Chronik.Ereignis1027 Duell im Winter
Baronie Falado, 8. Firun 1027 BF[Quelltext bearbeiten]
In der Rudonsenke bei Valenca[Quelltext bearbeiten]
Autor: León de Vivar
Der heftige Regen, der den Boden der so genannten Rudonsenke nahe des Dorfes Valenca in den letzten Praiosläufen stark aufgeweicht hatte, hatte sich in ein feines Nieseln verwandelt. Doch die vier Reiter, die sich zur Mittagsstunde hier eingefunden hatten, schienen Efferd nicht ganz zu trauen, denn sie alle trugen schwere Umhänge. Am firunwärtigen Ende der Senke saß Bernfried zum Rabenfels, der Baron von Falado, auf seinem Yaquirtaler Rapphengst. Er war, wie üblich, zur Gänze in borongefälliges Schwarz gewandet, das einzig von seiner edlen, hellen Haut sowie seinem früh ergrauten Haar kontrastiert wurde. Ruhig und ernst starrte er durch den Regen auf die andere Seite der Senke, wo sich in gut zweihundert Schritt Entfernung sein Kontrahent, der junge León de Vivar, mit seinem Sekundanten befand.
Auch der trug schwarze Reitstiefel, schwarze Reithosen und eine schwarze Weste. Sein Hemd war jedoch reinweiß und am Caldabreser wippten eine blaue und eine weiße Pfauenfeder. Der junge Mann mit dem ansehnlichen Äußeren war um einiges nervöser als sein Gegner. Vor einer Woche hatte er zum ersten Mal einen Rabenschnabel – die Waffe, mit der der heutige Kampf entschieden werden sollte – in Händen gehalten und kein sehr gelungenes Bild dabei abgegeben. Seine Schwägerin und seine Schwester hatten ihn verspottet. Nun hoffte er auf Phexens und Rondras Gnade – denn selbstverständlich fühlte er sich in dieser Angelegenheit im Recht. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Möglicherweise ging die Unruhe auch von seiner prächtigen schwarzen Shadifstute aus, der das Himmelsnass zu missfallen schien und die deshalb auf der Stelle tänzelte.
Nach einer Weile gab Dom Bernfried seinem Adjunkten einen kurzen Wink, woraufhin dieser sich auf den Weg machte.
„Euer Auftritt, Dom Rondrigo“, sprach der Vivar.
Der Edle von Deokrath nickte und gab seinem Pferd mit leisem Schenkeldruck zu verstehen, dass er in die Senke hinab wollte.
In der Mitte, wo der Boden am schlammigsten war, trafen sich die beiden Sekundanten. Dom Arrîdan begrüßte Dom Rondrigo in gewohnt jovialer Art und mit einem offenen Lächeln. Nachdem freundliche Worte der Begrüßung ausgetauscht worden waren, wurden die Duellwaffen begutachtet und dabei kam man zu dem Schluss, dass Dom Bernfrieds Exemplar eindeutig das schönere sei. Sodann besprachen die Sekundanten die Formalia des Duells und der Junker von Valenca übergab seinem Collega die Rabenfeder, welche der Junker von Vivar dem Faladoer traditionsgemäß hatte bringen lassen. Dom Rondrigo sah noch einmal zu letzterem, den er gut kannte, hinüber und kehrte dann zu ersterem zurück. „Der erste Angriff im Sturmritt von Euren Standorten aus, dann ohne erneute Entfernung. Keine weiteren Waffen, keine Rüstung, aber dergleichen wisst Ihr ja.“
„Ich danke Euch, Amigo“, nickte Dom León und nahm den Rabenschnabel entgegen. Er wog schwer in der Hand.
Aufmunternd lächelte Dom Rondrigo: „Euer Auftritt.“ Damit preschte er davon, um gleichzeitig mit Valenca bei der erhöhten Position zu sein, von der aus die beiden das Geschehen beobachten wollten.
Dom León blickte ihm nicht nach, während er sich seines schweren Umhangs entledigte. Schließlich schwang er noch einmal prüfend die schwere Hiebwaffe in seiner Hand.
Dom Bernfried beobachtete ihn dabei aus der Entfernung ohne jede Regung. Wer stark genug war, konnte mit dem Rabenschnabel einem Gegner den Schädel zertrümmern. Und wer garantierte, dass der Faladoer nicht genau das vorhatte? Ein kräftiger Hieb und um den lästigen Lauscher wäre es geschehen… Gleichzeitig ritten die beiden Duellanten los. Auf der einen Seite Falado, der plante, gleich mit seinem ersten Hieb dem jungen Mann zu verstehen zu geben, wer der Herr der Senke war. Auf der anderen der Vivar, darauf bedacht, dem ersten Hieb möglichst auszuweichen und im Nahkampf den einen oder anderen Treffer zu landen. Die Pferde galoppierten durch den spritzenden Schlamm; sie trafen aufeinander. Der Vivar lehnte sich bereits etwas nach links. Dom Bernfried nutzte den Schwung des galoppierenden Pferdes und legte all seine Kraft in den ersten Schlag – und hieb ins Leere. Gleichzeitig riss ihm ein mit halber Kraft geschwungener Rabenschnabel Wams und Haut auf.
Den Schmerz missachtend, wendete er sein Pferd und attackierte erneut. Doch wieder traf er seinen jungen Kontrahenten nicht. Daraufhin setzte dieser zu zwei schnellen Schlägen in Folge an, von denen Dom Bernfried nur einen parieren konnte. Er biss die Lippen aufeinander, als er spürte, wie sein linker Oberarmknochen unter der Wucht des Hiebes splitterte.
Falado ging auf den schnellen Hiebwechsel ein, traf und wurde pariert, durchblickte eine einfache Finte des Vivar und versagte bei seiner eigenen.
Dem Vivar, stets auf gehörigen Abstand zu seinem Kontrahenten achtend, sah man an, dass er nur mit äußerster Mühe und ohne wahre Eleganz kämpfte – die Waffe war ihm zu fremd. Die hohe Fechtkunst auszuüben war ihm hier verwehrt. Wenn er Dom Bernfried durch eine Finte zu verwirren versuchte, verkalkulierte er sich jedes Mal mit dem Gewicht des Rabenschnabels. Doch nun täuschte er einen Schlag gegen das rechte Bein an und traf dann heftig und urplötzlich Dom Bernfried am zur Abwehr gesenkten Arm. Der dritte Treffer!
Ein weiteres Mal durchzuckte den Faladoer Schmerz. Er fühlte, wie sein Arm schwerer wurde. Ein kurzes Schnauben war jedoch alles, was über seine Lippen kam. Er ließ seine Waffe eine offene Acht beschreiben und sammelte Kraft für einen weiteren Hieb.
Dom León versuchte die schwere Waffe zu heben, aber es war zu spät. Der Rabenschnabel krachte ihm von oben in die Schulter. Entsetzt weiteten sich seine Augen, als die Waffe nach einem halben Schwung erneut auf ihn zukam und haarscharf an seiner Brust vorbeiraste. Beim dritten Hieb ließ er geschockt die Zügel fahren. Mulaika machte einen ungünstigen Schritt und der junge Mann stürzte getroffen in den Schlamm.
Die beiden Sekundanten reckten zuerst die Hälse und drückten dann ihren Rössern die Stiefel in die Flanken.
Doch Dom León, mit völlig verdrecktem weißem Hemd, versuchte wieder aufzustehen. Erstaunt blickte er auf, als ihm sein Gegner vom Pferde herab die Hand reichte, um ihm mit unbewegter Miene aufzuhelfen. Er zögerte kurz, dann ergriff er die dargebotene Hilfe und stand mühsam wieder auf.
„Wollt Ihr aufgeben, Dom León?“, fragte der Junker von Valenca. „Der nächste Schlag könnte Euch töten.“
Der Vivar blickte ihn nicht an, sondern ging zu seinem Shadif. Er zitterte leicht, als er die Rechte samt Rabenschnabel auf das Sattelhorn legte. „Nimmermehr“, brachte er schwer atmend hervor. Dann zog er sich mit zusammengebissenen Lippen hinauf.
Dom Bernfried wartete mit gesenkter Waffe ab, bis er sich wieder positioniert hatte und die beiden anderen sich wieder zurückgezogen hatten. Auch er hatte schwere Treffer erleiden müssen – mehr, als er von dem vorlauten Jüngling erwartet hatte. Nun aber sollte es zu Ende sein.
Ein Hieb, eine verzweifelte, misslungene Abwehr – Dom León sackte zusammen.
Von seinem Rappen aus übergab Falado dem erneut heran reitenden Sekundanten den Rabenschnabel und besah sich kurz die Wunden seines Kontrahenten. Eine in der Schulter, eine im rechten Arm und eine auf der Brust – wie bei ihm selbst, nur tiefer. Dann grüßte er noch einmal kurz zu Dom Rondrigo hinüber, der sich mittlerweile damit abmühte, den Bewusstlosen vom Pferd zu ziehen, gab Valenca einen stummen Wink, auf dass dieser ihm dabei zur Hand ginge und für die Verarztung des Vivar Sorge trüge. Sodann ritt er zurück in Richtung Valenca – in borongefälligem Schweigen. Er hatte während der ganzen Angelegenheit kein Wort gesprochen, als wollte er seinem Duellgegner dadurch umso beredter nahe legen, er hätte zuvor besser ebenso gehandelt.
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