Chronik.Ereignis1041 Das Kaiserturnier 03
Reichsstadt Gareth, 2. Praios 1041 BF[Quelltext bearbeiten]
Der Turnierplatz vor der Alten Residenz[Quelltext bearbeiten]
Autor: Iseweine
Was für ein Auflauf! Der schwarze Baron ließ sein Streitross, einen muskulösen Teshkaler, in versammeltem Schritt an der Schilderwand der Trutzer vorbeischreiten. Der silberne, durch einen Schrägrechtsbalken geteilte aufsteigende Rabe war der einzige helle Fleck auf der ansonsten in schwarz gehaltenen Ausrüstung des Mannes, eine Farbwahl, die sich auf der Decke seines Streitrosses fortsetzte.
Viele bekannte Wappenschilde. Einige unbekannte. Ein großer Veränderer waren Krieg und Zeit gleichermaßen, löschten die alten Geschlechter aus und trugen neue zu Amt und Würden. Manche blieben.
Lucrann von Rabenstein musterte die Schilde, führte seine Lanze zuerst in Richtung der schwarzen Pfähle auf goldenem Grund. Ein Grund, hier zu sein. Doch nicht jetzt.
Ohne den Schild zu berühren ließ er den Rappen einige Schritt weiter gehen und führte seine Lanze mit einer genau bemessenen Bewegung an das Wappen, das den silbernen Rabenschnabel auf Schwarz zeigte. Der neue Herr von Dubios, Nachfolger im Amt und Kriegsgegner der ehemaligen Baronin. Die wiederum eine Verwandte seiner eigenen Gemahlin war und damit zur Familie gehörte. Dies war ein Gegner, den zu fordern sich lohnte. Mit einem hellen Klingen traf die Lanzenspitze auf den schwarz-silbernen Schild.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Lucrann von Rabenstein also, Baron der gleichnamigen Baronie. Das Wappen seines Herausforderers war dem in Fragen der Heraldik recht bewanderten Herrn von Dubios durchaus geläufig. Die genaue Verwandtschaftsbeziehung zu dem geheimnisvollen Phexhilfer Baronskomtur Isonzo von Rabenstein mochte ihm freilich nicht einfallen. Und so ging Hernán von Aranjuez davon aus, dass die Forderung des Rabensteiners im Wesentlichen darauf beruhte, gegen einen Landsmann seines almadanischen Verwandten in die Schranken reiten zu wollen.
Der Baron und Junker schien mit seinem Gegner durchaus zufrieden. Immerhin bestand hier auch die Gefahr, dass einen irgendein durch asfalothische Wirren hochgespülter Krämer zu fordern wagte.
Und so nahm er mit schwungvoller Geste den schwarzen Caldabreser vom Haupt, und führte ihn mit elegantem Bogen auf die linke Seite seiner Brustplatte, um sodann andeutungsweise das Haupt mit leicht nach links gedrehtem Kinn vor dem gleichermaßen das Schwarz seines Wappens zur Schau tragenden Nordmärker zu neigen.
"Euer Hochgeboren", ließ er knapp aber höflich vernehmen, um dann nicht minder schwungvoll den Caldabreser mit nun wippender Reiherfeder wieder auf den schwarzen Locken zu platzieren. Gewisslich würde es seiner Gemahlin gefallen, wenn er einen Vasallen ihres herzoglichen Schwagers aus dem Sattel stieße. Doch davor hatte Frau Rondra noch den Lanzengang gesetzt.
Autor: Iseweine
Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten und die Schatten wurden länger. Lucrann von Rabenstein lenkte Hagen, seinen Teshkaler Rappen vor die Kaisertribüne, der ihn in den vergangenen zwölf Götterläufen schon zu manchem Turnier begleitete (und damit deutlich länger überlebt hatte als eines seiner Streitrösser, die ihn in die Unternehmungen der letzten Jahrzehnte getragen hatten). Er senkte grüßend die Lanze vor der Kaisertrübine und erwies seinem Gegner die Referenz.
Einen Ruf als kampfkräftiger Recke hatte der aktuelle Baron von Dubios, und der Rabensteiner war neugierig, wie sich dies auf der Tjostbahn zeigen würde. Er hatte manchen Almadaner getroffen, der ihm mit Rapier und Linkhand ein nahezu ebenbürtiger Gegner war, und auch die Reitkunst in den Landen südlich am Yaquir wurde in ähnlich hohen Ehren gehalten wie im Elenviner Land. Doch für Tjoster waren es zumeist andere Provinzen, welche die Krone für sich beanspruchten. Gleichwohl - die nächsten Augenblicke würden die Entscheidung bringen.
Schlicht war die geschwärzte Rüstung des Barons mit dem festen Gestechhelm, und der einzige Farbflecken darauf war sein Wappenrock, den er darüber gegürtet hielt. Der Rabensteiner hatte auf sämtlichen Prunk verzichtet, dafür aber war seine unverzierte Rüstung aus stabilem Zwergenstahl. Mit Flitterwerk allein hatte noch niemand ein Turnier gewonnen - ungleich wichtiger waren Rüstung, Roß - und in letzter Konsequenz Reiter.
Das Signal für den Lanzengang erscholl und der wuchtigte Teshkaler sprang auf das kaum merkliche Signal seines Reiters in vollen Galopp. Die Sicht durch den Topfhelm war minimal, und das genaue Platzieren von Lanze und Schild ein jedes Mal ein Spiel aus gutem Abschätzen der Aktionen des Gegners und viel Erfahrung.
Mit einem Schrammen fanden die Lanzen die gegnerischen Schilde und glitten harmlos zur Seite ab. Wie auch der Rabensteiner hatte der Dubianer bei einem unbekannten Gegner die Deckung nicht dem Zufall überlassen. Beide wendeten - und erneut trafen die Lanzen beider die Schilde. Mit einer winzigen Neigung des Turnierschildes glitt die gegnerische Lanze vom aufsteigenden Raben des Isenhagers ab, doch auch der Dubianer hatte alles in seine Verteidigung gelegt. Wieder brach keine der Lanzen.
Der Rabensteiner spürte, wie ihm der Schweiß unter dem Helm über Gesicht lief. Praios meinte es an diesem Tage deutlich zu gut mit den Streitern. Die andere Alternative, dass die Jahre langsam doch an ihm nagten, wies er von sich. Weit. Wieder ritten die Gegner an - und wieder hielt die Deckung bei beiden. Doch dieses Mal war der Schild des Rabensteiners eine Winzigkeit besser platziert, sein Treffer einen Hauch besser - und so entschied die einzige, gebrochene Lanze in diesem Turnier den Lanzengang für ihn.
Erstaunlich - kein Fußkampf dieses Mal? Der Rabensteiner parierte sein Roß durch und dankte dem Herrn von Aranjuez für den guten Kampf. "Ich hoffe, wir treffen uns einmal auf der Tjostbahn wieder, Hochgeboren. Ich stehe Euch gerne für eine Revanche zur Verfügung!"
Autor: Der Sinnreiche Junker
"...gegen Hernán Eslam von Aranjuez, Baron von Dubios und Junker von Aranjuez.", trug die Stimme des Herolds weithin hörbar über den Platz. Und unter den höflichen Applaus mischten sich hörbare Buhrufe, als der Almadaner auf der Turnierbahn erschien.
Das freilich war zu erwarten gewesen, nachdem der schwarze Junker seinerzeit unter der Fahne Answin von Rabenmunds in Gareth eingerückt war. Anzures Ballan, Vertrauter des Barons aus Kindertagen und Mann fürs Grobe, hatte noch vorgeschlagen seine Beziehungen zu Alonso Ragather, dem Sohn des Magnaten spielen zu lassen, um einige lautstarke Unterstützer an die Bahn zu bekommen. Doch der Baron und Junker verachtete diesen hochgekommenen Pöbel, der sich untereinander mit Caballero und gar Magnat titulierte, nur weil sie hier fern der Heimat niemand für derlei Anmaßung zur Rechenschaft zog.
"Ein Schwein bleibt ein Schwein, Anzures", hatte er abgewunken. "Selbst mit einem Caldabreser auf dem Haupte." Damit war das Thema erledigt gewesen.
Ohnehin schienen den Ragatier die Missfallensbekundungen kaum zu stören. Im Gegenteil: nach dem eher pflichtschuldig zu nennenden Gruß vor der Kaiserin und der Ehrenbezeugung vor seinem Gegner, ritt er die Ehrenloge entlang, wo seine Gemahlin Rahjada von Ehrenstein-Streitzig unter dem Raunen der Sitznachbarn irgendwoher ein seidenes Strumpfband gezaubert hatte, welches sie ihm um den rechten Oberarm band. Kurz hob er den Arm, um das Band an seinem Arm mit den Lippen zu streifen, dann sprengte er davon.
Jedoch nicht direkt zu seinem Ende der Turnierbahn, sondern mit einem großzügigen Umweg zu den Rängen der garether Bürgerschaft, wo er sein Pferd - ebenso aufreizend wie ungewöhnlich für ein Schlachtross, wohl eine Einkreuzung aus den bei den Ragather Schlachtreitern gebräuchlichen Trallopern und den kräftigen Tulamiden der Kataphraktenreiterei des Kalifats, denn seine Yaquirtaler mit fremden Blut zu kreuzen, ist dem Almadaner verpönt - im Almadanischen Schritt an den Schreihälsen entlang paradieren ließ, und den einen oder anderen empörten Blick aus dunklen Augen erwiderte.
Dabei bot er, obgleich sein nordmärkischer Gegner dieselben Farben führte, ein recht gegenteiliges Bild. Schon die schwarze Schabracke seines Grauschimmels schien silberdurchwirkt zu sein, am Zaumzeug klingelten silberne Medaillons oder Münzen, wenngleich manch feines Ohr den feinen Klang aneinanderschlagender Silbertaler vermissen mochte. An der gleichermaßen geschwärzten Rüstung war nicht nur der Rabenschnabel silbern in die Brustplatte ziseliert, sondern jedes Scharnier und jeder Verschluss, jede Schnalle und jede Öse schien silbern zu blitzen und aus seinem Helm spross ein beinahe halbschritt langer, reinweißer Federbusch, passend zur um die Leibesmitte geschlungenen Schärpe.
"Heja!", drückte er seinem Tier schließlich die Sporen in die Flanken, und preschte endlich zu seinem Ende der Bahn. Dort angekommen hob er wie zur Entschuldigung für dieses Schauspiel noch einmal die Lanze in Richtung Lucrann von Rabensteins. Mit derselben Bewegung schloss er beim Herunternehmen des Armes endlich sein Visier, und das Ross stemmte die Hinterhufe in den Boden der Turnierbahn, als er ihm abermals die Sporen gab.
Als die ersten beiden Lanzengänge gegen seinen Gegner keine Entscheidung gebracht hatten, schien Hernán von Aranjuez an seinem Ende der Schranken einen Moment lang inne zu halten. Nicht nur ritt sein nordmärkischer Kontrahent beinahe so gut wie ein Almadaner, schlimmer noch, er hatte bei beiden Anritten nicht die kleinste Lücke in seiner Deckung gezeigt. Womöglich wurde ihm hier zum Nachteil, dass es in Almada mit dem Ragather Grafenturnier nur ein Gestech von überregionaler Bedeutung gab, und wo erfahrene Recken aus nördlichen Gefilden instinktiv eine Entscheidung getroffen hätten, wog der Condottiere einen Moment zu lange ab: sollte er alles auf eine Karte setzen, um die schier unüberwindliche Deckung des Rabensteiners doch zu durchstoßen? Oder sollte er sich auf seine eigene Verteidigung konzentrieren, um die Entscheidung im Fußkampf zu suchen, wo ihm sein weniger an Jahren und vielleicht auch die überreiche Schlachtfelderfahrung zum Vorteile gereichen mochten?
Bevor er diese Frage für sich beantwortet hatte, war Lucrann von Rabenstein schon wieder in die Schranken geprescht, sodass ihm nichts anderes übrig blieb als ebenfalls anzureiten. Womöglich fehlte dadurch seinem Ross die letzte Beschleunigung und seinem Stoß somit ein Quäntchen Durchschlagskraft, womöglich mangelte es durch die zu lange Überlegung vorher an der allerletzten Konzentration, sodass sein dritter Stoß sein schwächster wurde und einmal mehr an der formidablen Verteidigung des schwarzen Barons abglitt. Dieser wiederum hatte sich seinen besten seiner drei hervorragenden Stöße bis zum Schluss aufgehoben, und es sah nur für einen Wimpernschlag so aus, als würde auch sein Angriff an der kaum schlechteren Deckung des Dubianers abgleiten. Denn dann brach die Lanze des Nordmärkers doch noch, und der unter dem Visier blecherner Fluch des Unterlegenen ging im Jubel des Publikums unter.
Gewisslich hielt es die große Mehrheit der Anwesenden spätestens nach der Einführung des Aranjuezers mit Lucrann von Rabenstein. Als sich die beiden Streiter aber wieder begegneten, applaudierte auch so mancher beiden Kontrahenten für einen Durchgang auf höchstem Niveau, dem Besten des ersten Tages. "Meinen Glückwunsch, Hochgeboren, ein trefflicher Tjost", nickte Hernán von Aranjuez dem Sieger zu, nachdem er sein Visier geöffnet hatte und die gepanzerte rechte Faust auf die Brustplatte gelegt hatte. "Auf Euer Angebot will ich bei nächster Gelegenheit gerne zurück kommen. Einstweilen jedoch mögen die Götter Euch auch weiterhin so gewogen sein wie heut'."
Ein letzter Gruß in Richtung der Kaiserin, und dann lenkten die beiden Barone ihre Rösser von der Bahn. Der Almadaner, dem die schwarzen Locken schweißfeucht an Stirn und Schläfe klebten, tauschte am Rande Helm gegen Caldabreser und ließ sich einen Weinkelch füllen. Immerhin folgte nun der Höhepunkt des ersten Tages, als sein herzoglicher Schwippschwager gegen den hoch gehandelten Blauenburger in die Schranken ritt.
Autor: Iseweine
Der Rabensteiner ließ sein Tier am langen Zügel an den Rand der Tjostbahn schreiten. Das gut abgerichtete Tier reagierte auf jeden Schenkeldruck und hielt auf eine minimale Gewichtsverlagerung an. Er nahm sich den Helm vom Kopf und strich sich über sein fingerlanges schwarzes Haar, dass ihm schweissfeucht am Kopf klebte. Nicht, dass die aktuelle Haarlänge seine Idee gewesen war - aber die Auswirkungen einer durchau feurigen Unternehmung auf dem Feldzug wider den schwarzen Marschall war.
Er klopfte dem schweren Tier den inzwischen nassen Hals. So kurz die Anritte zur Tjoste waren, so anstrengend waren sie für das Tier. Er für seinen Teil hegte keinen Intentionen, mit einem Rosspanzer und in voller Gestechrüstung den Rücken eines Vollblüters zu brechen konnte, erschloß sich ihm nicht. Mochten sie es tun, wenn ihnen danach war. Zumindest sein heutiger Tjostgegner hatte zwar eine wilde Kreuzung verschiedenster Rassen unter den Sattel, aber immerhin ein Tier mit einem hohen Kaltblutanteil gewählt - eine Rücksicht, der sich längst nicht viele der Mitstreiter angeschlossen hatten.
Mit einigem Interesse wandte der alte Baron sich wieder der Tjostbahn zu, auf der sich sein übergeordneter Lehnsherrn einem der ältesten und besten Tjoster des Reiches stellte. Nun - ein junger Heißsporn war sicher auch der Blauenburger einmal gewesen. Vor vielen Jahren.
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