Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 12: Unterschied zwischen den Versionen

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Eben erst hatten sie ihren Weg fortgesetzt, als Richeza die anderen aufgrund einer plötzlichen Ahnung innehalten ließ. Sie lauschten in den Regen, der zugenommen hatte, konnten aber nichts hören. Richeza hieß die anderen mit einer Geste zu warten und kletterte bis zur Wegbiegung voran. Vorsichtig spähte sie um den Felsen – und prallte zurück. Vor ihr öffnete sich der Blick über einen steilen Hang in die Tiefe, und dort unten gingen Ferkinas. Viele Ferkinas. Sie nahm sich keine Zeit, sie zu zählen, sondern schlitterte den Weg hinunter zu den anderen zurück. Im Flüsterton berichtete sie der Comtessa. Das Wort 'Ferkina' verstand sogar Golshan.  
Eben erst hatten sie ihren Weg fortgesetzt, als Richeza die anderen aufgrund einer plötzlichen Ahnung innehalten ließ. Sie lauschten in den Regen, der zugenommen hatte, konnten aber nichts hören. Richeza hieß die anderen mit einer Geste zu warten und kletterte bis zur Wegbiegung voran. Vorsichtig spähte sie um den Felsen – und prallte zurück. Vor ihr öffnete sich der Blick über einen steilen Hang in die Tiefe, und dort unten gingen Ferkinas. Viele Ferkinas. Sie nahm sich keine Zeit, sie zu zählen, sondern schlitterte den Weg hinunter zu den anderen zurück. Im Flüsterton berichtete sie der Comtessa. Das Wort 'Ferkina' verstand sogar Golshan.  


Ehe Richeza sie zu fassen bekam, eilte die Ferkina den Weg hinauf, warf sich zu Boden und blickte selbst hinunter zu ihren Stammesgenossen. Kurt darauf kehrte sie zurück, angespannt fasste sie Domnatella Romina bei der Hand und zerrte sie wortlos zwischen die Felsen am Wegrand. Richeza folgte ihnen lautlos fluchend, und gemeinsam kletterten sie zwischen den Steinblöcken höher. Golshan zwängte sich in eine Spalte unter einem riesigen Felsklotz, die anderen beiden folgten ihr. Dicht an dicht lagen sie im Halbdunkel, nass, verschwitzt und zugleich frierend starrten sie hinaus in den Regen.
Ehe Richeza sie zu fassen bekam, eilte die Ferkina den Weg hinauf, warf sich zu Boden und blickte selbst hinunter zu ihren Stammesgenossen. Kurz darauf kehrte sie zurück, angespannt fasste sie Domnatella Romina bei der Hand und zerrte sie wortlos zwischen die Felsen am Wegrand. Richeza folgte ihnen lautlos fluchend, und gemeinsam kletterten sie zwischen den Steinblöcken höher. Golshan zwängte sich in eine Spalte unter einem riesigen Felsklotz, die anderen beiden folgten ihr. Dicht an dicht lagen sie im Halbdunkel, nass, verschwitzt und zugleich frierend starrten sie hinaus in den Regen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Romina Alba|Romina Alba]]
 
Romina hatte sich nach dem Streit mit Richeza, die wieder Feuer machen wollte, eng an die Ferkina gedrückt, ja, sie wollte eher den Kältetod sterben, als wieder in die Hände der Ferkinas zu fallen. Beinah hätte sie das dieser Scheffelsteinerin gesagt. Was man über sie sagte, war wahr: Sie war arrogant, unausstehlich und stur. Aber stur konnte sie auch sein.
 
So hatte man gefroren, Richeza bestimmt noch mehr als die anderen beiden Frauen, die sich aneinandergekuschelt hatten. Die Ferkina war Romina ein bisschen ans Herz gewachsen, auch, weil sich ihre Füsse heute bedeutend besser anfühlten. Sie hatte herausgefunden, dass die Wilde [[Golshan sabu Buskurzuf|Golshan]] hieß und begann, ihr das eine oder andere Wort in Garethi beizubringen, wann immer man Gelegenheit dazu hatte.
 
Der Regen war unangenehm, aber sie fühlte sich sicherer, bei Regen fand man keine Spuren und man sah auch nicht so weit. Und wegen der Kälte musste man einfach in Bewegung bleiben.
Dann war Richeza plötzlich stehengeblieben, hatte Ferkinas entdeckt. Romina fühlte, wie die Angst sie erstarren ließ, als Golshan sie auch schon zwischen die Felsen zerrte. Sie kauerten sich zusammen in eine enge Spalte. Romina drückte die freie Faust in den Mund und versuchte krampfhaft, ihrer Furcht Herr zu werden. Sie wusste, zuviel Angst würde sie wehrlos machen. Sie verdrängte die Bilder von dem narbenübersäten, nackten Mann, der sich über sie beugte und biss sich selbst in die Hand. Die Angst wich dem Schmerz und dem folgte die Wut über ihre Hilflosigkeit. Sie mussten sich verstecken wie Tiere. Sie schaute zu Richeza, die alle Sinne nach draussen gerichtet hatte. Leise begann sie zu beten. Laut Richeza waren es viel zu viele Ferkinas, um auch nur an einen Kampf zu denken. ''Phex, Herr der Verstohlenheit, lass die Ungläubigen nicht sehen, nicht riechen und nicht hören, führe sie weit weg von hier, mach uns den Weg frei.''
 
Wie Richeza richtete sie ihre Aufmerksamkeit nach draussen. Die Zeit schien zu kriechen, der Regen rauschte, und mit jedem Atemzug drang den Frauen mehr Kälte und Feuchtigkeit in die Knochen.
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'''Autor''': [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
 
Die Ferkinas waren überall. Richeza hörte ihre Rufe, und ab und an sah sie einen der Krieger auf dem kleinen Stück des Weges, den sie von ihrem Versteck aus einsehen konnten. Es war unverkennbar, dass die Wilden nicht zufällig in so großer Zahl hier waren. Sie suchten sie! Und es war gewiss ebenfalls kein Zufall, dass sie sich so lange an dieser Stelle aufhielten. Sie mussten sie gesehen oder gehört oder wenigstens einen Fußabdruck oder einen verlorenen Gegenstand entdeckt haben.
 
Richeza warf einen Seitenblick auf die Comtessa, die mit angstgeweiteten Augen in den Regen starrte und deren Lippen sich lautlos bewegten. Golshan hatte ihre Finger fest um die der Domnatella geschlossen und schüttelte sacht den Kopf, woraufhin die Comtessa diese ansah. Doch die Ferkina beachtete sie nicht, starrte nach draußen in den Regen. Plötzlich griff sie mit der freien Hand nach dem Kopf der Domnatella und drückte ihn zu Boden, presste sich selbst tiefer in die Spalte.
 
Auch Richeza zuckte vom Eingang des Verstecks zurück, legte den Kopf flach auf die Steine. Ein Ferkina kam auf sie zu, keine zwei Armlängen entfernt, kletterte er zwischen den Felsen. Sie hörte seine Schritte, seinen keuchenden Atem. Ein zweiter folgte ihm, ein dritter kam vom Weg herauf. Vorsichtig tastete die Edle nach dem Dolch im Stiefel. Wie viele würde sie mitnehmen können? Einen? Wenn sie schnell war zwei? Und wie viele mochten noch dort unten sein? Ein Dutzend? Zwei Dutzend? Mehr? Nein, es blieb kein Zweifel: Wenn man sie entdeckte, waren sie verloren.
 
Richeza fasste den Dolch fester und zog ihn höher, bis an die Brust. Ihr Blick begegnete dem der jungen Wilden, die noch immer den Kopf der Comtessa zu Boden drückte. Die Ferkina würde die Grafentochter nicht beschützen können. Was auch immer die beiden Frauen vorhatten, ob sie sich ihrem Schicksal fügen oder sich wehren würden: Richezas Weg würde hier enden. Nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, verspürte sie eine seltsame Ruhe. Die Klinge in ihrer Hand verlieh ihr Macht. Macht über ihr eigenes Leben. Ruhig lag die Edle da und lächelte der Wilden zu, während draußen die Schritte und Rufe sich verteilten, zurückkehrten, sich wieder entfernten und schließlich leiser wurden.
 
Der Regen prasselte auf die Steine vor ihrem Versteck, und das Wasser lief an ihnen vorbei und tränkte ihre Kleider. Wenn sie die Ferkinas nicht bald fanden, würden sie absaufen, dachte Richeza belustigt. Schließlich ließ der Regen nach. Glucksend plätscherte das Wasser an der Höhle vorbei. Die Sonne brach hervor und färbte die Felsen in hellem Gelb und Schattenblau. Golshan hatte den Arm um die Grafentochter gelegt und sie an sich gedrückt. Merkwürdig, wenn sie die beiden jungen Frauen so sah, zwischen denen sich, so ungleich sie waren, während der letzten Tage so etwas wie eine Freundschaft entwickelt hatte, dann konnte sie fast glauben, dass Ferkinas Menschen waren, die ebenso fühlten, dachten und handelten wie sie.
 
Ein Ruf, ein Aufschrei und kurzes Waffenklirren rissen Richeza aus ihren Gedanken. Als sie den Kopf hob und aus dem Versteck spähte, sah sie gerade noch einen jungen Ferkina röchelnd auf den Weg stürzen, ehe der Hieb eines mächtigen Sichelschwerts ihm den Kopf vom Rumpf trennte. Die Stille, die daraufhin eintrat, schien von den Felsen widerzuhallen, sogar das Murmeln des Wassers erschien Richeza plötzlich leiser.
 
Auf dem Weg stand eine Frau in Lederrüstung. Blut lief von der Klinge in ihrer Hand über ihren sehnigen Arm. Über ihrer linken Schulter hing ein Kind. Richeza stockte der Atem: Praiodor!
 
Sie wusste nicht, ob sie einen Laut von sich gegeben hatte oder ob es der Stein war, der sich weiter oben aus der Felswand löste und mit leisem Klickern an der Spalte vorbeisprang, der die Aufmerksamkeit der Frau geweckt hatte. Langsam, wie eine Löwin auf der Jagd, drehte sie sich um, und für einen Moment war es Richeza, als streife ihr Blick das Versteck, in dem die drei Frauen lagen. Doch dann wanderten ihre Augen höher, suchten die Felsen ab. Sie hatte sie nicht gesehen.
 
Doch was Richeza sah, ließ ihr Herz rasen und ihre Hände feucht werden. Die kalte Gelassenheit der letzten Stunden war dahin. Praiodor! Kein Zweifel, das war der Junge! Der kleine Sohn ihres geliebten Onkels! Wie konnte das sein? Er, allein, hier auf dem Djer Kalkarif? Die Frau aber, und das war es, was Richeza am meisten beunruhigte: Die Frau sah aus wie ihre Tante. Nein: Wie jemand, der sich als [[Rifada da Vanya]] verkleidet hatte. Und das ziemlich schlecht. Nur zu deutlich klangen Richeza die Worte der Junkerin noch in den Ohren. Sie, Richeza, sei von altfürstlichem und gräflichem Blute. Sie dürfe nicht herumlaufen wie eine Brigantin! Niemals würde ihre Tante sich also in einem derart schäbigen Lederharnisch blicken lassen, in vor Dreck starrenden, zerlumpten Kleidern, mit wild zerzaustem Haar und einer Waffe, die alles andere als passend für eine Kriegerin aus altfürstlichem Hause war! Außerdem, dachte Richeza und schluckte, war ihre Tante vermutlich tot. Zumindest aber läge sie wohl in ihrem eigenen Kerker gefangen oder inzwischen auf [[Castillo Albacim|Burg Albacim]] im tiefsten Hungerloch.
 
Ihr Traum von vor einigen Nächten fiel Richeza wieder ein, als sie glaubte, von ihrer Tante vor den Ferkinas errettet zu werden. Doch in Wahrheit war es der Bastard der Elenterin gewesen, der sich als ihre Tante ausgegeben hatte, und als sie erwacht war, war sie erneut den Barbaren in die Hände geraten. War es eine Warnung gewesen? War das da unten der verfluchte Hurensohn des Schrotensteiners? Wusste er, wo sie sich versteckt hielten? Hatte sein Blick sie nicht zufällig gestreift? Wollte er sie mit Praiodor locken? Verhöhnte er sie? War das vielleicht gar nicht der Junge, sondern ebenso ein Trugbild wie die Frau, als die der Schandkerl sich ausgab?
 
Richezas Gedanken kreischten in ihrem Kopf wie aufgeschreckte Vögel. Unfähig, sich zu rühren, starrte sie zu der Frau hinab, die sich um die eigene Achse drehte und misstrauisch die Umgebung absuchte. War das alles nur ein Spiel? Eine Falle?
 
Und was war mit dem Ferkina, der geduckt an ihr vorüberschlich, so leise wie ein Berglöwe auf der Pirsch, den Speer in seiner Schleuder eingehakt, bereit, die tödliche Waffe auf die Frau niederfahren zu lassen, der einen lautlosen Wink nach links machte, sich aufrichtete ...
 
Bei den Göttern, selbst wenn das der Schrotensteiner war, der sich als ihre Tante verkleidet hatte, selbst wenn seine Zauberei sie täuschte, wie konnte sie es riskieren, dass Praiodor der echte Praiodor war und vielleicht von der Lanze des Wilden getroffen wurde und starb?!
 
Richeza kroch vorwärts, stieß mit dem Fuß nach Golshans greifender Hand, rappelte sich auf, fiel fast über den schweren, nassen Ferkinarock und stürzte sich mit einem Aufschrei auf den Wilden. Behindert durch die ungewohnte Kleidung, war sie einen Moment zu langsam, wurde von seinem Speer am Kopf getroffen, griff fallend nach dem Fell um seine Schultern, stürzte unter ihm zu Boden, den Dolch mit beiden Händen umklammernd. Alle Luft entwich ihren Lungen, als er sie zu Boden presste, der schwere Körper leblos auf ihr liegen blieb. Keuchend stieß Richeza den Sterbenden von sich, riss ihm den Dolch aus der Brust, kam schwankend und rutschend auf die Füße.
 
Wenige Schritte unter ihr auf dem Weg lag ein zweiter Ferkina tot auf dem ersten. An Praiodors Kopf sickerte Blut aus einer blauroten Beule. Blut bedeckte auch Brust, Hals und Gesicht der Frau, doch es schien nicht ihr eigenes zu sein - der geschmeidigen Bewegung nach, mit der sie das Falcata aus dem Hals des Barbaren zog, war sie unversehrt. Ihr wilder Blick richtete sich auf Richeza - die stand, den Dolch  halb erhoben, wie gelähmt da, unfähig, sich zu rühren.
 
 


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Version vom 15. August 2011, 16:27 Uhr

Im Raschtulswall, 28. Praios 1033 BF

Auf dem Djer Kalkarif


Autor: von Scheffelstein

28. Praios, mittags

Richeza fluchte leise. Die Naht an ihrem rechten Stiefel war aufgegangen, und nun schlappte die Sohle bei jedem Schritt, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es sie beim Gehen behindern würde.

Zu allem Überfluss hatte es angefangen zu regnen. Immerhin würden sie so nicht verdursten. Was das Verhungern anging, hatte die Ferkina am Morgen mit zwei Kaninchen vorgesorgt, die sie gefangen und über dem Feuer gebraten hatte. Das Feuer war so eine weitere Sache: Als Domnatella Romina sie in der Nacht geweckt hatte, war das Feuer aus gewesen. Richeza hatte sich daran gemacht, es erneut zu entzünden, doch die Grafentochter hatte zornig auf sie eingeredet, dass sie den Ferkinas nicht gerade entkommen sei, um ihnen gleich wieder in die Hände zu fallen. Richeza hatte sie gefragt, ob ihr die Fänge wilder Tiere lieber wären oder vielleicht auch der Kältetod? Eine Weile hatten sie gestritten, dann hatte Richeza nachgegeben. Sollte das Comtesschen doch sehen, wie heimelig eine Nacht auf dem nackten Fels war!

Tatsächlich war es eine kalte Nacht gewesen. Nicht so tödlich wie die auf dem Djer Kalkarif vor Tagen, aber dennoch empfindlich kalt. Als die Grafentochter am Morgen zweimal geniest hatte, hatte Richeza sich ein verächtliches Grinsen nicht verkneifen können. Dann war die Ferkina zurückgekehrt mit den Karnickeln, und Richeza hatte wortlos ein Feuer gemacht, damit sie die Tiere braten konnten.

Nach dem Essen waren sie aufgebrochen. Auf den Berg, Richtung Osten. Aus Moritatios Botschaft waren sie nicht weiter klug geworden. Vielleicht auch, weil sie die Mahlzeit in eisigem Schweigen verbracht und nicht weiter über ihre Ziele gesprochen hatten. Selbst die Ferkina war ungewöhnlich still, schien es aufgegeben zu haben, die Comtessa zum Umkehren bewegen zu wollen. Irgendwann schien sie sich der Grafentochter vorgestellt zu haben, jedenfalls nannte diese sie Golshan, und die Ferkina hörte darauf.

Der Wind war kalt, und der Regen verwandelte den staubigen Weg in ein schlammiges Bächlein. Kleine Rinnsale teilten den Weg, immer wieder rutschten sie auf den nassen Steinen aus. Richeza wusste nicht, ob sie auf der richtigen Fährte waren. Die ganze Suche erschien ihr zunehmend aussichtslos, und das verschlechterte ihre Laune noch mehr.

Als es Mittag wurde, hielten sie Rast unter einem Felsvorsprung. Die Ferkina – Golshan! – fing eine Schlange, häutete sie und verspeiste das Fleisch roh. Sie bot auch ihren Begleiterinnen davon an, aber Richeza verzichtete mit angewidertem Blick.

Eben erst hatten sie ihren Weg fortgesetzt, als Richeza die anderen aufgrund einer plötzlichen Ahnung innehalten ließ. Sie lauschten in den Regen, der zugenommen hatte, konnten aber nichts hören. Richeza hieß die anderen mit einer Geste zu warten und kletterte bis zur Wegbiegung voran. Vorsichtig spähte sie um den Felsen – und prallte zurück. Vor ihr öffnete sich der Blick über einen steilen Hang in die Tiefe, und dort unten gingen Ferkinas. Viele Ferkinas. Sie nahm sich keine Zeit, sie zu zählen, sondern schlitterte den Weg hinunter zu den anderen zurück. Im Flüsterton berichtete sie der Comtessa. Das Wort 'Ferkina' verstand sogar Golshan.

Ehe Richeza sie zu fassen bekam, eilte die Ferkina den Weg hinauf, warf sich zu Boden und blickte selbst hinunter zu ihren Stammesgenossen. Kurz darauf kehrte sie zurück, angespannt fasste sie Domnatella Romina bei der Hand und zerrte sie wortlos zwischen die Felsen am Wegrand. Richeza folgte ihnen lautlos fluchend, und gemeinsam kletterten sie zwischen den Steinblöcken höher. Golshan zwängte sich in eine Spalte unter einem riesigen Felsklotz, die anderen beiden folgten ihr. Dicht an dicht lagen sie im Halbdunkel, nass, verschwitzt und zugleich frierend starrten sie hinaus in den Regen.


Autor: Romina Alba

Romina hatte sich nach dem Streit mit Richeza, die wieder Feuer machen wollte, eng an die Ferkina gedrückt, ja, sie wollte eher den Kältetod sterben, als wieder in die Hände der Ferkinas zu fallen. Beinah hätte sie das dieser Scheffelsteinerin gesagt. Was man über sie sagte, war wahr: Sie war arrogant, unausstehlich und stur. Aber stur konnte sie auch sein.

So hatte man gefroren, Richeza bestimmt noch mehr als die anderen beiden Frauen, die sich aneinandergekuschelt hatten. Die Ferkina war Romina ein bisschen ans Herz gewachsen, auch, weil sich ihre Füsse heute bedeutend besser anfühlten. Sie hatte herausgefunden, dass die Wilde Golshan hieß und begann, ihr das eine oder andere Wort in Garethi beizubringen, wann immer man Gelegenheit dazu hatte.

Der Regen war unangenehm, aber sie fühlte sich sicherer, bei Regen fand man keine Spuren und man sah auch nicht so weit. Und wegen der Kälte musste man einfach in Bewegung bleiben. Dann war Richeza plötzlich stehengeblieben, hatte Ferkinas entdeckt. Romina fühlte, wie die Angst sie erstarren ließ, als Golshan sie auch schon zwischen die Felsen zerrte. Sie kauerten sich zusammen in eine enge Spalte. Romina drückte die freie Faust in den Mund und versuchte krampfhaft, ihrer Furcht Herr zu werden. Sie wusste, zuviel Angst würde sie wehrlos machen. Sie verdrängte die Bilder von dem narbenübersäten, nackten Mann, der sich über sie beugte und biss sich selbst in die Hand. Die Angst wich dem Schmerz und dem folgte die Wut über ihre Hilflosigkeit. Sie mussten sich verstecken wie Tiere. Sie schaute zu Richeza, die alle Sinne nach draussen gerichtet hatte. Leise begann sie zu beten. Laut Richeza waren es viel zu viele Ferkinas, um auch nur an einen Kampf zu denken. Phex, Herr der Verstohlenheit, lass die Ungläubigen nicht sehen, nicht riechen und nicht hören, führe sie weit weg von hier, mach uns den Weg frei.

Wie Richeza richtete sie ihre Aufmerksamkeit nach draussen. Die Zeit schien zu kriechen, der Regen rauschte, und mit jedem Atemzug drang den Frauen mehr Kälte und Feuchtigkeit in die Knochen.


Autor: von Scheffelstein

Die Ferkinas waren überall. Richeza hörte ihre Rufe, und ab und an sah sie einen der Krieger auf dem kleinen Stück des Weges, den sie von ihrem Versteck aus einsehen konnten. Es war unverkennbar, dass die Wilden nicht zufällig in so großer Zahl hier waren. Sie suchten sie! Und es war gewiss ebenfalls kein Zufall, dass sie sich so lange an dieser Stelle aufhielten. Sie mussten sie gesehen oder gehört oder wenigstens einen Fußabdruck oder einen verlorenen Gegenstand entdeckt haben.

Richeza warf einen Seitenblick auf die Comtessa, die mit angstgeweiteten Augen in den Regen starrte und deren Lippen sich lautlos bewegten. Golshan hatte ihre Finger fest um die der Domnatella geschlossen und schüttelte sacht den Kopf, woraufhin die Comtessa diese ansah. Doch die Ferkina beachtete sie nicht, starrte nach draußen in den Regen. Plötzlich griff sie mit der freien Hand nach dem Kopf der Domnatella und drückte ihn zu Boden, presste sich selbst tiefer in die Spalte.

Auch Richeza zuckte vom Eingang des Verstecks zurück, legte den Kopf flach auf die Steine. Ein Ferkina kam auf sie zu, keine zwei Armlängen entfernt, kletterte er zwischen den Felsen. Sie hörte seine Schritte, seinen keuchenden Atem. Ein zweiter folgte ihm, ein dritter kam vom Weg herauf. Vorsichtig tastete die Edle nach dem Dolch im Stiefel. Wie viele würde sie mitnehmen können? Einen? Wenn sie schnell war zwei? Und wie viele mochten noch dort unten sein? Ein Dutzend? Zwei Dutzend? Mehr? Nein, es blieb kein Zweifel: Wenn man sie entdeckte, waren sie verloren.

Richeza fasste den Dolch fester und zog ihn höher, bis an die Brust. Ihr Blick begegnete dem der jungen Wilden, die noch immer den Kopf der Comtessa zu Boden drückte. Die Ferkina würde die Grafentochter nicht beschützen können. Was auch immer die beiden Frauen vorhatten, ob sie sich ihrem Schicksal fügen oder sich wehren würden: Richezas Weg würde hier enden. Nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, verspürte sie eine seltsame Ruhe. Die Klinge in ihrer Hand verlieh ihr Macht. Macht über ihr eigenes Leben. Ruhig lag die Edle da und lächelte der Wilden zu, während draußen die Schritte und Rufe sich verteilten, zurückkehrten, sich wieder entfernten und schließlich leiser wurden.

Der Regen prasselte auf die Steine vor ihrem Versteck, und das Wasser lief an ihnen vorbei und tränkte ihre Kleider. Wenn sie die Ferkinas nicht bald fanden, würden sie absaufen, dachte Richeza belustigt. Schließlich ließ der Regen nach. Glucksend plätscherte das Wasser an der Höhle vorbei. Die Sonne brach hervor und färbte die Felsen in hellem Gelb und Schattenblau. Golshan hatte den Arm um die Grafentochter gelegt und sie an sich gedrückt. Merkwürdig, wenn sie die beiden jungen Frauen so sah, zwischen denen sich, so ungleich sie waren, während der letzten Tage so etwas wie eine Freundschaft entwickelt hatte, dann konnte sie fast glauben, dass Ferkinas Menschen waren, die ebenso fühlten, dachten und handelten wie sie.

Ein Ruf, ein Aufschrei und kurzes Waffenklirren rissen Richeza aus ihren Gedanken. Als sie den Kopf hob und aus dem Versteck spähte, sah sie gerade noch einen jungen Ferkina röchelnd auf den Weg stürzen, ehe der Hieb eines mächtigen Sichelschwerts ihm den Kopf vom Rumpf trennte. Die Stille, die daraufhin eintrat, schien von den Felsen widerzuhallen, sogar das Murmeln des Wassers erschien Richeza plötzlich leiser.

Auf dem Weg stand eine Frau in Lederrüstung. Blut lief von der Klinge in ihrer Hand über ihren sehnigen Arm. Über ihrer linken Schulter hing ein Kind. Richeza stockte der Atem: Praiodor!

Sie wusste nicht, ob sie einen Laut von sich gegeben hatte oder ob es der Stein war, der sich weiter oben aus der Felswand löste und mit leisem Klickern an der Spalte vorbeisprang, der die Aufmerksamkeit der Frau geweckt hatte. Langsam, wie eine Löwin auf der Jagd, drehte sie sich um, und für einen Moment war es Richeza, als streife ihr Blick das Versteck, in dem die drei Frauen lagen. Doch dann wanderten ihre Augen höher, suchten die Felsen ab. Sie hatte sie nicht gesehen.

Doch was Richeza sah, ließ ihr Herz rasen und ihre Hände feucht werden. Die kalte Gelassenheit der letzten Stunden war dahin. Praiodor! Kein Zweifel, das war der Junge! Der kleine Sohn ihres geliebten Onkels! Wie konnte das sein? Er, allein, hier auf dem Djer Kalkarif? Die Frau aber, und das war es, was Richeza am meisten beunruhigte: Die Frau sah aus wie ihre Tante. Nein: Wie jemand, der sich als Rifada da Vanya verkleidet hatte. Und das ziemlich schlecht. Nur zu deutlich klangen Richeza die Worte der Junkerin noch in den Ohren. Sie, Richeza, sei von altfürstlichem und gräflichem Blute. Sie dürfe nicht herumlaufen wie eine Brigantin! Niemals würde ihre Tante sich also in einem derart schäbigen Lederharnisch blicken lassen, in vor Dreck starrenden, zerlumpten Kleidern, mit wild zerzaustem Haar und einer Waffe, die alles andere als passend für eine Kriegerin aus altfürstlichem Hause war! Außerdem, dachte Richeza und schluckte, war ihre Tante vermutlich tot. Zumindest aber läge sie wohl in ihrem eigenen Kerker gefangen oder inzwischen auf Burg Albacim im tiefsten Hungerloch.

Ihr Traum von vor einigen Nächten fiel Richeza wieder ein, als sie glaubte, von ihrer Tante vor den Ferkinas errettet zu werden. Doch in Wahrheit war es der Bastard der Elenterin gewesen, der sich als ihre Tante ausgegeben hatte, und als sie erwacht war, war sie erneut den Barbaren in die Hände geraten. War es eine Warnung gewesen? War das da unten der verfluchte Hurensohn des Schrotensteiners? Wusste er, wo sie sich versteckt hielten? Hatte sein Blick sie nicht zufällig gestreift? Wollte er sie mit Praiodor locken? Verhöhnte er sie? War das vielleicht gar nicht der Junge, sondern ebenso ein Trugbild wie die Frau, als die der Schandkerl sich ausgab?

Richezas Gedanken kreischten in ihrem Kopf wie aufgeschreckte Vögel. Unfähig, sich zu rühren, starrte sie zu der Frau hinab, die sich um die eigene Achse drehte und misstrauisch die Umgebung absuchte. War das alles nur ein Spiel? Eine Falle?

Und was war mit dem Ferkina, der geduckt an ihr vorüberschlich, so leise wie ein Berglöwe auf der Pirsch, den Speer in seiner Schleuder eingehakt, bereit, die tödliche Waffe auf die Frau niederfahren zu lassen, der einen lautlosen Wink nach links machte, sich aufrichtete ...

Bei den Göttern, selbst wenn das der Schrotensteiner war, der sich als ihre Tante verkleidet hatte, selbst wenn seine Zauberei sie täuschte, wie konnte sie es riskieren, dass Praiodor der echte Praiodor war und vielleicht von der Lanze des Wilden getroffen wurde und starb?!

Richeza kroch vorwärts, stieß mit dem Fuß nach Golshans greifender Hand, rappelte sich auf, fiel fast über den schweren, nassen Ferkinarock und stürzte sich mit einem Aufschrei auf den Wilden. Behindert durch die ungewohnte Kleidung, war sie einen Moment zu langsam, wurde von seinem Speer am Kopf getroffen, griff fallend nach dem Fell um seine Schultern, stürzte unter ihm zu Boden, den Dolch mit beiden Händen umklammernd. Alle Luft entwich ihren Lungen, als er sie zu Boden presste, der schwere Körper leblos auf ihr liegen blieb. Keuchend stieß Richeza den Sterbenden von sich, riss ihm den Dolch aus der Brust, kam schwankend und rutschend auf die Füße.

Wenige Schritte unter ihr auf dem Weg lag ein zweiter Ferkina tot auf dem ersten. An Praiodors Kopf sickerte Blut aus einer blauroten Beule. Blut bedeckte auch Brust, Hals und Gesicht der Frau, doch es schien nicht ihr eigenes zu sein - der geschmeidigen Bewegung nach, mit der sie das Falcata aus dem Hals des Barbaren zog, war sie unversehrt. Ihr wilder Blick richtete sich auf Richeza - die stand, den Dolch halb erhoben, wie gelähmt da, unfähig, sich zu rühren.


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 12