Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 10
Kaiserlich Selaque, 19. Praios 1033 BF
In der Junkerschaft Vanyadâl, im Ort Vanyadâl
neues Kapitel
Autor: von Scheffelstein
Domna Richeza schlugen die Zähne aufeinander. Ihr war nach der Flucht aus dem Bergfried des Castillos nichts anderes übrig geblieben, als durch den Burggraben zu schwimmen. Das Wasser, das ihrem Vetter Moritatio und Dom Gendahar nur zur Brust und Dom Hernán bis zum Halse gereicht hatte, war zu tief gewesen, als dass sie darin hatte stehen können. Schon nach zwei Schritten war die schmutzige Brühe über ihrem Kopf zusammengeschlagen. Der zunehmende Regen wusch zwar den Dreck von Haut und Haaren, dafür aber machte sich die Erschöpfung rasch bemerkbar. Sie hatten nicht einmal das Dorf Vanyadâl erreicht, als Moritatio sie am Arm fasste.
"Wir müssen umkehren", sagte er. "Schau dich nur an, Cousine: Du wirst dir den Tod holen! Und Dom Gendahar - verzeiht - sieht noch elender aus. Wir müssen mit Domna Praiosmin reden. Der Leibmedicus meiner Mutter wird sich um euch kümmern können."
"Bist du verrückt?", fragte Richeza mit klappernden Zähnen. "Sie wird uns in den Kerker werfen lassen. Oder umbringen. So wie ... deine Eltern", fügte sie leise hinzu. "Wer weiß, ob sie noch leben?"
Moritatio senkte den Kopf. "Aber wir sind doch Mitglieder der Nobleza! Was haben wir ihr getan? Sie wird sehen, dass ihr verwundet seid. Bitte", sagte er und sah Richeza flehentlich an, wandte aber sogleich verlegen den Blick ab, als sie ihn anstarrte. "Ich mache mir doch nur Sorgen."
"Die Frau hat den Verstand verloren", erwiderte die Edle von Eslamsstolz. "Der ist es doch vollkommen egal, ob wir im Kerker verrecken. Wahrscheinlich freut es sie noch. Sie hasst deine Mutter ebenso sehr wie diese sie selbst. Ich mache mir auch Sorgen, wir alle machen uns Sorgen. Aber die Elenterin wird uns da kaum behilflich sein. Los, weiter jetzt!", sagte sie.
Ohne Moritatio näher zu beachten, stolperte sie weiter den steinigen Abhang hinunter Richtung Dorf. Mehrmals blieb sie mit den Stiefeln an Steinen oder Wurzeln hängen und wäre fast gefallen. Ein rascher Seitenblick zum Thangolforster sagte ihr, dass sie nicht mehr weit kommen würden, bis wenigstens dieser erneut zusammenbrach.
"Also schön", wandte sie sich an Moritatio. "Wir werden nicht umkehren. Aber wir müssen aus dem Regen raus und aus den nassen Sachen. Gibt es im Dorf jemanden, dem du vertraust? Irgendwen, bei dem wir die Nacht verbringen können?"
"Schon", erwiderte ihr Vetter zögernd, "aber ..."
"Dann führe uns hin, wir ..."
Fast wäre sie dem Aranjuezer in die Hacken getreten, als dieser stehen blieb. Sie strauchelte und hielt sich an seinem Arm fest, um nicht gegen ihn zu fallen. "Was ...?", fragte sie.
"Anzures Ballan, du alter Pferdedieb!", erwiderte der Baron, ein Grinsen in seinem schmutzstarrenden Gesicht. Er wies mit dem Handschuh hinunter auf die Dorfstraße. Und wirklich: Dort befand sich der Kamerad des Aranjuezers mit den verbleibenden vier Mercenarios, den beiden Mädchen und zwei Kriegerinnen Domna Rifadas. Offenkundig herrschte auch in dieser Gruppe keine Einigkeit darüber, ob man bleiben oder gehen sollte ...
Autor: Der Sinnreiche Junker
Vor der Wiedersehensfreude aber hatte Hernán von Aranjuez noch einen Einwand gesetzt: „Von einer Übernachtung im Dorf würde ich abraten. Unser Entkommen wird schon bald bemerkt werden, sei es wenn sie die Türe aufbrechen, oder aber wenn sie ihrerseits über die Rückseite einsteigen. So würde jedenfalls ich es machen, wenn ich wüsste, dass sich lediglich drei Leute dort verschanzt hätten, die unmöglich mehrere gleichzeitige Angriffe abwehren könnten. Und spätestens wenn sie die Strickleiter sehen, werden sie wissen, was gespielt wird, und zweifellos werden sie uns zuerst im Dorf suchen. Wenn wir also schon hinunter müssen, dann sollten wir uns nur mit trockenen Sachen und vielleicht etwas Proviant aufhalten, aber keinesfalls dort Unterschlupf suchen. Im Gegenteil, vielleicht können wir unsere Verfolger auf eine falsche Fährte locken, indem wir den Bewohnern eine ganz andere Richtung nennen, in welche wir uns zu wenden gedenken.“
Sein Blick glitt über die kleine Gruppe, die erschöpft und frierend im Regen stand, dazu die meisten mehr oder weniger verwundet. Und unten im Dorf hatten sie noch ein verschrecktes Kleinkind und Zaida, wo wohl niemand so genau wusste, was von ihr zu halten war. „Schrotenstein wäre der naheliegende Schluss, doch bin ich mir nicht einmal sicher, ob wir es bis dorthin schaffen, zumal mit Reitern auf den Fersen. Dom Lucrann, so hört man, ist ohnehin selten zugegen, sodass wir dort womöglich nicht einmal Hilfe finden werden. Vielleicht ist es das Beste, erst einmal irgendwo in der Wildnis unterzutauchen, und der Elenterin Schergen nach Schrotenstein galoppieren zu lassen. Die zwei oder drei Kräftigsten schlagen sich nach Nordwesten zur Straße nach Valenca und Kornhammer durch, von wo gleichermaßen letzteres wie auch Aranjuez zu erreichen sind. Gewiss kein einfaches Stück Weg, zumal ob der herumstreunenden Ferkinas, doch scheint es mir gerade unsere beste Option zu sein.“
Fragend sah der Baron in die Runde, derweil man sie nun wohl auch unten im Dorf entdeckt hatte, denn nachdem die andere Gruppe zunächst schleunigst die Straße – oder zumindest das, was man dort eine Straße nannte – verlassen hatte, schien jemand mit scharfen Augen mittlerweile bemerkt zu haben, dass es mitnichten etwaige Verfolger waren, sondern vielmehr zumindest ein Teil der Vermissten, die sich offenbar wie durch ein Wunder aus dem zur Falle gewandelten Castillo hatten retten können.
Autor: SteveT
"Grezzano", brachte Moritatio zwischen klappernden Zähnen hervor. "Wir könnten nach Grezzano gehen. Es ist uns ... es war meiner Mutter zu eigen und liegt bereits droben im Gebirge in fast tausend Schritt Höhe. Dort wird uns niemand suchen. Wenn es stimmt, was man sagt, wurden die freien Steinbrecher und Sträflinge des Ortes alle von den Wilden umgebracht - aber da diese sich jetzt ja hier unten herumtreiben, muss Grezzano nunmehr einer Geisterstadt gleichen."
Er schlang fröstelnd die Arme um den Leib, musterte besorgt Richeza, der es nicht besser zu gehen schien, und deutete dann mit einem Kopfnicken auf ein größeres Gehöft am Dorfrand von Vanyadâl. "Das ist das Haus von unserem Dorfschulzen Sanzo Guiterriz. Er hat meiner Mutter und meinem Großonkel viel zu verdanken, die dem alten Leuteschinder freie Hand ließen und über seine Zehntbetrügereien hinwegsahen, weil er die Eigenhörigen gut zur Arbeit anzutreiben versteht. Ich mag diesen Halunken zwar nicht sonderlich - aber wenn es hier jemanden gibt, der die Mittel und einen Grund hat, uns zu helfen, dann nur er! Außerdem müssen wir meine Schwester und die Amazonen verständigen! Sie werden meine Mutter rächen, und wenn man sie nach Selaque zu bringen versucht, werden sie dafür sorgen, dass dieses goldene Pökelfass niemals lebend dort ankommt!"
Autor: von Scheffelstein
Die Edle von Eslamsstolz blickte von ihrem Vetter zu Dom Gendahar. Seit sie den Bergfried verlassen hatten, hatte der Thangolforster kein Wort mehr gesprochen. Er sah gar nicht gut aus! Fragte sich nur,welcher von Borons Raben ihn zuerst ereilte ... Ohne ihn aber würde sie Praiodor und den Heiler niemals finden.
Richeza griff in den Rucksack und zog die Briefe Domna Praiosmins heraus, die sie in ein Tuch eingeschlagen hatte. "Hier!", sagte sie und drückte das Bündel Dom Hernán gegen die gepanzerte Brust, damit er es rasch nahm und das Papier nicht nass wurde. Einen Moment lang war ihr, als durchlebe sie die Situation zum zweiten Mal. War es wirklich erst drei Tage her, seit sie die Briefe gefunden und Domna Rifada übergeben hatte? Die Erinnerung war so unerwartet schmerzhaft, dass es der Edlen kurz die Sprache versagte. Dann schluckte sie schwer und riss sich zusammen.
"Nehmt die Briefe und bringt sie nach Punin, wie meine Tante Euch gebeten hat", sagte sie. "Wo auch immer wir hingehen: Heute werden wir unser Ziel nicht mehr erreichen. Ich werde nicht nach Kornhammer zurückkehren, ohne meinen Vetter gefunden zu haben. Nach Grezzano können wir es nicht im Hellen schaffen, so langsam, wie wir vorankämen. Wir können uns aber auch nicht in der Wildnis verstecken, ich glaube nicht, dass Dom Gendahar die Nacht überstehen würde."
Sie machte eine Pause, während derer sie an Dom Hernán vorbei zu den Söldnern blickte. "Wir werden daher im Dorf bleiben und hoffen, dass dieser Schulze weiß, wem er was schuldig ist. Auch wenn Ihr recht habt und es riskant ist. Moritatio", wandte sie sich an ihren Vetter, "du wirst eine eurer Reiterinnen zur Keshal Rondra schicken und deiner Schwester Nachricht zukommen lassen. Anschließend soll die Botin den Bosquir abwärts nach Wildenfest reiten und Domna Belisetha Kunde bringen. Die andere Reiterin sende nach Schrotenstein zu deinem Onkel Lucrann. Wenn er nicht daheim ist, soll sie nach Ragath weiterreiten und dort um Hilfe ersuchen."
Sie sah den Baron wieder an. "Ihr aber geht mit Euren Leuten, um die Briefe nach Punin zu bringen und Domna Praiosmin davon abzulenken, dass noch ein paar von uns im Dorf zurückgeblieben sind. Wir werden im Dorf nach Proviant für zehn Leute ersuchen, das wird man den Schergen der Elenterin dann wohl so mitteilen, und hoffentlich fällt sie darauf herein, wenn es heißt, Domna Rifadas Reiterinnen und auch die Fremden hätten das Dorf verlassen. Ich werde mit Moritatio und Seiner Hochgeboren zurückkehren, unbemerkt, wenn wir Glück haben. Kommt nun", sagte sie, "wir haben nicht mehr viel Zeit!"
|