Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 21: Unterschied zwischen den Versionen

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Talfan von Ragathsquell betrachtete sorgenvoll seine Finger. Wenn sich wahrhaftig alles so zugetragen hatte, wie seine Besucherin sagte – und er zweifelte nicht daran, denn sie war als aufrecht und geradeheraus bekannt, nicht als Ingtrigantin –, dann war es wahrlich nur schwer, einer Fehde zu entgehen. Ihre Ehre und die ihrer Familia geboten es. Seine Ehre würde es gebieten, sich ihrer Sache anzuschließen, denn seit man seinen [[Zayano von Ragathsquell|Großvater]] der Buhlschaft mit Domna Rifadas Großmutter, der Fürstin [[Rahjada da Vanya]], bezichtigt hatte – vollkommen zu Unrecht, wie jeder wusste! –, waren die beiden Häuser in gerechtem Zorn wider die Harmamunds vereint. Mehr noch: Domna Rifadas [[Leonida da Vanya|Mutter]] hatte Talfans Onkel [[Rohalio von Ragahtsquell|Rohalio]] geehelicht, damit war die Vanyadâlerin seine direkte Base. Mochten die da Vanyas auch mit den Harmamunds verwandt sein: Die Ragathsqueller standen ihnen näher.
Talfan von Ragathsquell betrachtete sorgenvoll seine Finger. Wenn sich wahrhaftig alles so zugetragen hatte, wie seine Besucherin sagte – und er zweifelte nicht daran, denn sie war als aufrecht und geradeheraus bekannt, nicht als Ingtrigantin –, dann war es wahrlich nur schwer, einer Fehde zu entgehen. Ihre Ehre und die ihrer Familia geboten es. Seine Ehre würde es gebieten, sich ihrer Sache anzuschließen, denn seit man seinen [[Zayano von Ragathsquell|Großvater]] der Buhlschaft mit Domna Rifadas Großmutter, der Fürstin [[Rahjada da Vanya]], bezichtigt hatte – vollkommen zu Unrecht, wie jeder wusste! –, waren die beiden Häuser in gerechtem Zorn wider die Harmamunds vereint. Mehr noch: Domna Rifadas [[Leonida da Vanya|Mutter]] hatte Talfans Onkel [[Rohalio von Ragathsquell|Rohalio]] geehelicht, damit war die Vanyadâlerin seine direkte Base. Mochten die da Vanyas auch mit den Harmamunds verwandt sein: Die Ragathsqueller standen ihnen näher.


Wenn nun aber Talfan so kurz vor dem Hoftag in eine grafschaftsweite Fehde verwickelt wurde, konnte er alle Hoffnungen begraben, die Kaiserin mit seiner Köche Künste zu beeindrucken. Ja, der Graf würde niemals den Leibkoch eines Aufrührers an seinem Hofe dulden, und als solchen würde man ihn bezeichnen, Blutrecht hin oder her, dazu stand das Haus da Vanya dem derzeitigen Grafenhaus zu offen ablehnend gegenüber. Was also tun?
Wenn nun aber Talfan so kurz vor dem Hoftag in eine grafschaftsweite Fehde verwickelt wurde, konnte er alle Hoffnungen begraben, die Kaiserin mit seiner Köche Künste zu beeindrucken. Ja, der Graf würde niemals den Leibkoch eines Aufrührers an seinem Hofe dulden, und als solchen würde man ihn bezeichnen, Blutrecht hin oder her, dazu stand das Haus da Vanya dem derzeitigen Grafenhaus zu offen ablehnend gegenüber. Was also tun?

Aktuelle Version vom 16. Mai 2016, 23:19 Uhr

Mark Ragathsquell, 5. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]

Castillo Ragathsquell, in der Nacht vom 4. auf den 5. Tsa[Quelltext bearbeiten]

Autor: von Scheffelstein

Bedauernd blickte Talfan von Ragathsquell auf das kümmerliche Tröpfeln, das er mehr auf seinen Händen spürte als dass er es tatsächlich sah, denn sein in den letzten Jahren beträchtlich gewachsener Bauch verwehrte ihm den Blick auf sein bestes Stück, mit dem er seine teure Gattin bereits sechsmal zur Mutter gemacht hatte.

Seufzend schüttelte er die letzten Tropfen ab, zog die Bruche hoch und das Nachtgewand herunter und tauchte die Hände in den Eimer mit eisigem Wasser, ehe er den Silberteller mit dem letzten Pastetchen aufnahm, das keinesfalls durch einen bitter-sauren Geschmack an seinen Händen verfälscht werden sollte.

'Nein', dachte er bei sich, während er die Pastete genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. 'Zu süß, zu schwer für einen letzten oder vorletzten Gang.'

Talfan hatte es sich in den Kopf gesetzt, zum Kaiserlichen Hoftag in Ragath im Phex-Mond einen seiner Leibköche mitzunehmen, um diesen einen exquisiten Gang in der langen Speisenfolge zubereiten zu lassen, und er war sich sicher, dass eine Nachspeise am besten geeignet wäre, die Aufmerksamkeit des Hofes und nicht zuletzt der Kaiserin selbst zu erregen. Talfans Köche galten als die besten des Landes, und seit Monden korrespondierte er mit dem Grafen und seiner Gemahlin, um diese davon zu überzeugen, dass nur ein Koch, der den Ansprüchen eines Talfan von Ragathsquell gerecht wurde, würdig sei, Speisen für die Kaiserin zu kreieren.

Er war sich sicher, dass sein Anliegen bei Dom Brandil auf offene Ohren stieß, doch seine vermaledeite Streitzigsche Gemahlin stellte sich quer, vermutlich, weil dieses Weibstück allen Ernstes dachte, er, Talfan, wolle die Kaiserin am Grafenhof vergiften lassen, um die Grafenfamilie in Misskredit zu bringen. Einen Augenblick sann Talfan über die Impertinenz dieser Annahme nach, dann fragte er sich kurz, ob nicht Domna Rohalija vielmehr sein Vorhaben nutzen könnte, um ihm, Talfan, ein Attentat auf die Kaiserin anzuhängen, letztlich aber siegte sein künstlerischer Ehrgeiz, etwas wahrhaft Großes, Geschmackvolles zu schaffen, über das die Hohen des Reiches noch lange sprechen würden.

Talfans politischer Ehrgeiz, sein Bedürfnis, vor der Kaiserin gut dazustehen und vielleicht irgendwann wieder selbst auf dem Marmorthron zu sitzen, waren dabei nachrangig, er hatte das ehrliche Bestreben, seinen Ruf als Feinschmecker und – wenn auch mittelbarer – Schöpfer erlesener Speisen zu fördern, ja, dereinst als Almadas berühmtester Gourmet in die Geschichte einzugehen.

Statt den Weg zurück ins Bett zu wählen – der Schlaf floh ihn immer häufiger, zumal, wenn es kalt war und der nächtliche Harndrang ihn besonders quälte – machte der Junker sich auf in seine Studierstube, in der die Folianten seiner Ahnen über Heraldik, Reichs- und Landesgeschichte verstaubten, während das Regal mit den bunt eingebundenen Oktavbänden sich zunehmend füllte, welche so verlockende Titel trugen wie Meisterin Travianes Buch der höfischen Speisen und Tischsitten, Enzyklopädie der yaquirischen Küche für die Dame und den Herrn von Stand oder Koschammerzunge und Taubenpastete – allerley Vogeley für den anspruchsvollen Gaumen.

Talfan wählte im Schein der Nachtkerze ein in apfelblütenrosa gefärbtes Leder eingeschlagenes Büchlein, das statt eines Titels ein goldgeprägtes Punipantörtchen trug, blätterte andächtig die Pergamentseiten um und hatte soeben lauthals lachend "Valpoqua – natürlich! Valpoqua und Punipan!" ausgerufen, als es an der Tür klopfte, und der junge Marqueo eintrat, der erst vor wenigen Wochen in die Garde aufgenommen worden war.

"Euer Wohlgeboren, verzeiht die Störung, ich hab noch Licht brennen sehen. Da ist jemand am Tor, eine Frau ist da. Sagt, es is' wichtig. Wir hätten sie ja weggescheucht, mitten in der Nacht und so, sieht aus wie 'ne Bettlerin, aber zu Pferd. Nur: Sie sagt, sie wär' 'ne Adlige, sagt, sie wär' vom Vanya-Tal oder so und es geht wohl um Leben und Tod, sagt sie, und sie schreit alles zusammen, wir sollen endlich das Tor aufmachen. Also, wenn Ihr's befehlt, dann jagen wir ihr die Armbrustbolzen runter, aber die Selissa sagt, sie kennt die Frau und die is' wohl echt. Was soll'n wir machen?"

Talfan starrte den jungen Burschen einige Augenblicke lang verdutzt an, so plötzlich aus seinen Träumen von Weinschaum und Punipan-Figuren gerissen, doch dann strahlte er übers ganze Gesicht, beflügelt von dem Gedanken, die nächtliche Wachphase für ein Gastmahl zu nutzen und seine Phantasien in Sinnesfreuden zu verwandeln.

"Lasst sie ein, bringt sie in den kleinen Rittersaal, geh, wecke meinen Ersten Leibkoch, er soll mir eine Valpoqua bereiten, umgehend, und zwar aus dem besten Wein, den der Keller hergibt, serviert mit Pistazien und Mandelflocken, dazu soll er Punipan reichen, das helle, nach Kanzlerart, und einen passenden Wein – lass mich überlegen: einen Ragatzo Fino, mit Honig gesüßt, ja. Ruf' zunächst einen Leibdiener, ich muss mich ankleiden, aber vergiss nicht, den Koch zu wecken, aber rapido!, ich erwarte meinen Gast in einem Halbstundenglas im Rittersaal, und dann soll aufgetischt werden, aber subito!"


Autor:SteveT

Wie eine nervöse Berglöwin war Rifada im Ragathsqueller Rittersaal auf- und abgeschritten und bedachte die üppigen Schlemmereien, die zwei livrierte Domestiken mit müden Augen mitten in der Nacht anschleppten, mit einem Kopfschütteln. "Spart euch die Mühe, falls ihr das alles zu meinen Ehren auftischt. Ein einfacher Kanten Brot hätte auch genügt! Euer Herr - Dom Talfan! - wo bleibt der? Ich muss ihn wirklich dringend sprechen!" insistierte sie eindringlich.

Endlich - nach ungehörig langer Wartezeit - erschien der Hausherr, schrill bunt gekleidet, als wolle er um diese Zeit zu einem Balparé - und Rifada musterte ihn nicht nur deshalb ungläubig von Kopf bis Fuß. Dom Talfan, der Soberan derer von Ragathsquell, war schon immer ein Trunkenbold und Valpojünger gewesen, seit sie ihn kannte, was nunmehr wohl schon über vierzig Jahre der Fall war. Trotz ihrer beider Verschiedenheit war man eigentlich immer ausnehmend gut miteinander ausgekommen - aber jetzt auf seine alten Tage schien ihn neben seinem Schnapsdurst auch noch die Fresslust gepackt zu haben, so einen fetten Ranzen hatte er sich seit ihrer letzten Begegnung vor fünf oder sechs Jahren angefressen, sodass er die Vanyadâlerin unwillkürlich an eine trächtige Mastsau erinnerte. Und mit so jemandem sollte sie in den Krieg gegen die hinterlistige Morena und ihre ganze Hunderasse ziehen?

Rifada schüttelte diese übelmeinenden Gedanken ab und begrüßte Talfan mit einem festen Händedruck und angedeuteten Wangenküssen. "Es ist lange her, mein lieber Talfan, und umso schöner Euch wiederzusehen!" Sie schüttelte leicht den Kopf, als er einladend auf die angerichtete Tafel wies, ließ sich dann aber doch daran nieder, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Und ein paar Bissen Braten oder Ähnliches konnten ihr nicht schaden, wenn es morgen in den Kampf ging.

"Es ist Schreckliches geschehen!", kam sie sofort unumwunden zur Sache, wie es ihre Art war. "Ich komme gerade von Burg Harmamund her! Die miese Natter Morena hält unsere alte Belisetha gefangen und hat meine Nichte Richeza von Scheffelstein - das Einzige, was mir von meiner Schwester Madalena geblieben war! - vor meinen Augen mit einem Strick um den Hals vom Torturm gestürzt!"

Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, denn die Erinnerung hatte ihr doch tatsächlich ganz kurz lächerliche Tränen in die Augen getrieben. Sie wusste nicht, ob Talfan Richeza kannte - aber mit Belisetha war er noch weitaus enger befreundet als mit ihr. Überhaupt musste ihm als Magnat vom alten Schlag klar sein, welche logische Konsequenz eine solche brutale und ehrlose Mordtat nach sich zog. "Das heißt natürlich Blutrache! Blutsfeindschaft bis zur siebten Generation! Und jetzt, wo einer von dem Drecksgesindel Fürst ist, kann ich diese nicht ohne Eure Unterstützung führen, auch wenn unsere Getreuen natürlich alle hinter uns stehen werden! Wenn wir gemeinsam kämpfen - von Ragathsquell und Da Vanya vereint wie in alten Tagen - dann gibt es niemanden in Ragatia und Bosquiria, der es mit uns und unseren Getreuen aufnehmen kann - schon gar nicht die Harmamund-Speichellecker!"


Autor: von Scheffelstein

Talfan von Ragathsquell lauschte der Rede seiner Besucherin mit zunehmender Besorgnis, und je mehr er die Stirn in Falten legte, desto größer wurden die Bissen, die er von dem Punipan nahm, und schließlich begnügte er sich nicht mehr damit, den zierlichen Silberlöffel in die Valpoqua zu tauchen, sondern riss ein Stück von dem traditionellen Salzbrot ab, das – wohl zum Bedauern seines Gastes – das einzig Herzhafte war, das er hatte auftragen lassen, und tunkte es in die Weincreme.

Er kam nicht umhin zu bemerken, dass sein Koch trotz der nächtlichen Stunde vorzügliche Arbeit geleistet hatte, aber das Taktgefühl verbot ihm, seine Besucherin nach ihrer Meinung zu der erlesenen Speise zu fragen, auch wenn ihr Urteil nicht zuletzt Grund gewesen war für die nächtliche Zubereitung der Mahlzeit.

Schließlich legte Talfan mit leisem Seufzen den Löffel beiseite und wischte sich mit einem Leinentuch den rosa umrahmten Mund ab.

"Ich kann kaum glauben, was Ihr da sagt", bemerkte er. "Die junge Harmamund soll Eure Nichte gehenkt haben? Am Torturm? Aber wieso denn das? Was man so hört, soll die Scheffelstein ja noch immer ein ansehnliches Wei... eine ansehnliche Dame sein. War's Eifersucht, die die Harmamund dazu trieb? Auch diese ist wohl noch unvermählt, wie ich hörte."

Er strich sich mit fleischigen Fingern durch den grauen Bart. Eine Fehde kam ihm gänzlich ungelegen. Zumal jetzt vor dem kaiserlichen Hoftag, auf dem er seinen Namen unsterblich zu machen gedachte. Andererseits war man seit Jahr und Tag mit dem Haus da Vanya befreundet, und er hatte nicht vor, dies zu ändern, schon allein aus Bequemlichkeit nicht, denn er wusste, wie ungemütlich es für jene werden konnte, die sich mit der streitbaren Vanyadâlerin anlegten.

"Und die geschätzte Domna Belisetha wird gefangen gehalten? Das wiederum ergibt für mich noch weniger Sinn. Was, wenn ich fragen darf, ist bereits zwischen Euch und der jungen Harmamund vorgefallen, dass sie, so scheint mir, den alten Zwist wieder aufleben lässt und sogar eine so ehrbare und hochgeschätzte Domna wie Eurer Mutter Schwester als Geisel hält?"


Autor:SteveT

Rifada schnaubte geräuschvoll. "Vieles ist zwischen uns vorgefallen, sehr vieles! Erst vorgestern haben wir beide die Klingen gekreuzt, wenn Ihr es genau wissen wollt!" Sie griff sich nun auch eine Punipan-Kugel und zerbiss sie mit mahlendem Kiefer, ehe sie weitersprach. "Der Urspung unserer Fehde mit den Harmamunds ist eine lange Geschichte und datiert aus Tagen, an denen keiner von uns beiden bereits geboren war."

Sie winkte ab, offenbar voller Unlust, diese ganze lange Geschichte hier und heute noch einmal zu erzählen. Stattdessen begann sie mit den Geschehnissen dieser Woche: "Vorgestern kamen Belisetha, meine Nichte Richeza und ich auf dem Weg zu unserer Besitzung Quazzano im Noionitenstift La Dimenzia an und stießen dort auf Morena von Harmamund mit einigen ihrer Spitzbuben. Ein Wort gab das andere, sie und ich zogen blank - aber ehe ich ihr das Fell über die Ohren ziehen konnte, hatte auch schon einer ihrer Schurken meiner Nichte den Degen an die Kehle gesetzt, die nur unseren Streit hatte schlichten wollen, und jene zum ersten Mal als Geisel genommen. In der folgenden Nacht brach dann eine Feuersbrunst im Kloster aus, während wir dort nächtigten - es brannte beinahe vollständig nieder. Richeza und ich konnten uns selbst und auch einige der Fraternellos retten. Belisetha aber wähnten wir irrtümlich als ein Opfer der Flammen. Später stellte sich heraus, dass sie gar nicht tot ist, sondern in Wahrheit von der Schlange Morena gefangen genommen worden war, die sie auf Burg Harmamund verschleppte! Meine Nichte ritt dorthin, um im Namen unseres Soberans Amando ihre sofortige Freilassung zu verlangen - aber auch sie wurde gefangen gesetzt! Schlussendlich hetzte Morena auch noch mir selbst zwölf ihrer Reiter auf den Hals, als ich ihr traditionsgemäß den Ausbruch unserer Blutfehde verkünden wollte, wenn sie meine Anverwandten nicht freigäbe. Ich konnte diesen nur mit knapper Müh und Not entkommen, da sie es nicht wagten, mir mehr als ein paar hundert Schritt in Euer Lehnsland hinein zu folgen. Was sagt Ihr, zu solchen Infamien? Ist es da nicht nur mein gutes Recht, sondern sogar meine Pflicht, einer solchen ehrlosen Schurkin und ihrer ganzen Rasse den Großen Hader der Familias zu erklären, damit das Blut sühnt, was das Blut verbrach? Ich weiß, dass das ganz Ragatien und Bosquirien in einen inneren Krieg stürzen kann - aber ich sehe keinen anderen Weg, wie ein ehrbares Haus wie das unsere auf einen solchen Affront antworten könnte ..."


Autor: von Scheffelstein

Talfan von Ragathsquell betrachtete sorgenvoll seine Finger. Wenn sich wahrhaftig alles so zugetragen hatte, wie seine Besucherin sagte – und er zweifelte nicht daran, denn sie war als aufrecht und geradeheraus bekannt, nicht als Ingtrigantin –, dann war es wahrlich nur schwer, einer Fehde zu entgehen. Ihre Ehre und die ihrer Familia geboten es. Seine Ehre würde es gebieten, sich ihrer Sache anzuschließen, denn seit man seinen Großvater der Buhlschaft mit Domna Rifadas Großmutter, der Fürstin Rahjada da Vanya, bezichtigt hatte – vollkommen zu Unrecht, wie jeder wusste! –, waren die beiden Häuser in gerechtem Zorn wider die Harmamunds vereint. Mehr noch: Domna Rifadas Mutter hatte Talfans Onkel Rohalio geehelicht, damit war die Vanyadâlerin seine direkte Base. Mochten die da Vanyas auch mit den Harmamunds verwandt sein: Die Ragathsqueller standen ihnen näher.

Wenn nun aber Talfan so kurz vor dem Hoftag in eine grafschaftsweite Fehde verwickelt wurde, konnte er alle Hoffnungen begraben, die Kaiserin mit seiner Köche Künste zu beeindrucken. Ja, der Graf würde niemals den Leibkoch eines Aufrührers an seinem Hofe dulden, und als solchen würde man ihn bezeichnen, Blutrecht hin oder her, dazu stand das Haus da Vanya dem derzeitigen Grafenhaus zu offen ablehnend gegenüber. Was also tun?

Talfan stopfte sich einige Punipan-Kugeln auf einmal in den Mund, um noch etwas Zeit zu gewinnen und seinem Geiste Futter zu verleihen, aber es war spät in der Nacht und er hatte seit Jahren vermieden, das politische Parkett zu betreten, auf dem er sich mittlerweile so unbeholfen fühlte wie auf dem Tanzboden.

"In der Tat", sagte er gedehnt, "das ist ein tolles Schurkenstück, dass die Harmamund da aufführt. Vergeltung ist unumgänglich. Allerdings", fuhr er hoffnungsvoll fort, "seid nicht nur Ihr beleidigt worden, sondern vor allem seine Eminenz, in dessen Namen Eure Nichte in Harmamund vorsprach, nicht wahr? Eine Fehde sollte demnach von höchster Stelle Eurer Familia ausgesprochen werden, um die rechte, landesweite Wirkung zu erzielen. Ihr solltet Euren Soberan auf schnellstem Wege in Kenntnis setzen, auf dass er seinen Handschuh mit gesiegeltem Schreiben überbringen kann und so der Form genüge tut."

Talfan leckte sich über die Lippen und nahm noch einen kräftigen Schluck Wein. Er wusste nur allzu gut, dass der Großinquisitor weit weniger hitzköpfig war als ein Großteil seiner weiblichen Verwandtschaft, und genau darin legte er seine Hoffnung. Vielleicht käme er doch noch heil aus dieser Sache heraus.

"Weiterhin sollten wir, um der Tradition Eures Vaters zu folgen, das Hochgericht anrufen und Anklage erheben gegen die Harmamund wegen Entführung, Freiheitsberaubung und Mordes." Er sann einen Moment darüber nach, dass ein solches Gericht vermutlich unter dem Vorsitz des Grafen stattfände und wohl erst frühestens während des Hoftages oder erst danach abgehalten würde und entschied, dass auch dies seinen Plänen zupass käme. "Ja", sagte er entschlossen, "das sollten wir tun."


Autor:SteveT

"Ach was!", wischte Rifada Talfans Vorschläge mit einem unwirschen Abwinken beiseite. "Nur Schwächlinge und Rohalsjünger ziehen vor Gericht!" Sie nahm ihr Bastardschwert aus dem Schwertgurt an der Seite und klopfte damit zweimal knallend auf den Tisch. "Damit regelt man solche Angelegenheiten! Bis das Gericht überhaupt zusammentritt, habe ich diesem Aas Morena schon den Schädel zerschlagen! Diese Tat bleibt nicht ungesühnt, dessen seid gewiss, denn meine Nichte Richeza war das Einzige, was mir noch von meiner kleinen Schwester Madalena geblieben war. Ich habe sie wie ein eigenes Kind geliebt und diejenige, die sie mir nahm, wird dafür selber sterben. So will es nicht nur die Blutrache, so will ich es auch selbst mit ganzem Herzen! Was meinen Oheim Amando betrifft ..." sie kräuselte die Stirn und machte eine kleine Pause, in der sie offenbar kurz über etwas nachdachte.

"Ihr wisst so gut wie ich, dass er Kleriker ist - diese Leute wurden von klein auf dazu erzogen, andere mit Worten zu überzeugen - selbst dann noch, wenn Worte fehl am Platze sind und wenn Taten sprechen müssen, wie es jetzt der Fall ist. Sicher haben die Harmamunds gegen seinen geschriebenen Befehl verstoßen, was ihnen vielleicht eine Rüge durch die Reichskirche einbringen wird - aber was kümmert das Morena schon? Wenn ich ein paar ihrer Dörfer niederbrenne, die ganzen verdammten Stiere ihrer Mutter auf der Weide totsteche, die Rebhänge verwüste und ihre Pferdeherden in alle Himmelsrichtungen auseinander treiben lasse - das wird sie kümmern, denn genau das hat sie verdient. Nach Euch werde ich auch dem alten Scheffelsteiner Bescheid geben, dem Richeza ebenso teuer war wie mir, und werde gleichzeitig veranlassen, dass in ganz Schrotenstein und den uns gehörigen Gebieten in Selaque und Kaiserlich Bosquirien der Landsturm einberufen wird! Die Bosquirer sind Wehrbauern - ein harter und unbeugsamer Menschenschlag, wegen dem ständigen Abwehrkampf gegen die Wilden. Davon wird sich Morena mit ihren verwöhnten Landsassen hier bald ein eigenes Bild machen können! Ich werde den tapferen aber armen Leuten daheim sagen, dass sie alles mitnehmen können, was ihnen auf dem Grund der Harmamunds in die Hände fällt - das wird ihnen Flügel verleihen! Ihr tut gut daran, mein lieber Talfan, wenn dann für jedweden ersichtlich ist, dass Ihr auf unserer Seite streitet. Ihr könnt Euch bei den Kämpfen im Hintergrund halten, denn ich weiß, dass Ihr kein Freund des Waffengangs seid. Aber sehen muss man Euch - es wäre schön, wenn man Euch und die Eurigen unter dem Wappen des Panzerhandschuhs an der Seite von Lucrann und mir sehen würde. Traut Ihr Euch das zu? Können wir auf Euch zählen, mein Vetter?"


Autor: von Scheffelstein

Talfan von Ragathsquell zog ein Taschentuch aus seinem Wams und wischte sich damit die Schweißperlen von Stirn und Nacken. Diese ganze Angelegenheit brachte ihn schon jetzt in Schwierigkeiten, und es war kaum abzusehen, dass es besser würde.

"Selbstverständlich", brachte er ein wenig atemlos hervor, "bin ich auf Eurer Seite, geschätzte Rifada. Allerdings", fügte er hinzu und spreizte die fleischigen Finger, in die seine Ringe so tief einschnitten, dass die Fingerkuppen blaurötlich verfärbt waren, "muss ich darauf bestehen, dass Ihr der Harmamund die Fehde nach allen Regeln der Cortezia erklärt. So kurz vor dem Kaiserlichen Hoftag, das versteht Ihr gewiss, kann ich mir nicht erlauben, wegen eines ... Formfehlers ... möglicherweise der Reichsacht ... nun, also, die Kaiserin und Ihre ... äh ... Hofschranzen ... werden gewiss zu verhindern versuchen ... und deshalb solltet Ihr da auch sehr vorsichtig sein und nicht ohne Fehdebrief und Siegel, und wenn nicht den Eures Soberans, so doch Euren eigenen ... nun, kurzum: Erklärt Ihr die Fehde, aber überfallt sie nicht, als wäret Ihr eine Raubritterin, versteht Ihr? Darauf muss ich bestehen, denn ich habe einiges zu verlieren. Einiges zu verlieren."

Abermals wischte er sich den nun in kleinen Bächen fließenden Schweiß von den Schläfen. "Noch sicherer wärt Ihr", fügte er lahm hinzu, "wenn Ihr Eurer Rache bis nach dem Hoftag Aufschub gewährtet." Im Stillen nahm Talfan sich vor, noch vor dem Zu-Bett-Gehen eine Taube nach Quazzano zu schicken, um Amando Laconda da Vanya über die Pläne seiner Nichte in Kenntnis zu setzen. Eine Formulierung, die ihm vonseiten der Vanyadâlerin als Ungeschick statt als Verrat angelastet werden könnte, würde ihm schon einfallen. Mochten die Götter geben, dass sein Banner nicht bald im Wind des Krieges zu wehen hatte. Wahrlich, er war alt und bequem geworden, und mit jedem Kinde, das sein holdes Weib in die Wiege gelegt hatte, war er ein größerer Feigling geworden. Er wollte seine Kinder an guten Höfen speisen, sie üppig wachsen und erblühen und sich reichlich vermehren sehen, nicht aber, sie auf dem Boronanger unter dem in einer blutigen Fehde gebrochenen Rad begraben müssen.