Chronik.Ereignis1043 Ein Almadaner im Kressenburger Neujahrsstechen 05
Kressenburg, 5. Praios 1043 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf Burg Kressenburg (später Vormittag)[Quelltext bearbeiten]
Autor: BBB
"Herr?“ Answin reichte Algerio von Culming, der überall in Kressenburg nur „der Almadaner“ genannt wurde, einen Krug mit Wasser. Der Caballero nahm ihn gedankenverloren entgegen und leerte ihn in einem Zug, ohne den Blick vom Boden zu heben.
„Hm…?“
„Herr, ich… ich weiß nicht so richtig, wie ich es sagen soll...“, druckste Answin herum.
„Nun komm schon, raus mit der Sprache. Hast du wieder einer Knappin der anderen Ritter nachgestellt und bist dabei erwischt worden?“
Was eigentlich als Scherz gemeint war, ließ den Pagen zunächst verschreckt aufblicken, dann beschämt zu Boden schauen. Algerio, durch diese Reaktion seines Schutzbefohlenen alarmiert, hob eine Augenbraue, doch Answin wiegelte kleinlaut ab. „Nein… ich meine ja, aber ich wurde nicht dabei erwischt. Und das ist es nicht“, sagte er, den Blick nicht vom Boden hebend.
„Ich war bei den Buchmachern“, brachte er schließlich hervor. „Und… naja, nachdem Euch Euer erster doch relativ knapper Sieg...“
Er brach mitten im Satz ab.
Algerio grinste amüsiert. Kaum jemand kannte ihn so gut, wie sein Page, aber manchmal war es doch überraschend, wie lange er sich an missverstandenen Scherzen aufhängen konnte.
„Du spielst nicht etwa darauf an, dass ich sagte, mein Sieg sei nicht… wie hatte ich es noch formuliert?“, spielte er den Ahnungslosen. „Deutlich?“
„Überzeugend!“, korrigierte ihn Answin sofort, und Algerio wusste, dass er auf der richtigen Fährte war. „...dass ich sagte, mein Sieg sei nicht überzeugend gewesen?“, beendete er seinen angefangenen Satz und konnte sich das Lachen kaum noch verkneifen.
Es war bereits mehr als ein Tag vergangen, seitdem Algerio mit einem Verweis auf den wirklich überzeugenden Sieg der Isolde von Immingen in der ersten Runde des Fußkampfes auf sein eigenes Alter angespielt hatte – übrigens eben jene Edle von Immingen, die Algerio selbst vor nur wenigen Augenblicken in der dritten Runde des Turniers zur Aufgabe gezwungen hatte. Und er selbst hatte diesen Scherz, denn nichts anderes war es gewesen, längst vergessen gehabt.
Nicht so sein Page.
„Dafür habt Ihr eben, im direkten Duell mit der Edlen von Immingen geradezu eindeutig gewonnen… mehr als überzeugend, ja eigentlich schon überragend!“, entgegnete Answin und merkte dabei nicht einmal, wie sehr er übertrieb. „Ihr habt nicht einen Gegentreffer einstecken müssen! Eure Gegnerin war von Anfang an in der Defensive, Ihr habt sie mit Eurem Ausfall überrascht, sie vor Euch hergetrieben, fast schon nach Belieben!“
Answin hatte die Platte mit Fleisch und Brot, die er seinem Herrn gerade hatte reichen wollen, beiseite gestellt, das Messer aber in der Hand behalten und stellte nun in einer Art Schattenkampf das Duell nach.
„Wie Ihr ihr keine Möglichkeit gegeben habt einen wirkungsvollen Gegenangriff zu starten. Oben, unten, links, rechts… sie wusste gar nicht, wie ihr geschah!“
Nun endlich platzte es aus Algerio heraus und der Ritter Almadas lachte aus vollster Brust.
„Answin, Answin… Genug. Es ist genug…“, versuchte Algerio seinen Pagen zu bremsen, aber dieser nahm gerade erst richtig Fahrt auf!
„Und Euer Duell gegen Kasimir von Kieselholm am gestrigen Nachmittag? Gut, er hat Euch zur Eröffnung des Kampfes einen harten Treffer vor die Brust gesetzt, das will ich ihm zugestehen. Da habt Ihr für einen Moment nicht gut ausgesehen, Herr!“, tadelte der Page seinen Ritter. „Aber dann, ja, dann habt Ihr Eure almadanischen Finten ausgepackt und ihn ein ums andere mal ins Leere laufen lassen! Ich glaube, die Hälfte Eurer Treffer hätte er nicht einmal verhindern können, wenn er sie hätte kommen sehen...“
Wieder stellte er den Kampf als Schattenspiel nach, wobei seine Imitationen der Finten arg ungelenk wirkten.
Dann hielt er plötzlich inne. „Wie wollt Ihr eigentlich mit Eurem nächsten Gegner verfahren?“, fragte Answin.
„Was meinst du?“
„Naja, in der ersten Runde habt ihr plötzlich mit Links angegriffen und Euren Gegner so überrumpelt. In der zweiten Runde habt Ihr Finten eingesetzt und in der dritten erstmalig einen Ausfall genutzt. Was kommt jetzt?“
Algerio überlegte einen Moment. „Eine gute Frage… ich weiß es nicht“, sagte er dann und zuckte mit den Schultern. „Das Arsenal meines Kampfstils ist im Wesentlichen erschöpft.“
„Unsinn!“, echauffierte sich Answin. „Ihr müsst doch noch einen Bolzen im Köcher haben… lasst mich nachdenken, vielleicht kann ich Euch helfen.“
Er überlegte angestrengt.
„Gern, lass hören“, amüsierte sich Algerio und lehnte sich zurück. Dass ihm sein Page nun Ratschläge für ein Duell geben wollte, war eine neue Entwicklung, derer er nur zu gern Zeuge wurde.
„Hm, Euer nächster Gegner ist der Nordmärker Zwerg, Antharax, Sohn des Angrox, richtig?“
„Richtig.“
„Zwerge sind langsam und haben keine große Reichweite. Das sollte Euch doch entgegenkommen!“
„Oh, unterschätze niemals die Schnelligkeit der Angroschim, junger Page!“, wies Algerio den Jungen zurecht. „Ich bin überzeugt, nach allem was ich von Antharax gesehen habe, das wird mein bisher härtester Kampf – in mehr als einer Hinsicht.“
Answin verstand kein Wort. „Wie meint Ihr das, Herr? In mehr als einer Hinsicht“, wiederholte er.
„Nun, zum einen ist er wirklich sehr geschickt mit seinem Runenschwert, und weiß es mit hoher Präzision und Kraft einzusetzen. Seinen mächtigen Angriffen zu entgehen wird die eine Herausforderung.
Und zum anderen…
Nun, Kressenburg hat eine große Gemeinde Angroschim, und jeden Sieg der ihren haben die Zwerge hier bisher ausgiebig mit Ferdoker Starkbier gefeiert… unserem Ferdoker Starkbier!“
Er ließ die Worte einen Moment lang wirken, dann fügte er das offensichtliche hinzu: „Den größten Teil unserer Einnahmen hier verdanken wir der Trinkfestigkeit und der Feierlaune der Zwerge – und damit auch ein Stück weit dem Erfolg von Antharax. Wenn ich das Duell heute Nachmittag also gewinne… falls ich gewinne… dann ist das zwar gut für meinen Ruf als Fußkämpfer, aber schlecht fürs Geschäft.“
Diesmal war es Answin, der lauthals lachte. „Herr, Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass Ihr überlegt den Zwerg gewinnen zu lassen, nur damit die Geschäfte besser laufen?!“
„Das nicht“, entgegnete Algerio, und stimmte ins Lachen mit ein, „wenn er gewinnen sollte, dann redlich und absolut verdient. Ich werde es ihm nicht leicht machen. Aber...“, und er hob mahnend die Stimme, „ich kann auch nicht umhin, dass mir die negativen Folgen eines eventuellen Sieges im Hinterkopf herumschwirren…“
Answin lachte noch immer und es dauerte eine Weile, bis sich die beiden wieder beruhigt hatten.
„Wenn das so ist, dann seid unbesorgt Herr“, fuhr Answin schließlich fort, sichtlich außer Atem. „Ich an Eurer Stelle würde einfach zu den hiesigen Buchmachern gehen und eine größere Summe auf Euren Sieg wetten. Wenn Ihr das gut kalkuliert, macht Ihr Gewinn, so oder so.“
Algerio war überrascht – und brach erneut in Gelächter aus. Was für eine geniale Idee! Dass er da nicht selbst drauf gekommen war… Hatte der Junge tatsächlich schon so viel von ihm gelernt – auch im geschäftlichen Bereich?
Er nickte und klopfte Answin anerkennend auf die Schulter. „Ein guter Plan, Answin. Ein guter Plan. So machen wir es. Dafür hast du dir einen Zuckerkuchen verdient!“ Er warf dem Pagen ein paar Heller zu und dieser Fing sie mit einer Hand. „Lass uns nur hoffen, dass sie uns eine gute Quote bieten, damit sich ein eventueller Sieg auch wirklich lohnt.“
Er stand auf und Answin tat es ihm gleich, offenbar um sich wieder seinen Aufgaben zu widmen. Doch im Gehen wandte er sich noch einmal zu seinem Herrn um: „Achja, diesbezüglich… ähm… Wie schon gesagt, ich war gerade bei den Buchmachern und… naja, sagen wir so, Ihr könnt ganz unbesorgt sein. Ihr seid sowieso nicht der Favorit gegen den Zwerg!“
Damit verschwand der Page um die Ecke und ließ seinen Herrn ein weiteres mal lachend zurück.
|