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"Nicht, wenn jeder seine Schnauze hält!", fuhr ihn Alrigo an. "Gebt das her!", nahm er den beiden jungen Burschen die Stiefel und den Hut des Hofjunkers ab. "Ich werde das hier der Frau Reichsvogtin übergeben. Sie wird uns dafür belobigen! Zu jedermann sonst aber verliert keiner ein Wort!" | "Nicht, wenn jeder seine Schnauze hält!", fuhr ihn Alrigo an. "Gebt das her!", nahm er den beiden jungen Burschen die Stiefel und den Hut des Hofjunkers ab. "Ich werde das hier der Frau Reichsvogtin übergeben. Sie wird uns dafür belobigen! Zu jedermann sonst aber verliert keiner ein Wort!" | ||
===== 5.-11. Rondra 1033 BFCastillo da Vanya und auf der Straße nach Schrotenstein ===== | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Ancuiras|Ancuiras]] | |||
Der 5. Tag des Rondramondes begann nichts besonders verheißungsvoll. Gendahar hatte am Vorabend dem Wein stärker zugesprochen als beabsichtigt. Es war der erste sinnenfrohe Abend nach wochenlangen Entbehrungen im Raschulswall gewesen und er hatte über die Stränge geschlagen, wo er hätte Maß halten sollen. Die Tage - oder besser, die Nächte - die er hemmungslos durchfeiern konnte, ohne an das Morgen zu denken, waren unwiederbringlich vorbei. Doch die Gesellschaft Richezas und die Erleichterung über die weitgehend unblutige Eroberung des Castilo hatten ihn in eine Hochstimmung versetzt, die sich am nächsten Morgen in das reine Gegenteil verwandelt hatte. Von einem Kater zu sprechen, traf es nicht ansatzweise, es war eher ein ausgewachsener Zant, der da in seinem Kopf wütete. | |||
Er stand spät auf. Da er sich ohnehin nicht danach fühlte, die Burg zu verlassen, inspizierte er die Besatzung und die Verteidigungsanlagen. Die Burg an sich war gut im Schuss, wenn man von dem Turm absah, wo es gestern gebrannt hatte. Aber die Mannschaft war ein zusammen gewürfelter Haufen, für den Disziplin, Treue und Loyalität Fremdworte waren. | |||
Mit Verärgerung stellte er fest, dass Moritatio sich einfach aus dem Staub gemacht und seiner Base nur zwei Briefe für seine Familie hinterlassen hatte. Gendahar fragte sich, ob seine Mutter damit einverstanden gewesen wäre, dass er die Sicherheit der Stammburg ihres Hauses als weniger wichtig erachtet als seine Karriere bei Hofe. Gendahar würde Moritatio in Punin die Leviten lesen! | |||
Für den Streitziger bedeutete es vor allem eines: Er konnte Richeza, die noch immer sehr angeschlagen war, nicht verlassen, jetzt, wo sogar Moritatio sie im Stich gelassen hatte. Er würde noch ein, zwei Wochen auf dem Castillo da Vanya bleiben müssen... in der Nähe Richezas, was wahrlich kein großes Opfer war. Natürlich gab sie mit keinem Wort, mit keiner Geste zu verstehen, dass sie Wert auf seine Anwesenheit legte. Doch er kannte sie und ihren Stolz mittlerweile gut genug. Der Umstand, dass ihn nicht fortschickte und stillschweigend seine Unterstützung akzeptierte, war das Meiste, was von ihr zu erwarten war... | |||
Und zur Hochzeit des Kaisers hätte er es sowieso nicht mehr rechtzeitig geschafft. Am Morgen des 6. Rondra, dem Tag der Vermählung, stellte Gendahar sich lebhaft das Gesicht seines Vaters, des Grafen, vor, als er feststellte, dass sein jüngster Sohn diesmal nicht wie sonst so oft im letzten Moment am verabredeten Ort erscheinen würde. Er würde ihn sicherlich mit Vorwürfen überhäufen, aber das war nun nicht mehr zu ändern. Der hingegen Kaiser würde sein Fehlen hoffentlich gar nicht bemerken, so geistesabwesend und entrückt er in letzter Zeit schien. | |||
Anstatt Hal II. beim Traviaschwur zuzuschauen, machte Gendahar sich also auf, das Dorf in Augenschein zu nehmen. Sein Ross fand er nach mehreren Stunden der Suche auf einer nahegelegenen Weide. Er war froh, denn er hatte Gefallen an dem stolzen Vierbeiner gefunden. „Du bist zu schlau und zu schnell für die tumben Oger, nicht wahr?“, raunte er in das aufmerksame Ohr des Reittieres, während er es hinter eben jenem kraulte und ihm eine der Rüben hinhielt, die zu diesem Zweck in der Burgküche eingesteckt hatte. „Außerdem nennt man sie ja Menschen- und nicht Pferdefresser“, versuchte er sich an einem Scherz. Zum Glück hörte ihn nur das Pferd. | |||
Die nächsten Tage versuchte er, die Burg so gut als möglich und die Soldaten auf Vordermann zu bringen. Täglich aß er mit Domna Richeza zu Abend und tauschte sich mit ihr darüber aus, was die nächsten Wochen und Monate bringen mochten. | |||
Zu seinem Leidwesen kamen sie sich kein bisschen näher. | |||
Dann aber ließ sich der Aufbruch nicht weiter verschieben. Soweit es in seiner Macht stand, hatte er die Dinge auf dem Castillo geordnet. Am Morgen des 10. Rondra wünschte er Richeza alles Gute und machte sich auf den Weg. | |||
Er brauchte den gesamten Vormittag, um die Elentinische Ebene zu überqueren. Der Ritt stellte sich als schwierig heraus, da der Boden allerlei Fallstricke und Löcher für einen unbedachten Reiter bereit hielt. Obwohl er sich sputete und Pferd und Reiter ausgeruht waren, dämmerte es bereits, als | |||
er endlich die Straße nach Schrotenstein erreichte. Auf der Straße würde er auch im Dunkeln reiten können, aber im wäre wohler, wenn er die Burg vor der Dunkelheit erreichen würde. | |||
Er ritt so zügig wie möglich zur Straße hinab. Er beschloss, den Weg durch das niedrige Gestrüpp abzukürzen, als plötzlich sein Pferd scheute. „Brrr, mein Junge, was hast du denn? Ich will doch nur diesen kleinen Hang hinab. Da unten ist der Weg eben und einfach...“ | |||
Doch das Pferd ließ sich nicht beruhigen. Irgendetwas in dem Gebüsch vor ihnen verdarb ihm die Lust, in die von seinem Reiter gewiesene Richtung zu laufen. Vielleicht eine Schlange? Doch dann roch Gendahar den strengen Geruch, der aus dem Gestrüpp drang. | |||
„Irgendein Aas“, murmelte der Streitziger angewidert. „Kein Wunder, dass deine feine Nase uns nicht will, dass wir da lang reiten.“ Achselzuckend riss er die Zügel an und führte sein Pferd in einem großen Bogen um das Strauchwerk herum, hinunter auf die Straße. Hätte er genauer geschaut oder wäre es nicht so dunkel gewesen, hätte er vielleicht den Leichnam entdeckt, der, in den Wappenrock des Hauses da Vanya gehüllt, bereits zu verwesen begonnen hatte... | |||
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