YB58 Caldaïsten – hahnebüchener Unfug, gefährlicher Spuk oder sinnstiftende Bewegung?
Erschienen in den Meldungen des Hauses Yaquirblick Nô 58
Ende Travia 1045 BF
YASAMIR. Ein Geist geht um im garetischen Eslamsgrund und dem Norden der Grafschaft Ragath – ein Gespenst names „Caldaia“ spukt in den Köpfen nicht weniger Menschen in der Landschaft, die einst auch eine politische Entsprechung hatte.
So hatte die Landgrafschaft Caldaia, als Teil Almadas und des Raulschen Reiches, laut landläufiger Meinung der Gelehrten, etwa 600 Jahre bestand, ehe sie unter Kaiser Eslam I. geteilt und der (wahrscheinlich) größere Teil dem Königreich Garetien zugesprochen bzw. diesem geschenkt wurde.
Der Ausspruch „Vivat Caldaia!“ ist somit seit etwa 450 Jahren nur noch ein Relikt der Vergangenheit bzw. Ausdruck des Wunschtraums einiger Ewiggestriger, doch je scheint aus dem nunmehr inhaltsleeren und rückwärtsgewandten Ausspruch wieder ein Gedanke erwachsen, der sich bei nicht wenigen in den Köpfen eingepflanzt hat. Was vor wenigen Jahren noch als excentrische Albernheit belächelt bzw. verlacht wurde oder einigen wenigen SEHR stolzen Caldaïern vorbehalten war, mausert sich allmählich zu einer kleinen Bewegung.
Die Frage ist: Ist dies grober Unfug, der bald wieder verfliegt, ist es ein gefährlicher Spuk, den Seine Hochwohlgeboren in Ragath im Auge behalten sollten oder ist es gar eine zukunftsweisende und befruchtende Bewegung, die dort entsteht?
Doch beginnen wir an anderer Stelle - selbsternannte Speerspitze dieser Bewegung sind die sogenannten Caldaïsten, einer loser Bund von sowohl ragathisch-almadanischen als auch eslamsgrundsch-garetischen (Nieder-)Adeligen. Wo in Nord-Ragatien von einzelnen Edlen schon immer caldaïsche Eigenheiten und der damit einhergehende Stolz hochgehalten wurden, bekommt dieser Stolz, seit dem sog. Wiedererscheinen Korgonds und der damit einhergehenden "Großgaretischen Idee", auch in Eslamsgrund wieder Aufwind. Dieses Momentum hat sich mit der Einsetzung Calderina von Gareths als Cronvögtin in Eslamsgrund verstärkt und mit der Einsetzung ihres Vaters Gerwulf als Graf von Eslamsgrund bzw. ihres Bruders Alderan als (groß-)garetischer Großfürst noch potenziert. Getreu einem der diversen Mottos der Caldaïsten:
"Caldaia wurde unter den Gareths getrennt, so wird es unter den Gareths (im Geiste) wieder vereint werden."
Dabei ist besonders interessant, dass der Gatte der oben erwähnten Kronvögtin, der Ragatier Eslamo von Jurios ist, aus dem ehemaligen Landgrafengeschlecht Caldaias und damit aus Almada stammt. Die Kinder der heutigen Cronvögtin aus und zukünftigen Gräfin von Eslamsgrund werden somit echtes caldaïsches Landgrafenblut in sich tragen. Ein Umstand, der der Bewegung aktuell Flügel zu verleihen scheint. Alle Nase lang bekennt sich ein weiterer Edler oder gar ganze Familias zu der caldaïschen bzw. caldaïstischen Idee und Identität – in Ragatien und Eslamsgrund gleichermaßen. Was für einige Ragatier schlicht alberner Irrwitz ist, beäugen andere mit Skepsis, könnte dies in letzter Konsequenz doch auch den Willen zur Abspaltung der caldaïschen Lehen von der Grafschaft Ragath und die Wiederbelebung einer Landgrafschaft Caldaia bedeuten.
Doch soweit ist es noch nicht. Derzeit begnügen sich die Protagonisten dieser Bewegung mit hochtrabenden Trinksprüchen, gemeinsamen, haltlosen Absichtsbekundungen und romantischer, nostalgischer Träumerei – und das über die Grenze zu Garetien bzw. Almada hinweg. Hier werden erste Bünde geschlossen und gemeinsame Unternehmungen initiiert bzw. begangen. Dabei lassen die Caldaïsten beider Seiten ein klares Bekenntnis zu Garetien oder Almada außenvor, was zählt ist die gemeinsame Nischenidentität, ein Umstand, der besagte Skeptiker aufhorchen lässt, aber von denen, die Ihnen nur eine kurze Halbwertszeit attestieren, als Grund für baldige, interne Zerwürfnisse angeführt wird. Denn die Ansichten, Loyalitäten und Träume der Caldaïsten sind so vielfältig wie ihre sich mehrenden Anhänger. Dabei sind diese nicht selten hochtrabend, laut und vorallem simpel. Eine gewisse Einfachheit, die allerdings beim caldaïschen Pöbel wiederum gut ankommt, den man in den garetischen Gasthäusern und den almadanischen Tabernas häufig „von der guten alten Zeit“ reden hört, in der „alles besser war“. Eine Stimmung, welche die Protagonisten nur allzu gerne schüren und nutzen. Allen voran Ikerhard von Boe und Geldana von Caldach auf eslamsgrundscher sowie Jordi d'Ouvici und Caldaña de Valdecorneja auf ragatischer Seite. Ersterer ist gar davon überzeugt, eine caldaïsche Sprachreform zu initiieren, während letztere das historische Caldaia oft größer zeichnet als es durch Gelehrte bisher nachgewiesen ist. So interpretiert die - ebenfalls gelehrte - Caballera alte Quellen häufig anders als viele ihrer, vor allem almadanischen Standesgenossen. Nicht wenige, aber nicht alle Caldaïsten, teilen ihre Meinung oder übernehmen diese Interpretationsweise gerne, um „die Glorie Caldaias“ noch weiter scheinen zu lassen. So sprechen einige unter ihnen laut den dem Hause Yaquirblick vorliegenden Quellen oder diversen Ondits gar von verdrehten historischen Fakten, faketierten Notícies (einer Wortschöpfung der Bewegung) oder gar unrechtmäßiger Teilung bzw. einer historisch unabhängigen Provinz Caldaia. Während letzteres vmtl. nur auf Hören-Sagen beruht, kursiert erstere Meinung wohl tatsächlich unter einigen Caldaïsten. Was nicht nur Skeptiker dazu anhalten sollte, die Bewegung genauer unter die Lupe zu nehmen bzw. im Auge zu behalten, sondern auch uns als Berichterstatter, zumal einige der caldaïstischen Vertreter vor allem die Schreiberlinge unserer Zunft hofieren, die stolz und unkritisch die caldaïstische Sicht der Dinge übernehmen, bzw. der Bewegung gar eine befruchtende und sinnstiftende Aufbruchsstimmung für eine ganze Region attestieren, von deren positiver Nachbarschaftlichkeit zwischen Eslamsgrund und Ragatien, ja gar Garetien und Almada, alle profitieren können. Eine Interpretation von der auch dieser Schreiberling noch nicht ganz abrücken möchte, ehe nicht das Gegenteil bewiesen ist.
So bleibt letztlich zu sagen, dass dieser Bericht wohl nicht der letzte über dieses neuzeitliche Kuriosum bzw. Phänomen bleiben wird, dass sich in rasanter und ganz und gar unerwarteter Geschwindigkeit und Größenordnung ausbreitet. Vielleicht auch nicht zuletzt, weil immer wieder gemunkelt wird, dass die, bisher noch führungs- und strukturlose Bewegung von meist Niederadeligen und einfachen Anhgängern von höheren Kräften, Personen und Gruppen durchaus befeuert und angeheizt wird. Welche hohen Herrschaften sich davon etwas versprechen könnten, überlassen wir getrost den Lesenden, sicher ist aber, wenn dem so ist, sind die Interessen dahinter sicherlich so vielfältig wie die Anhängerschaft der Caldaïsten.
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Weitere bekannte Caldaïsten sind u.a. (unvollständige Liste):
Garetische Seite:
- Grodane von Fürchtenforst
- Bardsam von Garm (teilweise genannt Bardos da Garma)
- das Paar Donation von Eltzek und Isanold von Corish und von Praill
- Merunolf von Merun
- Seginhardt von Dorst (dabei eher zurückhaltend, tritt er als Caldaist nur selten in Erscheinung)
- Kelnia von Yossenstein (eine noch unentschlossene Caldaistin)
Almadanische Seite:
- Madaleïa d'Eltzek
- Phexare D'Altea (caldaisch-almadanisch gesprochenes X)
- Luciana Al'Morsqueta y Ouvici
- Caladora del Escara
- Rahjmon (di) Cavandrago-Valcur