Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 02

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Kaiserlich Selaque, 29. Firun 1036 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Castillo da Vanya im Vanyadâl, abends[Quelltext bearbeiten]


Autor: Lindholz

Die wenigen Habseligkeiten, die Amaros mit sich gebracht hatte, waren schnell verstaut gewesen, als er seinen treuen Azucar auf das Castillo da Vanya geführt hatte. Nachdem er Domna Rifada für die angebotene Gastfreundschaft gedankt und Ihr nochmals versichert hatte, dass nichts seiner Schwester und ihm ferner läge, als dem Ansehen des Hauses da Vanya Schaden zuzufügen, hatte er die Wachkammer am Torhaus aufgesucht. Tizino hatte irritiert gewirkt, als er von einem Gast angesprochen worden war, den er, zumindest seiner Meinung nach, gar nicht eingelassen hatte. Dennoch hatte er es nicht gewagt, sich mit einer entsprechenden Frage an den Adpetus zu wenden, ja, er hatte nicht einmal die übermittelten Anweisungen seiner Herrin infrage gestellt.

Nun gönnte sich der junge Yaquirtaler Adlige in der ihm zur Verfügung gestellten Kammer ein wenig Zeit zum Nachdenken. Der Raum war, auch wenn die Einrichtung eher einfacher Natur war, geräumig, sauber und bot einen guten Blick auf den Burghof. Amaros hatte es sich am Fenster bequem gemacht und grübelte, was die beiden Domnas wohl zu bereden hatten. Seine Wissbegier hätte gerne eine Antwort erhalten, doch fiel ihm keine Möglichkeit ein, ihr diese Befriedigung zu gewähren. Als er ein Klopfen an der Tür vernahm, war er daher geradezu dankbar, aus seinen kreisenden Gedanken gerissen zu werden.

Auf dem Gang stand eine propere Magd mit fettiger, rotfleckiger Haut, Spitznase und auffallend dunkelbraunen Augen, die artig knickste, bevor sie ihr Anliegen vortrug: "Ihre Wohlgeboren, Domna Belisetha Graciosa Richeza da Vanya y Jurios von Wildenfest, lässt fragen, ob der Gelehrte Herr Ihr vielleicht bei Wein und einem leichten Abendmahl Gesellschaft leisten wollen, wenn's dem Gelehrten Herr gefällt."

Da er noch nichts zu sich genommen hatte, fiel Amaros von Lindholz die Entscheidung nicht schwer und er nahm die Einladung an. Während er der Hausangestellten durch das Castillo folgte, versuchte er sich an das zu erinnern, was er über Belisetha da Vanya wusste. Leider war es nicht sonderlich viel. Er hatte sich über Dom Amando informiert, nachdem er erfahren hatte, dass dieser in jungen Jahren einen Prozess gegen ein Mitglied der Beni Nasreddini geführt hatte. Über Domna Rifada wusste er nur, was er auf seiner Reise durch das kaiserliche Eigengut erfahren hatte. Er war sich sicher, dass auch der Name Belisetha da Vanya eine bedeutendere Rolle in der Familia spielte; doch wer war sie? Vielleicht eine Schwester oder Cousine Domna Rifadas oder Dom Amandos. Oder hatte Domna Rifada nicht eine Tochter?

Als Belisetha da Vanya y Jurios von Wildenfest ihn in ihren Gemächern an einer für zwei Personen üppig gedeckten Tafel empfing, konnte er die meisten Theorien schnell verwerfen. Zweifellos war die kleine, gichtgeplagte Edeldame eher in Dom Amandos Alter.

Im weiteren Verlauf, stellte sie sich dennoch als sehr angenehme Gesprächspartnerin heraus, deren Geist durch die Jahre im besten Sinne gereift und nicht im Geringsten getrübt war. Nicht nur, dass sie ihn überaus freundlich empfing und sich für etwaiges schlechtes Benehmen ihrer Verwandtschaft ungefragt entschuldigte, auch erklärte sie ihm mit gutmütigem Augenzwinkern, dass sie selbst nicht unglücklich darüber sei, einmal beredtere Gesellschaft genießen zu dürfen als die Hausherrin. Höflich fragte sie, ob er nach dem berüchtigten Puniner Ratsfürsten benannt worden sei und sprach ihm ihr Beileid für seinen seligen Großvater aus, der während der Herrschaft des Mondenkaisers ein so grausames Ende gefunden hatte. Weiter erkundigte sie sich nach der Lage in Artésa mit erstaunlichem politischen Wissen, auch wenn sie der Vorstellung, dass er und andere von edlem Blut sich dort ein Gremium gleichberechtigt mit gewöhnlichen Bürgerlichen teilten, wenig abgewinnen konnte.

Schließlich fragte Amaros von Lindholz auch bei der Junkerin von Wildenfest nach Dom Amandos Aufenthaltsort.

"Ich befürchte, mein lieber Bruder befindet sich derzeit nicht in unserer schönen Heimat, Dom Amaros, und seinem letzten Brief entnahm ich, dass seine Pflichten ihn noch längere Zeit im Norden festhalten werden", teilte Domna Belisetha ihm mit.

"Ich verstehe. Wie bedauerlich: Es wäre eine große Ehre gewesen, hätte sich für mich die Gelegenheit ergeben, eine so bedeutende Persönlichkeit kennenzulernen", erwiderte er und offenbar war es ihm nicht gelungen, die Enttäuschung vor dem aufmerksamen Blick der alten Dame zu verbergen.

"Hattet Ihr ein bestimmtes Anliegen, welches Ihr mit Seiner Eminenz, zu besprechen gedachtet?"

Nach kurzem Zögern berichtete der Lindholzer daraufhin von den Beni Nasreddini. "Laut den Aufzeichnungen im Tempel des Götterfürsten zu Dalias, kam es jedoch zu keiner Verurteilung wegen der götterlästerlichen Taten, die jenem Mann zum Vorwurf gemacht wurden. Jedoch sind die Schriften dort sehr knapp gehalten und ich wollte mich bei Dom Amando erkundigen, ob er vielleicht eigene Niederschriften verfasst hat oder sich gar an jenen Prozess noch zu erinnern vermag."

"Beides würde meinem Bruder durchaus ähnlich sehen, doch kann ich mir kaum vorstellen, dass ein solcher Fall, der Jahrzehnte zurückliegt und den die Inqusition selbst verworfen hat, sich dazu eignet, die Beni Nasreddini in Verruf zu bringen", gab Domna Belisetha zu bedenken.

Die Alte ist gerissen, dachte Amaros bei sich, schenkte der Junkerin von Wildenfest jedoch lediglich ein argloses Lächeln als Antwort, woraufhin diese fortfuhr: "Allerdings steht es meiner Meinung nach jedem zu, die Wahrheit zu erfahren, wenn es ihn danach verlangt. Und nichts als die Wahrheit werdet Ihr von Seiner Eminenz erfahren. Sei es nun durch gesprochenes oder geschriebenes Wort."

Hoffnungsvoll zog der blonde Adept der Arkanen Künste die Augenbrauen hoch, und tatsächlich erwies sich die vom Alter gebeugte Edeldame als entgegenkommender als ihre jüngere Verwandtschaft: "Gerne werde ich meinen Bruder über Euren Wunsch in Kenntnis setzen. Alles Weitere mag er entscheiden."

"Ich danke Euch, Domna Belisetha! Ihr seid zu freundlich."

Diese schenkte ihm daraufhin ein gönnerhaftes Lächeln und wiegelte mit einer Geste der gichtigen rechten Hand ab: "Jedoch muss ich Euch gleich sagen: Sollten besagte Aufzeichnungen im Castillo da Vanya verwahrt gewesen sein, so befinden sie sich inzwischen im Besitz der Reichsvogtin in Selaque; wenn auch widerrechtlich. Die Reichsvogtin hat nicht nur den Besitzstand meiner Familia geschmälert, sondern vor drei Jahren auch jegliche Kirchenbücher und Korrespondenz meines Bruders an sich gebracht, die noch auf da Vanya verwahrt wurde."

Amaros von Lindholz hob erneut, dieses Mal fragend, die Augenbrauen, doch die alte Junkerin schien nicht geneigt, weiter von diesem Vorfall zu berichten. Stattdessen sah sie ihn lächelnd über den Rand ihres Weinpokals hin an und fragte: "Wenn Ihr auf der Suche nach Dom Amando seid, weshalb habt Ihr Euch dann ins Vanyadâl begeben, in dem er nur selten anwesend ist, und nicht etwa nach Ragath? Was sonst führt Euch hierher?"

"Ich tat meiner Schwester den Gefallen, Domna Richeza ein Schreiben auszuhändigen", antwortete der junge Mann frei heraus.

"Ein Schreiben, welches man keinem Botenreiter anvertrauen kann?" Domna Belisetha kniff die Augen zusammen, als könnte ihr so geschärfter Blick in seinen Kopf hineinsehen, dann verzogen sich Ihre Lippen zu einem süffisanten Schmunzeln. "Hoho, wie delikat."

"Da könntet Ihr Recht haben, verehrte Domna Belisetha. Doch wäre es dann nicht umso verwerflicher, wenn ich auch nur ein weiteres Wort darüber verlieren würde?", erwiderte Dom Amaros, was die Junkerin von Wildenfest mit einem künstlich überhöhten Ausdruck der Enttäuschung quittierte. Der junge Adlige setzte ein schelmisches Grinsen auf und pflückte sich eine der wenigen Trauben, die den Abend bis hierhin überstanden hatte: "In Ausnahmefällen pflege ich jedoch Geheimnisse gegen andere Geheimnisse preiszugeben."