Chronik.Ereignis1046 Die Rochade 01: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 23. Januar 2025, 07:37 Uhr
Tee und Gebäck
Punin, 7. RON 1046
Es war einer dieser wenigen, durch und durch verregneten Sommertage in Punin. Es war auch überraschend frisch, und das verstimmte Dom Rafik von Taladur ä.H., den Kanzler des Königreichs Almada, noch mehr als die Tatsache, dass immer noch nicht alle Adeligen der stolzen Provinz am Yaquir ihre Rückmeldung zur getreulichen Aktualisierung des Croncalendariums des Raulschen Reiches gegeben hatte. Von einigen hatte er seit Monden oder gar Götterläufen nichts vernommen. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, so war er kein Jungspund mehr, und feucht-kalte Tage wie dieser bereitete ihm seit einiger Zeit wenig pläsierliches Ziehen in den Knochen.
Dom Rafik war dennoch wie fast jeden Morgen, den er in Punin weilte, als einer der Ersten in der königlich-fürstlichen Hofkanzlei am Fuße des Goldackers, dem prächtigen Palasthügel der Capitale, erschienen, kaum dass die ersten Strahlen des Praiosrunds den Tag erhellt hatten. Wie seit gut 30 Götterläufen. Er mochte es, die erste Stunde weitgehend allein in den breiten Fluren der Amtsstuben auf und ab zu schreiten, seine Gedanken zu sortieren, am Vortrag geschriebene Brief vor dem Absenden noch einmal gewissenhaft zu prüfen und dabei eine erste Tasse Tee mit leichtem Gebäck zu genießen. `Ah, der heiße Aufguss tat heute wahrlich Leib und Seele gut.´
Von draußen drang nur wenig Geräusch in seine geräumige Amtsstube hinein. Die Fuhrwerke, die Markt, Geschäfte und Tempel der Yaquirmetropole belieferten, klapperten über das Kopfsteinpflaster, doch durch den Wassergraben, der die Kanzlei umgab, war dies ein eher fernes Geklapper. Dom Rafik verabscheute unnötige Geräusche, er wurde zunehmend lärmempfindlich. Er setzte sich in seinen bequemen hirschlederbezogenen Sessel hinter dem Ausladenden Schreibtisch, der wie stets penibel aufgeräumt doch voller Dokumente war. Die Ordnung hinter diesen Bergen von Papieren, Büchern und Dokumenten war nur ihm und allenfalls seinem langjährigen Assistenten zugänglich. Aber alles in diesem Haus hatte ein System, in seiner Schreibstube allemal. Sein System.
Der Kanzler wollte soeben einen höflichen, doch scharf im Ton formulierten Erinnerungsvermerk an die Domnas und Doms Almadas aufsetzen, diese teilst arg selbstverliebten und streithaften Lehnsträger des Fürsten Gwain, als ihn selbst ein Bote erreicht. Dieser war einfach schnurstracks an den Wachen vorbei die Stiege hoch in die erste Etage gestürmt und zielsicher in die Amtsstube des Kanzlers hinein. Die Wachen hatten ihn gewähren lassen, es war nicht das erste Mal.
Der Knabe war außer Puste, von seinen edlen Wams tropfte es auf den noch deutlich edleren Teppich vor des Kanzlers Schreibtisch. „Exzellenz, Dom…“, er deutete eine Verbeugung an, war aber doch ganz außer Atem, als wenn er gerade den gesamten Goldacker schnurstracks hinab gehechtet wäre. Und genau so muss es wohl auch gewesen sein. Dom Rafik erkannte den Burschen mit seinen tiefschwarzen Augen, dem selbst in Almada auffallend dunkle Teint und dem kurzgeschorenen krausen Haar schnell. Das Siegel auf der mit zittriger Hand gereichten Depesche räumte zudem jeden Zweifel aus: Das kaiserliche Kleinwappen – in nachtschwarzem Siegelwachs. „Etwas Gebäck?“, der Junge griff dankbar und mit einem verlegenen Lächeln zu.
Eigentlich war das Jahr 1047 BF bislang gut verlaufen: Die Weinlese war hervorragend gewesen, der Handel florierte auch über den Winter hinweg, die Nachbarreiche hielten mehr oder weniger still – und die Kaiserin ließ Almada schalten und walten, wie schon so lange seit der traurigen Selindian-Episode. Diese Zeit der Entspannung – oder sollte man es Gleichgültigkeit, Ignoranz gar nennen? – hatte weder dem Reich noch Almada geschadet, im Gegenteil. Manchmal ist eine Liebe auf Distanz besser, als eine zu enge Umarmung. Und Almada war zu oft Spielball der Mächtigen gewesen. Die Ruhe der letzten Jahre tat also allen gut – wenn sie auch etwas fad für das Geschäft von Dom Rafik war.
Doch das könnte sich nun alles ändern. „Danke, Knabe, laufe er zurück zu Ihr, sie wartet nicht gerne – und man lässt eine Kaiserliche Majestät auch nicht warten, merke er sich das! Sag‘ Ihrer Kaiserlichen Majestät, ich bin bereits unterwegs.“ Dann drückte er dem Laufburschen einen Silbertaler in die Hand – mit einem gewissen Schmunzeln, denn er sah, dass die Münze noch das Bildnis Selindians als jungen König Almadas zierte. Einige sind immer noch im Umlauf… Daran war er als Reichsbaron von Kaiserlich Molay, dem die kaiserlich-königliche Silbermünzpräge unterstand, nicht ganz unschuldig. So unrühmlich das Kapitel enden musste, Almada stand damals auf dem Zenit seiner Macht – und daran hatte Dom Rafik einen gehörigen Anteil gehabt. Wer sonst? In seinen Augen war die Kaiserliche Familie stehts nur ein Instrument, um Almada – in seinem Sinne – zu stärken. Rohaja wusste das immer, Selindian fehlte hierfür jedes Gespür – und Alara Paligan, nun, hier hatten beide ein gemeinsames Interesse. Dom Rafik war stets überraschend gut mit der „Schwarzen Witwe“ ausgekommen. Er ließ sie dabei stets in dem Glauben, nur Ihr Spielball zu sein. Doch er wusste es besser, auch wenn er sich nicht immer ganz sicher über die Beweggründe der alternden Al’Anfanerin war.
Dom Rafik beendete noch in Ruhe seine Tasse Tee und den Happen Gebäck – ein wenig konnte sie warten. Dann zog er sich den Gehrock über und hinterließ seinem Assistenten und 1. Kanzleianwalt Eregion Drapari die unliebsame Aufgabe, die Adeligen an ihre Pflichten bezüglich des Croncalendariums zu erinnern. Er selbst hatte nun Dringlicheres zu tun.
Es war lange nach Sonnenuntergang, als Dom Rafik zurück in die Hofkanzlei kehrte. Er war müde und ermattet. Das war kein angenehmer Tag auf dem Goldacker gewesen und vieles ging ihm im Kopf herum. Aber Dom Rafik war noch nie dafür bekannt gewesen, zu lange Trübsal zu blasen. Und auch jetzt kam ihm rasch ein Gedanke, der ihn aufmunterte. Er zwirbelte seinen leicht angegrauten Kaiser-Alrik-Schnauzer, schenkte sich einen Pokal Yaquirtaler Rebenbluts ein (ein ganz vorzüglicher 1034 BF) und naschte eines dieser köstlichen Rahajabrüstchen, mit Honig überzogenes Punipan-Konfekt, das stets auf seinem Schreibtisch zu finde war. Sowohl zur Auflockerung hitziger Debatten, als auch zur Umgarnung liebreizenden Besuchs. Die Rahjabrüstchen hatten ihren Dienst noch nie verwehrt, genau wie sein legendäres Gebäck. Gebäck, seine alte Schwäche…
Er fing an zu schreiben:
„Werte Domna, werter Dom (Name der Lehnsträger)
Die Staatsräson verlangt es, Euch zum 1. Rahja 1047 nach Punin zu rufen. Eure Anwesenheit ist nicht obligatorisch. Unsere Wenigkeit wird am Abend des 1. Rahja ein Bankett im Großen Saal der Königlich-Fürstlichen Hofkanzlei veranstalten. Es wird mir eine Freude sein, Euch alle, langjährig oder auch nur erst seit kurzem vertraute Diener der Rubinkrone willkommen zu heißen. Für Speis und Getränk, Musik und Amüsement wird – wie stets – ausreichend gesorgt sein. Zum abschließenden Tee wird hingegen erwartet, dass Ihr aus Euren jeweiligen Dominien die erlesensten Köstlichkeiten mitbringt, auf dass diese von allen gekostet und bewertet werden mögen. Die Kreatoren der besten zwölf Süßspeisen sollen fürderhin zu königlich-fürstlichen Hoflieferanten erhoben werden. Man darf gespannt sein!
Am Morgen nach dem Bankett wird es eine außerplanmäßige Sitzung des Kronrats geben, im Anschluss tagen die Landstände.
Ich erwarte Euch in Bälde.
gez. Dom Rafik Listhelm Maldonado v. Taladur ä.H., Kanzler des Königreichs Almada, am 7 RON 1046“
Dom Rafik war, trotz all der Sorgen des Tages, mit sich zufrieden. Wieder einmal.
„Schreiber, vervielfältigt dies und sendet es mit den Almadablitz-Reitern in alle Baronien und auch die Junkern- und Edlengüter, berücksichtigt auch die wichtigsten Caballeros respektive Caballeras und Familias. Keiner darf fehlen. Nun sputet Euch aber. Und sagt den Boten, sie mögen die Reaktionen der Adressaten genauestens registrieren und auf eine bestätigende Rückantwort warten. Beides dann zurück zu mir auf Wiedervorlage.
Und jetzt werde ich mich in die Madathermen begeben.“
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