Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 08: Unterschied zwischen den Versionen
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„Die tapf‘re Schar Domna Rominas / jagte Ferkinas / im Vanyadal, | „Die tapf‘re Schar Domna Rominas / jagte Ferkinas / im Vanyadal, | ||
Der Angriff kam in einer Schlucht – ach! / mit voller Wucht –ach! / mit einem Mal, | Der Angriff kam in einer Schlucht – ach! / mit voller Wucht –ach! / mit einem Mal, | ||
Die kühne Schlacht war ihre letzte / denn bald benetzte / ihr Blut das Tal …“ | Die kühne Schlacht war ihre letzte / denn bald benetzte / ihr Blut das Tal …“ | ||
Version vom 27. Dezember 2010, 14:57 Uhr
Kaiserlich Selaque, 19. Praios 1033 BF
Auf einer Bergweide nahe der Ortschaft Elenta
Unter Hirten
Autor: von Scheffelstein
Als der Morgen graute, ließ der Regen nach, und bald öffnete sich ein Wolkenfenster über den himmelhohen Bergen des Raschtulswalls, durch das die Sonne ins Tal hinabspähte. Wenig später gelangten die Magnaten an eine Felsnadel, die wie ein mahnend erhobener Zeigefinger vor einer bewaldeten Schlucht aufragte. "Die Alveransklippe", erklärte Domna Rifada.
Es dauert nicht lange, und sie fanden den Pfad, der zu der Bergweide führte, die die Elentaner der Junkerin beschrieben hatten. Etwa eine halbe Stunde folgten sie dem Weg, der sich zwischen Pinien und Sträuchern hindurch bergauf schlängelte, ehe der Wald sich lichtete und den Blick auf einen von hohem Gras bewachsenen Hang freigab.
Am anderen Ende der Wiese stand eine Holzhütte, an die ein windschiefer Stall grenzte. Rauch stieg aus dem Kamin auf. Erstmals an diesem Morgen breitete sich ein Lächeln auf vielen Gesichtern aus, zwei der Söldner malten sich gar aus, bald auf der Bank vor dem Häuschen zu sitzen, Brot und gebratenen Speck zu essen und vielleicht einen Schluck Wein oder wenigstens warme Ziegenmilch mit einem Schuss aus ihrer nur noch spärlich mit Brand gefüllten Feldflasche zu trinken.
Domna Richeza konnte es kaum erwarten, nun hoffentlich doch noch etwas über den Heiler herauszufinden, zu dem ihr Vetter Praiodor mit seiner Mutter unterwegs war. Ungeduldig trieb sie ihrem Ross die Hacken in die Seiten und preschte über die Wiese voran, sprang vom Pferd und führte es die letzten Schritte an die Hütte heran. Erst als sie direkt vor dem Eingang stand, mahnte sie sich zur Vorsicht und warf – eine Hand am Säbel – einen Blick durch die angelehnte Tür.
Das Innere des Häuschens ähnelte Tsacharias Kate, nur wirkte es aufgeräumt und erweckte für eine so ärmliche Unterkunft sogar einen beinahe gemütlichen Anschein. Der Duft frisch gebackenen Brotes ließ der Edlen das Wasser im Mund zusammenlaufen. An einem Tisch in der Mitte des Raumes saß ein Mädchen von zwölf oder dreizehn Götterläufen, deren Kleider - Rock und Bluse - einen erstaunlich gepflegten Eindruck machten. Es schnitt mehrere dicke Scheiben von einem dampfenden Laib Brot ab, wobei ihm immer wieder eine schwarze Locke in die Augen fiel, die es erst zur Seite zu pusten versuchte und sich dann mit dem Handrücken aus dem Gesicht wischte.
Hinter dem Tisch, an der Wand links der Tür, waren einige Strohsäcke aufeinandergestapelt, auf denen ein großer Mann mit bloßem Oberkörper saß. Eine alte Frau stand vor ihm, sodass Domna Richeza sein Gesicht nicht sehen konnte. Er schien verletzt zu sein, denn er stöhnte leise, als die Alte einen mit braunen Flecken bedeckten Lappen von seiner Schulter nahm und neben sich zu Boden fallen ließ.
Mit den Fingerspitzen schob Domna Richeza die Tür ein wenig weiter auf, um mehr von dem Raum sehen zu können. Es schien noch mindestens eine weitere Bettstatt zu geben, auf der einige Decken zusammengelegt waren. Auf einer Truhe neben dem Tisch lagen Einzelteile eines Plattenharnischs. Die Bewohner dieser Hütte hatten sich wohl ebenfalls bei den toten Rossbanner-Rittern bedient. Bewaffnete oder gar Ferkinas konnte die Edle jedoch nicht entdecken.
Als ihre Begleiter heran waren, stieß Domna Richeza die Tür auf, ohne anzuklopfen. "Bist du Udinia Krähenfreund?", fragte sie die Alte, die sich ob des Lärms vor ihrer Hütte schon zur Tür umwandte. Kurz begegneten sich die Blicke der beiden Frauen, dann aber wanderten Domna Richezas Augen weiter zu dem Mann auf der Bettstatt, dem sie nun, da die Alte sich umgedreht hatte, erstmals ins Gesicht sehen konnte. Sein hellblondes Haar hatte er im Nacken zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden, wohl, um zu verhindern, dass es auf seine linke Schulter fiel: Dort nämlich prangte ein faustgroßes, hässliches Loch, das schon teilweise mit Schorf und zarter Haut überzogen war und allmählich zu heilen schien. Nur einen Wimpernschlag weilte Domna Richezas Blick auf der Wunde, dann wanderte er zurück zum Gesicht des Mannes, sonnengebräunt und doch ein wenig blass, aus dem sie zwei blaue Augen ansahen.
"Dom Gendahar!", rief sie verblüfft. "Was zum ... Was macht Ihr hier?"
Der versehrte Grafensohn
Der Angesprochene schien nicht sofort zu begreifen, wer oder was da vor ihm stand. Seine Augen waren offenbar geblendet durch das noch tiefstehende Praiosrund, dessen Strahlen nun durch die Türöffnung fielen. Erst als Rinada und der Baron ebenfalls die Hütte betraten und ihr Schatten sich auf das Gesicht des Verletzten legte, wurde sein Blick klar und er schaute von der einen zum anderen. "Domna..." sprach er in Richtung Rifadas, konnte sich aber wohl nicht Ihres Namens entsinnen. Sein Blick schweifte zu Richeza. Nach einigen Augenblicken spiegelte sich die Erinnerung in seinem Gesicht. "Domna Richeza", flüsterte er, als würde ihm lauteres Sprechen Kopfschmerzen bereiten. Seine Lippen umspielte etwas, das, unter anderen Umständen vermutlich ein einnehmendes Lächen gewesen wäre. "Wenn ich gewusst hätte, dass ihr mir heute die Ehre gebt, wäre die Wahl meiner Kleidung und Toilette etwas angemessener ausgefallen." Als er nur ein Schnauben Rifadas erntete und die anderen beiden ihn noch immer fragend anstarrten, schien er sich der Frage zu entsinnen, die ihm Richeza gestellt hatte. "Machen kann ich leider nicht sehr viel." Seine Miene wurde düster. "Sonst würde ich längst versuchen herauszufinden, was aus Romina geworden ist." Bei diesem Stichwort begann plötzlich das junge Mädchen, das den Neuankömmlingen bislang nur schüchterne Blicke zugeworfen hatte, mit schöner, aber dunkler Stimme zu singen:
„Die tapf‘re Schar Domna Rominas / jagte Ferkinas / im Vanyadal,
Der Angriff kam in einer Schlucht – ach! / mit voller Wucht –ach! / mit einem Mal,
Die kühne Schlacht war ihre letzte / denn bald benetzte / ihr Blut das Tal …“
Gendahar schüttelte traurig den Kopf. "Zaida, das dürfte unseren Besuchern schon bekannt sein. Nicht wahr?" Dom Gendahar blickte die Gäste an. "Aber was aus Domna Romina geworden ist, wisst Ihr vermutlich auch nicht?"
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