Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 14: Unterschied zwischen den Versionen
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Selbstverständlich hatte [[Rifada da Vanya]] das Angebot des Aranjuezers Majordomus, sie mit der püppischen Kleidung einer Balparegängerin auszustaffieren, mit hochgezogener Augenbraue und einer abwehrenden Handbewegung abgelehnt und hatte sich vom ansehnlichen Hofgut des Schwarzen Junkers - oder nun vielmehr des Barons - verabschiedet, auch ohne dessen Rüstkammer einen Besuch abzustatten. Letzteres wäre für sie zwar weitaus verlockender gewesen, war sie doch vor einigen Jahren selbst zum Tsatags-Balpare von [[Rolban di Quirod-Bosquiria]] im Harnisch erschienen, aber eine da Vanya brauchte keine Almosen - von niemandem. Immerhin trug sie ja ein gutes Schwert bei sich, und das war für jemanden wie sie gemeinhin Rüstung genug. | Selbstverständlich hatte [[Rifada da Vanya]] das Angebot des Aranjuezers Majordomus, sie mit der püppischen Kleidung einer Balparegängerin auszustaffieren, mit hochgezogener Augenbraue und einer abwehrenden Handbewegung abgelehnt und hatte sich vom ansehnlichen Hofgut des Schwarzen Junkers - oder nun vielmehr des Barons - verabschiedet, auch ohne dessen Rüstkammer einen Besuch abzustatten. Letzteres wäre für sie zwar weitaus verlockender gewesen, war sie doch vor einigen Jahren selbst zum Tsatags-Balpare von [[Rolban di Quirod-Bosquiria]] im Harnisch erschienen, aber eine da Vanya brauchte keine Almosen - von niemandem. Immerhin trug sie ja ein gutes Schwert bei sich, und das war für jemanden wie sie gemeinhin Rüstung genug. | ||
Sie ritt ein oder zwei Stunden über braun-weiße, schneegesprenkelte Felder, die immer wieder von nun kahlen Obstplantagen unterbrochen wurden, deren Bäume in schnurgerader Linie Spalier standen. Das [[Ragatischer Kessel|Weiße Ragatien]] war im Frühjahr, Sommer und Herbst ein beeindruckend schöner Landstrich, wie sie von zahllosen früheren Besuchen auf [[Castillo Quazzano|Quazzano]] wusste - aber zumindest während der [[Tristeza]] war es genauso fad, grau und öde wie ihre [[ | Sie ritt ein oder zwei Stunden über braun-weiße, schneegesprenkelte Felder, die immer wieder von nun kahlen Obstplantagen unterbrochen wurden, deren Bäume in schnurgerader Linie Spalier standen. Das [[Ragatischer Kessel|Weiße Ragatien]] war im Frühjahr, Sommer und Herbst ein beeindruckend schöner Landstrich, wie sie von zahllosen früheren Besuchen auf [[Castillo Quazzano|Quazzano]] wusste - aber zumindest während der [[Tristeza]] war es genauso fad, grau und öde wie ihre [[Bosquirtal|bosquirische]] Heimat während der meisten Zeit des Jahres. | ||
Allmählich merkte sie, ob der durchwachten Nacht, die Müdigkeit, und sobald sie sich sicher war, nicht mehr auf Aranjuezer oder gar Harmamunder Land zu sein, sondern wieder auf den Latifundias des Klosters, hielt sie an einem Hof, um dort um Quartier zu ersuchen. Es waren wohl weniger ihre wie stets barschen Worte, noch weniger ihre Gewandung, die die Bauern überzeugten, sie einzulassen, als vielmehr, vermutete sie, ihre kampfgestählte Figur und das Schwert an ihrer Seite. Rifada war es gleich, sie brauchte nur ein Bett, und das bekam sie. | Allmählich merkte sie, ob der durchwachten Nacht, die Müdigkeit, und sobald sie sich sicher war, nicht mehr auf Aranjuezer oder gar Harmamunder Land zu sein, sondern wieder auf den Latifundias des Klosters, hielt sie an einem Hof, um dort um Quartier zu ersuchen. Es waren wohl weniger ihre wie stets barschen Worte, noch weniger ihre Gewandung, die die Bauern überzeugten, sie einzulassen, als vielmehr, vermutete sie, ihre kampfgestählte Figur und das Schwert an ihrer Seite. Rifada war es gleich, sie brauchte nur ein Bett, und das bekam sie. |
Version vom 16. Januar 2015, 10:43 Uhr
Mark Ragathsquell, 3. Tsa 1036 BF
Castillo Quazzano, vormittags
Autor: von Scheffelstein
Richeza von Scheffelstein y da Vanya blickte aus einem der Fenster des runden Türmchens hinaus über das verschneite Land. Die Sonne war bereits über die Gipfel der Berge getreten, und wo ihre Strahlen auf die Dächer des Castillos fielen, taute der Schnee und lief, Tropfen für Tropfen über die Ziegel und an den Eiszapfen hinab, um eine Weile zitternd an deren Enden zu hängen und dann in die Tiefe zu fallen oder wieder festzufrieren.
Auf dem Hof herrschte geschäftiges Treiben. Gujadanya und ihre beiden Begleiterinnen und vier Gardisten des Großinquisitors rüsteten sich für den Aufbruch. Richeza fühlte sich nutzlos. Ihre Kleider, die man gewaschen hatte, waren noch immer nass, und in dem Kleid, das sie trug, kam sie sich vor, als habe sie sich mehr schlecht als recht als Yaquirtaler Hofdame verkleidet. Zum Kämpfen taugte es nicht, ja, sie würde nicht einmal in einem gewöhnlichen Sattel sitzen können, wenn sie es anbehielte. Wahrscheinlich bliebe ihr wieder einmal nichts anderes übrig, als sich mit den Lumpen des Gesindes zufrieden zu geben, da die einzigen Familienmitglieder, die in etwa ihre Größe gehabt hatten, Belisetha und Richezas Mutter Madalena nun einmal keine Kriegerinnen gewesen waren und höfische Kleider bevorzugt hatten.
Gerade wollte Richeza sich zum Gehen wenden, um sich umzuziehen, da bemerkte sie Reiter, die sich in raschem Trab auf dem Weg von La Dimenzia her dem Castillo näherten. Sie waren zu viert, und als sie den Hügel herabkamen, erkannte Richeza die Schrotensteiner Farben.
Als die Edle die über hundert Stufen zum Hof hinab gestiegen war, wobei sie mehrmals kleine Räume oder Gänge hatte passieren müssen, waren Lucrann da Vanya und seine drei Begleiter bereits abgesessen, und der Schrotensteiner Baron sprach mit dem Großinquisitor auf den Stufen vor dem Palacio.
"… ist uns leider zum zweiten Mal entkommen", sagte Lucrann soeben. "Wir konnten ihn bis hinunter nach Alina verfolgen, dann hat sich seine Spur verloren. Wir sollten einen Boten oder eine Taube nach Ragath senden, die Kirche soll uns fähige Ordenskrieger schicken. Ich werde bald nach Schrotenstein zurückkehren, wer weiß, welches Unheil der verfluchte Kerl dort sonst anrichtet."
"Und Belisetha?", fragte Gujadanya, die herangetreten war. "Was ist mit Eurer Mutter? Wir werden nach La Dimenzia …"
Aber Lucrann unterbrach sie. "Sie war wohl in La Dimenzia, als der Brand ausbrach. Aber sie lebt. Hat sich, heißt es, bei einem Sturz den Arm gebrochen. Einer der Akoluthen hat sie verbunden. Irgendeine Harmamund hat sie mitgenommen. Sie werden sie wohl in Sicherheit bringen, hierher oder nach Ragath, nehme ich an." Er wandte sich wieder dem Soberan des Hauses zu.
Gujadanya und Richeza entfuhr beinahe gleichzeitig ein abfälliges Lachen.
"In Sicherheit? Bei den Harmamunds?" Richeza schüttelte den Kopf. "Ihr wart wirklich lange fort, Dom Lucrann!"
Autor: SteveT
Amando Laconda da Vanya warf seinen beiden Großnichten einen tadelnden Blick zu. "Die Harmamunds haben sich bislang stets als untadelige und demütige Diener der Heiligen Reichskirche gezeigt. Ihr solltet nicht allem Glauben schenken, was Euch Rifada an vermeintlichen Untaten von ihnen erzählt, denn unser beider Häuser eint eine lange gemeinsame Geschichte. Nur die hohen Götter, aber nicht wir Sterblichen, vermögen zu sagen, welches unserer beider Häuser in dieser unseligen Zwietracht sich zu welchem Zeitpunkt richtig oder falsch verhalten hat."
Er wandte sich wieder an Lucrann, den Richezas und Gujadanyas Zwischenruf sichtlich irritiert hatte. "Ich werde nach Ragath um Verstärkung durch geweihte Streiter der Suprema schicken lassen. Aber wir können nicht hier ihr Eintreffen abwarten, während sich möglicherweise die Spur dieses Schänders der Totenruhe verliert." Er begutachtete, wie seine Eskorte aus drei Rittern des Bannstrahl-Ordens seine weiß-goldene Pferdesänfte heranführte, in die er gestützt von Lucrann kletterte. "Führe uns zu der Stelle, Neffe, an dem du den Ketzer letzte Nacht zum letzten Mal sahest - wir wollen doch einmal sehen, ob wir ihn nicht aufspüren können!"
Lucrann da Vanya verneigte sich vor seinem greisen Oheim und saß selbst wieder auf sein Pferd auf. Seine Leute taten es ihm gleich. "Was ist mit Euch Zweien?", rief er zu Richeza und Gujadanya hinüber, die wenig erfreut aussahen. "Ihr habt den Soberan gehört!"
Autor: von Scheffelstein
Richeza warf Gujadanya einen zweifelnden Blick zu. Ihre Base hatte das Gesicht finster verzogen. "Untadelige Diener der Reichskirche?" Gujadanya klopfte sich mit der behandschuhten Linken auf Gürtelhöhe auf den Harnisch. "Das Miststück von einer Harmamund hätte mich '33 fast umgebracht!"
Richeza dachte an die erst zwei Tage zurückliegende Begegnung mit Domna Morena im Kloster und ihr Blut, das der Scherge der Harmamund vergossen hatte. Unwillkürlich strich sie sich über den Hals.
"Gujadanya hat recht", wandte sie sich an den Großinquisitor. "Wer auch immer diese Fehde in der Vergangenheit begonnen hat – das werdet Ihr vielleicht besser wissen –, heute ist mit den Harmamunds jedenfalls nicht zu spaßen. Und: Sie machen gemeinsame Sache mit der Elenterin. Die wollte unser … äh … also Rifadas Castillo 1033 einfach den Harmamunds vermachen. Und ohne mit der Wimper zu zucken hätten die es angenommen, obwohl es kein kaiserlicher Besitz ist und die Elenterin keine Verfügungsgewalt über es hatte. Nun … äh … was ich sagen will", sie trat näher an die Sänfte und blickte dem alten Soberan fest in die Augen, "Ihr mögt nach Alina reiten und diesen Nekromanten suchen, aber wir können Belisetha nicht einfach in den Händen dieser … der Harmamunds lassen. Das wäre unverantwortlich! Gerade nicht, wenn sie auch noch verletzt ist, wie Dom Lucrann sagt."
Richeza sah zu Gujadanya. Sie verspürte wenig Lust, zum Castillo Harmamund zu reiten, sich wie ein Lamm in die Wolfshöhle zu begeben. Die innere Stimme, die sie anflehte, einfach auf Quazzano zu bleiben, sich ins Bett zu legen und die Decke über den Kopf zu ziehen, um hoffentlich bald aus diesem neuerlichen Alptraum zu erwachen, wurde immer drängender. Selbst wenn sie der Wirklichkeit ins Auge sah und anerkannte, dass sie nun einmal nichts mehr daran ändern konnte, bald einen Bastard und keinen Geliebten mehr zu haben, schmälerte dies den Wunsch nach Rückzug und Ruhe nur unbeträchtlich. Aber sie dachte an Rifada und wie schwer der vermeintliche Verlust Belisethas diese getroffen zu haben schien. Wenn Rifada erführe – und früher oder später würde sie das – dass die Harmamunds Belisetha entführt hatten, würde der Streit erst recht eskalieren. Ihre Tante war kompromisslos in allem, was sie tat. Und sie würde es sich gewiss nicht nehmen lassen, den Harmamunds eins auszuwischen, auch wenn es ihr selbst schaden mochte. Und wahrscheinlich, dachte Richeza, während sie das düstere Gesicht ihrer Base betrachtete, würde Gujadanya kaum besonnener vorgehen.
Richeza zupfte an ihrer Unterlippe, dann wandte sie sich wieder dem Großinquisitor zu. "Ich werde zu den Harmamunds reiten und Belisetha heimführen. Sie werden sie aber gewiss nicht freiwillig herausrücken. Daher setzt mir bitte ein Schreiben auf, in dem Ihr … meinetwegen den Harmamunds dankt, wenn es denn sein muss, dass sie Eure Schwester aus dem brennenden Kloster in Sicherheit gebracht haben und erklärt, dass ich sie nach Quazzano bringen werde, damit sie sich dort weiter erholen kann."
Autor: SteveT
Amando Laconda da Vanya blickte Richeza einen Augenblick lang nachdenklich an, dann nickte er: "Das ist eine ausgezeichnete Idee, meine Tochter - auch wenn ich davon ausgehe, dass ein solches Schreiben gar nicht notwendig sein wird, denn es handelt sich bei den Harmamunds wirklich um rechtschaffene Untertanen der Krone und der Kirche!"
Sein Blick verriet, dass er darüber auch keine weiteren Diskussionen mehr wünschte. Falls es ihn irritierte, dass Richeza entgegen seiner Weisung eigene Wege gehen wollte, so ließ er es sich nicht anmerken - vielleicht hatte er dies von vorneherein erwartet - oder wusste er, was der wahre Grund dahinter war und erahnte er ihren körperlichen Zustand?
"Mein Secretarius Praiolob wird dir ein entsprechendes Schreiben aufsetzen und es mit meinem Zeichen siegeln!", befahl er in Richtung eines alten Mannes, der dicke Puniner Augengläser trug. Dieser nickte dienstbeflissen. Für Gujadanya aber hatte der Soberan offenbar andere Pläne, oder er wollte bei der Verfolgung des gefährlichen Nekromanten nicht auf ihre und Lucranns Klingenfertigkeiten verzichten, denn beide folgten mit ihrem bewaffneten Gefolge der Pferdesänfte des Großinquisitors, die sich nun in Bewegung setzte.
"Ich werde Euch sogleich ein entsprechendes Schreiben aufsetzen und es in Euer Gemach bringen lassen!", trat nun der als Praioslob vorgestellte Greis - sicher nur wenige Jahre jünger als Amando Laconda selbst - mit leiser Stimme an Richeza heran.
"Da Eure Gewandung, mit Verlaub, für einen solchen Ausritt zu dieser Jahreszeit mir nur wenig geeignet erscheint, könnt Ihr mir gerne auch auftragen, was Ihr an Kleidung oder sonstigen Dingen benötigt, und ein Diener unseres Hauses wird es umgehend für Euch in Ragath beschaffen!"
Mark Ragathsquell, vormittags
Autor: SteveT
Selbstverständlich hatte Rifada da Vanya das Angebot des Aranjuezers Majordomus, sie mit der püppischen Kleidung einer Balparegängerin auszustaffieren, mit hochgezogener Augenbraue und einer abwehrenden Handbewegung abgelehnt und hatte sich vom ansehnlichen Hofgut des Schwarzen Junkers - oder nun vielmehr des Barons - verabschiedet, auch ohne dessen Rüstkammer einen Besuch abzustatten. Letzteres wäre für sie zwar weitaus verlockender gewesen, war sie doch vor einigen Jahren selbst zum Tsatags-Balpare von Rolban di Quirod-Bosquiria im Harnisch erschienen, aber eine da Vanya brauchte keine Almosen - von niemandem. Immerhin trug sie ja ein gutes Schwert bei sich, und das war für jemanden wie sie gemeinhin Rüstung genug.
Sie ritt ein oder zwei Stunden über braun-weiße, schneegesprenkelte Felder, die immer wieder von nun kahlen Obstplantagen unterbrochen wurden, deren Bäume in schnurgerader Linie Spalier standen. Das Weiße Ragatien war im Frühjahr, Sommer und Herbst ein beeindruckend schöner Landstrich, wie sie von zahllosen früheren Besuchen auf Quazzano wusste - aber zumindest während der Tristeza war es genauso fad, grau und öde wie ihre bosquirische Heimat während der meisten Zeit des Jahres.
Allmählich merkte sie, ob der durchwachten Nacht, die Müdigkeit, und sobald sie sich sicher war, nicht mehr auf Aranjuezer oder gar Harmamunder Land zu sein, sondern wieder auf den Latifundias des Klosters, hielt sie an einem Hof, um dort um Quartier zu ersuchen. Es waren wohl weniger ihre wie stets barschen Worte, noch weniger ihre Gewandung, die die Bauern überzeugten, sie einzulassen, als vielmehr, vermutete sie, ihre kampfgestählte Figur und das Schwert an ihrer Seite. Rifada war es gleich, sie brauchte nur ein Bett, und das bekam sie.
Als sie erwachte, war es dunkel und still, die Bauern schliefen bereits. Das Alter forderte wohl doch allmählich Tribut, früher hätte sie niemals so lange im Bett gelegen wie ein götterverlassener Taugenichts! Kurz spielte sie mit dem Gedanken, gleich aufzubrechen, aber im Dunkeln wäre es nicht leicht, unter dem Schnee den rechten Weg nach Quazzano zu finden, und so entschloss sie sich, das Morgengrauen abzuwarten. Sie reinigte und schärfte ihr Schwert und legte sich noch einmal hin, bis der Hahn zum dritten Mal krähte und das Schwarz der Nacht ein wenig heller geworden war.
Nach dem Frühmahl, für das sie die erstaunten Bauern entlohnte, die sie wohl wahrlich eher für eine Vagabundin oder Strauchdiebin gehalten hatten, brach sie nach Quazzano auf.
Als Rifada ihr Pferd neben einer freistehenden, in der Krone groß und breit verästelten Pinie auf einer Hügelkuppe anhielt und sich umsah, etwas unsicher ob sie sich westlich oder eher südwestlich halten musste, um nach Quazzano zu gelangen - Wege waren unter dem Schnee ohnehin nicht mehr zu erkennen -, da erblickte sie aus westlicher Richtung acht Reiter in schnellem Trab durch den Schnee sprengen, sodass dieser hinter ihren Pferden hoch in die Luft gewirbelt wurde. Sie tastete nach dem Knauf des Bastardschwertes, das seitlich neben dem Sattel hing, entspannte sich aber wieder, als sie das grün-weiße Banner der Reiter mit einem grünen Schröter darauf während deren Näherkommens schließlich erkennen konnte. Die Farben Schrotensteins.
Die Reiter wollten sie offenbar einfach mit 50 oder 60 Schritt Abstand passieren, schwenkten dann aber doch zu ihr ein, als Rifada "Vetter!" brüllte und der Anführer daraufhin sein Ross in ihre Richtung lenkte.
"Base!", nickte Lucrann da Vanya ihr zu - finstergesichtig wie immer in den vergangenen Jahren. Rifada hatte nie verstanden, dass viele Frauen in ihrer Region den großgewachsenen Schweiger als gutaussehend bezeichneten. Für sie war er einfach ein pflichtvergessener Taugenichts und Herumtreiber - und wie ein Vagabund sah er mit seinem ungezähmtem Stoppelbart auch aus. "Was ist dir widerfahren?", fragte Lucrann sie seinerseits und bezog sich offenbar - genau wie die Dirne des Aranjuezers - auf ihren abgerissenen Aufzug.
"Mir widerfährt nichts!", stellte Rifada klar, so gut sollte ihr Vetter sie trotz beinahe zehnjähriger Absentia kennen. "Aber ich muss dir etwas sagen wegen deiner Mutter - nachdem du das brenende Kloster so überstürzt verlassen hast, ist schreckliches geschehen! Glaube nicht, dass ich nicht alles versucht habe, um Belisetha ihrem Schicksal zu entreißen ..."
"Fängst du jetzt auch noch an wie deine Tochter oder wie Richeza von Scheffelstein?", unterbrach sie Lucrann ungeduldig, dessen hektischer Blick verriet, dass ihm nicht der Sinn nach Plauderei stand. "Wie der Soberan, bin ich der Meinung, dass sie bei den Harmamunds gut aufgehoben ist und dass ihr dort kein Haar gekrümmt werden wird!"
"Was war das?", sah ihn Rifada entsetzt an. "Bei den Harmamunds? Sie lebt? Und ist bei den H-a-r-m-a-m-u-n-d-s?"
"Jetzt vielleicht schon nicht mehr", schüttelte Lucrann den Kopf. "Wir verfolgen den Nekromanten, und ich habe jetzt keine Zeit für müßige Fragen! Unsere Nichte ist hin geritten, um sie abzuholen!" Er drehte sein Pferd und gab seinen Geleitreitern zu verstehen, dass es weiterging.
"Richeza ist zu den Harmamunds? Allein? Und Belisetha haben sie auch schon?", brüllte ihm Rifada entsetzt wie ungläubig hinterher, ohne noch eine Antwort zu erhalten.
Einen kurzen Moment dachte sie daran, zum Aranjuezer zurückzureiten und notfalls ihn und seine Privatarmee unter Sold zu nehmen und damit vor Burg Harmamund aufzumarschieren. Aber Dom Hernán pflegte ja zu diesen, besonders zum jetzigen Soberan Gwain, ein weitaus besseres Verhältnis als ihre eigene Familia und außerdem fehlte ihr dazu das nötige Geld - jedenfalls solange, wie dieses noch auf Burg Albacim lag. Sie blickte zum fahlen Praiosrund, das nur schwach hinter den grauen Wolken zu erkennen war, um sich zu orientieren, und lenkte ihr Pferd dann in keine der beiden Richtungen, zwischen denen sie gerade noch unschlüssig gewesen war, sondern in die Richtung der Junkerschaft Harmamund.
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