Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 40

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Schwarze Magie, Schwarze Drachen und Schwarzer Lotos

Wie Maestra Lariana die Vergangenheit des Taubentals heraufbeschwor und damit Dom Remigius hinters blaue Licht führte. Wie zwei tapfere Koscher Ritter in die Tiefen des Eisenwalds vordrangen, um im Vorgarten eines Drachen ein Blümelein zu pflücken.


Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf der Escarrabrücke (1. Efferdstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: vivar

Fast so schnell wie bei Tageslicht waren die beiden Koscher Ritter und die Magierin, der gleißenden Leuchtkugel zum Dank, zum wiederholten Male in diesen Tagen ins bewaldete Tal der Escarra gelangt. Kurz vor Erreichen der Brücke – oder dem wenigen, was laut Halmdahl von Sindelsaum davon übrig war – ließ Maestra Lariana das Licht verlöschen. Als sich ihre Augen wieder an die Nacht gewöhnt hatten, trieben die drei ihre Rösser im Schritt weiter voran.

Alsbald sahen sie vor sich am Flussufer Fackeln – gut über zwei Dutzend – und hörten das gleichmäßige Tok-Tok von Metall auf Holz. Remigius von Alstingen schien in Windeseile die Escarrabrücke wieder herzustellen. Auch auf der diesseitigen Brückenseite hatte er einen oder zwei Wachtposten aufgestellt, während eine große Zahl seiner Knechte am jenseitigen Ufer Bäume fällte oder zurechthieb. Raue Befehle, die zur Eile antrieben, übertönten gar das Rauschen des Gebirgsbaches.

Die Magierin zügelte ihr Pferd. „Meine Herren“, raunte sie, „die Abzweigung nach Trajalés – wo der Schwarze Lotos wächst, nein, wo mit viel Glück und Göttergnade der Schwarze Lotos wachsen könnte – liegt direkt an der Brücke. Der Weg führt rechterhand die Escarra hinauf und ist im Übrigen ziemlich übel. Was tun wir?“


Autor: RobanGrobhand

„Wir müssen also an dieser Brückenbaustelle vorbei, und das nach Möglichkeit, ohne bemerkt zu werden. Keine leichte Aufgabe bei dieser Festbeleuchtung, erst recht nicht mit den Pferden.“

Rodgrimm biss sich nachdenklich auf die Lippen. Die Tiere zurückzulassen war keine Option, denn dann würden sie noch mehr Zeit verlieren als ohnehin schon. Und mit den Pferden war es nahezu unmöglich, außerhalb des Lichtscheins der Fackeln die Wegkreuzung zu passieren.

„Vielleicht könnten wir einfach mit ordentlich Tempo durchbrechen“, überlegte er laut. „Im gestreckten Galopp müssten wir den beleuchteten Bereich relativ rasch passieren können, zumindest zu schnell, als dass eventuelle Schützen uns aufs Korn nehmen können. Bleibt die Frage des Rückweges...“

Er gab einen unwilligen Laut von sich. Ob es einen anderen Weg zurückgab, wusste er nicht, und bis zu ihrer Rückkehr konnte die Brücke bereits fertig und eventuelle Häscher bereits auf dieser Seite des Baches auf sie warten.


Autor: vivar

Die Maga blickte zweifelnd drein. „Dom Halmdahl ist gut gepanzert, und ich bin klein und dünn. Ihr jedoch, Dom Rodgrimmo, setztet Euch da einem gehörigen Risiko aus, wenn der Alstinger Schützen bei sich führte. Wie wäre es mit einer Ablenkung – einer magischen Ablenkung?“


Autor: RobanGrobhand

Rodgrimm gab einen gequälten Laut von sich. Mochten die Bedenken der Maga auch zutreffend sein, ihm genügte schon der Weg in dem eiskalten Zauberlicht, um seinen Bedarf an Magie für die nächsten Wochen zu decken. Andererseits – verglichen mit einem Pfeil oder Bolzen zwischen den Schulterblättern war eine erneute Zauberei vermutlich erträglicher und weniger lebensbedrohlich. Hoffte er jedenfalls.

„Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, Magistra – aber Euch schwebt doch hoffentlich keine schwarzmagische ‚Ablenkung‘ vor, welche die Leute an der Brücke in Stein, Mäuse oder gar noch Schlimmeres verwandelt, sie vernichtet, verbrennt oder zu Asche zerfallen lässt?“


Autor: vivar

„Wo denkt Ihr hin, lieber Dom Rodgrimmo? Mir schwebt – ja, schweben ist ein guter Begriff – nichts dergleichen vor. Vielmehr etwas phantasmagorisches Licht- und Farbenspiel, hier und dort vielleicht ein paar ungewohnte Töne, um die braven Arbeiter aufzuschrecken und in ihrer Sicherheit zu verwirren. Gerne auch schwebend.“


Autor: sindelsaum

Halmdahl knurrte unwillig. „Ich schätze Eure Zunft nicht sehr, doch hier kann sie uns von Nutzen sein. Grobhand, ich würde Euch ungern tot auf dem Waldboden liegen sehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich diese Gefühle für Euch hege, Magisterin, doch wäre es schade, alleine reiten zu müssen, nur weil mich meine Rüstung vor einem allzu schnellen Tod bewahrt hat. Darum würde ich Euch bitten, Eure Magie anzuwenden.“


Autor: vivar

Lariana Lampérez sagte dazu nichts weiter, und es war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, wie sie über die Worte des Koschers dachte. Stattdessen hob sie ihren Spazierstock mit dem polierten Silberknauf in die Höhe und begann damit, unsichtbare Linien, Kreise und Punkte in die Luft zu zeichnen. Es wirkte, als dirigiere sie ein geisterhaftes Orchester und weise jedem seinen Platz zu. Als sie geendet hatte, geschah erst einmal nichts.

Auf einige geflüsterte Worte von ihren Lippen hin jedoch, begann die Luft über der zerstörten Brücke zu flimmern. Die Partikel verdichteten sich in etwa drei Schritt Höhe zu einer bläulich wabernden Kugel. Während die Kugel noch Arme und Beine, einen Kopf und andere menschliche Extremitäten ausbildete, stürzte bereits die erste Arbeiterin an der Brücke mit einem entsetzten Aufschrei ins Wasser. Die Gestalt wurde konkreter und war schließlich von allen Seiten als eine äußerst beleibte Frau in einem ausladenden blauen Abendkleid zu erkennen. Dem Anschein nach vom Wind, in Wahrheit aber von Geisterhand bewegt, flatterte der spitzenbesetzte Rocksaum um ihre säulengleichen Beine. Das Haar der Frau war kastanienbraun und mit silbernen Nadeln und Spangen zu einem kunstvollen Gebilde aufgetürmt, das sie noch größer machte. Unwirkliches Licht von bläulicher Farbe umspielte sie.

Remiiiigius!“, heulte die Gestalt. „Remiiiigiuuuus!“ Dazu breitete sie die mächtigen Arme aus. „Kehre um! Bruder, kehre um!“

Von jenseits der Escarra konnten die drei Wartenden eine Stimme vernehmen, die sie alle kannten. Tiefe Verunsicherung schwang in der Antwort des Remigius von Alstingen mit: „Schwes… ge-geliebte Schwester! Was…? Buriana! Ich… ich bin gekommen, dich zu rächen! Unsere Baronie zurückzuholen von den Vivar! Warum sollte ich umkehren?“

Die geisterhafte Buriana, einst Baronin im Taubental, hatte darauf keine Antwort, sondern wiederholte lediglich armschwenkend ihre heulende Warnung: „Remiiigiuuuus! Remiiiiiigiuuuus! Kehre um! Bruhuhuder, kehre um!“

„Los jetzt, schnell!“, flüsterte Maestra Lariana. „Viel mehr kann meine Buriana nicht. Bis sie das merken, sollten wir an ihnen vorbei sein!“ Ohne auf die beiden Ritter zu warten, drückte sie ihrem Pferdchen die Fersen in die Flanken und preschte los.


Autor: RobanGrobhand

Rodgrimm ging es kaum besser als den Arbeitern an der Brücke. Wie eine Kuh beim Donnerschlag starrte er die Erscheinung an, bis der Sindelsaumer ihm einen Stoß gab.

„Los, Grobhand, tummelt Euch, oder wollt Ihr hier Wurzeln schlagen?“

Die harschen Worte brachten den Ritter in die Wirklichkeit zurück, und er beeilte sich, auf sein Pferd zu springen und hinter den anderen die Wegkreuzung zu passieren. Das ängstliche Geschrei an der Brücke ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass im Moment niemand auf die im Halbdunkel davon preschenden Reiter achtete, zumal die meisten Fackelträger längst das Weite gesucht hatten.

Mitten im Galopp kam ihm der absurde Gedanke an seinen Vetter Roban, der im tristen Moorbrück ein noch tristeres Dasein fristete. Der hatte auch manch Schauergeschichte von Zauberei aus dem besetzten Tobrien erzählt. Und mit seinem miesen Benehmen wäre er wohl ein heißer Anwärter auf den besten Freund dieses ungehobelten Halmdahl! Rodgrimm musste bei dem Gedanken grinsen und wäre beinahe mit einem tief hängenden Ast zusammen gestoßen. Die Blätter streiften schmerzhaft seinen Nacken und erinnerten ihn daran, dass er seine Gedanken besser auf das Hier und Jetzt richten sollte, statt sie in die Ferne schweifen zu lassen.


Autor: vivar

Maestra Lariana hatte Recht gehabt. Der Uferweg entlang der Escarra war in der Tat miserabel. Schlamm und Steine von unten und herabhängende Zweige von oben bremsten ihren Galopp schnell ab. Hinter sich hörten die drei das schwächer werdende „Remiiiigiuuuus! Remiiigiuuuus!“ der von der Zauberin auf magische Weise von ihrer Totenruhe erweckten Baronin Buriana von Alstingen.

Nach Erreichen einer Biegung entzündete Lariana Lampérez mit einem Fingerschnippen erneut ihr magisches Licht. Ihr weißbläulich erleuchtetes Antlitz zeigte Spuren von kindlicher Freude über den gelungenen Schabernack und sie forschte in den Gesichtern der beiden Koscher, ob diese ihre Freude teilten. Davon war jedoch nichts zu bemerken. Enttäuscht setzte sie ihr Pferd wieder in Bewegung.

Ein mühsamer Ritt, bei dem des Sindelsaumers Pferd einmal den Tritt verlor und beinahe mitsamt seinem Reiter in die Escarra gestürzt wäre, schloss sich an. Rechterhand zog sich dichter Zedern- und Kiefernwald die steilen Hänge des Drachentals hoch. Hin und wieder streckte ein Eichenriese seine knorrigen Äste daraus hervor. Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis sie den Weiler Trajalés erreicht hatten. Seine Bruchsteinhäuser und Holzhütten kauerten sich im Talgrund dicht aneinander, als fürchteten sie die Abhänge der Berge. Die einzelnen Gehöfte waren auf geschickte Weise durch Mauern miteinander verbunden, so dass äußere Feinde es schwer hatten, ins Herz der Ansiedlung vorzudringen – Feinde, die nicht fliegen konnten, wohlgemerkt, was in einer Gegend mit dem Namen Drachental durchaus der Erwähnung wert war.

Als die drei Reiter sich von Süden näherten, schlug ein Hund an. Kurz darauf war ein ganzes Dutzend in sein Heulen eingefallen. „Es ist wohl sinnlos, unsere Ankunft verbergen zu wollen“, bemerkte Halmdahl von Sindelsaum bissig.

„Und wohl auch nicht notwendig, Dom Halmdahl. Schließlich seid Ihr ein treuer Freund und Lehnsmann Baron Leóns, nicht wahr?“ Die Magierin sprach mit solcher Leichtigkeit, dass man ihr die Unschuld in ihren Worten nur allzu leicht abnehmen wollte.

Halmdahl antwortete nicht, sondern gab seinem Ross die Sporen und lenkte es, aufmerksam nach links und rechts schauend, zwischen den Mauern den verwinkelten Karrenweg ins Dorf hinein. Der Dorfanger war eine Enttäuschung. Das größte Haus am Platz, wohl das ehemalige Herren- oder Vogtshaus, stand leicht erhöht auf einem künstlich aufgeschütteten Fundament. Doch es war nur eine Ruine mit eingestürztem Dach. Fensterläden und Türen fehlten. Eine Linde inmitten des Angers war schwarzverkohlt und reckte ihre Aststümpfe traurig gen Alveran. Einen Tempel oder auch nur einen Schrein schien es nicht zu geben.

„Was ist denn hier passiert?“, wandte sich Rodgrimm von Koschtal fragend an die Magierin.

Diese zuckte mit den Achseln: „Das ist mein erstes Mal an diesem Ort.“

Derweil traten hinter den Steinmauern eines Gehöfts zwei alte Bauernweiber hervor und starrten die drei Reiter mit der magischen Leuchtkugel aus sicherer Entfernung argwöhnisch an.


Autor: sindelsaum

„Ihr Bauernleute da! Tretet vor und erklärt, was hier vorgegangen ist.“ Als die beiden Frauen keine Anstalten machten, sich zu bewegen, setzte Halmdahl hinzu „Fürchtet euch nicht! Wir sind Ritter im Dienste des Barons Wirwar und wenngleich diese Dame von Madas Fluch getroffen wurde, habt ihr von ihr doch nichts zu befürchten. Wir sind auf der Suche nach Schwarzem Lotus für ein Heilmittel.“ Sprachs und warf Lariana dabei einen argwöhnischen Blick zu. Hatte das Hexenweib etwa tatsächlich den Geist einer Toten beschworen? Er hatte doch angekündigt, dass schwarze Magie Konsequenzen nach sich ziehen würde! Fragte sich nur, was sie mit ihr anstellen würden. Gleich an Ort und Stelle richten und sie in die Escarra werfen, oder aber warten und sie später der Inquisition übergeben?


Autor: RobanGrobhand

Rodgrimm hatte sich nicht zu seiner Haltung gegenüber dem Baron Vivar geäußert. Rechtmäßig hin, Verwandtschaft zum Alstinger her, ihm ging es schlicht darum, dem Opfer eines heimtückischen Giftanschlags Hilfe angedeihen zu lassen. Das sah er als seine göttergegebene Pflicht, auch wenn der Baron ein Feind seines Verwandten sein mochte. Seine Begleiter musste er über derlei Hintergründe ja nicht aufklären, um nach dem Lotos zu suchen.

Während Halmdahl versuchte, den Bauernweibern ihre Angst zu nehmen, blickte er sich misstrauisch um. War diese Siedlung überfallen worden, hatte man das Herrenhaus in Brand gesteckt, als sich Léon de Vivar sich den Baronstitel ergaunert hatte? Oder war das Anwesen Opfer eines Brandunglücks geworden?

Als sich die Frauen nach einigen Momenten immer noch nicht bewegten, glitt er aus dem Sattel und bewegte sich langsam in ihre Richtung. „Habt keine Angst – ihr habt wirklich nichts von uns zu befürchten! Bitte, wisst ihr vielleicht, wo wir den Schwarzen Lotos finden können, oder jemanden, der es wissen könnte? Uns – und auch dem Baron – fehlt die Zeit für eine lange Suche!“

Er kniff die Augen zusammen, doch konnte er die Reaktion der zwei Frauen nicht erkennen. Angst, Argwohn, Misstrauen oder gar Feindseligkeit? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen.


Autor: vivar

Die beiden Weiber kamen zögerlich näher und verneigten sich mit einer Mischung aus Argwohn und Unterwürfigkeit vor den Rittern. Offensichtlich war man hier gewohnt, dem Adel zu gehorchen. Als sie sich wieder aufrichteten, kniffen sie, von dem magischen Licht geblendet, verstört die Augen zusammen. Schließlich murmelte die eine etwas Unverständliches.

„Sprich lauter, Weib!“, forderte Halmdahl sie ungeduldig auf.

„’Zeihung, Dom“, antwortete das Weiblein. Die Worte quälten sich schwerfällig aus ihrem Mund. „’Ch sagte, Dom, ’en Schwarz’n Lotos han wir hier kein’ net, aber ’en Schwarzen Faraldur, Dom. Der is’ auch der, der für d’abgebrannte Villa verantwortlich is’, Dom. Braucht kein Haus, braucht kein Haus, kommt auch mit ’er Grube aus, Dom. ’S aber scho’ paar Jahr her, Dom. Dass’r die Villa abgebrannt hat, mein ’ch.“

„Der Schwarze Faraldur? Wer soll das sein?“, runzelte Rodgrimm die Stirn.

„Was denkt Ihr wohl, Dom Rodgrimmo?“, gab die Maestra an der Alten statt zur Antwort. „So wird der Drache genannt, der in der Nähe der Escarraquelle hausen soll. Angeblich. Bis auf den Namen dieses Tales habe ich in all den Jahren, die ich bereits auf Castillo Chellara angestellt bin, noch kein Indiz für seine wirkliche Existenz entdecken können. Er ist wohl eher ein sagenhaftes Geschöpf, eine Art Wintermär oder ein Kinderschreck. Andererseits – draco focus virium. Falls er tatsächlich existent sein sollte, würde er die Wahrscheinlichkeit eines Lotosfunds potenzieren. Allerdings wohl auch die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mit ihm selbst. Hmmm...“ Die Taubentaler Hofmagierin verlor sich in ihren Überlegungen.

Weitere Einwohner des Weilers, mit schmutzstarrenden Händen und Gesichten, wie es ihrem Stande ziemlich war, kamen schlaftrunken im Nachtgewand aus ihren Häusern und Hütten gewankt. Die Hunde wurden zur Ruhe gerufen. Voll unschuldiger Begeisterung zeigte ein Kleinkind auf Maestra Lariana: „B’aues Licht! B’aues Licht ’chööön!“ Es wurde jedoch hastig hinter den Rockfalten seiner Mutter versteckt.


Autor: RobanGrobhand

„Ein Drache? Großartig!“ Rodgrimms Miene strafte seine Worte Lügen. Fast glaubte er, seine Mutter zu hören, die ihn vor den Außerkoscher Landen gewarnt hatte. Erst überkandidelte Almadaner, dann ein Giftanschlag im Rahjatempel, nächtliche und wenig angenehme Ausflüge mit Magierinnen und jetzt noch die Aussicht auf einen leibhaftigen Drachen – und er trug nicht mal ordentliches Rüstzeug!

„’S klingt fast, als wolle die Dame Magierin den Lindwurm aufsuchen“, raunte Halmdahl in seine Richtung. „Und vermutlich wird sie in aller Seelenruhe den Lotos pflücken, während das Vieh damit beschäftigt ist, uns zu fressen!“

Rodgrimm nickte langsam. „Womöglich. Andererseits, je eher wir diesen Lotos finden, desto schneller haben wir unsere Queste vollbracht. Und vielleicht ist dieser Faraldur wirklich nur eine Geschichte!“

„Das hat man von Greing Scharfzahn auch einst behauptet!“, schnaubte Halmdahl. „Solange, bis er über Fürstenhort auftauchte!“


Autor: vivar

„Fürchtet Ihr Euch gar, Dom Halmdahl?“, stichelte die Magierin leise. „Das hätte ich dem tapferen ‚Befreier von Waldhaus’ gar nicht zugetraut. Dann solltet Ihr vielleicht hier zurückbleiben, während der brave Dom Rodgrimmo und ich dem Flusslauf weiter folgen, um den Schwarzen Lotos zu finden?“


Autor: sindelsaum

„Hütet eure Zunge!“, fauchte Halmdahl die Magierin an und wendete sein Ross. „Wir werden den Schwarzen Lotos pflücken, und wenn sich uns tatsächlich ein Drache entgegen stellen sollte, werden wir tun, was Koscher Ritter immer tun, und uns dem Untier entgegen stellen. Sollte der Drache aber gar zu groß sein, werden wir die Jungfrau in unserer Mitte als Opfer an ihn übergeben.“ Mit einem wölfischen Lächeln trieb er sein Pferd an und ließ die beiden anderen Reiter vorerst hinter sich.


Autor: RobanGrobhand

Angesichts dieses Ausbruchs hob Rodgrimm mit einem schiefen Lächeln die Schultern. „Werte Magistra, so gebildet Ihr auch sein mögt, im Umgang mit Koscher Edelleuten weist Ihr einige Defizite auf. Niemand, nicht einmal Ihr, sollte einen solchen der Feigheit zeihen, nicht einmal im Scherz. Mögen derlei Sticheleien hierzulande vielleicht üblich sein – jenseits des Amboss nimmt man sie durchaus ernst! Derlei Animositäten würden unser Vorhaben aber eher behindern denn ihm nützen, und eine gesunde Vorsicht angesichts eines Drachen ist wohl angebracht, wollen wir nicht im Magen des Untiers enden.“

Mit den letzten Worten hatte er ebenfalls ein Pferd bestiegen und folgte Halmdahl. Hoffentlich reagierte die Maga jetzt nicht, wie es das Koscher Klischee der Almadaner besagte, war tödlich beleidigt und ließ sie allein ziehen.


Autor: vivar

So schien es zunächst in der Tat zu sein. Lariana Lampérez ließ die beiden Ritter von dannen ziehen, bis sie den Lichtkreis des magischen Lichts verlassen hatten und in der Nacht verschwunden waren. Halmdahl und Rodgrimm ritten eine Weile schweigend durch die Dunkelheit und orientierten sich an dem Plätschern, um dem Wasserlauf zu folgen.

Nach einer unbestimmt langen Zeit – das Dorf war längst außer Sicht – näherte sich in großer Geschwindigkeit das blaue Licht von hinten. Mit sich brachte es ein jämmerliches „Mäh! Mäh!“ Als Die Magierin die beiden Koscher erreicht hatte, erkannten diese die Quelle des kläglichen Lärms: Auf die Kruppe von Maestra Larianas Ross war ein weißes Lamm gebunden, das mit hängendem Kopf leise blökte.

„Da habt Ihr Eure Jungfrau, Dom Halmdahl“, wies die Magistra lächelnd auf das Tier. „Ich habe es den Trajalesern abgekauft, für den Fall einer Begegnung mit einer hungrigen Sagengestalt. Oder dachtet Ihr etwa, ich wäre noch...?“


Autor: sindelsaum

Halmdahl verzog das Gesicht. Hielt sich die Frau etwa für lustig? Das Schaf war vermutlich wirklich keine schlechte Idee, aber ihre ganze Art war ihm zutiefst zu wieder. Daher würdigte er sie auch nicht mit einer Antwort und trieb sein Pferd weiter den Pfad entlang. Bald schon mussten sie die Stelle erreichen wo es den Lotos gab, so hoffte er zumindest. Viel mehr Sorgen aber machte er sich über den Rückweg. Wie würden sie erneut an den Hinterkoschern vorbeikommen?


Autor: RobanGrobhand

„Vertagen wir die Debatte über Fortschritte und Defizite in rahjaischen Dingen auf später“, meinte Rodgrimm, ebenfalls wenig angetan von derlei Kommentaren.

„Und es wäre unserem Unternehmen wohl zuträglich, wenn wir auch Animositäten gleich welcher Natur ebenfalls vertagen könnten! Sobald wir den Lotos haben, einem möglicherweise dort hausenden Drachen entkommen sind und auch den Bereich der Brücke unbehelligt passiert haben, können wir uns meinethalben zanken wie die Marktweiber!“

Seine Standpauke quittierte Halmdahl mit einem Grummeln, dass sowohl Zustimmung wie Widerspruch sein konnte, während die Maga in gezierter Geste den Kopf etwas zurück warf und sich ungefragt zwischen die beiden Reiter schob. Womöglich nur, damit ihr magisches Licht beide Seiten des Weges beleuchten konnte, vielleicht aber auch, um die zwei Koscher – oder doch zumindest einen von ihnen – weiter zu ärgern.


Autor: vivar

Nachdem sie einen verlassenen Kohlenmeiler passiert hatten, wurde das, was zuvor für einen zumindest mit dem Eselskarren befahrbaren Weg gegolten hatte – wiewohl jener im Anschluss an die Regenschauer der heutigen Nacht ganz gewiss im Schlamm stecken geblieben wäre –, immer unwilliger, den drei Reitern ein rasches Fortkommen zu ermöglichen. Die Kiefern drängten sich immer dichter aneinander und zwangen sie, einer nach dem anderen zu reiten. Halmdahl ritt voran, Maestra Lariana folgte hinterdrein und Rodgrimm bildete den Abschluss.

Kurze Zeit später vollzog der Pfad gemeinsam mit der an dieser Stelle noch etwa fünf Schritt breiten Escarra eine mäandernde Biegung gen Rahja. Er war nun ein rechter Bergziegenpfad geworden, und die Zweige hingen so dicht und niedrig, dass abgestiegen werden musste. Sie nahmen die Rösser am Zügel und stapften durch den schmatzenden Schlamm weiter. Die Luft roch hauptsächlich nach Baumharz und feuchter Erde nach dem Regen. Immer wieder mischte sich jedoch ein unangenehm stechender Duft darunter, der Maestra Lariana die Nase rümpfen und die Pferde immer wieder scheu das Haupt schütteln ließ.

Endlich – sie hatten das Gefühl für das Verrinnen der Stunden bereits verloren und waren sich nur aufgrund der fortwährenden Dunkelheit sicher, dass der Tag noch nicht angebrochen war – trat Halmdahl als erster aus dem Wald heraus. Zunächst dachte er, er stünde auf einem vom Madamal beschienenen Feld, dessen herrlich schwarze Ackerkrume frisch gepflügt war und nun darauf wartete, eingesät zu werden, um – Peraine und dem Menschen zum Gefallen – reiche Ernte zu bringen. Dann entsann er sich der herbstlichen Jahreszeit und bemerkte die Unsinnigkeit seines Gedankens.

Langsam dämmerte ihm, was sich wirklich auf dem leicht ansteigenden Berghang vor ihm erstreckte: Der Boden war umgepflügt, ja, doch ohne Sinn und Verstand. Kreuz und quer gingen die breiten Furchen, hörten plötzlich auf und setzten andernorts wieder ein, um nach wenigen Schritten die Richtung zu wechseln. Es schien dem Koscher so, als habe ein betrunkener Riese schwere Weinfässer durch die Erde gewalzt. Diese war auch schwarz, doch nicht von Erde und Fruchtbarkeit, sondern von der Kohle, aus der sie bestand. Bis auf den Stumpf abgebrannte Bäume zeugten davon, dass dies einst Teil des Waldes gewesen sein musste. Einige verkohlte Stämme lagen umher oder waren zu grauer Asche zerfallen.

Durch all diese Traurigkeit schlängelte sich die Escarra, schwarz glänzend im Licht des Madamals, welches nur noch als schmaler Helm zwischen den übrigen Himmelskörpern stand. In wenigen Tagen würde es ganz verschwunden sein. Heute aber war der vierte Tag des Traviamondes und somit, wie sich Halmdahl entsann, der Tag der Helden.


Autor: RobanGrobhand

„Zumindest dürften wir jetzt sicher sein, dass ein Drache hier in der Gegend sein Unwesen treibt“, murmelte Rodgrimm so leise, als könne der Drache sich hinter dem nächsten Busch verbergen und nur darauf warten, über die drei Eindringlinge herzufallen. „Es sei denn, Ihr habt eine andere Erklärung dafür, dass der Wald derart verwüstet und niedergebrannt wurde als einen leibhaftigen Drachen!“

Das leise Meckern des Lammes, das noch immer wie ein Gepäckstück auf dem Pferd der Magistra hing, ließ ihn zusammen fahren.

„Wir sollten dem Tier das Maul zubinden“, schlug er vor und ertappte sich dabei, wie er mit unruhigem Blick den Nachthimmel absuchte. Die leichte Brise, die durch die Wipfel hinter ihnen strich, klang beinahe wie das Rauschen riesiger Flügel, das sich ihnen unaufhaltsam näherte.

„Klingt nach einer guten Idee!“, grollte Halmdahl, dessen Blick ebenfalls an das Firmament gerichtet war. „Wir wollen die Bestie ja nur besänftigen, nicht gleich anlocken!“


Autor: vivar

Die Magierin nickte und band dem Lamm mit Stück des Stricks das Maul zu. Auch sie hatte Beklommenheit angesichts der verbrannten Ödnis erfasst. Schritt für Schritt wagten sie sich, die widerspenstigen Rösser am Zügel führend und immer wieder misstrauisch den Himmel betrachtend, aus dem Schatten des Waldes. Die Escarra, die nur noch ein schrittbreiter Bach war, wand sich ihnen durch die versengte Erdkrume hindurch entgegen. Der Boden war vom Regen durchweicht und schmatzte unappetitlich unter den Füßen und Hufen. Maestra Lariana war, als müsse sie bereits die Kaugeräusche des Drachen vernehmen.

Alsbald erkannten die drei Menschen, dass der Wildbach inmitten der Einöde seine Quelle haben musste. Dort bildete er zuerst einen kleinen Teich, bis dieser an einer Stelle über die schwarz verbrannten Ufer lief und das Bächlein gebar, das einige Meilen weiter südlich bereits zu einem schäumenden Wildbach anwuchs, in dem am frühen Abend ein Hinterkoscher Ritter samt Ross den Tod gefunden hatte.

An dem Quellteich angekommen, stellte die Magierin fest, dass er kaum fünf Schritt durchmaß und offensichtlich sehr flach war. Im Mondlicht konnte sie den schwarzen Grund erkennen – oder vielmehr das menschliche Gerippe, das bleich im Wasser schimmerte. Aus dem Brustkorb wuchs ein Pflanzenstängel bis zur Wasseroberfläche empor, um dort drei handtellergroße, kreisrunde Blätter und eine sternförmige Blüte zu bilden. Sie war von matter Schwärze. „Der Schwarze Lotos!“, flüsterte Maestra Lariana aufgeregt. „Die Blume Borons, welche über feuchten Gräbern wächst! Wie der arme Kerl wohl in den Teich gelangt ist?“

„Das ließe sich wohl durch den Drachen erklären“, bemerkte Halmdahl trocken und wies auf die Bergflanke. Oberhalb des Teiches waren die Verwerfungen des Bodens am stärksten. Fahl schimmernd ragten hier Knochen, ja ganze Tiergerippe aus dem Erdreich und bildeten eine im Mondlicht deutlich erkennbare Spur. Sie führte bis zu einem gewaltigen Loch, das im Hang klaffte und in die Tiefe des Berges führen musste. Der Wind trieb stinkende Wellen der Verwesung von dort zur Quelle.


Autor: RobanGrobhand

„Sei es, wie es sei“, murmelte Rodgrimm halblaut. Seit der Entdeckung der Blume wanderte sein Blick von ihr zum Höhleneingang und wieder zurück.

„Holen wir den Lotos und verschwinden, ehe der Drache uns bemerkt. Gilt es etwas dabei zu beachten, oder kann ich ihn einfach... pflücken?“

„Ihr solltet darauf achten, die Pflanze nicht zu sehr zu beschädigen“, erklärte die Magierin. „Und lasst Vorsicht walten. An einem Ort wie diesem kann man sich nie ganz sicher sein...“

Rodgrimm nickte langsam, zögerte einen Moment, dann watete er langsam in das kaum knöchelhohe Wasser hinein. Es war merkwürdig warm, und paradoxerweise jagte ihm dieser Umstand einen eisigen Schauer über den Rücken. Die sachte Brise, die vom Berg herab strich, kräuselte die Oberfläche des Wassers und verlieh den Gebeinen damit eine schauderhafte Bewegung.

Vorsichtig trat der Koscher neben die Gebeine und beugte sich herab, fasste den Stängel knapp unter der Blüte.

„Ihr müsst ihn tiefer fassen“, sagte die Magierin. „Nicht gleich unter der Blüte!“

Rodgrimm zerbiss einen Fluch. Weiter unten, dass hieß, dem Toten zwischen die Rippen zu greifen. Eben das hatte er vermeiden wollen. Verdammtes Zaubererpack! Sollte sie doch selbst hierher kommen und dem Toten in der Brust herum fingern!

Aber er stand nun einmal hier, und ein Grobhand von Koschtal kniff nicht. Also streckte er die Hand ins Wasser, so langsam, als könne jede zu schnelle Bewegung eine Katastrophe heraufbeschwören, tastete sich am Blütenstängel abwärts.

Dann schloss er die Finger, holte noch einmal tief Luft und zog.


Autor: vivar

Die Wasserpflanze löste sich mit einem Ruck aus dem Brustkorb des Toten. Misstrauisch beäugte der Koscher das Skelett für eine Weile, um herauszufinden, ob es sich nun rühren würde. Aber der Tote blieb tot.

Vorsichtig hob Rodgrimm Grobhand von Koschtal die schwarze Blüte aus dem Wasser und stapfte wieder zu den anderen beiden. „Das... war’s?“, raunte er unsicher. Unbewusst hatte er die Stimme gesenkt und blickte über die Schulter zu dem Loch in der Bergflanke.

Maestra Lariana nickte und zog ein Wachstuch hervor, in das sie die Lotosblüte vorsichtig einschlug. „Das war’s. Vielleicht sollten wir das Lämmchen hier zurücklassen? Nicht, dass uns der hypothetische Drache Undankbarkeit vorwirft und uns hinterher eilt.“


Autor: RobanGrobhand

„Das Schicksal des Tieres soll mir gleich sein“, meinte Rodgrimm. „Aber ich würde es nicht anpflocken wollen, damit es nicht am Ende Hungers sterben muss. Lassen wir es hier zurück. Wenn es wirklich einen Drachen gibt, wird er es sich schon zu holen wissen, und falls nicht, findet das Tier vielleicht einen Weg zu einer Herde.“

„Mein Reden“, pflichtete ihm Halmdahl bei. „Lasst das Lamm laufen, und wir sollten uns überlegen, wie wir ein zweites Mal an der Brücke – oder ihrer Baustelle – vorbei kommen!“


Autor: vivar

So wurde es gemacht. Das Jungtier wurde in der zerwühlten Einöde freigelassen, wo es verunsichert umherstakste, und die Magierin und die beiden Koscher Ritter machten sich auf den Rückweg durch den Wald.