Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 04: Unterschied zwischen den Versionen
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Gerne hätte er der schöne Domna Richeza versichert, wie sehr er mit ihr fühle und dass sie Vertrauen haben solle. Doch nein, das war mehr als unpassend. Zum einen dürfte die streitbare Dame kaum Wert auf seinen Ratschlag legen, und zum anderen, wer war er schon, dass er Ratschläge in diesen Dingen gab, wo er selbst so schändlich versagt hatte? | Gerne hätte er der schöne Domna Richeza versichert, wie sehr er mit ihr fühle und dass sie Vertrauen haben solle. Doch nein, das war mehr als unpassend. Zum einen dürfte die streitbare Dame kaum Wert auf seinen Ratschlag legen, und zum anderen, wer war er schon, dass er Ratschläge in diesen Dingen gab, wo er selbst so schändlich versagt hatte? | ||
Zügig nahm der blonde junge Adlige einen Schluck Wein. Zum Betrinken war der verwässerte Rebensaft kaum geeignet, auch wenn seine süße Beerennote durchaus das nötige Verve dafür erahnen ließ. Blieb ihm nur, sich anderweitig abzulenken. Kurzerhand stürzte Amaros sich in ein Gespräch mit der Junkerin von Wildenfest, das er mit der Herkunft besagten Weines begann und welches sich mit einigen Belanglosigkeiten fortsetzte. Irgendwann, die Schüssel vor ihm war längst geleert, endete das stete ''Klock, Klock, Klock'', das die gesamte Mahlzeit begleitet hatte, endlich. Gönnte sich Domna Rifada eine Pause oder hatte sie die gesamte Pappel bereits zerlegt? Zuzutrauen wäre es ihr! Als das Schlagen des Beils ihn heute früh geweckt hatte, hatte er kaum glauben können, welches Bild die kräftige Burgherrin im Innenhof abgegeben hatte. Am Fenster stehend hatte ein Blick nach unten ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass er mit Sicherheit nur von einem Körperteil sagen konnte, dass es bei ihm mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es bei Domna Rifada der Fall war. Der Tanz der Mada und regelmäßiges Ausreiten waren nun einmal kein Vergleich zu Bäumespalten und Schwertübungen; wobei es in diesen Breiten wohl des Häufigeren nicht nur reine Übungen, sondern wahrhaft gefährliche Auseinandersetzungen mit der Waffe waren. | Zügig nahm der blonde junge Adlige einen Schluck Wein. Zum Betrinken war der verwässerte Rebensaft kaum geeignet, auch wenn seine süße Beerennote durchaus das nötige Verve dafür erahnen ließ. Blieb ihm nur, sich anderweitig abzulenken. Kurzerhand stürzte Amaros sich in ein Gespräch mit der Junkerin von Wildenfest, das er mit der Herkunft besagten Weines begann und welches sich mit einigen Belanglosigkeiten fortsetzte. | ||
Irgendwann, die Schüssel vor ihm war längst geleert, endete das stete ''Klock, Klock, Klock'', das die gesamte Mahlzeit begleitet hatte, endlich. Gönnte sich Domna Rifada eine Pause oder hatte sie die gesamte Pappel bereits zerlegt? Zuzutrauen wäre es ihr! Als das Schlagen des Beils ihn heute früh geweckt hatte, hatte er kaum glauben können, welches Bild die kräftige Burgherrin im Innenhof abgegeben hatte. Am Fenster stehend hatte ein Blick nach unten ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass er mit Sicherheit nur von einem Körperteil sagen konnte, dass es bei ihm mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es bei Domna Rifada der Fall war. Der Tanz der Mada und regelmäßiges Ausreiten waren nun einmal kein Vergleich zu Bäumespalten und Schwertübungen; wobei es in diesen Breiten wohl des Häufigeren nicht nur reine Übungen, sondern wahrhaft gefährliche Auseinandersetzungen mit der Waffe waren. | |||
"Sagt, Domna Belisetha, im Yaquirtal vernimmt man nicht mehr viel von den Ferkinas und Ogern. Haben diese Wilden und Menschenfresser wirklich kleinbei gegeben oder lässt man uns nur im Dunkeln?" | "Sagt, Domna Belisetha, im Yaquirtal vernimmt man nicht mehr viel von den Ferkinas und Ogern. Haben diese Wilden und Menschenfresser wirklich kleinbei gegeben oder lässt man uns nur im Dunkeln?" | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Belisetha da Vanya, die während ihrer Unterhaltung mit dem jungen Gast immer wieder einen missbilligenden Blick auf ihre Großnichte geworfen hatte, die scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster im Rücken der Junkerin blickte, als wären der Schnee auf den Dächern oder die krächzend vorbei fliegenden Krähen interessanter als das Tischgespräch, ja, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig, wie unhöflich sie erschien – Belisetha da Vanya schüttelte kaum merklich den Kopf und schenkte dem jungen Mann ein Lächeln. | |||
"Der verblichene Kaiser, gnade im Boron, hat die Wilden gezähmt und unterworfen. Jedenfalls ist es das, was man sich im Lande erzählt. Derlei Reden solltet Ihr Domna Rifada besser nicht vernehmen lassen. Nun, da der Kaiser tot ist, wird es aber nicht viel geben, was die Barbaren davon abhält, weiter plündernd über unsere Ländereien herzufallen. Ein Glück nur, dass der Feldzug gegen die Bergwilden einst auch diese einige Männer gekostet hat und die einzelnen Stämme zumeist zerstritten sind." | |||
Abermals schüttelte sie den Kopf, dann wandte sie sich an die Scheffelsteinerin, wohl hoffend, diese in das Gespräch hineinzuziehen. "Richeza, was führt dich hierher ins Vanyadâl? Vermisst du wieder irgendeinen Vetter oder besinnst du dich deiner Familia und ihrer Gäste?" | |||
Die Edle schien den strengen Unterton zu überhören. Sie wandte den Kopf, straffte sich ein wenig, lehnte sich ausatmend zurück, mit einer Hand den noch immer kaum angerührten Teller befingernd. Dann zuckte sie – unerhört! – mit den Schultern. "Wollte nur nach … Domna Rifada sehen. Wie's ihr geht." | |||
Belisetha warf ihr einen zornigen Blick zu und klopfte mit dem Stil ihres Löffels dezent auf den Tisch. Richeza setzte sich gerade hin, sah aber auf ihren Teller. | |||
"Entschuldigt vielmals", wandte die alte Junkerin sich an den Magier. "Was müsst Ihr nur vom alten und stolzen Hause da Vanya denken? Einstmals dienten wir am Hof der Kaiser und herrschten, nicht nur über Ragath, sondern über dieses ganze Land, götterfürchtig und gewissenhaft, vor allem aber …" | |||
Ein plötzliches Krachen und Scheppern und ein spitzer Schrei ließen die Domna zusammenfahren. "HimmelHerr…", drang es von draußen herein, und als Peregrin die Tür öffnete, sah man eine Magd, die auf dem Boden hockte, weinbesprenkelt, zwischen den Scherben eines Kruges, und eine zweite, jüngere, auf dem Treppenaufgang neben einem Eimer kniend. Peregrin schloss leise die Türe hinter sich, ehe man halblaut die aufgeregte Stimme der älteren Magd vernahm, die sich über den nassen Boden beklagte. Es folgte eine gemurmelte Unterhaltung, dann Peregrins strenge Stimme: "Du da, wisch das auf. Und du, Dela, zieh dich um und bring einen neuen Krug!" | |||
Dann kam er herein, als sei nichts gewesen, entschuldigte sich für die Mägde, verneigte sich und verschmolz wieder mit den getäfelten Wänden, wie die Ahnenporträts in hölzernen Rahmen, die rings um den Saal hingen. | |||
Belisetha da Vanya wandte sich abermals dem Magier zu. "Reist Ihr allein?", fragte sie. "Ihr solltet Euch vorsehen: Wenn es so weiter schneit, sind die Straßen gefährlich. Vielleicht mögt Ihr noch eine Woche warten, bis meine Reisigen aus Wildenfest eintreffen, um mich nach Ragath zu geleiten. Einstweilen wollen wir doch mal sehen, ob Eurem Anliegen Befriedigung verschafft werden kann." Sie hielt ihm die Hand entgegen. "Wenn Ihr die Güte hättet, junger Mann? Wir werden sehen, ob noch Kirchenbücher meines Bruders auf da Vanya zu finden sind, und Ihr werdet mir über das stolze, alte Haus Lindholz und seine Politik in diesen jungen Tagen berichten." | |||
Sie ließ sich von dem jungen Adligen aufhelfen und zur Tür geleiten, die Peregrin vor ihnen öffnete und hinter ihnen schloss. | |||
Richeza blieb allein zurück, schickte den Diener fort, legte die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und weinte. | |||
Version vom 17. Juni 2014, 07:55 Uhr
Kaiserlich Selaque, 30. Firun 1036 BF
Auf dem Castillo da Vanya im Vanyadâl, morgens
Autor: SteveT
Kurz nach dem morgendlichen Aufstehen, das bei ihr gewohnheitsmäßig sehr früh erfolgte, las Rifada noch einmal den rußgeschwärzten Brief, den ihr die Zofe Hazinda gestern Abend kurz vor dem Zubettgehen überbracht hatte. Richeza hatte am Kamin gestanden, sie musste den Brief ins Feuer geworfen haben. Dabei hatte sie aber offenbar nicht wahrgenommen, dass dieser Tage auf dem einstmals stolzen Castillo da Vanya selbst an Brennholz Mangel herrschte, denn Selaque war seit Jahrhunderten arm an Bäumen, die alle einst als 'Rollholz' für den Transport der quaderschweren Marmorblöcke abgeholzt worden waren.
Rifada wurde nicht recht schlau aus dem Schreiben, da wichtige Passagen durch Brandlöcher fehlten. Irgendwer liebte irgendwen – konnte es sein, dass die Schwester dieses Lindholzer Scharlatans ein Auge auf Richeza geworfen hatte? Dass eine Frau eine andere Frau begehrte, dafür hatte Rifada vollstes Verständnis, denn die Mannsbilder waren dümmliche Jammerlappen – zu nichts zu gebrauchen! Richeza war natürlich nach wie vor eine attraktive Erscheinung, aber Rifada hatte nie den Eindruck gehabt, dass sie sich zu einer anderen Person – egal ob Weib oder Mann – sonderlich hingezogen fühlte.
Achselzuckend warf sie den verkohlten Brief in eine kleine Truhe, die ihr heute als Nachttisch, Kleider- und Bücherschrank in einem diente, denn alles andere war von Praiosmins Schergen gestohlen worden.
Rifada streifte sich nur ein dünnes Leinenhemd über, denn sie fror fast nie. Alle andere Kleidung würde sie auch nur bei ihrem alltäglichen Morgenritual behindern, dem Holzhacken drunten im Burghof, dass ihre Muskeln stramm und fest hielt.
Sie pfiff den Ragathsky-Marsch, während sie in der kühlen Luft den Hof überquerte – obwohl sie die Ragatier im Großen und Ganzen nicht leiden konnte, hatte sie doch immer ein Faible für diese schneidige Marsch-Melodie gehabt. Vom Torhaus her rumpelte ein zweirädriger Karren heran, gezogen von ihrem einzigen verbliebenen Esel, den das Burggesinde einst despektierlich nach ihrem Gatten Berengar II. getauft hatte, sowie ihren beiden Knechten Ezequiel und Orbino, die tatsächlich von irgendwoher eine offenbar vom Blitz gefällte Schwarzpappel heranschafften.
"Seht nur, Herrin!", frohlockte der junge Orbino stolz, "Brennholz für mindestens einen Mond!"
"Packt an!", befahl Rifada äußerlich unbeeindruckt. "Ihr Zwei nehmt die Seite, ich nehm die andere." Die zwei Knechte ächzten beim Anheben des schweren Pappelstammes, Schweißperlen traten auf die Stirne der jungen Männer, denen dass gleichwohl etwas peinlich war, da ihre Herrin das ganz sicher genauso schwere andere Ende des Stammes aus dem Karren hob, ohne dabei eine Miene zu verziehen. "Nicht so wackeln! Wir tragen ihn dort neben den Brunnen!", blaffte Rifada sie an. "So weit?", echoten die Beiden entsetzt, denn das waren über fünfzehn Schritt. Schlussendlich gelangte der Stamm aber doch an die gewünschte Stelle und die beiden jungen Knechte gingen etwas auf Abstand, als Rifada mit dem großen Holzfällerbeil weit über dem Kopf ausholte und den Stamm mit drei Hieben in der Mitte durchschlug.
Autor: SteveT
Am Fenster des Großen Saals verfolgte Belisetha da Vanya das unwürdige Geschehen kopfschüttelnd. Sie würde aus Rifada keine Edeldame mit guten Manieren mehr machen können, das war ihr seit dreißig Jahren klar. Aber dieser egozentrische Stolz, selbst dem niederen Gesinde immer wieder vor Augen führen zu müssen, wer der eigentliche 'starke Mann' im Hause war, fand sie peinlich und unverbesserlich. Sie schloss das Fenster, obwohl die Beilschläge sowieso laut genug waren, auch den letzten Schlafenden auf der Burg und drunten im Dorf zu wecken.
"Vier Gedecke?", fragte sie den alten Hausdiener Peregrin überrascht, als sie die Tafel besah. "Erwarten wir außer unserem studierten Gast, Rifada und mir noch jemand weiteren zum Frühmahl?"
Peregrin nickte: "Ja, Euer Wohlgeboren! Domna Richeza, die werte Nichte von Domna Rifada, geruhte gestern Abend hier einzutreffen!"
"Ah wie schön!", hellte sich Belisethas Miene augenblicklich auf. "Dann lasst bitte nach ihr schicken. Jemand der mir beim Frühmal etwas erbaulichere Neuigkeiten als Einzelheiten zum Zerlegen eines Baumstamme zu berichten weiß, ist mir höchst willkommen!"
Autor: von Scheffelstein
Belisetha da Vanya hatte ihr erstes Schüsselchen Hirsebrei bereits geleert und ließ sich vom alten Peregrin einen ordentlichen Schlag Honig in das zweite rühren. Ihre Großnichte sei unpässlich und werde sich verspäten, hatte die Magd ihr ausrichten lassen, die nach der Scheffelsteinerin geschickt worden war.
Von draußen drangen noch immer der Klang der Axthiebe herein und die endlosen Belehrungen der Hausherrin an ihre Dienerschaft, wie man das Holz zu schlagen habe.
Belisetha seufzte, bedeutete Peregrin mit einem Heben ihrer von der Gicht geschwollenen Hand, dass sie genug Honig hatte, ließ sich verdünnten Wein nachschenken und setzte ihr Mahl fort.
Bald darauf klopfte es an der Saaltür, und Peregrin meldete: "Seine Wohlgeboren, der Gelehrte Herr Amaros Desidero von Lindholz."
Man wünschte sich wechselseitig einen guten Morgen, und der junge Mann hatte eben erst auf dem Stuhl Platz genommen, den Peregrin ihm gewiesen hatte, als abermals die Tür aufging, und Belisethas Großnichte Richeza den Saal betrat, blass, mit tiefen Augenringen und einer tiefen Falte über der Narbe an ihrer linken Wange, wo wohl das Betttuch ihr im Schlaf gelegen hatte.
Ihr Blick wanderte von Belisetha zu dem jungen Magier, über deren beider Anblick sie wenig erfreut schien, dann nickte sie dem Lindholz zu, presste ein "Gutenmorgneuerwohlgeborn" zwischen den Zähnen hervor, trat an Belisethas Seite und küsste ihr, als diese ihr die Hand entgegen streckte, die schmerzenden Finger mit einem ebenso unverständlich gemurmelten "Großtante", was angesichts der Tatsache, dass ein Fremder im Raum war, ein unerhörter Etiketteverstoß war, der Belisetha zu einem tadelnden Stirnrunzeln veranlasste.
Dieses aber schien die Edle ebenso wenig zu bemerken wie den strengen Blick der Junkerin, als sich Richeza wortlos auf den Stuhl neben dem Magier sinken ließ, sich die große Holzschüssel mit dem Hirsebrei heranzog und sich lustlos etwas auf ihren Teller klatschte, ehe Peregrin heran war, um ihr dienlich sein zu können. Den Wein, den er ihr anbot, lehnte sie mit einer derben Handbewegung ab, verlangte stattdessen nach Tee, aß drei Löffel der Hirse, ohne Honig, schob dann den Teller fort und starrte an Belisetha vorbei aus dem Fenster.
Autor: Lindholz
Amaros von Lindholz betrachtete die Landedle nachdenklich während er sich den gesüßten Brei schmecken ließ. Der Adept der arkanen Künste hatte ihre recht dürftige morgendliche Begrüßung ungetrübt freundlich erwidert, war sich jedoch nicht einmal sicher, ob die Scheffelsteinerin es überhaupt wahrgenommen hatte. Es war wohl die Liebe, die ihr so zusetzte, mutmaßte er. Und wie gut Amaros sie verstehen konnte! Manche behaupteten, dass die Liebe ein Spiel sei, aber nach allem, was er in den vergangenen Monden gelernt hatte, konnte man in Herzensangelegenheiten nur verlieren, wenn man sie nicht ernst nahm.
Gerne hätte er der schöne Domna Richeza versichert, wie sehr er mit ihr fühle und dass sie Vertrauen haben solle. Doch nein, das war mehr als unpassend. Zum einen dürfte die streitbare Dame kaum Wert auf seinen Ratschlag legen, und zum anderen, wer war er schon, dass er Ratschläge in diesen Dingen gab, wo er selbst so schändlich versagt hatte?
Zügig nahm der blonde junge Adlige einen Schluck Wein. Zum Betrinken war der verwässerte Rebensaft kaum geeignet, auch wenn seine süße Beerennote durchaus das nötige Verve dafür erahnen ließ. Blieb ihm nur, sich anderweitig abzulenken. Kurzerhand stürzte Amaros sich in ein Gespräch mit der Junkerin von Wildenfest, das er mit der Herkunft besagten Weines begann und welches sich mit einigen Belanglosigkeiten fortsetzte.
Irgendwann, die Schüssel vor ihm war längst geleert, endete das stete Klock, Klock, Klock, das die gesamte Mahlzeit begleitet hatte, endlich. Gönnte sich Domna Rifada eine Pause oder hatte sie die gesamte Pappel bereits zerlegt? Zuzutrauen wäre es ihr! Als das Schlagen des Beils ihn heute früh geweckt hatte, hatte er kaum glauben können, welches Bild die kräftige Burgherrin im Innenhof abgegeben hatte. Am Fenster stehend hatte ein Blick nach unten ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass er mit Sicherheit nur von einem Körperteil sagen konnte, dass es bei ihm mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es bei Domna Rifada der Fall war. Der Tanz der Mada und regelmäßiges Ausreiten waren nun einmal kein Vergleich zu Bäumespalten und Schwertübungen; wobei es in diesen Breiten wohl des Häufigeren nicht nur reine Übungen, sondern wahrhaft gefährliche Auseinandersetzungen mit der Waffe waren.
"Sagt, Domna Belisetha, im Yaquirtal vernimmt man nicht mehr viel von den Ferkinas und Ogern. Haben diese Wilden und Menschenfresser wirklich kleinbei gegeben oder lässt man uns nur im Dunkeln?"
Autor: von Scheffelstein
Belisetha da Vanya, die während ihrer Unterhaltung mit dem jungen Gast immer wieder einen missbilligenden Blick auf ihre Großnichte geworfen hatte, die scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster im Rücken der Junkerin blickte, als wären der Schnee auf den Dächern oder die krächzend vorbei fliegenden Krähen interessanter als das Tischgespräch, ja, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig, wie unhöflich sie erschien – Belisetha da Vanya schüttelte kaum merklich den Kopf und schenkte dem jungen Mann ein Lächeln.
"Der verblichene Kaiser, gnade im Boron, hat die Wilden gezähmt und unterworfen. Jedenfalls ist es das, was man sich im Lande erzählt. Derlei Reden solltet Ihr Domna Rifada besser nicht vernehmen lassen. Nun, da der Kaiser tot ist, wird es aber nicht viel geben, was die Barbaren davon abhält, weiter plündernd über unsere Ländereien herzufallen. Ein Glück nur, dass der Feldzug gegen die Bergwilden einst auch diese einige Männer gekostet hat und die einzelnen Stämme zumeist zerstritten sind."
Abermals schüttelte sie den Kopf, dann wandte sie sich an die Scheffelsteinerin, wohl hoffend, diese in das Gespräch hineinzuziehen. "Richeza, was führt dich hierher ins Vanyadâl? Vermisst du wieder irgendeinen Vetter oder besinnst du dich deiner Familia und ihrer Gäste?"
Die Edle schien den strengen Unterton zu überhören. Sie wandte den Kopf, straffte sich ein wenig, lehnte sich ausatmend zurück, mit einer Hand den noch immer kaum angerührten Teller befingernd. Dann zuckte sie – unerhört! – mit den Schultern. "Wollte nur nach … Domna Rifada sehen. Wie's ihr geht."
Belisetha warf ihr einen zornigen Blick zu und klopfte mit dem Stil ihres Löffels dezent auf den Tisch. Richeza setzte sich gerade hin, sah aber auf ihren Teller.
"Entschuldigt vielmals", wandte die alte Junkerin sich an den Magier. "Was müsst Ihr nur vom alten und stolzen Hause da Vanya denken? Einstmals dienten wir am Hof der Kaiser und herrschten, nicht nur über Ragath, sondern über dieses ganze Land, götterfürchtig und gewissenhaft, vor allem aber …"
Ein plötzliches Krachen und Scheppern und ein spitzer Schrei ließen die Domna zusammenfahren. "HimmelHerr…", drang es von draußen herein, und als Peregrin die Tür öffnete, sah man eine Magd, die auf dem Boden hockte, weinbesprenkelt, zwischen den Scherben eines Kruges, und eine zweite, jüngere, auf dem Treppenaufgang neben einem Eimer kniend. Peregrin schloss leise die Türe hinter sich, ehe man halblaut die aufgeregte Stimme der älteren Magd vernahm, die sich über den nassen Boden beklagte. Es folgte eine gemurmelte Unterhaltung, dann Peregrins strenge Stimme: "Du da, wisch das auf. Und du, Dela, zieh dich um und bring einen neuen Krug!"
Dann kam er herein, als sei nichts gewesen, entschuldigte sich für die Mägde, verneigte sich und verschmolz wieder mit den getäfelten Wänden, wie die Ahnenporträts in hölzernen Rahmen, die rings um den Saal hingen.
Belisetha da Vanya wandte sich abermals dem Magier zu. "Reist Ihr allein?", fragte sie. "Ihr solltet Euch vorsehen: Wenn es so weiter schneit, sind die Straßen gefährlich. Vielleicht mögt Ihr noch eine Woche warten, bis meine Reisigen aus Wildenfest eintreffen, um mich nach Ragath zu geleiten. Einstweilen wollen wir doch mal sehen, ob Eurem Anliegen Befriedigung verschafft werden kann." Sie hielt ihm die Hand entgegen. "Wenn Ihr die Güte hättet, junger Mann? Wir werden sehen, ob noch Kirchenbücher meines Bruders auf da Vanya zu finden sind, und Ihr werdet mir über das stolze, alte Haus Lindholz und seine Politik in diesen jungen Tagen berichten."
Sie ließ sich von dem jungen Adligen aufhelfen und zur Tür geleiten, die Peregrin vor ihnen öffnete und hinter ihnen schloss.
Richeza blieb allein zurück, schickte den Diener fort, legte die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und weinte.
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