Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 11: Unterschied zwischen den Versionen
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"Macht es im Dorf bekannt", befahl die Anführerin der Bewaffneten, offenbar an den Schulzen gewandt. "Der da Vanya und seine Begleiter sind festzusetzen und der Vogtin auszuliefern. Wer dieser Weisung zuwider handelt, macht sich des Verrats schuldig." | "Macht es im Dorf bekannt", befahl die Anführerin der Bewaffneten, offenbar an den Schulzen gewandt. "Der da Vanya und seine Begleiter sind festzusetzen und der Vogtin auszuliefern. Wer dieser Weisung zuwider handelt, macht sich des Verrats schuldig." | ||
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Noch eine gute Stunde oder zwei, nachdem die Bewaffneten das Haus verlassen hatten, harrten die Adligen in dem Kellerversteck aus, in dem es dunkler und dunkler wurde, bis nur der schwache Lichtschein des Herdfeuers durch die Bodendielen fiel. Endlich wurde die Luke wieder aufgerissen, und sie kletterten zurück in die Küche. | Noch eine gute Stunde oder zwei, nachdem die Bewaffneten das Haus verlassen hatten, harrten die Adligen in dem Kellerversteck aus, in dem es dunkler und dunkler wurde, bis nur der schwache Lichtschein des Herdfeuers durch die Bodendielen fiel. Endlich wurde die Luke wieder aufgerissen, und sie kletterten zurück in die Küche. | ||
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"Kein Wort zu irgendwem", hatte Guiterriz den Mädchen eingeschärft, die ebenso schweigsam waren wie ihre Eltern, jedenfalls solange, wie ihr Vater im Zimmer stand, den sie zu fürchten schienen. | "Kein Wort zu irgendwem", hatte Guiterriz den Mädchen eingeschärft, die ebenso schweigsam waren wie ihre Eltern, jedenfalls solange, wie ihr Vater im Zimmer stand, den sie zu fürchten schienen. | ||
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Richeza konnte nicht schlafen in dieser Nacht. Zu viele Gedanken flogen ihr im Kopf herum, unruhig, wie aufgeschreckte Vögel, deren furchtsames Gekreische die Stille zerriss, nach der sie sich sehnte. Lange, nachdem Moritatios Atem gleichmäßig geworden war, erhob sie sich und trat hinaus auf den Hof, lauschte dem Regen, der in Sturzbächen vom strohgedeckten Dachüberstand auf den Hof prasselte und den Lehmboden in einen Morast verwandelte. Nach einer Weile zog sie die schmutzstarrenden Kleider aus, die noch immer nicht vollständig getrocknet waren, obwohl sie den Abend am Herd verbracht hatten. Sie stellte sich in den Regen, der kalt und heftig auf sie niederfuhr und fühlte sich doch besser, als er Asche, Blut und Dreck von ihrer Haut spülte. Einen Augenblick war ihr, als bewege sich jemand hinter einem der geschlossenen Läden der Küche, doch es war ihr gleich, selbst wenn es der Schulze wäre. | Richeza konnte nicht schlafen in dieser Nacht. Zu viele Gedanken flogen ihr im Kopf herum, unruhig, wie aufgeschreckte Vögel, deren furchtsames Gekreische die Stille zerriss, nach der sie sich sehnte. Lange, nachdem Moritatios Atem gleichmäßig geworden war, erhob sie sich und trat hinaus auf den Hof, lauschte dem Regen, der in Sturzbächen vom strohgedeckten Dachüberstand auf den Hof prasselte und den Lehmboden in einen Morast verwandelte. Nach einer Weile zog sie die schmutzstarrenden Kleider aus, die noch immer nicht vollständig getrocknet waren, obwohl sie den Abend am Herd verbracht hatten. Sie stellte sich in den Regen, der kalt und heftig auf sie niederfuhr und fühlte sich doch besser, als er Asche, Blut und Dreck von ihrer Haut spülte. Einen Augenblick war ihr, als bewege sich jemand hinter einem der geschlossenen Läden der Küche, doch es war ihr gleich, selbst wenn es der Schulze wäre. | ||
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Gendahar, dem es schon deutlich besser zu gehen schien - vermutlich auch Dank des Kräutertrunks, den ihm Udinia mitgegeben hatte - antwortete der Edlen nicht. Stattdessen sprach er zu Dom Moritatio: "Sagt, dieser Berg, zu dem Ihr wolltet - Djer Kalarkif, oder wie der hieß - gibt es dort in der Nähe zufällig heiße Quellen? Mir ist nach einem heilsamen und wohltuenden Bade nach den Strapazen der letzten Tage, um den ganzen Dreck und das Blut abzuwaschen." | Gendahar, dem es schon deutlich besser zu gehen schien - vermutlich auch Dank des Kräutertrunks, den ihm Udinia mitgegeben hatte - antwortete der Edlen nicht. Stattdessen sprach er zu Dom Moritatio: "Sagt, dieser Berg, zu dem Ihr wolltet - Djer Kalarkif, oder wie der hieß - gibt es dort in der Nähe zufällig heiße Quellen? Mir ist nach einem heilsamen und wohltuenden Bade nach den Strapazen der letzten Tage, um den ganzen Dreck und das Blut abzuwaschen." | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Moritatio schaute den Thangolforster einen Moment lang irritiert an und tauschte einen kurzen Blick mit Richeza, ob seine Cousine dessen Frage ebenso merkwürdig vorkam. "Ja, ich glaube schon", nickte er dann aber bestätigend. "Ich bin nur als Kind ein einziges Mal in der Nähe des Djer Kalkarifs gewesen - eine reichlich karge und schroffe Gegend, wo einen normalerweise nicht viel hinführt. Aber ich kann mich erinnern, dass ich dort damals aus einer Quelle trank, deren Wasser ganz widerlich schmeckte. Erst viel später nahm ich diesen markanten Geruch des Wassers ein zweites Mal wahr - und das war in Punin, in den Madathermen. Es ist also sehr gut möglich, dass es dort warme, schwefelhaltige Quellen gibt. Aber woher wisst Ihr das, in Alverans Namen? Wart Ihr zuvor schon einmal hier in unserer Gegend?" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
"Seid Ihr bei Trost?", fuhr die Edle von Eslamsstolz auf. "Habt Ihr meine Worte schon vergessen? Der Raschtulswall ist keines von Euren Yaquirtaler Schlossgärtchen und wir nicht zu Eurer Erquickung hier!" Sie warf einen Blick zu Moritatio, der von des Thangolforsters Frage ebenso irritiert schien. | |||
"Ja, genau", sagte sie dann. "Woher wisst Ihr dass?" Sie runzelte die Stirn. "Hat Euch die alte Hexe das geflüstert? Sagt schon: Ist es dort, wo wir den Heiler finden? Zum Henker, nun hört schon auf mit Eurer Geheimniskrämerei! Wir sind in den Bergen alle aufeinander angewiesen! Wir müssen einander vertrauen können, wenn wir überleben wollen!" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer: Ancuiras|Ancuiras]] | |||
"Dann vertraut mir doch, wenn ich Euch sage, dass ein Besuch der heilsamen Thermalquellen den Zielen der gesamten Gruppe dient. Ihr seht übrigens auch etwas abgespannt aus ..." Als sich der Blick der Edlen abermals verfinsterte, fügte Gendahar begütigend hinzu: "Die heilsame Wirkung ist, wie mir Udinia in der Tat berichtete, auch ihrem Bruder Tsacharias nicht entgangen, weshalb er beschlossen hat, seinen Aufenthaltsort in der Nähe der Quellen zu wählen. Wir sollten so bald als möglich dorthin aufbrechen. Moritatio, Ihr oder einer Eurer Leute kennt den genauen Weg?" | |||
"Den Weg kenne ich sehr wohl", antwortete der Junkersohn. | |||
"Dann können wir ja morgen früh aufbrechen. Gute Nacht!" Der Thangolforster streckte sich auf dem Boden aus und schien schon bald eingeschlafen zu sein. Richeza und Moritatio warfen sich noch einen fragenden Blick zu, spürten aber bald ebenfalls die Müdigkeit über sie hereinbrechen. Bald waren auch sie eingeschlafen. | |||
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====23. Praios==== | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Ächzend erhob sich Moritatio von dem harten Küchentisch, der ihm als provisorisches Nachtlager gedient hatte, damit er nicht auf dem feuchten Lehmboden der Steinbrecher-Hütte hatte nächtigen müssen, die ihnen seit zwei Tagen als Quartier diente. Richeza schlief noch, zusammengekauert wie ein Säugling unter seinem Umhang als zusätzlicher Decke, den er - wie schon in den Nächten zuvor - nachts über sie gebreitet hatte. Abends weigerte sich seine Cousine immer, diese kleine Annehmlichkeit anzunehmen - wahrscheinlich, um nicht vor dem Streitziger oder auch vor ihm selbst als verweichlichtes Püppchen dazustehen. Aber es war ihr und auch dem Thangolforster anzusehen, daß es ihnen nicht allzu gut ging - auch wenn die Gesichtsfarbe bei beiden bereits deutlich besser war wie noch vor zwei Tagen. | |||
Moritatio tastete prüfend nach seiner eigenen Wunde, die ihm der für Richeza bestimmte Pfeil im Burghof geschlagen hatte. Fürwahr - sie waren schon ein arger Invalidentrupp und ohne seine unerschütterliche Mutter als Wortführerin oder auch den stets besonnenen Dom Hernán fühlte er ihre Kampfkraft nicht nur numerisch arg dezimiert. Er strich Richeza liebevoll einige Haarsträhnen aus dem schönen Gesicht - schon weil er es liebte, wie seidenweich sich ihr Haar anfühlte - aber er zog die Hand dann lieber schnell wieder zurück, da Dom Gendahar blinzelnd die Augen aufschlug. | |||
Moritatio blickte zum Fenster hinaus, wo es dem blauen Himmel und dem Vogelgezwitscher nach einen schönen Tag zu geben schien. "Wie fühlt Ihr Euch heute, Dom Gendahar?", trat er zu dessen Bettstatt hinüber. "Erholt genug, um zum Djer Kalkarif aufzubrechen? Ihr werdet verstehen, dass ich ob der Sorge um meine Mutter andernfalls auch alleine oder nur mit Richeza aufbrechen müsste - ich kann keinen weiteren Tag mehr warten, um Hilfe herbeizuholen." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer: Ancuiras|Ancuiras]] | |||
"Meint Ihr, ich könnte oder wollte noch länger warten? Romina ist irgendwo da draußen bei den Blutsäufern. Ich wäre ohnehin gleich von der Hütte Udinias aufgebrochen, wenn Eure Mutter nicht diesen verhängnisvollen Umweg über das Castillo hätte nehmen wollen." Noch immer etwas mühsam, aber ohne das schmerverzerrte Gesicht, das er in den Tagen zuvor gezeigt hatte, richtete er sich auf. "Obwohl ich vermutlich nicht weit gekommen wäre." Er betastete vorsichtig seine Schulter und bewegte sich leicht vor und zurück. Abermals waren ihm keine Schmerzen anzusehen. "Wie dem auch sei, jetzt fühle ich mich schon deutlich besser und es ist ja schon taghell. Wir sollten in der Tat aufbrechen. Schläft die holde Dame noch?" Er beugte sich zu Richeza hinüber und zog sanft an dem Umhang, der über ihr ausgebreitet lag. "Domna Richeza, aufgewacht, heute geht es zur Sache." Als sie sich noch immer nicht regte, rief er zu Dom Moritatio: "Was sagt Ihr, Tsacharias Krähenfreund steht vor der Hütte?" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Die Edle öffnete blinzelnd die Augen. Im ersten Moment konnte sie gegen das zur Tür hereinfallende Licht nichts erkennen als den Umriss des Thangolforsters, der vor ihrem Bett stand. "Morgen", brummte sie, während sie sich aufsetzte und die Stiefel anzog. Die Sonne war bereits hinter den Gipfeln der Berge hervorgekrochen - wieder hatte man sie nicht früh geweckt. Erst langsam drangen die Worte Dom Gendahars in ihr Bewusstsein. Waren es seine Worte gewesen oder hatte sie noch geträumt? | |||
Richeza warf dem Mann einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts, sondern trat vor die Tür. Hier war niemand. Sie musste geträumt haben. Der Wind pfiff zwischen den Hütten hindurch und wehte einen Zinnbecher durch die Straße, der scheppernd vorwärts rollte und schließlich im gegenüberliegenden Hauseingang hängen blieb. Es war kühl hier oben, und dort, wo sie hingingen, würde es noch kälter werden. Die Edle blickte hinüber zum Djer Kalkarif. Anders als am Vortag war der Gipfel nicht von Wolken verhangen. Die Gletscher leuchteten im Sonnenlicht. Von dem heftigen Regen, der sie zu einem weiteren Tag der Rast gezwungen hatte, waren nur Pfützen geblieben. Aber wer wusste schon, wie es am Abend oder erst dem nächsten Tag aussähe? Das Wetter änderte sich rasch in den Bergen. | |||
Fröstelnd zog sich Richeza den Umhang fester um die Schultern und merkte erst jetzt, dass es nicht ihrer war. Ein letztes Mal sah die Edle zu den majestätischen Bergen hinauf, dann trat sie zurück in die Hütte. Wortlos legte sie Moritatio seinen Umhang um die Schultern und packte ihre Sachen zusammen. Ihr Blick fiel auf die kleine Zaida. Seit sie Vanyadâl verlassen hatten, war das Mädchen ungewöhnlich still. Ob es der abweisende Raschtulswall war, der sie einschüchterte, oder die hinter ihnen liegenden Gefahren und Verluste sie nachdenklich stimmten, vermochte die Edle nicht zu sagen. Aber jetzt hatten sie keine andere Wahl, als sie mitzunehmen. | |||
"Kommt!", sagte Richeza von Scheffelstein, während sie sich den Rucksack über die Schulter hängte. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns." Im Hinausgehen schob sie sich ein Stück Brot in den Mund. Die anderen sollten nicht noch länger auf sie warten müssen. | |||
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Aktuelle Version vom 9. März 2011, 23:11 Uhr
Kaiserlich Selaque, 19. bis 21. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In der Junkerschaft Vanyadâl, im Ort Vanyadâl und in Grezzano[Quelltext bearbeiten]
Aufbruch ins Gebirge[Quelltext bearbeiten]
Autor: von Scheffelstein
19. Praios[Quelltext bearbeiten]
Unbemerkt kehrten Domna Richeza, Dom Gendahar, Dom Moritatio und die kleine Zaida in den Ort Vanyadâl zurück und näherten sich dem Haus des Schulzen Sanzo Guiterriz von der rückwärtigen Seite. Hufeisenförmig umgaben Haupthaus und Nebengebäude einen Hof, der dank des hohen Grases der angrenzenden Weide und dicht belaubten Bäumen kaum einsehbar war, zumal er, von der Straße abgewandt, auf die Felder hinaus wies. Moritatio klopfte an der Hintertür.
Falls der Schulze überrascht war, den Sohn seiner Herrin in nunmehr dezimierter Begleitung so rasch wiederzusehen, ließ er es sich nicht anmerken. Anstandslos ließ er die regennassen Besucher in die Küche, wo seine Frau das Abendmahl bereitete. Man werde die Nacht hierbleiben, erklärte Moritatio und mahnte den Schulzen, darüber zu keinem ein Sterbenswort zu verlieren, auch nicht zu den Gefolgsleuten der Vogtin, sollten diese nach seinen Gästen fragen. Man sei, das wisse Guiterriz ja wohl, zusammen mit den Söldnern hiergewesen und hätte mit diesen das Dorf efferdswärts verlassen, mehr brauche der Schulze nicht zu wissen. Sanzo Guiterriz hob eine Braue, sagte aber nichts. Moritatios um seine Schwertscheide geballte Faust verriet, dass die gleichmütige Miene des Schulzen ihn mehr verunsicherte, als seine feste Stimme glauben machte.
Richeza gefiel der Mann nicht und noch weniger die Aussicht, sich in seine Hände zu begeben. Doch es blieb keine Zeit, die Entscheidung zu überdenken, denn plötzlich polterte es an der Fronttür des Hauses, die einen Augenblick später aufgestoßen wurde. "Heda!", rief es aus dem Nachbarraum.
Der Edlen rutschte das Herz in die Hose, und das bleiche Gesicht ihres Vetters sagte ihr, dass es diesem nicht anders ging. Der Schulze aber blieb unbekümmert. In einer Seelenruhe, als hätte er nichts zu fürchten, öffnete er eine Falltür und winkte seine Besucher eine steile Stiege hinunter, dann schlug er die Klappe zu und schob eine Truhe darüber. Keinen Augenblick zu früh!
Die Küchentür wurde aufgerissen, und schwere Stiefel knarrten auf den Dielen. Staub rieselte zwischen den Ritzen der Bretter herab in das enge Versteck der edlen Gäste. Wasser tropfte hinterher, als der Schulze ungerührt mit einem Besen die Pfützen verwischte, die ihre Stiefel hinterlassen hatten.
"Bist du taub, Mann?", war die Stimme einer Frau zu hören. "Muss man erst das halbe Dorf zusammenschreien, bis du dich aus deinem Loch bequemst?"
"Was wollt ihr?", fragte der Schulze.
"Bist du der Schulze?"
Guiterriz nickte wohl, denn die Frau fuhr fort. "Im Namen Ihrer Hochgeboren Praiosmin von Elenta, Reichsvogtin von Kaiserlich Selaque: Wir suchen nach den Mitgliedern des Hauses da Vanya und ihren Begleitern, die sich versündigt haben an ihrer und eurer Lehnsherrin von Kaisers Gnaden. Jeder, der ihnen begegnet, ist angehalten, umgehend Meldung zu machen. Wer ihnen behilflich ist, Unterschlupf gewährt oder Auskunft über ihren Aufenthaltsort verweigert, macht sich des Verrats schuldig. Sprich also: Hast du sie gesehen?"
Richeza runzelte unwillig die Stirn. Versündigt an ihrer Lehnsherrin? Zum Namenlosen mit der alten Vettel! Niemandes Lehnsherrin war die, keinem der hier Versteckten hatte sie irgendetwas zu befehlen! Doch das Herz schlug der Edlen wild in der Brust - und das nicht vor Ärger - und es machte einen jähen Satz, als der Schulze antwortete: "Sicher hab' ich sie gesehen."
Unwillkürlich legte die Edle von Eslamsstolz die Hand auf den Säbelknauf. Wieviel Unglück hielt dieser Tag noch für sie bereit?
"Sie waren hier, vor keiner halben Stunde", sagte Guiterriz. "Wenn Ihr den jungen da Vanya meint. Die anderen kenne ich nicht. Söldner wohl. Haben im Dorf nach Nahrung gefragt. Wär' der da Vanya nicht gewesen, ich hätte sie allesamt für Räuber gehalten, so wie die aussahen."
"Das sind sie auch", knurrte die Frau und gab Befehl, die Worte des Schulzen prüfen zu lassen. "Wo sind sie hin?", fragte sie weiter, derweil einige der Bewaffneten offenbar das Haus durchsuchten, wie anhand des Rumorens im Folgenden zu schließen war.
"Was weiß ich?", erwiderte der Schulze. "Raus aus dem Dorf. Mehr hat mich nicht gekümmert. Nach Westen, die Straße runter, schätze ich."
Trotz der klammen Kälte in den durchnässten Kleidern perlte Richeza der Schweiß auf der Stirn. War alles umsonst gewesen? Das Opfer ihrer Tante? Die Flucht? Hatte sie falsch entschieden, nicht mit dem Baron und seinen Leuten zu gehen?
Doch gerade, als sie fürchtete, die Bewaffneten würden nun auch die Küche einer näheren Durchsuchung unterziehen, kam eine der Gardistinnen aus dem Dorf zurück: "Es stimmt", sagte die Frau, "sie sind hier gewesen und haben das Dorf verlassen. Weit können sie noch nicht sein!"
"Macht es im Dorf bekannt", befahl die Anführerin der Bewaffneten, offenbar an den Schulzen gewandt. "Der da Vanya und seine Begleiter sind festzusetzen und der Vogtin auszuliefern. Wer dieser Weisung zuwider handelt, macht sich des Verrats schuldig."
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Noch eine gute Stunde oder zwei, nachdem die Bewaffneten das Haus verlassen hatten, harrten die Adligen in dem Kellerversteck aus, in dem es dunkler und dunkler wurde, bis nur der schwache Lichtschein des Herdfeuers durch die Bodendielen fiel. Endlich wurde die Luke wieder aufgerissen, und sie kletterten zurück in die Küche.
Der Schulze stellte keine Fragen. Er ließ seinen Gästen Brot und Käse auftischen und einen wässrigen Wein, dann räumte er ihnen die Zimmer. Der Thangolforster sollte im Bett des Schulzen und seines Weibes schlafen, Richeza und Moritatio in den Betten der erwachsenen Söhne des Paares. Der ältere der beiden war vor zwei Tagen aufgebrochen, um die erkrankte Schwester des Schulzen aus dem Nachbarort herzugeleiten. Der jüngere würde nie mehr nach Hause zurückkehren: Er war in Elenta gewesen, als die Bergwilden es überfallen hatten. Zaida wurde zu den drei Töchtern des Schulzen gesteckt, die alle in etwa in ihrem Alter waren.
"Kein Wort zu irgendwem", hatte Guiterriz den Mädchen eingeschärft, die ebenso schweigsam waren wie ihre Eltern, jedenfalls solange, wie ihr Vater im Zimmer stand, den sie zu fürchten schienen.
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Richeza konnte nicht schlafen in dieser Nacht. Zu viele Gedanken flogen ihr im Kopf herum, unruhig, wie aufgeschreckte Vögel, deren furchtsames Gekreische die Stille zerriss, nach der sie sich sehnte. Lange, nachdem Moritatios Atem gleichmäßig geworden war, erhob sie sich und trat hinaus auf den Hof, lauschte dem Regen, der in Sturzbächen vom strohgedeckten Dachüberstand auf den Hof prasselte und den Lehmboden in einen Morast verwandelte. Nach einer Weile zog sie die schmutzstarrenden Kleider aus, die noch immer nicht vollständig getrocknet waren, obwohl sie den Abend am Herd verbracht hatten. Sie stellte sich in den Regen, der kalt und heftig auf sie niederfuhr und fühlte sich doch besser, als er Asche, Blut und Dreck von ihrer Haut spülte. Einen Augenblick war ihr, als bewege sich jemand hinter einem der geschlossenen Läden der Küche, doch es war ihr gleich, selbst wenn es der Schulze wäre.
Erst als sie vor Kälte zu zittern begann, schlüpfte sie zurück ins Haus, um die Wunde an ihrem Bein neu zu verbinden. Bibbernd hüllte sie sich in die Decken auf ihrem Bett, und als die Wärme langsam in ihren Körper zurückkehrte, fiel sie in einen erschöpften Schlaf.
20. Praios[Quelltext bearbeiten]
Als Richeza erwachte, war es hell und das Zimmer leer. Sie fand ihren Vetter in der Küche, wo er mit dem Thangolforster und Zaida am Tisch saß, derweil die Schulzin am Herd ein Huhn rupfte. Es war schon später Vormittag, aber niemand hatte sie geweckt. Sie nickte den Männern zu, ließ sich nebem dem Mädchen auf der Bank nieder und zog sich den Topf mit Haferbrei heran, der bereits gut geleert war.
"Wie geht es Euch?", fragte sie den Yaquirtaler.
Dom Gendahar lächelte. "Jetzt, da ich Euch sehe, geht mir die Sonne auf", zwinkerte er. Und wirklich: Gerade brachen die Strahlen des Praioslichts fächergleich durch die Wolken, und über den grau verschleierten Gipfeln des Raschtulswalls zeichnete sich ein schwacher Regenbogen ab.
Richeza erwiderte nichts und musterte den Vogt stattdessen kritisch. Er sah schon besser aus. Noch etwas blass vielleicht, die Wangen eingefallen, doch war das Fieber aus seinen Augen gewichen, und sein keckes Grinsen war nicht mehr schmerzverzerrt wie noch am Vortag. Das Mittel der Hexe schien Wunder zu wirken.
"Wir sollten bald aufbrechen", sagte er. "Euer Vetter meint, es ist nicht zu weit bis nach Gr ..." Er verschluckte den Namen mit einem Räuspern. "Bis zum Abend könnten wir dort sein." Er warf Moritatio einen Seitenblick zu; der nickte.
Richeza aß schweigend, den Blick nicht vom Gesicht des Yaquirtalers gewandt. Schließlich legte sie den Löffel nieder. "Wir werden hierbleiben", sagte sie. "Wir brauchen unsere Kräfte und können nicht riskieren, dass Euer Fieber wiederkehrt. Die Berge sind gefährlich."
"Seid um mich unbesorgt", erwiderte Dom Gendahar, und auch Moritatio sprach sich dafür aus, das Dorf rasch zu verlassen. Richeza biss sich auf die Lippen. Ihre Sorge galt nicht dem Thangolforster. Er mochte selber wissen, was er sich zutraute. Sie selbst aber fühlte sich dem Weg, der vor ihnen lag, nicht gewachsen. Zwar begann der Schnitt an ihrem Bein zu heilen, doch ihre geschundenen Rippen schmerzten so sehr, dass jeder Schritt sie den Atem kostete.
"Wenn ich das recht sehe, so bin ich es, die den Raschtulswall und seine Gefahren am besten kennt", sagte sie scharf. "Vielleicht nicht hier, doch mehr im Norden gewiss. Was ich aber weiß, ist, dass die Berge nur um so unwirtlicher werden, je weiter man nach Süden geht, was am Wetter liegt: Hier regnen sich die Wolken ab, die aus dem Westen herüberziehen, und die Unwetter – weiter oben sogar Schnee – fordern mehr Menschenleben als die Heiden mit ihren Überfällen im Yaquirbruch. Von den anderen Gefahren ganz zu schweigen. Wenn wir ihnen nicht erliegen wollen, müssen wir bei Kräften sein. Und wenn Euer Fieber zurückkehrt, kann uns das alle das Leben kosten", sagte sie, an Dom Gendahar gewandt, doch sie wich seinem Blick aus. Dass sie es war, die einen weiteren Tag brauchte, um sich von den Schmerzen und der schlaflosen Nacht zu erholen, selbst wenn dies bedeutete, Praiodor noch länger den Gefahren des Gebirges auszusetzen, das wollte sie nicht eingestehen, nicht einmal sich selbst. Die tiefen Ringe unter ihren Augen aber und ihr flacher Atem mochten Bände sprechen.
Nach einer kurzen Diskussion willigten die Männer ein, einen weiteren Tag zu verweilen, auch wenn sie beide nicht glücklich schienen mit der Entscheidung und Moritatio im Laufe des Tages immer wieder sorgenvoll zu den abweisenden Mauern der Burg hinaufsah. Doch Domna Praiosmins Leute ließen sich nicht blicken. Sofern sie noch im Vanyadâl weilten, hielt sie der Regen vielleicht davon ab, das Castillo zu verlassen. Den ganzen Tag über prasselte das Wasser auf das Strohdach des Hauses hernieder; die Dorfstraße hatte sich längst in einen Bach verwandelt. Richeza war es nur recht, wenn das Wetter ungebetene Besucher fernhielt. Sie verbrachte den Tag im Bett und wälzte sich unruhig in Träumen, an die sie sich später nicht erinnern konnte und die doch Schuld und Beklemmung zurückließen, als sie aus ihnen erwachte.
21. Praios[Quelltext bearbeiten]
Früh brachen sie auf am Morgen des 21. Praios. Zaida hatte darauf bestanden, mitzukommen. Domna Richeza war das zwar gar nicht recht, doch der Thangolforster hatte sich für das Mädchen ausgesprochen. Zaida sei die einzige, die gesehen habe, von welchen Ferkinas seine Nichte entführt worden sei. Und irgendjemand müsse ihm schließlich helfen, seine Wunde zu verbinden - oder, hatte er mit seinem unverschämten Grinsen gefragt, wolle Domna Richeza sich persönich um seine Pflege kümmern? Außerdem habe die alte Udinia ja nur zu deutlich gemacht, dass Tsacharias sich nicht von jedem finden ließe – nur von jenen, die unschuldig und reinen Herzens seien wie ein Kind. Und das träfe wohl sonst auf niemanden zu!
Schließlich hatte sich Richeza schulterzuckend geschlagen gegeben. Sollte Dom Gendahar sich doch um das Mädchen kümmern!
Der Schulze gab seinen Gästen hinreichend Nahrung mit für mehrere Tage und Umhänge, die vor Wind und Wetter schützten. Just als sie das Haus verlassen wollten, kehrte der ältere Sohn des Schulzen mit seiner Tante zurück. Er war in Moritatios Alter und schien den da Vanya nicht zu mögen. "Was will der hier?", fragte der junge Guiterriz mit unverhohlener Verachtung. Richeza war froh, dass er nicht früher eingetroffen war, das hätte wohl Ärger bedeutet.
Vorsichtshalber verließen sie das Dorf westwärts, ehe sie sich nach einem Umweg Richtung Osten wandten. Anfangs bemühten sie sich, möglichst auf felsigem Grund zu laufen, damit ihre Spuren nicht zu offensichtlich waren, doch bald führte ihr Weg sie über Wiesen und durch kleine Wäldchen höher in die Berge. Der Sturzregen war einem beständigen Nieseln gewichen. Auf dem aufgeweichten Boden kamen sie dennoch nur langsam voran. Und so wurde es Abend, ehe sie die Rodungen am Rand von Grezzano erreichten. Wie Moritatio vorausgesagt hatte, lag die Steinbruchsiedlung verlassen da. Hier und dort fanden sie Leichen zwischen den Steinhütten. Unheimlich zeichneten sich die turmgleichen Kalköfen vor dem rasch dunkler werdenden Himmel ab. Nur die weiße Wand des Marmorbruchs leuchtete geisterhaft in der Dämmerung.
Nachdem sie sich vorsichtig versichert hatten, dass nicht etwa Ferkinas ein Lager im Dorf aufgeschlagen hatten, bezogen sie Quartier in einer verlassenen Hütte, um dort die Nacht zu verbringen. Schweigend nahmen sie ein karges Mahl zu sich. Morgen würden sie im Ort nach weiteren Vorräten suchen.
"Nun, Dom Gendahar", wandte sich die Edle von Eslamsstolz an den Yaquirtaler, "wollt Ihr uns jetzt verraten, wohin wir uns wenden müssen, um diesen Heiler zu finden?"
Autor: Ancuiras
Gendahar, dem es schon deutlich besser zu gehen schien - vermutlich auch Dank des Kräutertrunks, den ihm Udinia mitgegeben hatte - antwortete der Edlen nicht. Stattdessen sprach er zu Dom Moritatio: "Sagt, dieser Berg, zu dem Ihr wolltet - Djer Kalarkif, oder wie der hieß - gibt es dort in der Nähe zufällig heiße Quellen? Mir ist nach einem heilsamen und wohltuenden Bade nach den Strapazen der letzten Tage, um den ganzen Dreck und das Blut abzuwaschen."
Autor: SteveT
Moritatio schaute den Thangolforster einen Moment lang irritiert an und tauschte einen kurzen Blick mit Richeza, ob seine Cousine dessen Frage ebenso merkwürdig vorkam. "Ja, ich glaube schon", nickte er dann aber bestätigend. "Ich bin nur als Kind ein einziges Mal in der Nähe des Djer Kalkarifs gewesen - eine reichlich karge und schroffe Gegend, wo einen normalerweise nicht viel hinführt. Aber ich kann mich erinnern, dass ich dort damals aus einer Quelle trank, deren Wasser ganz widerlich schmeckte. Erst viel später nahm ich diesen markanten Geruch des Wassers ein zweites Mal wahr - und das war in Punin, in den Madathermen. Es ist also sehr gut möglich, dass es dort warme, schwefelhaltige Quellen gibt. Aber woher wisst Ihr das, in Alverans Namen? Wart Ihr zuvor schon einmal hier in unserer Gegend?"
Autor: von Scheffelstein
"Seid Ihr bei Trost?", fuhr die Edle von Eslamsstolz auf. "Habt Ihr meine Worte schon vergessen? Der Raschtulswall ist keines von Euren Yaquirtaler Schlossgärtchen und wir nicht zu Eurer Erquickung hier!" Sie warf einen Blick zu Moritatio, der von des Thangolforsters Frage ebenso irritiert schien.
"Ja, genau", sagte sie dann. "Woher wisst Ihr dass?" Sie runzelte die Stirn. "Hat Euch die alte Hexe das geflüstert? Sagt schon: Ist es dort, wo wir den Heiler finden? Zum Henker, nun hört schon auf mit Eurer Geheimniskrämerei! Wir sind in den Bergen alle aufeinander angewiesen! Wir müssen einander vertrauen können, wenn wir überleben wollen!"
Autor: Ancuiras
"Dann vertraut mir doch, wenn ich Euch sage, dass ein Besuch der heilsamen Thermalquellen den Zielen der gesamten Gruppe dient. Ihr seht übrigens auch etwas abgespannt aus ..." Als sich der Blick der Edlen abermals verfinsterte, fügte Gendahar begütigend hinzu: "Die heilsame Wirkung ist, wie mir Udinia in der Tat berichtete, auch ihrem Bruder Tsacharias nicht entgangen, weshalb er beschlossen hat, seinen Aufenthaltsort in der Nähe der Quellen zu wählen. Wir sollten so bald als möglich dorthin aufbrechen. Moritatio, Ihr oder einer Eurer Leute kennt den genauen Weg?"
"Den Weg kenne ich sehr wohl", antwortete der Junkersohn.
"Dann können wir ja morgen früh aufbrechen. Gute Nacht!" Der Thangolforster streckte sich auf dem Boden aus und schien schon bald eingeschlafen zu sein. Richeza und Moritatio warfen sich noch einen fragenden Blick zu, spürten aber bald ebenfalls die Müdigkeit über sie hereinbrechen. Bald waren auch sie eingeschlafen.
23. Praios[Quelltext bearbeiten]
Autor: SteveT
Ächzend erhob sich Moritatio von dem harten Küchentisch, der ihm als provisorisches Nachtlager gedient hatte, damit er nicht auf dem feuchten Lehmboden der Steinbrecher-Hütte hatte nächtigen müssen, die ihnen seit zwei Tagen als Quartier diente. Richeza schlief noch, zusammengekauert wie ein Säugling unter seinem Umhang als zusätzlicher Decke, den er - wie schon in den Nächten zuvor - nachts über sie gebreitet hatte. Abends weigerte sich seine Cousine immer, diese kleine Annehmlichkeit anzunehmen - wahrscheinlich, um nicht vor dem Streitziger oder auch vor ihm selbst als verweichlichtes Püppchen dazustehen. Aber es war ihr und auch dem Thangolforster anzusehen, daß es ihnen nicht allzu gut ging - auch wenn die Gesichtsfarbe bei beiden bereits deutlich besser war wie noch vor zwei Tagen.
Moritatio tastete prüfend nach seiner eigenen Wunde, die ihm der für Richeza bestimmte Pfeil im Burghof geschlagen hatte. Fürwahr - sie waren schon ein arger Invalidentrupp und ohne seine unerschütterliche Mutter als Wortführerin oder auch den stets besonnenen Dom Hernán fühlte er ihre Kampfkraft nicht nur numerisch arg dezimiert. Er strich Richeza liebevoll einige Haarsträhnen aus dem schönen Gesicht - schon weil er es liebte, wie seidenweich sich ihr Haar anfühlte - aber er zog die Hand dann lieber schnell wieder zurück, da Dom Gendahar blinzelnd die Augen aufschlug.
Moritatio blickte zum Fenster hinaus, wo es dem blauen Himmel und dem Vogelgezwitscher nach einen schönen Tag zu geben schien. "Wie fühlt Ihr Euch heute, Dom Gendahar?", trat er zu dessen Bettstatt hinüber. "Erholt genug, um zum Djer Kalkarif aufzubrechen? Ihr werdet verstehen, dass ich ob der Sorge um meine Mutter andernfalls auch alleine oder nur mit Richeza aufbrechen müsste - ich kann keinen weiteren Tag mehr warten, um Hilfe herbeizuholen."
Autor: Ancuiras
"Meint Ihr, ich könnte oder wollte noch länger warten? Romina ist irgendwo da draußen bei den Blutsäufern. Ich wäre ohnehin gleich von der Hütte Udinias aufgebrochen, wenn Eure Mutter nicht diesen verhängnisvollen Umweg über das Castillo hätte nehmen wollen." Noch immer etwas mühsam, aber ohne das schmerverzerrte Gesicht, das er in den Tagen zuvor gezeigt hatte, richtete er sich auf. "Obwohl ich vermutlich nicht weit gekommen wäre." Er betastete vorsichtig seine Schulter und bewegte sich leicht vor und zurück. Abermals waren ihm keine Schmerzen anzusehen. "Wie dem auch sei, jetzt fühle ich mich schon deutlich besser und es ist ja schon taghell. Wir sollten in der Tat aufbrechen. Schläft die holde Dame noch?" Er beugte sich zu Richeza hinüber und zog sanft an dem Umhang, der über ihr ausgebreitet lag. "Domna Richeza, aufgewacht, heute geht es zur Sache." Als sie sich noch immer nicht regte, rief er zu Dom Moritatio: "Was sagt Ihr, Tsacharias Krähenfreund steht vor der Hütte?"
Autor: von Scheffelstein
Die Edle öffnete blinzelnd die Augen. Im ersten Moment konnte sie gegen das zur Tür hereinfallende Licht nichts erkennen als den Umriss des Thangolforsters, der vor ihrem Bett stand. "Morgen", brummte sie, während sie sich aufsetzte und die Stiefel anzog. Die Sonne war bereits hinter den Gipfeln der Berge hervorgekrochen - wieder hatte man sie nicht früh geweckt. Erst langsam drangen die Worte Dom Gendahars in ihr Bewusstsein. Waren es seine Worte gewesen oder hatte sie noch geträumt?
Richeza warf dem Mann einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts, sondern trat vor die Tür. Hier war niemand. Sie musste geträumt haben. Der Wind pfiff zwischen den Hütten hindurch und wehte einen Zinnbecher durch die Straße, der scheppernd vorwärts rollte und schließlich im gegenüberliegenden Hauseingang hängen blieb. Es war kühl hier oben, und dort, wo sie hingingen, würde es noch kälter werden. Die Edle blickte hinüber zum Djer Kalkarif. Anders als am Vortag war der Gipfel nicht von Wolken verhangen. Die Gletscher leuchteten im Sonnenlicht. Von dem heftigen Regen, der sie zu einem weiteren Tag der Rast gezwungen hatte, waren nur Pfützen geblieben. Aber wer wusste schon, wie es am Abend oder erst dem nächsten Tag aussähe? Das Wetter änderte sich rasch in den Bergen.
Fröstelnd zog sich Richeza den Umhang fester um die Schultern und merkte erst jetzt, dass es nicht ihrer war. Ein letztes Mal sah die Edle zu den majestätischen Bergen hinauf, dann trat sie zurück in die Hütte. Wortlos legte sie Moritatio seinen Umhang um die Schultern und packte ihre Sachen zusammen. Ihr Blick fiel auf die kleine Zaida. Seit sie Vanyadâl verlassen hatten, war das Mädchen ungewöhnlich still. Ob es der abweisende Raschtulswall war, der sie einschüchterte, oder die hinter ihnen liegenden Gefahren und Verluste sie nachdenklich stimmten, vermochte die Edle nicht zu sagen. Aber jetzt hatten sie keine andere Wahl, als sie mitzunehmen.
"Kommt!", sagte Richeza von Scheffelstein, während sie sich den Rucksack über die Schulter hängte. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns." Im Hinausgehen schob sie sich ein Stück Brot in den Mund. Die anderen sollten nicht noch länger auf sie warten müssen.
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