Chronik.Ereignis1033 Spätalmadanische Dekadenz

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Capitale Punin, Anfang Boron 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

In der Stallburg (zweite Perainestunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: León de Vivar

Die Szenerie war absurd. Vor einem ausgedienten Streitwagen waren, Rössern gleich, vier nackte Frauen eingeschirrt und mühten sich unter Ächzen und Stöhnen ihn im Kreis durch die leer geräumte Remise zu ziehen. Auch wenn sie stets nur wenige Spann vorankamen, bis sie erschöpft anhalten mussten, nahmen sie ihre sinnlose Arbeit gleich darauf wieder auf, wenn sie die Peitsche des Wagenlenkers über sich knallen hörten. "Vorwärts, meine Stuten!", rief dieser von der Plattform der Quadriga aus. Auch er war bis auf einen purpurfarbenen Umhang vollkommen unbekleidet. Während er mit der einen Hand die Peitsche schwang, hielt er sich mit der anderen am Geländer des Wagens fest. Seinen Unterleib hatte er fest gegen das Hinterteil eines Jünglings gepresst, der mit den Händen an das Geländer gebunden war und die Penetration sichtlich zu genießen schien, denn er stieß wieder immer wieder kleine Laute des Glücks aus. "Ja! Vorwärts, vorwärts!", schrie der Wagenlenker in Ekstase. "Ich will den Schweiß auf euren Rücken und den Schaum vor euren Mäulern sehen! Aaah! Ooh! Weiter so, weiter so! Ich will - jawasistdenn, Andreo?"

Fast unbemerkt von den Orgienteilnehmern hatte ein in züchtiges Schwarz gekleideter Domestik mittleren Alters die Remise betreten. Angesichts der selemitischen Zustände in der Hofreitschule SKM nur in geübter Lakaientradition die linke Augenbraue hochziehend, wandte er sich an den nackten Triumphator auf dem Wagen. "Excellencia, ich muss Euch daran erinnern, dass Ihr der Caballera Richeza de Vivar y Sangrín zugesagt habt, heute Abend an ihrer Tafel zu speisen."
"Was? Oh, bei Levthans Hörnern!", schlug sich der Wagenlenker an die Stirn. "Brrr, meine Süßen!", hielt er dann das Gefährt an. Ohne sich an dem vornübergebeugten jungen Mann den höchsten Genuss zu verschaffen, stieg er vom Wagen und übergab die Peitsche an seinen Secretario Andreo, der sie sichtlich angewidert in seine spitzen Finger nahm.

Im Liliensalon des Palacio Vivar (zweite Ingerimmstunde)[Quelltext bearbeiten]

Auf einem Sofa saß Richeza de Vivar y Sangrín und starrte mit zunehmend finsterer Miene auf die flackernden Kerzen. So überbordend, wie der Tisch mit den verschiedensten Vorspeisen gedeckt war, so war üppig war auch die Endfünfzigerin hergerichtet. Ihr prachtvolles Kleid aus grünem Silberbrokat war nach der neuesten Mode geschneidert; sein Rahjafenster ermöglichte einen vorteilhaften Blick auf ihren Busen. Um ihren schlanken Hals trug sie eine Perlenkette, an den Fingern kunstvoll geschnittene Edelsteine, ihre mit Khol umrandeten grauen Augen schwammen wie auf Öl und ihre schwarzen Locken waren in mit meisterlicher Baukunst aufgetürmt worden. "Wo bleibt er nur? Warum ist er so spät dran?", fragte die Domna mehr sich selbst als ihre junge Leibdienerin Elea Küferhilf und beleibten und in die Jahre gekommenen Majordomus Alricio Cundari, die vor der Wand standen und sich hüteten, einen Kommentar abzugeben. "Es reicht mir! Cundari, sendet jemanden nach der Stallburg, auf dass er sich erkundige, wo er bleibt!"
"Jawohl, Domna. Ich werde jemanden senden." Maestro Cundari wandte sich zum Gehen.
"Er soll nicht sagen, dass er zu unserem Haus gehört!"
Der Majordomus hielt inne und verneigte sich. "Jawohl, Domna. Nicht sagen, dass er zum Palacio Vivar gehört."
Als er beinahe aus der Tür draußen war, rief ihm Domna Richeza hinterher: "Nein, schickt niemanden! Er wird wissen, dass ich es bin, die sich nach ihm erkundigt!"
"Jawohl, Domna. Ich werde niemanden schicken", begab sich Cundari wieder auf seinen Platz, während Domna Richeza erneut in dumpfes Brüten versank.

Kurz darauf klopfte es am Tor des Palacios. Domna Richeza sah erstaunt auf, dann erhob sie sich hastig. "Schnell, Elea, du musst mich abschminken! Und Ihr, Cundari, haltet ihn auf!" Gemeinsam mit ihrer Leibdienerin verschwand sie in ihre Gemächer. Der Majordomus stieg, einen Kerzenleuchter in der Hand, die Freitreppe hinab und winkte den Knechten das Tor zu öffnen. Als ein schlanker, hochgewachsener Mann eintrat und den Caldabreser vom Haupt zog, verneigte sich Maestro Cundari: "Rahja zum Gruße, Dom Dajon. Es ist eine Freude, Euch wieder in diesem Hause begrüßen zu dürfen, Excellencia."
"Rahja zum Gruße, Cundari", erwiderte Dajon von Taladur ä. H. knapp den Gruß. "Sag' Er, wo ist Seine Domna?"
"Wenn Excellencia sich einen Moment gedulden mögen, so werde ich ihr von Eurer Ankunft berichten", katzbuckelte Cundari. "Wenn Ihr derweil im Liliensalon Platz nehmen wollt?"

Brummelnd folgte der Schöne Vogt dem Majordomus, der ihm den Weg in den schönsten Raum des Palacios leuchtete. Dort entzündete er zunächst behutsam die Kerzen des Raumes, er er sich entschuldigte um die Domna zu rufen. Diese erschien alsbald, begleitet von Elea, in der Tür des Salons. Zu Dom Dajons großer Verwunderung war sie in ihr Nachtgewand gehüllt, hatte keine Schminke und trug das Haar offen. Er sprang auf und küsste sie: "Verzeih mir, mein Augenstern, dass ich dich habe warten lassen. Die Verwaltung der Hofreitschule ist eine aufreibende Aufgabe, die mich bisweilen bis spät in die Nacht aufhält."
"Oh, aber natürlich! Ich muss gestehen, dass ich schon vergessen hatte, dass Du überhaupt kommen würdest." Domna Richeza strich ihm über die Wange und lächelte. "Entschuldige mich für einen Augenblick, ich werde mir etwas anziehen." Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und kehrte mit Elea in ihr Gemach zurück, um wieder das silbergrüne Brokatkleid und den Schmuck anzulegen, sich erneut schminken zu lassen und die Haare erneut aufzutürmen.
Dom Dajon blieb mit offenem Mund zurück. "Darf ich Euch die Zeit des Wartens mit etwas Wein kredenzen, Eure Excellencia?", hob Maestro Cundari lächelnd eine Karaffe in die Höhe.

(Zweite Rahjastunde)[Quelltext bearbeiten]

Bis auf das lustlose Stochern einer Gabel herrschte vollkommene Stille im Liliensalon. Dom Dajon und Domna Richeza saßen sich auf zwei Canapés gegenüber. Immer, wenn sich ihre Blicke kreuzten, rangen sie sich ein Lächeln ab, doch sie hatten seit Beginn des Abendessens noch kein Wort gesprochen. "Schmeckt es dir etwa nicht, Teuerster?", wollte Domna Richeza von ihrem Liebhaber wissen.
"Es schmeckt wie immer vorzüglich, mein Herz. Aber durch die langen Jahre im Dienst des Hofes bin ich an die einfache Küche des Marstalls gewöhnt und schnell gesättigt", entschuldigte sich dieser.
Sie blickt auf seinen Teller, von dem er gerade mal drei Tomatenschnitze und ein winziges Stückchen marinierten Flussfisch gekostet hat, und lächelte verständnisvoll. "Gewiss, gewiss. Zumal du sicher viel zu tun hattest, um den Schimmel für unseren geliebten Kaiser zuzureiten, mit dem er nun in den Feldzug wider die gezogen ist..."
Dom Dajon winkte ab. "Naja, der Gaul geht sicher. Was man von SKM nicht behaupten kann. Als Feldherr ist er so unbeleckt wie ein Boronpfaff in den Freuden des Lebens."
"Aber es sind ja nur ein paar Barbaren, nicht wahr?"
"Diese Barbaren", breitete der Erzzuchtmeister seine militärischen Kenntnisse aus, "haben im Herbst gezeigt, dass sie sich erstaunlich gut zu organisieren wissen. Dom Gwain soll es einige Mühe gekostet haben, sie aus den Tälen zu vertreiben. Außerdem sind sie, das muss man leider zugeben, wendiger als etwa die Ragather Kürasser, die nur auf ein, zwei Veteranenschwadronen zählen können und ansonsten vor ein paar Jahren neu rekrutiert wurden - und sie sind unzählbar viele. Die Arithmetik kennt keine Gnade, meine Teure."
Domna Richeza schwieg einen Moment, um ihre Besorgnis auszudrücken, um dann abrupt das Thema zu wechseln. "Dein Neffe ist ein mächtiger Mann geworden. Das Volk liebt ihn. Er ist fast so mächtig wie der Kaiser und König. Und wenn der nicht zurückkehrt, ist er möglicherweise der mächtigste Mann im Königreich. Vielleicht wird Rohaja ihn ja zum Fürsten machen? Und Du als sein geliebter Oheim stehst direkt hinter ihm."
"So hatte ich es noch gar nicht betrachtet."
"Oh, solltest Du aber. Solltest Du...", riet ihm die Caballera mit der Erfahrung der Älteren.
Dom Dajon richtete sich auf und grinste breit. "Ich muss gestehen, dass ich im Augenblick an etwas vollkommen anderes denke..."

Im Gemach Domna Richezas (später)[Quelltext bearbeiten]

"Uuuuh!" Mit einem letzten Erzittern erreichte Dajon von Taladur bei seiner Geliebten, was ihm wenige Stunden zuvor bei dem Jüngling verwehrt worden war. Erschöpft ließ er sich neben ihr ins Bett fallen. Sein Atem ging schwer.
Auf ein Handzeichen Domna Richezas trat Elea aus dem Schatten und reichte einen Becher mit Wasser, nur um sofort wieder zu ihrem Platz an der Tür zurückzukehren. Ihre Herrin trank einen Schluck, gab ihn an Dom Dajon weiter und stützte ihr lockiges Haupt auf ihren Arm. Zufrieden lächelnd strich sie ihrem Geliebten über den verschwitzten Brustkorb. "Ich habe nachgedacht, mein Herz. Wir sollten heiraten."
"Heiraten?", verschluckte sich der Taladurer. "Warum, bei Rahjas Titten, sollten wir denn so etwas tun?"
"Vielleicht, weil ich Dich liebe?"
"Aber du bist bereits verheiratet! Dein Gemahl -"
"Oh, mein Gemahl!", unterbrach ihn Domna Richeza und Verachtung erklang in ihrer Stimme. "Vergiss Djerid! Ich habe ihn geheiratet, weil mein Großvater es so wollte und weil ich nicht anders konnte. Aber der alte Lope ist schon lange tot. Ich kann mich scheiden lassen, wann ich will und diese tulamidische Witzfigur Djerid mit seiner Mitgift zurück nach Khunchom schicken, wo er hingehört."
Der Erzzuchtmeister blickte sie ungläubig an. Dann lachte er auf. "Du beliebst zu scherzen", drohte er ihr mit dem Zeigefinger. "Für einen Moment habe ich geglaubt, dass Du das ernst meinst."
"Ich scherze nicht", verkündete sie mit ernstem Gesicht. Als sie Spott in seinem Antlitz zu erblicken glaubte, beeilte sie sich hinzuzufügen: "Oh, keine Sorge, ich werde nicht sentimental. Ich denke vielmehr... strategisch. Schau mal, während Filippo di Lacara seinen Strohschädel zwischen den Schenkeln Deines Neffen Rafik verbirgt, kriecht sein Oheim Vesijo der Einäugige, dieser transbosquirische Wurm, dem Kaiser immer tiefer in den After und man muss kein Deuter Bishdariels sein um zu wissen, dass diese fürstliche Eingeweideschau seinen Einfluss bei Hofe von Tag zu Tag wachsen lässt. Mit dem jungen Lacara und seinem cyclopischen Oheim - zwei offenen Feinden der Vivar! - im Zentrum der Macht, werde ich Schutz benötigen."
"Wie edel, dass du gerade mich zu deinem Beschützer auserkoren hast."
"Ich kann ja wohl kaum Dom Vesijo darum bitten, oder?"
"Stimmt", nickte Dom Dajon. "Aber was ist für mich drin?"
Domna Richeza lächelte fein. "Wenn der Kaiser aus dem Raschtulswall nicht zurückkehrt, wird dein Neffe die Krone Almadas als treuer Diener Rohaja zurückgeben können. Und ohne Zweifel wird IKH überaus dankbar gegenüber Dom Rafik und seiner Familia sein." Sie tippte ihm auf die Brust.
Nun richtete sich auch der Schöne Vogt auf. "Was macht dich so verdammt sicher, dass der Kaiser nicht zurückkehrt, frage ich mich? Er könnte auch gewinnen!"
Mit allergrößter Unschuld, Sorgenfalten in der Stirn, antwortete Domna Richeza: "Er könnte auch einem vergifteten Pfeil zum Opfer fallen, wie es mit den Rittern des Rossbannerordens geschehen ist. Oder in eine Schlucht stürzen. Oder erfrieren. Der Raschtulswall birgt viele Gefahren. Es gibt da zudem einen Ferkina, den sie den Todbringer nennen. Wir könnten dafür sorgen, dass der Kaiser, so oder so, nicht zurückkehren wird." Zuckersüß lächelte sie ihn an.
Dom Dajon dagegen starrte ungläubig in die kalten Augen seiner Geliebten. Dann breitete sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln aus. "Bis zu diesem Augenblick wusste ich gar nicht", sprach er mit Bedacht, "was für eine niederträchtige alte Harpye du in Wahrheit bist."
Das breite Lächeln in Domna Richezas säuberlich geschminkten Antlitz verringerte sich immer mehr, bis ihre Augen zwei Schlitze bildeten und nur noch ein schmaler Strich von ihren Lippen übrig war. Dann klatschte eine Ohrfeige auf die Backe des Schönen Vogts. Ergrimmt schlug dieser zurück. Bei der Tür zückte Elea ein Messer um ihre Herrin zu verteidigen.
"RAUS!", schrie Richeza de Vivar. "Verschwinde aus meinem Haus!"
Der Erzzuchtmeister verließ das Bett, das ihm so viele rahjanische Stunden bereitet hatte, in dem er in die Kunst der Liebe eingeführt worden war. Ruhig zog er sich an. Dann verließ er ohne zu Zögern die Kammer und den Palacio.
Domna Richeza blieb schluchzend zurück.



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