Chronik.Ereignis1043 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1043 BF 17
Edlengut Selkethal, 21. Rahja 1043 BF[Quelltext bearbeiten]
Autor: Brachfelde
„Schau mal, wie wunderbar es hier ist! Sieh dir nur die Landschaft an?“, rief Yolanda von Brachfelde, die berühmte Weidener Bardin und Junkerin von Chircin, ihrem jungen Begleiter begeistert zu, als sie sich nach ihrer Ankunft in Selkethal umsahen. Nicht nur ihre Rösser waren froh, nach der langen Reise aus dem Herzogtum Weiden in die deutlich heißeren Gefilde Almadas so gut versorgt worden zu sein. Die beiden Reiter waren mit ihrem kleinen Gefolge schon so lange unterwegs gewesen, dass sie sich mit ihren Sätteln wie verwachsen fühlten.
„Ja, Mutter“, antwortete Artos von Brachfelde zu Chircin einsilbig, wie so oft auf der Reise, und blickte sich mit leicht säuerlicher Miene um. Mit seinen verträumten, graublauen Augen, den wippenden, hellbraunen Haaren, der aufrechten, schwertkampfgeübten Statur und den hübschen Gesichtszügen, die er von seiner äußerst gutaussehenden Mutter geerbt hatte, war der Mittzwanziger ein echter Blickfang für das weibliche Geschlecht. So war es nicht verwunderlich, dass einige junge Hofdamen neugierig zu ihm herübersahen und kichernd tuschelten. Obwohl eine dunkelhaarige Schönheit ihm keck zulächelte, wandte er schnell den Blick ab und seufzte traurig.
‚So wird das nie was‘, stellte Yolanda für sich fest. Die Junkerin von Chircin aus der Baronie Brachfelde, südlich des Nebelmoors an den Ufern des Finsterbachs gelegen, hatte sich während der ganzen Reise in ihren Versuchen nicht beirren lassen, ihren Sohn immer wieder aufzumuntern und auf rahjagefällige Gedanken für das andere Geschlecht zu bringen. Es konnte doch nicht angehen, dass er immer noch Trübsal blies, noch dazu, wo sie sich mit ihrem Erstgeborenen früher immer wegen seiner geselligen, neugierigen und herzlichen Art so gut verstanden hatte. Seitdem er aber vor zwei Jahren von seinen abenteuerlichen Reisen durch Aventurien zurückgekehrt war und ihr Bruder, Baron Gamhain von Brachfelde, ihn als Dienstritter auf Feste Anbalsaith aufgenommen hatte, war alles anders. Schlechtgelaunt und freudlos ging er seinen Pflichten nach, was seiner Mutter, einer der wenigen Adligen in Weiden, die Rahja als Hauptgöttin verehrte, zunehmend widerstrebte.
Der Grund für seinen Herzschmerz war, dass Artos seine ehemalige Gefährtin nicht vergessen konnte oder wollte: die wundervolle Israine Treubmehr, eine tatendurstige Avesgeweihte aus Niriansee in Albernia. Nach seiner Schwertleite hatten sich die beiden Seelenverwandten zusammengetan, um die Welt zu bereisen. Aves‘ Pfade führte sie in alle Herren Länder, so dass er vieles über andere Kulturen lernen konnte und daher anderen Menschen sehr aufgeschlossen begegnete. Von Israines Leidenschaft für Pferde angesteckt, wurde Artos zu einem richtig guten Reiter. Auch wenn die Liebe der beiden sehr stürmisch war, hielt sie leider nicht stand. 1041 BF ließ Israine den jungen Ritter buchstäblich im Regen stehen und er kehrte mit gebrochenem Herz in seine Heimat zurück.
So kam es, dass Yolanda von Brachfelde zu Chircin die Einladung zum Selkethaler Pferderennen begeistert angenommen und alles daran gesetzt hatte, ihren Sohn zu einer Teilnahme zu überreden. Bei ihrem sehr heimatverbundenen Gemahl Accolon war daran ja nicht zu denken gewesen. Doch die zierliche Frau mit den langen, dunkelblonden, für die Reise kunstvoll zu einem Zopf gebundenen Haaren und den blitzenden graugrünen Augen war nicht nur äußerlich von Rahja verwöhnt und sah deutlich jünger aus als sie war. Auch in ihren Charakterzügen bewies die lebenslustige Bardin, dass sie eine glühende Anhängerin der Heiteren Göttin war. So liebte sie es, an Festen und Turnieren jeder Art teilzunehmen und andere mit ihrer besonderen Sangesgabe und ihrem Lautenspiel zu erfreuen.
Denn Yolanda galt auch über die Grenzen Weidens hinaus als eine brillante Sängerin. Sowohl an den Höfen Weidens als auch beim einfachen Volk war sie sehr beliebt und wurde bewundert für ihre wundervolle, samtig-warme, rauchige Stimme, die sie angeblich bei den Elfen nahe ihres Guts und sogar bei Feen geschult hatte. Auch hatte sie in dem Handelsstädtchen Balsaith, dem Hauptort der Baronie Brachfelde, den Sängerkreis „Feenklang“ gegründet, einen Zusammenschluss gleichgesinnter, fahrender Barden, deren Instrumentalmusik und Gesang offen für elfische Einflüsse war. Auch dass ihre Rotfuchs-Stute, ein Elenviner Vollblut, 'Iama' hieß, zeigte, dass sie sich dem Volk der Elfenvolk verbunden fühlte.
„Meinst du, dass dich hier jemand kennt?“, fragte Artos schließlich zweifelnd.
„Das ist doch nicht wichtig. Wir sind hier, um uns bei einem rahjagefälligen Rennen zu amüsieren und mit den Almadanern ein Fest zu feiern“ ‚…und für dich vielleicht eine neue Gefährtin zu finden‘, fügte sie in Gedanken hinzu. „Was für ein stolzes und temperamentvolles Volk!! Und stell dir vor, man sagt hier ‚Domnatella‘ statt ‚Hohe Dame‘!“
„Ja, Mutter…“, lautete die wenig begeisterte Antwort ihres Sohnes.
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