Chronik.Ereignis1044 Dubiose Hochzeit 14
Junkergut Tyras, kurz vor der Reichsstraße II, 1. Rahja 1044 BF[Quelltext bearbeiten]
Eine unerwartete Begegnung in finsterer Nacht[Quelltext bearbeiten]
Autor: Der Sinnreiche Junker
Die Kolonne kam in der Dunkelheit nur langsam voran. Erwartungsgemäß, wollte man doch vermeiden, dass sich die Rösser die Beine brachen, wenngleich die von den Reisigen mitgeführten Fackeln zumindest einige wenige Schritt um die Träger herum leidlich ausleuchteten. Aber mehr als einen allenfalls beschleunigten Schritt ließen die Umstände so nicht zu, sodass die Reisegesellschaft noch nicht einmal wieder die Reichsstraße II erreicht hatte. Immerhin waren sie vollzählig, hatte man es doch der Caballera von Mithras und Dom Lerondo von Kornhammer nebst Gemahlin selbst überlassen, ob sie sich dem plötzlichen Aufbruch anschließen wollten. Doch beide hatten sofort begriffen, dass etwas nicht stimmen konnte, als Elea und Hernán von Aranjuez, Romina von Ehrenstein-Streitzig und Bohemund vom Berg-Sturmfels diskret ein Mitglied der Reisegruppe nach dem anderen ansprachen und informierten. Derweil hatten die Bediensteten und Reisigen das Lager abgebrochen, die Pferde gesattelt und die Kutschen vorgespannt, sodass es am Ende, wie vom Baron und Junker prophezeit, kein Wassermaß gedauert hatte, bis sich der Zug gen Quaranca bewegte.
Insbesondere die zweite, ursprünglich leere Reisekutsche hatte sich als wertvoll erwiesen, hatten doch einige Mitglieder der Reisegruppe zu fortgeschrittener Stunde wie zu befürchten stand zu tief in den Weinkelch geschaut, um noch im Sattel sitzen zu können. Und auch etliche Gäste, die aufgesessen waren, schienen nicht unbedingt in allerbester Verfassung. Auch das hatte ein schärferes Tempo verboten, sollten sich doch nicht nur nicht die Rösser die Beine brechen, sondern auch die Reiter nicht ihre Hälse. Als nachteilig an den Fackeln erwies sich freilich, dass man wirklich nur innerhalb deren Lichtkreise etwas erkennen konnte, darüber hinaus aber blind war. Entsprechend hatte der Reiterzug nicht die Bewegungen rechts und links und vor sich auf der Straße wahrgenommen, ehe es schließlich laut aus der Dunkelheit schallte: „Halt! Anhalten!“ Sofort wurden in dem Zug Klingen gezogen als man aus der Dunkelheit solchermaßen aufgefordert wurde. Geräusche, die um sie herum wiederhallten, als auch die nächtlichen Wegelagerer ihrerseits zu den Waffen griffen. „Wer ruft da?“, bellte Bohemund vom Berg-Sturmfels zurück und die kriegserfahrenen Reiter ließen ihre Rösser die Abstände vergrößern. „Wer wagt es den Töchtern Graf Brandils zu solcher Stunde frech den Weg zu verlegen?“ Einige Augenblicke breitete sich nervöse Stille über die Szenerie, sah man vom unruhigen Tänzeln und Schnauben der Rosse ab und dem charakteristischen Klirren und Klappern von gezogenen Waffen ab. Angestrengt blinzelten die Reisenden in die Dunkelheit, doch konnten ihre an den Fackelschein gewöhnten Augen allenfalls hier und da mal eine schemenhafte Bewegung feststellen.
„Hernán?“, erklang es schließlich aus der Dunkelheit. Der Condottiere hatte die Stimme erkannt und trieb sein Ross nach vorne, blanken Stahl in der Rechten: „Rafik? Was bei allen Niederhöllen…“ Humpelnd trat der lahme Advocatus auf seinen Vetter und in den Lichtschein der nächsten Fackel zu. „Welch eine Überraschung“, grinste Rafik von Aranjuez schief und legte Dom Hernáns Ross beruhigend die behandschuhte Hand auf den Hals. Während sich die Unruhe bei den anderen Reisenden tatsächlich auflöste, da man nun wusste wer einem den nächtlichen Weg verlegte, verdüsterte sich die Miene des Barons und Junkers mehr und mehr, als er erkannte, dass um sie herum seine eigenen Mercenarios an sie herantraten. Mercenarios die er eigentlich in Unterfels wähnte. „Was bei allen Niederhöllen treibt Ihr hier, Rafik?“, wiederholte er gefährlich langsam, während dessen Grinsen nur mehr ein nervöses Lächeln war. Er winkte einer Gestalt hinter sich, die nun ebenfalls ins Fackellicht trat und sich als Frau in den Farben der Beilunker Reiter entpuppte. Der Centenario griff in ihre Depeschentasche und reichte seinem Vetter eines der darin verstauten Papiere herauf. Dieser schob sein Schwert zurück in die Scheide und kniff im Zwielicht die Augen zusammen, um die Zeilen zu überfliegen.
Ein Flugblatt in der Aufmachung des Yaquirblicks, welches dem Leser verkündete, dass Seine Durchlaucht, Gwain von Harmamund, ermordet worden war und es in der Capitale zu blutigen Kämpfen gekommen und die Lage ungeklärt und unübersichtlich sei. „Was ist das?“, wandte sich Hernán von Aranjuez scharf an seinen Anverwandten und hob das Flugblatt in die Höhe. Eine Fälschung natürlich, denn entspräche das Geschriebene den Tatsachen, so wäre Dom Rafiks Begrüßung gewisslich ganz anders ausgefallen. Dieser verscheuchte die offensichtlich nur verkleidete Beilunkerin mit einem Wink, sodass sie sich mit gesenkten Stimmen halbwegs ungehört unterhalten konnten: „Als ich die Gästeliste der Hochzeit gesehen habe, war mir klar, dass es eine gute Gelegenheit wäre, um unsere Freunde von unseren Feinden zu trennen. Das…“, er nickte in Richtung des noch immer von Dom Hernán erhobenen Flugblattes „…sollte Letztere aus der Reserve locken.“
Der Condottiere überlegte kurz und nickte dann verstehend. Ein Umsturz in Punin, der Tod seines fürstlichen Vertrauten…in der weinseligen Stimmung eines großen Festes und im Vertrauen darauf nicht alleine zu sein, mochte das durchaus geeignet sein manchen geheimen Empörer dazu verleiten sich zu offenbaren. Und für diesen Fall hatte Rafik von Aranjuez dann scheinbar das halbe Viejo de Ragatia aus Unterfels mitgebracht. Weitere Überlegungen wurden unterbrochen, als sich hinten aus der Kutsche Rahjada von Ehrenstein-Streitzig aus dem Fenster lehnte und gleichermaßen gähnend verärgert rief: „Was ist denn da vorne los? Wann geht es endlich weiter?“ Offenbar hatte sich auch nach hinten herum gesprochen, dass keine Gefahr bestand. Da verstand Hernán von Aranjuez. „Seht wen wir bei nächtlicher Wanderung getroffen haben, Geliebte. S’ist Vetter Rafik, den wir alle in Unterfels wähnten…“, spöttelte er nach hinten über die Schulter um sich dann wieder, kühler, an den Genannten zu wenden: „Ich nehme an, dass Ihr Euch des alten Schmierfinken in einem seiner wenigen nüchternen Momente bedient habt?" Rafik von Aranjuez nickte, sodass Dom Hernán fortfuhr: "Und ich nehme ebenfalls an, dass meine teure Gemahlin auf Euch zugekommen ist…?“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern: „Sie hat Euch nichts gesagt, da sie meinte, dass Ihr missbilligen würdet, dass wir Dom Gwain…“ Wiederum wurde er scharf unterbrochen: „Meine Gemahlin kennt mich zu gut. Und auch Ihr solltet mich besser kennen, Dom Rafik.“ Manch einer hätte es womöglich übelgenommen, nicht ins Vertrauen gezogen, ja, in gewisser Weise gar als Köder benutzt worden zu sein. Hernán von Aranjuez aber schien vor allem darüber verärgert, dass sie den Namen und vermeintlichen Tod seines fürstlichen Freundes für ihre Farce missbraucht hatten.
Dennoch wagte sich Rafik von Aranjuez noch einmal vor: „Die Gelegenheit ist günstig. Wir können sie noch immer nutzen“, erklärte er vorsichtig. Der Blick des Condottieres schweifte von seinem Ross aus über die Szenerie und dann wieder zurück nach unten zum Advocatus: „Ich nehme an, dass Ihr dafür Sorge getragen habt, dass alle Straßen und Wege um Tyras herum unter unserer Kontrolle sind?“ Ein Grinsen breitete sich in den Zügen des Advocatus aus, als er die Annahme mit einem Nicken bestätigte. „Ihr müsst nur den Bef…“, doch wurde er abermals grob unterbrochen: „Dann seht verdammt noch mal zu, dass unsere, dass meine ...Leute bis zum Morgengrauen wieder verschwunden sind. Ihr habt noch eine lange Nacht vor Euch, Vetter, also: ans Werk.“ Damit warf Hernán von Aranjuez ihm sein gefälschtes Flugblatt vor die Füße und trieb sein Ross an dem verdutzten Advocatus vorbei. Er ließ den Zeigefinger der über sein Haupt erhobenen Rechten einige Male kreisen, den Reitern zu signalisieren: „Wir reiten weiter!“
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