Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 13
Mark Ragathsquell, 2. Tsa 1036 BF
Kloster La Dimenzia der Heiligen Noiona zu Ragathsquell, nachmittags
Autor: SteveT
"Meiner Treu! Was ist hier nur geschehen? Außer dem Glocken- und Galgenturm und dem Gesindehaus ist nicht viel vom Kloster übriggeblieben!", stellte Morena von Harmamund ohne großes Bedauern in der Stimme fest und pfiff durch die Zähne. Sie schüttelte mehrmals den Kopf, als ihr das ganze Ausmaß der Zerstörung gewahr wurde.
"Euer Wohlgeboren!", kam ihr einer der Laiendiener des Klosters entgegengelaufen, der dicke Koch Barzaglio, der mit seinem kahlgeschorenen Schädel und seiner schwarzen Kutte äußerlich kaum von einem der geweihten Boronpriester des Klosters zu unterscheiden war - er sprach nur etwa hundertmal soviel wie diese.
"Das war ein Anschlag! Ein Götterfrevel!", rief er. "Die Toten kamen aus den Gräbern und griffen uns an! Brennende Krähen stürzten sich ins Dachgebälk und setzten alles in Flammen!" Domna Morena tauschte mit den drei sie begleitenden Domestiken einen vielsagenden Blick. Sie schüttelte ungläubig den Kopf: "Kann es sein, dass Ihr schon etwas zu lange in der Gesellschaft Schwachsinniger gelebt habt? Brennende Krähen die sich in Gebäude stürzen? Tote, die aus Gräbern kommen? Verschont mich mit solchen Schauermärchen, denn ich war gestern bereits hier und weiß, wer in Wahrheit hinter diesem Brandanschlag steckt. Die Da Vanya-Weiber! In ihrer Narrheit glauben sie, unserem Hause zu schaden, in dem sie ein Kloster auf unserem Lehnsland niederbrennen - dabei gehörte es gar nicht uns, und Abt Marbodano stellte sich noch immer hinter diese Harpyien, wann immer die Rede auf die Untaten der Da Vanyas kam! Wo steckt dieser Unglücksrabe überhaupt? Ich wünsche ihn wegen der Angelegenheit von gestern noch einmal zu sprechen! Er weiß dann schon, worum es geht ..."
"Er ist tot, Euer Wohlgeboren!", jammerte Barzaglio, und dem Dicken traten dabei doch tatsächlich echte Tränen in die Augen. "Er fiel bei der Verteidigung des Klosters! Es ist wirklich wahr, Domna Morena! Die Toten kamen aus den Gräbern! Wie haben sie gerade erst heute Morgen wieder begraben - und den Abt und zwei weitere getötete Brüder und Schwestern ebenfalls!"
Morena von Harmamund winkte ab: "Wenn ich sage, dass dahinter die Da Vanya-Weiber stecken, dann war es so! Einer meiner Reitknechte sah sie direkt nach dem Brand hoch zu Ross fliehen! Wer würde nicht schnurstracks das Weite suchen, wenn er die Brandschatzung heiliger Hallen zu verantworten hätte?" Sie verstummte einen Moment und lauschte. "Was ist das für ein Geklopfe?"
"Klopfen?" fragte Barzaglio irritiert. Aber nach einem Moment des angestrengten Lauschens hörte er es tatsächlich auch - nun da das Knacken und Knistern der rauchenden und schwelenden Trümmer leiser wurde. "Ich meine es kommt vom Gesindehaus her?"
Einer von Morenas berittenen Dienern saß ab und schritt mit gezogenem Degen auf eine Tür an der Seite des Gesindehauses zu.
"Dahinter ist nur der Abtritt!", warnte ihn Barzaglio. "Darin stinkt es meistens fürchterlich!" Der Domestik ruckelte an der Tür, die offenbar von der Hitze verzogen war. Er musste sich aber mit einem Bein gegen die Hausmauer stemmen und mit aller Gewalt am Türgriff zerren, bis die schwere Holztür endlich aufflog.
"Den Göttern sei Dank!", kam hustend eine gebeugte alte Frau aus dem Gebäudeinneren, mit der eine große dunkle Rauchschwade ins Freie strömte. Sie ließ sich direkt vor der Tür in den Schnee sinken und hustete sich die Lunge aus dem Leib.
"Das ist doch ...", stammelte Morena ungläubig, "...das ist doch Belisetha da Vanya! Pack sie! Eine der Übeltäterinnen haben wir schon auf frischer Tat erwischt! Kam wohl nicht mehr rechtzeitig raus, um mit den anderen nach ihrem Mörderwerk zu fliehen. Los greif sie dir!"
Der Domestik runzelte die Stirn, tat aber, wie ihm geheißen, und zog die hustende alte Frau hoch auf die Füße, wo er ihr fachmännisch den Arm auf den Rücken drehte, dass sie laut ächzte.
"Domna Morena? Seid Ihr das? Gerade wollte ich Euch für meine Errettung danken, denn ich dachte, ich müsste auf der Latrine ersticken! Aua! Was hat das zu bedeuten?", klagte Belisetha vorwurfsvoll.
"Wir nehmen sie mit auf die Burg!", befahl Morena ihren Knechten, ohne Belisetha eine Erklärung zu geben. "Haben wir die Eine, kriegen wir die anderen auch noch in die Finger! Bis dahin soll sich mein nichtsnutziger Bruder hierher begeben, denn mir scheint, dieses Kloster braucht einen neuen Vorsteher!"
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