was hier geschah.

"Farfara, kommt an meine Brust!" verkündete Nesro strahlend, als Lucio durch die knarzende Holztür eintrat. Die Begrüßung war freundlich verlogen wie eh und je. Nachdem die kurze Umarmung endete, klopfte Nesro seinem jahrelangen Geschäftspartner auf die Schulter und führte ihn zu dem quadratischen Holztisch, an dem sie auf zweien der Hocker Platz nahmen, die die Tischplatte umstanden. Das schwarze Haar seines Gastgebers war wie immer im Nacken zusammengebunden und glänzte von Fett und Schweiß, den die schwüle und ungesunde Nachtluft des Sumpfes aus den Poren trieb. Eine hohe Stirn betonte den stechenden Blick der grauen Augen, die unter buschigen, tief sitzenden Augenbrauen hervor blickten. Ein einfacher Rotwein wurde in die Becher eingeschenkt und die beiden entspannten sich für einen Augenblick.

"Wie war die Anreise?" erkundigte sich der untersetzte Mann wie beiläufig und kratzte sich in alter Angewohnheit am linken Arm, wo eine unregelmäßige Narbe das Hautbild einer großbusigen Frau verunzierte.

"Problemlos. Die Greifer würden sich nicht einmal in die Sümpfe wagen, wenn wir die Routen für sie mit Rosen und Schleifchen markieren würden." behauptete Lucio grinsend und nahm einen Schluck des säuerlichen Rotens bevor er fortfuhr: "Der Morast ist da schon eine andere Geschichte. Erst vor kurzem musste ich mir eine neue Route suchen. Die vorherige war zwar kürzer, aber sie ist verlandet und ich hätte den Kahn durch das Schilf ziehen müssen. Neulich hat es wohl Rigo bei genauso einem Vorhaben erwischt. Man hat ihn bis zur Hüfte versunken gefunden. Verhungert oder an Erschöpfung gestorben. Schwer zu sagen bei dem wenigen, was die Aasfresser übrig gelassen haben. Auf so etwas kann ich gut verzichten." erklärte Lucio missmutig und nahm einen Schluck des Weines. Als der Rebensaft seine Kehle hinunterlief, fragte er sich, ob der muffige Nachgeschmack real oder nur Teil seiner düsteren Gedanken war.

"Nun, Phex kann nicht mit uns allen sein, nicht wahr? Alles gleicht sich aus: Wenn jemand Glück hat, wird irgendwo ein anderer gerade vom Pech verfolgt. So ist das Spiel des Lebens." befand Nesro mit einem Achselzucken.

Lucio deutete mit einem Nicken seine Zustimmung zu der Bemerkung des Hehlers an, war jedoch innerlich davon überzeugt, dass Rigos Tod weniger mit Pech zu tun hatte. Die Wahrheit war, dass es der reine Wahnsinn war, anzunehmen, als Schmuggler in den untergegangenen Trümmern Alt-Bosparans, ein hohes Alter zu erreichen. Wieder einmal überschlug er innerlich die Dukaten, die ihm noch fehlten, um einen eigenen Fernhandelszug auszustatten und all das hinter sich zu lassen. Ein viertel Jahr noch, vielleicht ein halbes. Er konnte es kaum erwarten.



Chronik:1035
Flucht aus der Heimat
Teil 01