Chronik.Ereignis1033 LSV 86
Ragath, 3. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In den Gängen des Castillo Ragath (früher Abend)[Quelltext bearbeiten]
Autor: Dom Ansvin, Sven W., Karli
"Dom Leonardo. So in Gedanken?" Mit gleichmäßigem Pochen des pferdeköpfigen Gehstocks tritt der Landvogt zu Punin heran. Er hat die Zeit offenbar dafür genutzt, sich einen Kelch Weines bringen zu lassen, mit dem er dem firunwärtigen Nachbarn nunmehr leicht zuprostet. Das Gesicht gerötet und die Zunge einen Hauch zu schwer von jedem einzelnen Wort belastet, ist es offenbar nicht sein erster heute. "Ah, ich weiß... eine Versammlung der Landstände, ohne dass bislang auch nur ein Nobler aus dem Fenster gestürzt wurde - da kann man fast schwermütig werden."
"Dom Ansvin!" erhellt sich die nachdenkliche Miene des Edlen deutlich, als er den Landvogt bemerkt. "Nun, es gibt wahrlich nicht wenig zu bedenken in diesen Zeiten, aber Ihr habt Recht - selbst wohlverdiente Forderungen und umher fliegende Handschuhe mussten wir bis jetzt missen, da will kaum das rechte Ambiente aufkommen", grinst Dom Leonardo, nun sichtlich besserer Laune. "Und dabei könnte der Sitzung ein wenig Beflügelung durchaus gut tun." Die Miene Dom Falcomars wird wieder eine Spur ernster. "Die Götter wissen, es wehen neue Winde und künden gefährliche Stürme an. So mancher Geist scheint mir noch zu träge, das zu begreifen."
"Es sind nicht die trägen Geister, die mir Sorgen machen, Dom Leonardo, nicht die trägen. Aber, ach, ich lebe über dem Staatskerker und neben einer Gruft, was rede ich also von Geistern!" Ein Lächeln entblößt des Landvogts Zähne, bevor der Weinpokal das Blitzen an ihrer Stelle wieder übernimmt. Unvermittelt blickt er dem Falcomar ernst in die Augen. "Habt Ihr von ihm geträumt, Dom Leonardo? Von Seiner Kaiserlichen Majestät?"
Der Blick des Landvogts wird mit gleichem Ernst erwidert. Herzschläge vergehen, ohne dass Dom Leonardo den Blick abwendet oder auch nur blinzelt, als ob er in den Augen des Gegenübers zu spähen versucht, wie es im Inneren Dom Ansvins aussehen mag. Schließlich schüttelt der Edle ganz leicht den Kopf, den Blick dabei haltend. Der Ausdruck, der sich auf sein Gesicht legt, lässt sich nur Finsternis nennen. "Nein, Dom Ansvin. In der Nacht, in der Seine Majestät in den Träumen erschien, fand ich mich auf den Feldern Darpatiens stehen. In einer Schlacht, die ich selbst nicht erlebt habe, sondern nur aus Erzählungen kenne. In der dunkelste Macht Freund gegen Freund aufwiegelte."
"Ah, ein gänzlich anderes Szenario also." Die Miene des Landvogts gibt keinerlei Auskunft darüber, ob hier Zynismus oder ehrliches Bedauern über die soviel weniger erbauliche Vision seines Gegenübers im Vergleich zur göttergesandten Heilsbotschaft des Kaisers mitschwingt. Die folgenden Worte sind so leise, der Blick so abwesend, als spräche des Königs braver Vogt mehr zu sich selbst als zum Edlen: "Ich habe mir schon von so vielen Träumen berichten lassen, keiner wie der andere... Was meint Ihr, ob seine Majestät auch zu seiner kaiserlichen Schwester im Traume sprach? Oder zu Domna Yanis? Was er ihnen wohl sagen würde? Was sie wohl sähen?" Ein weiterer Schluck, offenkundig längst über den reinen Durst hinweg.
Spitze Ohren zucken und scheinen sich wie Sonnenblumenblüten der Sonne dem Landvogt zuzuwenden.
Auch der Blick des Edlen löst sich nun, scheint in die Ferne zu wandern. Nachdenklich streicht sich Dom Falcomar über den sauber gestutzten Bart. "Hmmmm ... eine interessante Frage, die Ihr da stellt. Was immer es dann war, was er sagte, was sie sahen - wenn sie ihn denn sahen - es war offenbar nicht genug, sie davon zu überzeugen, dass er der eine, der einzige Kaiser des Reiches ist. Und die Götter allein wissen, vielleicht war es ja auch gar nicht das, was der Traum allen sagen wollte." Ein leicht hilfloses Achselzucken begleitet ein scheinbar unsicheres Lächeln, doch der Blick des Edlen forscht nun sehr genau in den Augen Ansvins auf eine Reaktion zu seinen Worten.
"Mein Traum war sicher weder Wahrtraum noch Vision, sondern nur einer von den vielen, die die Zeit im Osten mit sich bringt - obgleich sie seltener werden, Marbo sei's gedankt." fährt er mit festerem Ton fort "Aber wenn Träume der Spiegel der eigenen Seele sind, dann spricht dieser Traum auch von meiner Sorge, wenn ich an die Zukunft Almadas und des Reiches denke."
Der Landvogt zeitigt tatsächlich einen eher glasigen Blick, als er den Worten des Edlen lauscht. "Wer weiß schon immer zu deuten, was er sieht?" sinniert er. "Wer weiß schon immer, was er sieht?" Mit einem letzten tiefen Schluck wird der Kelch geleert. Dann, wieder mit etwas mehr Volumen in der Stimme: "Sorgen machen wir uns alle, Dom Falcomar."
Ein Lächeln huscht über das vom Wein gerötete Gesicht. "Naja, vielleicht der Vivar nicht, solange es einen Balkon gibt, über den man flüchten kann. Aber wir anderen eben. Die Frage ist..." - mit offenkundigem Bedauern blickt Dom Ansvin in das leere Gefäß - "zu was uns unsere Sorgen veranlassen. Wanken wir oder stehen wir fest?" Wie im Erkennen eines unglücklich gewählten Wortspiels verlagert der lahme Vogt mit leicht belämmerter Miene das Gewicht, um sich nicht zu sehr auf seinen Gehstock zu stützen.
Ein leises, fast füchsisches Lächeln stiehlt sich über Dom Leonardos Miene "Ist sie das, wirklich? Domna Yanis steht fest wie ein Fels mit ihrer Meinung, zu der sie zuvörderst ihre Sorge um Almada und das gesamte Reich gebracht haben. Wohlüberlegt, mit Sicherheit, ich kenne sie nicht anders." Eine fahrige Bewegung deutet grob in die Richtung des Versammlungssaals "Mir scheint hier eher die Frage forciert zu werden, auf welcher Seite man steht und es wird eine Antwort der Art erwartet, als ob es nur zwei Absolute geben würde." Deutlicher Unmut darüber klingt in seiner lauter werdenden Stimme mit. "Allein diese alberne Abstimmung über die Schwüre. Als müsste man jeden mit Zwang an seinen Lehenseid erinnern."
Leiser - viel leiser - setzt er nach einer kurzen Pause und mit Entschlossenheit hinzu "Ich wanke nicht. Aber ich werde alles versuchen einen Bruderkrieg zu verhindern. Und bevor ich in ihn gezwungen werde, weiche ich." Wieder sucht der Blick die Augen des Gegenübers. "Und ihr?"
Unwillig lässt sich Dom Ansvin Zeit mit der Antwort an Dom Falcomar. Grollend kommt sie schließlich hervor. "Zwischen Eurer Verwandten und mir steht seit jenem Tag im Windhag das Schweigen. Welche Motive sie auch immer hatte, und wie lange sie über sie sinniert haben mochte, zwischen uns kann es kein Einvernehmen mehr geben nach dem, was sie getan hat. Ich werde Euch nicht fragen, ob Ihr noch in Kontakt zu ihr steht, aber seht es mir nach, wenn ich Euch auch keine Grüße an sie mitgebe. Was die Zukunft angeht: Ich muss wie Ihr auch nicht an meinen Schwur erinnert werden. Aber ich scheue mich auch nicht, ihn so oft zu wiederholen, wie es von mir verlangt wird. Ich bin des Königs Vogt, und er wird stets seinen treuen Gefolgsmann in mir finden."
Ebenso leise, wie der di Rastino seine letzten Worte sprach, aber eher mahnend als verschwörerisch, fügt der Landvogt hinzu: "Wenn Ihr denn weichen wollt, Dom Falcomar, dann gebt acht, es nicht zu spät zu tun. Wer bleibt, wenn die Entscheidung nahe ist, auf den wird der Nachbar sich verlassen müssen. Wer bleibt, muss fest auf seinem Posten stehen... Bis zuletzt." Die Kiefer des Landvogts mahlen, als er einen eigentlich unnötigen Blick in seinen Kelch wirft, der sich erwartungsgemäß nicht von selbst wieder gefüllt hat.
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