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(Steves Beitrag - übrigens: ein Sayad Zhul, viele Sayadim Zhul) |
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Dulcinea spuckte ihm ins Gesicht und trat mit den Füßen nach dem Alten. "Hau ab! Finger weg!", rief sie. "Vater, tut doch was!" | Dulcinea spuckte ihm ins Gesicht und trat mit den Füßen nach dem Alten. "Hau ab! Finger weg!", rief sie. "Vater, tut doch was!" | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
"Ist das deine Art, einen alten Freund Willkommen zu heißen, alter Halunke!", zischte Ordonyo dem spindeldürren Greis zu und verzog das Gesicht, um zu zeigen, wie sehr ihm seine enggeschnürten Fesseln in die Handgelenke schnitten. | |||
"Ich habe mein Wort gehalten, Ghazal! Nun zeig', ob du Ehre hast und halte auch deins! Dieses Weib dort ist meine Tochter, also lasst eure gierigen Finger von ihr - sie ist ''nicht'' für euch bestimmt! Das, wonach du verlangst, ist in der Kiste dort drüben auf dem ''Lamah''! Diese [[Schädelpauke des Kanishkar|Totenschädel-Trommel]] deines Freundes Kanishkar samt ihrem widerlichen Schlägel!" | |||
Kaum hatte er den Namen Kanishkar ausgesprochen, traten die beiden jungen Wilden, die ihn gerade noch festgehalten hatten, erschrocken zwei Schritte zurück und musterten ihn mit offenstehendem Mund und weitaufgerissenen Augen, als ob ihnen irgendetwas Angst eingejagt hätte. | |||
Ghazal iban Muyanshîr zischte ihnen etwas im unverständlichen Kauderwelsch der Blutsäufer zu, worauf sie kleinlaut nickten und Ordonyo die Fesseln lösten - sie hielten ihn jedoch dafür nun beide an den Armen fest. Der Alte humpelte, auf einen bizarren Stecken gestützt, an dem allerlei Tierknochen baumelten, zu dem ''Lamah'' hinüber, das zunächst Anstalten machte, ihn zu beißen. Der Schamane aber redete in einem fremden Singsang auf das Tier ein und legte ihm zwei Finger der rechten Hand unterhalb der Augen auf die Nüstern. Sofort stand das Lamah brav und still wie ein wohlerzogenes Lämmchen. | |||
Der Nuranshâr versuchte, die schwere Holzkiste aus eigener Kraft vom Rücken des Tieres herunterzuheben. Als er aber merkte, dass dies seine Kräfte übersteigen würde, nickte er Shachzar, dem jungen ''Sayad Zhul'' zu, der Dulcinea gefangen hatte. Dieser kam sofort zu ihm herüber und hob die Kiste so leicht vom Lamahrücken herunter, als enthielte sie nur Federn. Er stellte sie auf dem nackten Felsboden ab und frug den Schamanen etwas in der Zunge der Bâni Khadr. Als dieser daraufhin einen Schnalzlaut mit der Zunge von sich gab, was offenbar so viel wie Zustimmung bedeutete, zog Shachzar sein mächtiges Steinbeil aus seinem Rückengurt und ließ es auf das zwergische Vorhängeschloss niedersausen, das Ordonyo eigens in Ragath zum sicheren Verschließen der Kiste für teures Geld erworben hatte. | |||
Shachzar schlug den Deckel der Kiste auf und trat sichtlich überrascht einen Schritt zurück, als ihm aus der Kiste die leeren Augenhöhlen mehrerer Totenschädel entgegen starrten. Ghazal kicherte über seine Reaktion. Vier der Totenschädel waren, je einer auf jeder Seite, offenbar als reine Verzierung an den Rand der großen Kriegstrommel oder -pauke genagelt, die sich im Inneren der Kiste befand. Das Trommelfell des Instruments schimmerte zartrosa wie Menschenhaut - wie die Haut von Mittelländern. Erschrocken hatte den hünenhaften ''Sayad Zhul'' aber wohl vor allem der Trommelschlägel, der - abgesehen von einem runenverzierten hölzernen Griff - zum Großteil aus einem weiteren Totenschädel bestand. Allerdings aus einem Schädel, der doppelt und dreimal so groß wie der eines Menschen war und dessen völlig intakte Zahnreihen mit Reißzähnen von der Länge eines Stiletts aufwarteten. | |||
"Wie du es verlangt hast", rief Ordonyo di Alina dem alten Schamanen nun wieder deutlich selbstbewusster zu. "Die ''Schädelpauke des Kanishkar'', die euch eure Feinde einst aus eurem Lager gestohlen haben! Nun habt ihr sie zurück - also haltet auch ihr euer Wort!" | |||
Fasziniert starrte der junge ''Sayad Zhul'' auf das schamanistische Relikt von Kanishkar dem Weissager, der den [[Bâni Khadr]] und ihren Blutfeinden, den [[Bân Gassarâh]], gleichermaßen als eine Art Heiliger galt. Kurzentschlossen nahm er den bizarren Schlägel und ließ ihn zweimal dumpf auf das Trommelfell knallen, ehe Ghazal ihn daran hindern konnte. Der tiefe sonore Donnerhall der Kriegstrommel war so laut und ging so durch und durch, noch verstärkt durch Dutzende Echos, die von den umliegenden Gebirgswänden widerhallten, dass Ordonyo, Dulcinea und Pachotto - aber offensichtlich auch die Ferkinas - glaubten, ihnen würde der Schädel davon zerspringen. Der Schall war fraglos meilenweit, vielleicht im halben Raschtulswall und ganz sicher bis auf Reichsgebiet zu hören. | |||
Ghazal fluchte etwas Unverständliches und riss die Arme mit seinem sonderbaren Stecken hoch zum Himmel. Sofort und unvermittelt schoss eine kräftige Windböe über das Plateau, die die drei Almadanis von den Beinen riss, den Übeltäter Shachzar aber fünf Schritte rückwärts, bis an den Rand des Plateaus wehte, wo er sich gerade noch festhalten konnte, ehe er in die gähnende Tiefe stürzte. Ghazal iban Muyanshîr schimpfte nun wie ein Rohrspatz auf ihn ein, ehe er sich bückte und behutsam den Trommelschlägel aufhob. | |||
"War klug nicht von dumme Shachzar!", wandte er sich schließlich fast ein wenig entschuldigend an Ordonyo. "Jetzt Menschefresser gelockt bevor ihr weg und bevor bereit ich!" | |||
"Was soll das heißen?", schluckte Ordonyo. "Du meinst, nur wegen dieser zwei Schläge sind sie schon unterwegs hierher? Sie sollen den Mistkerl fressen, der meinen Besitz niedergebrannt hat. Nicht mich, meine Tochter oder dich!" | |||
Ghazal kicherte erneut wie ein Irrer und rollte dabei wild mit den Augen. Auf einen Wink von ihm hin, ließen die beiden jungen Ferkinas Ordonyo los, der sich sogleich vorsichtig bückte, um auch Dulcineas und Pachottos Fesseln zu lösen. Tatsächlich hinderte ihn niemand daran. | |||
"Hör zu!", führte ''die Elster'' weiter aus: "Mein Feind hält sich mit seinen Kriegern vermutlich in dem Steinlager auf, das wir in unserer Sprache Grezzano nennen. Es kann aber auch sein, dass er sich hier in euren Bergen herumtreibt. Ist es sicher, dass das funktioniert? Ich meine, dass nur so ein bisschen - zugegebenermaßen sehr, sehr lautes - Getrommel wahrhaftig Oger anlockt? Das Ganze erscheint mir doch ein bisschen ... ähm, sagen wir mal, schwer zu verstehen ..." | |||
"Nix verstehen, wirst sehen!", zischte Ghazal, offenbar ein wenig beleidigt zurück. Wagte es dieser Blutlose, der von Glück reden konnte, dass er ihn bislang immer lebend und vollständig davonkommen hatte lassen, allen Ernstes, seine Zauberkraft infrage zu stellen? "Ihr jetzt geht!", befahl er ihnen, womit er zu deren Erleichterung auch Dulcinea und Pachotto miteinzuschließen schien. | |||
"Ghazal bereit muss sein, wenn große Fettglänzer kommen!" Er deutete in die Richtung, aus der man die drei Mittelländer herangeführt hatte. Ordonyo nickte verstehend und zog sich unter einer angedeuteten Verbeugung zurück. Kurz dachte er daran, das Lamah mit ihrem Proviant und sonstigen Besitztümern einzufordern, aber die grimmigen Blicke der Ferkinas verrieten ihm, dass es besser war, ohne weitere Verhandlungen so schnell wie möglich das Weite zu suchen ... | |||
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