Chronik.Ereignis1036 Wider die Taifas - Epilog I
Baronie Brindâl, im Winter 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Der Yaquir vor Dâl[Quelltext bearbeiten]
Autoren: Der Sinnreiche Junker von Aranjuez
„Der Nafiref muss ein rechter Tropf sein, dass er sich diese Mauern im ersten Sturm hat nehmen lassen“, schüttelte Anzures Ballan das Haupt, als die Barkasse die rußgeschwärzten Mauern von Dâl passierte. Die San Caralus, eine Flussgaleere der Reichsstadt Punin, hatte sie bis kurz vor die gerade eroberte Stadt gebracht, dann aber ein gutes Stück vor dem Hafen Anker geworfen. Denn genau genommen war die Stadt nur teilweise erobert worden und der Kapitän, Amando Valbassi, mochte den Nachrichten vom Dâler Patt nicht recht trauen, sodass er lieber mehrere Onagerschussweiten Sicherheitsabstand hielt. Entsprechend weit war der Weg für die Ruderer, wenngleich der Bug der Barkasse Onkelchen Yaquirs sanfte Wellen mit der Strömung im Rücken zügig durchschnitt. Hernán von Aranjuez war geneigt dem wenig schmeichelhaften Urteil seines Vertrauten zuzustimmen. Wenngleich dies in gleichem Maße auf dessen Widersacherin, Gerone vom Berg, zutreffen musste, die offenbar einfach zum direkten Sturmangriff geblasen hatte. Und prompt war ihr auf halbem Wege die Puste ausgegangen. Oder besser: das Blut. Schmerzliche Erinnerungen stiegen in ihm auf, an die Schlacht von Morte Folnor. Als Shahane Al'Kasim das almadanische Heer ähnlich kopflos in die Piekengevierte der Horaslegion geführt hatte. Auch sie stümperte noch irgendwo in der Südpforte herum.
Die Eroberung von Dâl – oder zumindest eines Teils – war dabei reichlich wertlos. Denn der Alcazar beherrschte den Hafen und das eine wie das andere beherrschte noch immer Chabun ben Nafiref. Und ohne Hafen war Dâl eher Klotz am Bein als Trumpfkarte bei der weiteren Befriedung der Südpforte, musste doch nicht nur Nachschub und Verstärkungen aus Punin und Ragath bereits in Brig-Lo angelandet werden, sondern darüber hinaus auch die Bevölkerung der eroberten Stadt umständlich von dort versorgt werden. Gleichzeitig hatten die Novadis nicht nur weiterhin einen Brückenkopf auf dem rechten Yaquirufer, sondern es war damit auch ein Leichtes den Yaquir zu sperren. Sofern Kalif und Emir es darauf anlegten. Für den Moment zwar sicherte die Vereinbarung den weiteren Feldzug dahingehend ab, dass man im Rücken Ruhe hatte. Jedoch nur solange der Bey sich an die Vereinbarung hielt, dass seine Streiter die Stadt nicht verlassen durften. Nichts hielt ihn davon ab weitere Verstärkungen über den Fluss zu holen und zu gegebener Zeit ein im Norden oder Westen von Dâl operierendes Heer von der Versorgung abzuschneiden. Doch derlei Gedanken behielt er für sich, geziemte es sich doch nicht die frischgebackene Marschallin Almadas vor Gemeinen in Frage zu stellen. Doch war es kaum verwunderlich, dass die Niederwerfung der Taifados nur langsam voran ging. „Es heißt, der Novadi sei auf einem Ohre taub. Womöglich hat er Domna Gerones Heer nicht kommen hören“, scherzte er stattdessen und Matrosen und Mercenarios quittierten mit Gelächter.
Zweifellos hielt sich der Baron und Junker für den geeigneteren Kandidaten die Wehr Almadas anzuführen. Und wusste gleichzeitig, dass er mit seiner answinistischen Vergangenheit kein Kandidat auf ein solches Amt sein konnte. Nicht ohne wiederum die Autorität Fürst Gwains zu untergraben, dem man nachsagen würde, dass er einen seiner alten Spießgesellen aus Verrätertagen bedacht hätte. Umgekehrt hatte sein Fürst nicht von ihm verlangt – ja, nicht einmal: erbeten – unter einer geringeren Befehlshaberin zu dienen. Und da kein Heerbann ausgerufen worden war, war Hernán von Aranjuez auch nicht verpflichtet gewesen Domna Gerone in die Südpforte zu folgen. Sondern verdiente sich vielmehr stattdessen weiterhin eine goldene Nase, indem er sich und seine Leute auf der anderen Seite der Gugella den Horasiern im Rahmen einer ganz ähnlichen Campanya verdingte. Nun aber, als der Krieg während der Tristeza beidseits der Grenze eine kurze Atempause nahm, hatte sein ehemaliger Vorgesetzter ihn doch nach Dâl entsandt, waren doch grausige Gerüchte bis in die Residencia gedrungen. Von in ihren Häusern verbrannten Bewohnern, von geschlachteten Gefangenen war die Rede, von hingemetzelten Kindern und Alten, Einzelheiten einer Orkenrede machten die Runde. Und ihm war die wenig dankbare Aufgabe übertragen worden seinem Fürsten diesbezüglich Bericht zu erstatten. Nicht, dass sie als alte Soldaten nicht mit den Gräueln des Krieges vertraut waren. Aber in Dâl schienen sie über die Maßen eskaliert zu sein. Dergestalt, dass es schließlich die Heere selbst waren, welche ihre Anführer gezwungen hatten sich zu verständigen. Ein höchst schimpflicher Vorgang, für jeden, der gedachte Soldaten im Feld zu kommandieren.
Vor ihrer Ankunft in Dâl allerdings hatten sie zuvor in Weinbergen Station gemacht, um Zwiesprache mit Shahîm Al'Shirasgan zu halten. Der Baron von Khabosa hatte sich freilich erst nach der ‚Eroberung‘ der Stadt der Campanya angeschlossen, ehe er nun, während des kurzen Winters, ebenfalls seine Streiter zurück ins Yaquirtal geführt hatte. Das grimmige Schweigen des Aramyas war indes Antwort genug auf Dom Hernáns Fragen gewesen, sodass sie nur kurz seine großzügige Gastfreundschaft genossen hatten. Die Ruderer steuerten noch vor der Fährinsel gen Ufer. Nachdem der Waffenstillstand Chabun ben Nafiref alle Inseln zugebilligt hatte, blieb nur ein schmaler Uferstreifen im Osten der Stadt um anzulanden. Ein schmaler Uferstreifen ohne Anleger. „Ich weiß gar nicht, was wir hier sollen“, maulte passend zur Aussicht auf nasse Stiefel Cusimo Cosseira, einer seiner Mercenarios. „Womöglich ist das der Grund, weswegen Seine Durchlaucht nicht Euch mit dieser Aufgabe betraut hat, Cosseira. Aber seid versichert, ich werde Fürst Gwain Eure Bedenken bei nächster Gelegenheit vortragen.“ Abermals brandete Gelächter auf, derweil der Angesprochene das Gesicht verzog. Schließlich hoben die Matrosen die Ruder und einige sprangen ins hüfthohe Wasser, um die Barkasse weiter an den Strand zu ziehen. Als dieses noch etwas mehr als knietief war, hatte der Bug Grundberührung, sodass notgedrungen auch Hernán von Aranjuez und seine Leute den Rest bis zum Ufer waten mussten.
„Nein, wirklich, capitán“, war es hinter ihm wieder Cusimo Cosseira, der nicht gedachte mit seinem Unverständnis hinter dem Berg zu halten. „Dann haben sie halt ein Wickelköpfe umgelegt, die sich ergeben wollten. Wen interessiert’s?“ Der Landsknecht übersah den missbilligenden Blick, den ihm Hernán von Aranjuez über die Schulter zuwarf: „Zivilisten sind zu schonen, kapitulierenden Kriegern ist Pardon zu gewähren. Wir sind keine verdammten Wilden.“ Es war nicht so, dass seine Mercenarios nicht ebenfalls in den vergangenen Jahren genug Verheerungen im Yaquirbruch angerichtet hätten. Es war die Notwendigkeit insbesondere des Söldnerkrieges, dass die umherziehenden Tercios sich aus dem Land versorgten. Aber es wurden keine mutwilligen Massaker angerichtet. Platschend stapften sie weiter und der horasische Söldner schien nicht daran zu denken das Thema ruhen zu lassen. „Ist ja nicht so, als gäbe es nicht genug von diesen Sandfressern. Man sollte allen Beteiligten einen Orden an die Brust heften. Das wohl.“ Der Condottiere aber schnaubte. „Wir mehren Almadas, des Fürsten, unsere Ehre nicht nur durch unsere Siege, sondern auch durch die Art und Weise wie wir sie erringen.“ Der Mann aber schüttelte den Kopf. „Mir ist das einerlei. Als Mercenario kommt man nur durch Erfolge weiter. Und wenn dafür ein paar Heiden über die Klinge springen müssen, sei’s drum.“ – „Als Mercenario kommt Ihr nur durch meine Gunst weiter, Cosseira“, entgegnete ihm der Condottiere mit gefährlichem Unterton. Umsonst. „Also wenn so ein Hundesohn vor mir kniet und bettelnd die Hände hebt, dann danke ich den Göttern für die geringe Mühe und steche ihn direkt ab“, lachte der Horasier arglos und imitierte hämisch die Geste eines sich Ergebenden mit erhobenen Händen.
Der Faustschlag seines Dienstherrn streckte ihn nieder, als dieser sich unvermittelt umgewandt hatte und dem Landsknecht in der gleichen fließenden Bewegung direkt die im nietenbesetzten Handschuh steckende Faust mitten ins Antlitz hieb. Platschend fiel der der Länge nach rückwärts ins seichte Wasser und noch ehe er sich aufrichten konnte, um benommen nach seinem gebrochenen Jochbein zu tasten, war Hernán von Aranjuez auch schon über ihm und drückte ihn wieder unter Wasser. Cusimo Cosseira ruderte mit den Armen, doch der Baron und Junker setzte ihm das Knie auf die Brust und drückte ihn mit seinem ganzen Gewicht nieder. Prustend und Wasser und Blut hustend kam der Söldner schließlich wieder nach oben, als Hernán von Aranjuez von ihm abließ. „Tut was Ihr nicht lassen könnt, Cosseira. Aber nimmermehr tut Ihr’s in meinen Diensten.“ Damit riss er ihm die purpurne Schärpe vom Oberkörper, Erkennungszeichen seines Tercios. „Zahl das Schwein aus, Anzures.“ Dieser nestelte in seiner Geldkatze und warf dem noch immer nach Atem Ringenden einige Münzen vor die Füße, derweil die übrigen Mercenarios ihrem Condottiere folgten. Die Letzte in der Reihe gab dem nun auf allen Vieren im seichten Wasser nach den Münzen tastenden Narren noch einen verächtlichen Wischer auf den Hinterkopf. "Trottel."
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