Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 17: Unterschied zwischen den Versionen
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Richezas aufgeregte Stimme wurde rasch leiser, bald verschwanden sie und Moritatio in der Dunkelheit, ohne sich noch einmal nach Domna Rifada oder Dom Gendahar umzudrehen. | Richezas aufgeregte Stimme wurde rasch leiser, bald verschwanden sie und Moritatio in der Dunkelheit, ohne sich noch einmal nach Domna Rifada oder Dom Gendahar umzudrehen. | ||
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"Ich würde sagen, es geht ihm gut, den Umständen entsprechend zumindest, auch wenn er ..." Verdutzt bemerkte der Vogt von Thangolforst, dass Domna Richeza ihm nicht mehr zuhörte und schon hinfort geeilt war. Augenrollend folgte er den beiden, nicht ohne einen Blick auf die ebenso überrascht wirkende Domna Rifada zu werfen. | |||
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Richeza griff nach Moritatios Arm, um ihn im Dunkeln nicht zu verlieren. Erst als es heller wurde, ließ sie ihn los. Kurz darauf folgte sie Moritatio in die vom warmen Licht der Steine erleuchtete Höhle. Doch die Edle hatte keinen Blick für die Schönheit des fremdartigen Gesteins, für den regenbogenfarben schimmernden Dunstschleier über dem See, für die Stille –. Auch auf den Alten achtete sie kaum, der neben der Comtessa hockte, die ihre Blößen spärlich mit einem Umhang bedeckte. | |||
"Praiodor!", rief Richeza und ging neben dem Jungen auf die Knie. Sie nahm sein bleiches Gesicht in beide Hände, fuhr mit den Daumen über die eingefallenen Wangen. "Götter, er hat Fieber!" Beinahe vorwurfsvoll sah sie den Alten an, der die Hüfte Domnatella Rominas mit Leinenbinden umwickelte. "Seid Ihr Krähenfreund? Könnt Ihr ihm nicht helfen? Könnt Ihr ihn heilen?" | |||
Der alte Mann sah nicht einmal auf, zog eine weiche Metallnadel aus seiner Tasche und bog sie so, dass sie den Verband zusammenhielt. "Der bin ich", sagte er. "Und heilen wird ihn die Zeit. So die Götter wollen, vermag ich sein Leiden zu verkürzen." | |||
Für einen Augenblick herrschte eine Stille in der Höhle, die fast greifbar war. | |||
"Was? Wie ... meint Ihr das: Sein Leiden verkürzen? Seid Ihr verrückt? Ihr wollt ihn doch nicht sterben lassen?" Richeza sprang auf. | |||
Tsacharias Krähenfreunds Blick ruhte in den Augen der Comtessa. Er schlug den Umhang über ihre Hüfte und lächelte sie an. "Haltet Euch warm! Und schlaft bald", sagte er. | |||
"He! Ich rede mit Euch ..." | |||
"Geduld ist der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung." Der Alte stand auf, wandte sich endlich Richeza zu. | |||
"Was? Hört Ihr mir überhaupt zu? Es geht um den Jungen! Verdammt noch mal, wisst Ihr eigentlich, was wir für ihn durchge..." Sie verstummte, als der alte Mann seine Hand auf ihren Kopf legte, die Berührung so sacht, dass ihr eigens Haar sie auf der Stirn kitzelte. | |||
"Ihr seid verwundet. Wascht Euer Gesicht mit dem Wasser aus der Kalebasse. Und dann ruht. Morgen werden die Schmerzen besser sein." | |||
Einen Moment lang starrte Richeza ihn einfach nur an. Dann schüttelte sie leicht den Kopf. Tsacharias ließ seine Hand sinken. "Es geht nicht um mich, versteht Ihr nicht? Könnt Ihr den Jungen jetzt heilen oder nicht?" | |||
"Nur wer sich selber achtet, kann auch geben! Habt Vertrauen! Nehmt an diesem Abend von den Kräften, die an diesem Ort wirken. Schenkt Euch Ruhe! Erwacht zu einem neuen Tag und seht, dass Euer innerer Frieden auch diesem Knaben Zuversicht ..." | |||
"So ein Schwachsinn!", schnaubte Richeza gereizt. Der Hunger und die Kopfschmerzen machten sie unleidig. Das also sollte der lang gesuchte Heiler sein? Ein palavernder Quacksalber, das war alles, was er zu sein schien! Sie hatte schon etliche davon auf den Straßen Punins und Ragaths gesehen. Sie versprachen einem Alveran auf Deren, ewiges Glück, vollkommene Gesundheit, ein sorgenfreies Leben – wenn man nur dieses oder jenes täte und ihnen ihre Wundermittel abkaufte. Wehe diesem hier, wenn er Praiodor nicht half! Grollend hielt Richeza auf den See zu, um sich das Blut aus den Augen zu waschen. | |||
"Wehrt Euch nicht! Seid offen für die Schönheit des Seins! Die Kräfte, die Ihr ruft, werden Euch be ... HALT!" | |||
Richeza zuckte zusammen. "Was – ist – denn – ''jetzt'' – schon wieder?" | |||
Tsacharias Krähenfreund hatte die Hand erhoben. Seine hageren Schultern waren gespannt, die Ruhe war aus seinem Gesicht gewichen. "Bleibt von dem Wasser fort! Berührt es nicht! Blut klebt an Euren Händen!" | |||
"Ja und? Natürlich! Was meint Ihr wohl, warum ich es abwaschen will? – Verrückter!", fügte sie zischend hinzu und bückte sich nach dem Wasser. | |||
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Version vom 17. November 2011, 21:50 Uhr
Im Raschtulswall, 28. Praios 1033 BF
In den Höhlen unter dem Djer Kalkarif
Autor: von Scheffelstein
Nein, diesmal täuschte sie sich nicht: Da waren Stimmen, ganz nah! Angespannt suchte Richeza den Höhleneingang mit den Augen ab. Die beiden Männer tauchten so plötzlich auf, dass sie zusammenzuckte. Sie mussten bereits in der Höhle gewesen sein, vielleicht in einem der anderen Gänge. Gegen das Licht konnte Richeza nicht mehr als ihre Umrisse ausmachen. Sie schienen Hemden, Hosen und Stiefel zu tragen, doch der Kleinere hatte das scharf geschnittene Profil und bärtige Gesicht eines Ferkinas. Suchend blickten sie sich in der Höhle um.
"Hier sind sie nicht. Los, schauen wir draußen nach!", sagte der Ferkina.
Drei, vier Herzschläge vergingen, ehe Richeza verstand. "Mo...!" Sie sprang so schnell auf, dass ihr schwindelig wurde. Keuchend hielt sie sich an der Wand fest. "Moritatio!"
Sie taumelte aus dem Gang - und zuckte zurück, als die Degenspitze des größeren Mannes beinahe ihr Gesicht berührte. Erschrocken sah sie in das unrasierte Gesicht des Streitzigs.
"Ich ... Moritatio! Rondra sei Dank, ihr lebt!", seufzte sie.
Doch der Mann, den sie zunächst für einen Ferkina gehalten hatte, starrte sie nur an, seinen abgebrochenen Rapier halb erhoben. Richeza blickte an sich herunter: Hals und Brusttuch waren blutbefleckt, ebenso ihre Hände, und wie ihr Gesicht aussah, ahnte sie nur. Ihr Rock starrte vor Schmutz, und die Stiefel hatten wahrlich schon bessere Tage gesehen.
"Eine lange Geschichte", seufzte sie erneut, während die Männer unschlüssig ihre Waffen senkten.
Autor: SteveT
Moritatio war zusammengezuckt und herumgewirbelt, als plötzlich jemand seinen Namen rief - schwach, mit einer Frauenstimme, ihrer Stimme!
"Richeza! Den Göttern sei dank! Ihr ... ihr ... du lebst!" Er ließ seinen Rapierstumpf zu Boden fallen und umarmte sie, um sie links, rechts und dann auf die Stirn zu küssen. Sie auf die Lippen zu küssen, wie er es nur allzu gerne getan hätte, war ihm in Gegenwart des Streitzigers zu verfänglich, dessen Blicke er hinter sich spürte. So wirkte es für diesen nur wie ein freudiges Wiedersehen unter Verwandten - genauso wie der selbst seine verlorengeglaubte Nichte begrüßt hatte. Nur mit dem kleinen, aber bedeutsamen Unterschied, dass Richeza und Moritatio weniger Jahre trennten und dass sie sich erst vor zwei Wochen kennengelernt hatten.
"Du siehst übel aus!", stellte Moritatio korrekterweise, aber ohne groß nachzudenken, fest, als er Richeza von Kopf bis Fuß musterte - und biss sich gleich darauf auf die Zunge und schalt sich einen Trottel - sowas sagte man doch nicht zu der Frau, die man liebte!
"Äh, ich meine nicht übel in diesem Sinne ... mitgenommen ... angestrengt ... das wollte ich nur sagen!", verbesserte er sich hastig und spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Nur schnell das Thema wechseln! "Wo steckt meine Mutter? Ich hatte gehofft, sie sei bei dir und es gehe ihr gut?"
Autor: von Scheffelstein, SteveT
Richeza, die Moritatios Umarmung erleichtert erwidert hatte, hob die Augenbrauen und grinste. "Bei den Göttern, Moritatio, ich bin froh ..." Sie brach ab, schüttelte den Kopf und grinste. "Wahrlich, du solltest dir den Bart abnehmen, Vetter, wenn deine Mutter dich so sieht, hält sie dich noch für einen Ferkina und erschlägt dich!" Ihr Gesicht verdüsterte sich. "Ich hoffe, dass es ihr noch gut geht! Sie ist ..."
Im selben Moment ließ ein fürchterliches Gebrüll, dessen Echo von den Höhlenwänden dutzendfach gebrochen und reflektiert wurde, sie und die anderen beiden erschrocken zusammenfahren. Eine laute Stimme brüllte irgendwo vom Höhleneingang her: "RIIIIIICHEZZAAAAAAAAAAAA ALDOOOONAZZAAAA! Wo steckst du, verflucht nochmal? Na wart' bloß!"
Damit waren alle Fragen nach dem Schicksal von Moritatios Erzeugerin geklärt ...
Einen Augenblick lang verharrte Richeza wie erstarrt, dann eilte sie an Moritatio vorbei zum Höhleneingang. Oben auf dem Weg stand Rifada da Vanya - blutbespritzt, das Falcata erhoben, wirkte sie nun eher wie eine Rachedämonin denn wie ein Bildnis Rondras.
"Hier!", rief Richeza, und ihre Tante wirbelte herum. Der große Hund, der Richeza umgerannt hatte, tauchte an Rifadas Seite auf und ließ ein freudiges Bellen erklingen, in dem Richezas folgende Worte untergingen.
Autor: Ancuiras
Der Thangolforster beobachtete das Wiedersehen der beiden ungleichen Verwandten. Der sonst oft so mürrische Moritatio schien ja wirklich sehr erfreut zu sein, seine verloren geglaubte Cousine wiederzusehen, dachte der Streitzig schmunzelnd. Doch auch Gendahar merkte wie ihm ein weiterer großer Stein vom Herzen fiel. Bislang hatte seine Sorge vor allem Romina gegolten, doch nun merkte er, dass auch das Schicksal der kratzbürstigen Scheffelsteinerin ihm alles andere als gleichgültig war. Lag es nur daran, dass sie - unter gewöhnlichen Umständen - so außergewöhnlich schön war?
Seine Freude und Erleichterung ließ er sich indes kaum anmerken; ein Lächeln auf den Lippen verbeugte er sich vor Domna Richeza formvollendet, nachdem Moritatio sie zu Ende geherzt hatte. "Hoch erfreut, Euch so wohlauf ..." begann er, als eine dröhnende, unverkennbare Stimme ihn unterbrach und Richeza hinfort eilte.
Autor: SteveT
"Potzblitz! Da soll mich doch der Blitz beim Schei ... äh ... beim Schimpfen treffen! Hier drin steckst du also, Kind ... und nicht alleine, wie ich sehe!", polterte Rifada da Vanya übellaunig und steckte die längere ihrer beiden Klingen weg, während sie auf die drei Gestalten im Halbdunkel zugestapft kam.
"Frau Mama!", stieß Moritatio freudestrahlend aus und streckte ihr die Hände entgegen - doch statt einer warmen Begrüßung fing er sich eine wuchtige Backpfeife an, die seinen Kopf zur Seite federn ließ.
"A-a-aber Mutter, wir fürchteten schon, Ihr wäret tot - gefallen gegen Praiosmins Schergen!", stotterte der Hofjunker verdutzt und rieb sich die linke Wange, wo ohne Frage für einige Stunden der Abdruck ihrer Finger zurückbleiben würde.
Sofort fing er sich klatschend die nächste Ohrfeige ein - diesmal auf der anderen Seite. "Sprich diesen Namen nie wieder in meiner Gegenwart aus, hörst du? Mit diesem Stück Dreck wird abgerechnet, wenn wir wieder zu Hause sind! Aber ich habe dir Nichtsnutz gesagt, dass du bei Richeza bleiben sollst - aber stattdessen treffe ich sie mutterseelenallein im Gebirge an ... na ja, fast zumindest. Und das Knäblein musste ich auch selbst finden und aus einem Harpyiennest ziehen, das hat keiner von Euch zweien in der ganzen Zwischenzeit zuwege gebracht!"
Sie blickte vorwurfsvoll zu Richeza und dann wieder zu Moritatio, der jetzt einen wilden Stachelbart fast wie ein Blutsäufer trug. Aber sie bemerkte nun auch, wer noch bei den beiden war - über die sie sich in Wahrheit insgeheim freute, sie lebend und zumindest ohne schwerwiegende Verletzungen oder Verstümmelungen wiederzusehen - der blonde Strohkopf nämlich, der ihnen in der Hütte des entlaufenen Hexenweibes in die Hände gefallen war. Ja, es war der Yaquirtaler Geck, kein Zweifel!
"Kommt! Wir haben keine Zeit zu verlieren!", übernahm sie sofort befehlsgewohnt wieder das Kommando und winkte die anderen hinter sich her in Richtung Höhlenausgang. "Wir müssen eine junge blonde Nordprovinzlerin und ein Wildenweib einholen und aufhalten, die Richezas Jungen haben! Da draußen laufen noch etwa zwei Dutzend junge Wildenkrieger herum - wenn die die Weiber kriegen, ehe wir sie selbst stellen können, dann ist es um den Jungen geschehen - die Wilden verschonen nicht einmal Kinder! Also rapido! Raus hier!"
Autor: Von Scheffelstein
Richezas Freude, ihre Tante lebend wiederzusehen, verwandelte sich binnen weniger Herzschläge erst in Befremdung und dann in Zorn, als Rifada da Vanya ihren Sohn nicht nur einmal, sondern gleich ein zweites Mal ohrfeigte.
"Bei allem Respekt, Tante," sagte sie und hielt selbige am Arm fest. "Wenn Ihr unbedingt jemanden schlagen wollt, dann schlagt mich und nicht den Jungen! Ich habe ihn und den Streitzig verlassen und nicht umgekehrt!" Ihr Augen blitzten wütend in ihrem blutverkrusteten Gesicht. "Überhaupt: Ich brauche kein Kindermädchen! Wenn ich wegen meiner eigenen Dummheit sterbe – so sei es! Das ist nicht seine Schuld, verdammt noch mal! Wagt es nicht, ihn noch einmal für einen meiner Fehler zu verurteilen! Und überhaupt: Vielleicht könntet Ihr dem St... Dom Gendahar wenigstens erzählen, dass seine Nichte lebt. – Das tut sie, wir haben die Domnatella gefunden", wandte sie sich kurz an den Yaquirtaler. "Das heißt ... ich habe sie nun wieder verloren, aber bis gerade war sie, nun ja, den Umständen entsprechend wohlauf."
Sie drehte sich wieder ihrer Tante zu, deren Arm sie noch immer festhielt. "Also ...", setzte sie mit finsterer Miene an, doch als sie Rifadas Blick begegnete, veränderte sich ihre Haltung: Ihre Schultern fielen, sie senkte den Kopf und der Ärger wich aus ihrem Gesicht.
"Verdammt, Tante", sagte sie leise, als sie wieder auf- und Rifada in die Augen sah, "könnt Ihr nicht einfach verstehen, wie froh wir sind, dass Ihr da seid?"
Autor: SteveT
"Ja, ja, schon recht - von solchem Gesindel lasse ich mich doch nicht kleinkriegen!", wischte Rifada alle Gefühlsduseleien flugs mit einer wegwerfenden Handbewegung beiseite.
"Eure Nichte lebt also, Yaquirtaler - noch! Wenn wir sie zuerst finden und sie den Jungen freiwillig wieder herausrückt, dann soll ihr auch nichts weiter geschehen! Dann gehen Richeza, mein Sohn und ich unserer Wege und Ihr und Eure Nichte geht die Eurigen. Solltet Ihr es tatsächlich bis Ragath schaffen, so braucht Ihr dort gegenüber dem Tobrier gar nicht weiter zu erwähnen, dass wir hier Bekanntschaft gemacht haben, denn wenn ich dereinst komme, um mir den Thron und die Krone meiner Mutter zurückzuholen, dann kann ich auf Euch oder das Mädchen natürlich keinerlei Rücksicht nehmen - das versteht sich ja von selbst! Vergessen wir also besser alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, sobald diese Berge hinter uns liegen. Und jetzt genug des dämlichen Palavers! Raus aus der Höhle, oder alle Mühen und Opfer für den Jungen waren umsonst!"
Autor: Ancuiras
Mit zunehmender, wenn auch unangebrachter Belustigung betrachtete Gendahar von Streitzig die von Ohrfeigen und Verwünschungen geprägte Familienzusammenführung. Wenn der viel beschworene Zusammenhalt in der Familie da Vanya so aussah, brauchte sich sein Schwager wahrlich keine Sorgen um den Grafenthron zu machen. Vermutlich wusste er nicht einmal von der Existenz der Junkerin, die seine Krone beanspruchte. In der Tat war es sicherlich besser, in Ragath die Bekanntschaft mit der Junkerin zu verschweigen.
Als die Junkerin geendet hatte, sah er erstmals die Möglichkeit, zu Wort zu kommen. "Auch ich bin erfreut, Euch wohlauf anzutreffen", sagte der Vogt, ein Lächeln unterdückend, auch wenn Rifada nichts dergleichen gesagt hatte. "Dies gibt mir Gelegenheit, mich bei Euch zu bedanken, dass ihr Romina hierher geleitet und den kleinen Praiodor aus den Klauen der Harpiyen errettet habt. Beide befinden sich in Sicherheit in einer Höhle tief unter dem Berg; wir kommen gerade daher. Ich schlage vor, wir begeben uns zu ihnen, denn dort wagen sich die Wilden nicht hin. In der Höhle, die die Wilden von Geistern bevölkert halten, befindet sich ein See, dessen Wasser große Heilkraft besitzen, wie ich selbst erfahren durfte. Wenn man sie zu nutzen weiß, wie der Eremit Tsacharias Krähenfreund, den wir gefunden haben. Zur Zeit kümmert er sich um meine Nichte, vor allem aber um den Jungen - der übrigens mein Neffe 2. Grades ist, sodass ich durchaus beabsichtige, mich bis auf Weiteres um sein weiteres Schicksal zu kümmern."
Autor: von Scheffelstein
"Was, er lebt? Sie sind hier? Geht es ihm gut, ja? Sprecht schon!" Erregt griff Richeza mit beiden Händen ins Hemd des Yaquirtalers - fast sah es aus, als wollte sie ihn schütteln - ehe ihr aufzufallen schien, wie unangemessen dies war. Sie nahm ihre Hände zurück, wischte sie unschlüssig an ihrem Rock ab, als würde dies den Handgriff rückgängig machen, wartete aber gar keine Antwort ab, sondern packte Moritatio am Arm.
"Los, komm schon, zeig' mir, wo sie sind!" Sie zog ihn hinter sich her auf die drei Gänge am anderen Ende der Höhle zu und blieb vor dem mittleren stehen. "Hier oder rechts?" Wieder wartete sie nicht auf eine Antwort, sondern deutete das leiseste Zeichen in Moritatios Gesicht und schob ihn vor sich in den mittleren Gang hinein. "Schnell, wo geht's lang? Ist es weit? Wieso habt ihr kein Licht dabei? - Ihr habt also Krähenfreund gefunden? Au, verdammt, ist das dunkel! Hat er Praiodor helfen können?"
Richezas aufgeregte Stimme wurde rasch leiser, bald verschwanden sie und Moritatio in der Dunkelheit, ohne sich noch einmal nach Domna Rifada oder Dom Gendahar umzudrehen.
Autor: Ancuiras
"Ich würde sagen, es geht ihm gut, den Umständen entsprechend zumindest, auch wenn er ..." Verdutzt bemerkte der Vogt von Thangolforst, dass Domna Richeza ihm nicht mehr zuhörte und schon hinfort geeilt war. Augenrollend folgte er den beiden, nicht ohne einen Blick auf die ebenso überrascht wirkende Domna Rifada zu werfen.
Autor: von Scheffelstein
Richeza griff nach Moritatios Arm, um ihn im Dunkeln nicht zu verlieren. Erst als es heller wurde, ließ sie ihn los. Kurz darauf folgte sie Moritatio in die vom warmen Licht der Steine erleuchtete Höhle. Doch die Edle hatte keinen Blick für die Schönheit des fremdartigen Gesteins, für den regenbogenfarben schimmernden Dunstschleier über dem See, für die Stille –. Auch auf den Alten achtete sie kaum, der neben der Comtessa hockte, die ihre Blößen spärlich mit einem Umhang bedeckte.
"Praiodor!", rief Richeza und ging neben dem Jungen auf die Knie. Sie nahm sein bleiches Gesicht in beide Hände, fuhr mit den Daumen über die eingefallenen Wangen. "Götter, er hat Fieber!" Beinahe vorwurfsvoll sah sie den Alten an, der die Hüfte Domnatella Rominas mit Leinenbinden umwickelte. "Seid Ihr Krähenfreund? Könnt Ihr ihm nicht helfen? Könnt Ihr ihn heilen?"
Der alte Mann sah nicht einmal auf, zog eine weiche Metallnadel aus seiner Tasche und bog sie so, dass sie den Verband zusammenhielt. "Der bin ich", sagte er. "Und heilen wird ihn die Zeit. So die Götter wollen, vermag ich sein Leiden zu verkürzen."
Für einen Augenblick herrschte eine Stille in der Höhle, die fast greifbar war.
"Was? Wie ... meint Ihr das: Sein Leiden verkürzen? Seid Ihr verrückt? Ihr wollt ihn doch nicht sterben lassen?" Richeza sprang auf.
Tsacharias Krähenfreunds Blick ruhte in den Augen der Comtessa. Er schlug den Umhang über ihre Hüfte und lächelte sie an. "Haltet Euch warm! Und schlaft bald", sagte er.
"He! Ich rede mit Euch ..."
"Geduld ist der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung." Der Alte stand auf, wandte sich endlich Richeza zu.
"Was? Hört Ihr mir überhaupt zu? Es geht um den Jungen! Verdammt noch mal, wisst Ihr eigentlich, was wir für ihn durchge..." Sie verstummte, als der alte Mann seine Hand auf ihren Kopf legte, die Berührung so sacht, dass ihr eigens Haar sie auf der Stirn kitzelte.
"Ihr seid verwundet. Wascht Euer Gesicht mit dem Wasser aus der Kalebasse. Und dann ruht. Morgen werden die Schmerzen besser sein."
Einen Moment lang starrte Richeza ihn einfach nur an. Dann schüttelte sie leicht den Kopf. Tsacharias ließ seine Hand sinken. "Es geht nicht um mich, versteht Ihr nicht? Könnt Ihr den Jungen jetzt heilen oder nicht?"
"Nur wer sich selber achtet, kann auch geben! Habt Vertrauen! Nehmt an diesem Abend von den Kräften, die an diesem Ort wirken. Schenkt Euch Ruhe! Erwacht zu einem neuen Tag und seht, dass Euer innerer Frieden auch diesem Knaben Zuversicht ..."
"So ein Schwachsinn!", schnaubte Richeza gereizt. Der Hunger und die Kopfschmerzen machten sie unleidig. Das also sollte der lang gesuchte Heiler sein? Ein palavernder Quacksalber, das war alles, was er zu sein schien! Sie hatte schon etliche davon auf den Straßen Punins und Ragaths gesehen. Sie versprachen einem Alveran auf Deren, ewiges Glück, vollkommene Gesundheit, ein sorgenfreies Leben – wenn man nur dieses oder jenes täte und ihnen ihre Wundermittel abkaufte. Wehe diesem hier, wenn er Praiodor nicht half! Grollend hielt Richeza auf den See zu, um sich das Blut aus den Augen zu waschen.
"Wehrt Euch nicht! Seid offen für die Schönheit des Seins! Die Kräfte, die Ihr ruft, werden Euch be ... HALT!"
Richeza zuckte zusammen. "Was – ist – denn – jetzt – schon wieder?"
Tsacharias Krähenfreund hatte die Hand erhoben. Seine hageren Schultern waren gespannt, die Ruhe war aus seinem Gesicht gewichen. "Bleibt von dem Wasser fort! Berührt es nicht! Blut klebt an Euren Händen!"
"Ja und? Natürlich! Was meint Ihr wohl, warum ich es abwaschen will? – Verrückter!", fügte sie zischend hinzu und bückte sich nach dem Wasser.
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