Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 35: Unterschied zwischen den Versionen

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Keuchend hielt Abelardo einen Moment inne und beschirmte die Augen mit der Linken. Da, weiter oben auf dem verschneiten Weg, sah er die Junkerin. Sie hatte ihr Pferd angehalten und sprach mit einem Reiter. Abelardo trotzte der Erschöpfung und trieb sein Ross erneut zur Eile an.  
Keuchend hielt Abelardo einen Moment inne und beschirmte die Augen mit der Linken. Da, weiter oben auf dem verschneiten Weg, sah er die Junkerin. Sie hatte ihr Pferd angehalten und sprach mit einem Reiter. Abelardo trotzte der Erschöpfung und trieb sein Ross erneut zur Eile an.  
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die kleine, alte Frau straffte sich ein wenig und klopfte mit zwei runzligen Fingern ihrer unversehrten Hand auf die Sessellehne.
"Nein", sagte sie mit einer ungewohnten Schärfe. "Das ist gänzlich inakzeptabel. Ihr sprecht nicht nur mit der Tochter einer Fürstin, sondern auch mit der Schwester eines der höchsten Würdenträger der Heiligen Reichskirche. Ich werde mich nicht von irgendwelchen Ordenskriegern nach Punin schleifen lassen, als sei ich eine rustikale Brigantin oder entstammte einem verfehmten Geschlecht!"
Rote Flecken zeichneten sich auf den Wangen der Wildenfester Junkerin ab, die nicht nur der Wärme in der Kemenate zuzuschreiben waren.
"Was glaubt Domna Morena, wohin ich wohl flüchten sollte, wenn sie mich aus ihrer ''Obhut''" – sie spie das Wort nun beinahe aus – "entließe? Wenn sie die Stirn hat, eine Klage vor dem Hoch- oder Reichsgericht gegen ein Mitglied unserer Familia zu erheben, dann werde ich dort erscheinen und meine Aussage treffen, dessen seid gewiss!"
Sie schüttelte energisch den Kopf. "Einstweilen rate ich ihr, mich und auch meine Großnichte bei Anbruch des morgigen Tages ziehen zu lassen. Was glaubt Ihr wohl, wie meine Nichte reagieren wird, wenn ihr zu Ohren kommt, man habe mich oder Domna Richeza wie gemeine Verbrecherinnen abführen lassen? Eine solche Impertinenz wider die Ehre unserer Familia wird sie in höchstem Maße erzürnen." Belisetha da Vanya umklammerte die Sessellehne für einen Moment, ehe sie ihren gichtigen Zeigefinger in Hernáns Richtung schüttelte. "Und das mit Recht, junger Dom Hernán, und das mit ganzem Recht." Sie ächzte und ließ sich in den Sessel zurücksinken. "Wenn diese unerfreuliche Angelegenheit ein gutes Ende nehmen soll, dann muss jemand alsbald mit Rifada sprechen. Jemand, der einen guten Einfluss auf sie nehmen kann. Und das bin entweder ich oder es ist mein Bruder. Niemand sonst vermag sie davon abzuhalten, Domna Morena wie einem Huhn ans Genick zu gehen, und das wird sie andernfalls, dessen seid ebenfalls gewiss."
Die dunklen Augen wanderten über Hernáns Gesicht. "Und was Praiosmin von Elenta angeht …" Sie verfiel in Schweigen und schüttelte mehrmals den Kopf. "Begeht keine Dummheiten, Dom Hernán", sagte sie dann. "Wenn Ihr in Sorge um die Grafschaft seid, dann begeht keine Dummheiten." Düster schüttelte sie erneut den Kopf.
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Nachdenklich ließ [[Rifada da Vanya]] ihr neues Ragathsqueller Pferd, das ihr ihr Vetter [[Talfan von ragathsquell|Talfan]] dankenswerterweise im Austausch gegen ihr vorheriges aus den Besitzungen des niedergebrannten Klosters zur Verfügung gestellt hatte, auf dem teils morastigen, teils hart gefrorenen Karrenweg gen Kornhammer traben. So war wenigstens das Tier frisch und ausgeruht – sie selbst war es nach nur kurzer Nachtruhe auf Burg Ragathsquell absolut nicht.
Natürlich waren sie nicht im Streit auseinander gegangen, dafür kannten Talfan und sie sich zu lange, und jeder wusste, was er am anderen hatte. Nichtsdestotrotz hätte sie sich von ihrem Vetter ersten Grades etwas mehr Engagement und Wagemut erhofft – aber Talfan war auf seine alten Tage noch mehr ein Zauderer und Paragraphenreiter geworden, als er es ohnehin schon immer gewesen war.
Als ob sich [[Amando Laconda da Vanya|Amando]] als einer der Hochgeweihten der Heiligen Reichskirche zu einer so derischen und - in seinen Augen - kleingeistigen Handlung wie der Aussprache und dem Schwur einer Blutfehde hinreißen ließe. Er glaubte ja selbst noch an ''das Gute'' in der Dämonenbuhle Praiosmin - da glaubte er daran sicher sogar noch mehr beim niederträchtigen Harmamund-Geschmeiß, denn der falsche 'Fürst' Gwain und er waren alte Bekannte. 
Und über Talfans anderen Vorschlag - mit der Bekanntgabe der Fehde bis nach dem kaiserlichen Hoftag zu warten - konnte Rifada erst recht nur den Kopf schütteln. Was ging sie der kaiserliche Hoftag an? Sie hatte mit dem jungen Ding auf dem Kaiserthron nicht das Allergeringste zu schaffen, und auch deren missratenem Bruder hatte sie damals nur unter Zwang und als reines Lippenbekenntnis den Treueeid geleistet. Diese flachsblonden Auswärtigen sollten gefälligst droben in Haferyaquirien unter sich bleiben und sich besser niemals in Almada blicken lassen, wo die Nobleza kein auswärtiges Hineinreden schätzte.
Rifada erhoffte sich von ihrem Schwagervater [[Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein|Hesindian]] mehr Unterstützung. Er versuchte zwar ebenfalls immer lange die Dinge mit müßigen Worten zu regeln - aber wenn es sein musste, dann konnte Hesindian auch ein Mann der Tat sein. Und was könnte ihn mehr mobilisieren, als die Nachricht von der grausamen und unwürdigen Ausmordung seiner Enkelin, seines Augensterns? 
Die Vanyadâlerin war sich nicht sicher, wie sie ihm diese Kunde überhaupt überbringen sollte, ohne dass den armen alten Mann der Schlag traf. Wie alt war ihr Schwagervater mittlerweile? Sie musste sich eingestehen, es nicht genau zu wissen.
Der Weg wurde durch den Schneefall der letzten Tage stetig schlechter, umso weiter sie nach Königlich Kornhammer hineinkam und an Höhenschritt gewann. Die Hänge des Raschtulswalls, die man im Ragatischen Kessel nur als schroffe Silhouette am rahjawärtigen Horizont gesehen hatte, schienen nun zum Greifen nah und auch die steilen Hügel, die ihre Vorhut bildeten, hatten es teilweise schon gehörig in sich. Endlich - nach stundenlangem Ritt ohne einer Menschenseele begegnet zu sein - kamen ihr nun zwei bewaffnete Reiter entgegen, Frau und Mann, deren ihr unbekanntes Wappen zu einem der hiesigen Caballerogeschlechter gehören könnte.
"Die Zwölfe zum Gruße!" hielt sie Rifada mit ausgestreckter Hand auf. "Ist das hier der Weg zum Castillo Scheffelstein?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die Reiter hatten Rifada den Weg gewiesen, ihr aber zugleich deutlich gemacht, dass es trotz der nahe scheinenden Berge noch ein guter Tagesritt bis zum Ort [[Kornhammer (Ort)|Kornhammer]] war, zumal bei den Witterungsverhältnissen und der hereinbrechenden Dunkelheit.
Rifada war zunächst weitergeritten – die Angelegenheit duldete keinen Aufschub! –, doch schließlich war der Karrenweg in der Dunkelheit kaum noch auszumachen gewesen, und in den Schneeverwehungen war sie kaum noch voran gekommen.
Die Nacht hatte sie in einem absonderlichen kleinen [[Aventis|Ort]] verbracht, auf einem Hof, der von einer resoluten Vierzigjährigen und einem Greis bewohnt wurde, die ihr Heim stolz ''Gasthaus'' nannten und ihm sogar einen Namen gegeben hatten: "Wandervogel". Immerhin, eines hatte man den beiden lassen müssen: Das Mahl, das sie Rifada aufgetischt hatten, hätte vielleicht sogar ihren verfressenen Vetter zufrieden gestellt.
Früh war Rifada wieder aufgebrochen und hatte mittags die Garnison [[Tolaks Turm]] passiert und noch vor dem Dunkelwerden den Ort Kornhammer erreicht, dem man noch immer die Verwüstungen ansah, welche die Bergwilden vor drei Jahren verursacht hatten.
Jetzt stand Rifada im Rittersaal des Palacios der [[Burg Scheffelstein]] unter dem Porträt der lang verstorbenen Gemahlin des greisen Vogtes, der anderen Großmutter von Rifadas Nichte [[Richeza Aldonaza von Scheffelstein]], und wartete auf das Erscheinen des alten Hesindian.
Endlich öffnete sich die Tür des Saales, und [[Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein]] trat ein, groß und noch immer aufrecht, aber seit Jahren schon auf einen Stock gestützt. Haar und Rohalsbart des Alten waren weiß, die Wangen eingefallen, das hoch geschlossene blaue Wams ein wenig zu weit über dem schwindenden Körper, aber der Blick der blauen Augen war klar und wach und die dünne Haut des Greises schimmerte rosig. Von den schweren Krankheiten, die ihn vor – wann? zehn? – Jahren heimgesucht hatten, war Dom Hesindian nichts anzumerken.
Lächelnd schritt Hesindian auf seine Besucherin zu, klemmte den Stock kurz unter dem Arm ein, um der Frau beide Hände auf deren muskelbepackte Schultern zu legen und ihr links und rechts einen Kuss auf die Wangen zu drücken.
"Meine liebe Rifada, wie lange ist es her, seit ich Euch hier willkommen heißen durfte?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
"Der ''Fürst''?", fragte Rifada irritiert und runzelte die Stirn. "Aber der sogenannte 'Fürst' - der nicht mein Fürst ist - gehört doch selber zu dieser Hunderasse! Ihr wollt also einen Harmamund bitten, dass seine Sippschaft unsere beiden Gefangenen herausrückt? Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn und ist zudem vollkommen unwürdig und ehrlos! Und den sogenannten 'Grafen' - ich nehme an, Ihr sprecht von dem zugereisten Tobrier, der sich auf unserem Thron breit gemacht hat? - solltet Ihr erst recht nicht um irgendetwas bitten, sonst glaubt er noch, er trüge seinen Kronreif rechtmäßig, was nicht der Fall ist. Wenn Angehörige der eigenen Familia als Faustpfand in die Hände von Feinden geraten, so muss man diese entweder heraushauen, mit List und Tücke befreien, wie Ihr es zuerst vorgeschlagen habt, oder aber ..." Rifadas Gesicht hellte sich auf, als hätte sie gerade einen genialen Einfall gehabt, "... oder aber man nimmt selbst jemanden aus der Sippe der Feinde als Geisel, um diese dann gegen unsere Blutsverwandten auszutauschen!" 
Die Vanyadâlerin ließ ihre rechte Faust in die offene linke Hand klatschen. "Ha! Das ist es! Und ich weiß auch schon, wen ich mir von dem Pack greifen werde! Als ich vor Burg Harmamund auf der Lauer lag, verließ eine schwarzverhangene Kalesche das Gemäuer in Richtung La Dimenzia - darin der spindeldürre Bruder Morenas, diese Trauerkrähe Amando! Ich ließ ihn da noch passieren, da ich ja die Burg im Auge behalten musste. Aber wenn es mir gelingt, ihn aufzustöbern und gefangen zu nehmen, so wird Morena gezwungen sein, Belisetha und - so die Zwölfe wollen - auch Richeza gegen ihn einzutauschen. Zeigt sie sich aber verstockt, halte ich ihren Bruder im tiefsten Verlies von Castillo da Vanya bei Wasser und Brot gefangen, nötigenfalls bis er verfault. Wenn sie das selbst nicht kümmert - was mich keineswegs wundern würde - so wird ihr doch Gwain als Soberan befehlen, nachzugeben und unsere Gefangenen freizugeben. So haben wir wenigstens unser Gesicht gewahrt und dem Harmamund-Geschmeiß gezeigt, dass wir nicht vor ihnen im Staube kriechen! Den sogenannten 'Grafen' aber halten wir aus inner-almadanischen Sachen schön ganz heraus, denn die gehen ihn als Auswärtigen überhaupt nichts an! Ihr selbst könnt ruhig zum Hoftag reisen - gebt Euch dort nur ganz unwissend in Bezug auf diese ganze Angelegenheit und gebt auf Euch Acht, dass man nicht auch Euch nach dem Leben oder Eurer Freiheit trachtet. Es genügt, wenn Ihr mir zwei bis drei Eurer besten Kriegerinnen mitgebt und um alles Weitere kümmere ich mich schon. Zur Not gehen auch fünf oder sechs Männer."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Der alte Cronvogt seufzte innerlich. Diese verfluchte almadanische Ehrversessenheit hatte ihn und sein Haus schon manches Mal in Schwierigkeiten gebracht. Nicht etwa, weil er genauso heißblütig wie rachsüchtig wäre wie viele seiner Landsleute. Nein, vielmehr, weil seine Angehörigen - und allen voran seine Enkeltochter Richeza – so wenig vom Wort und so viel vom Blute jener auf ihrer Degenspitze hielten, die sie mit Wort oder Tat geschmäht hatten.
War es Feigheit, wie jene Hitzköpfe sagten, wenn man den Frieden höher schätze als ein Ehrenhändel? Nein, Hesindian hatte sich nie einem Duell entzogen, das an ihn herangetragen worden war. Hatte er nicht sogar einst mit Rifadas Mutter die Klingen gekreuzt, bis sie beide vor Erschöpfung kaum noch die Waffen hatten halten können, nur weil sein Sohn Domna Leonidas Tochter geliebt hatte und diese ihn? Hesindian hatte den Kampf nie gefürchtet, ebenso wenig wie den Tod. Er war ein hervorragender Kämpfer gewesen, als er noch jung gewesen war, aber so recht hatte er nie einsehen wollen, was erstrebenswert daran sein sollte, in einem Ehrduell verwundet oder gar getötet zu werden, wenn man sein Leben auch der Liebe widmen konnte und der Schönheit, die man tagtäglich in den kleinen Dingen fand.
Der wahre Grund jedoch, warum er eine friedliche Lösung dem Kampfe immer vorgezogen hatte, war, dass eine Bluttat stets weitere nach sich zog. Und mehr als einen Tod konnte man selbst nicht sterben. Außer, man liebte. Dann aber war der Tod kein schneller, schmerzloser, sondern ein langer, qualvoller. Denn mit jedem geliebtem Menschen wurde ein Teil der eigenen Seele getötet und das Göttervertrauen ein weiteres Mal auf eine Probe gestellt.
Abermals seufzte der alte Mann im Stillen, als er das finster entschlossene Gesicht der Junkerin betrachtete. Nichts würde sie von ihrem Plan abbringen, so viel war gewiss. Dass schon manches almadanische Adelshaus durch eine Reihe anfangs harmloser wider andere Familias gerichteter Taten zugrunde gegangen war, bekümmerte die Kriegerin wenig und sie darauf hinzuweisen, war verschwendete Zeit und Mühe.
"Also gut", seufzte er schließlich, diesmal hörbar. "Ich werde Euch drei meiner Leute als Bedeckung mitgeben. Als Schutz vor Räubern, Bergbarbaren und wilden Tieren. Schließlich weiß jeder, wie gefährlich es im Winter im Osten Almadas sein kann. Zudem sollt Ihr Stiefel, Mantel, Harnisch und Wegzehrung erhalten, sobald Ihr aufbrecht. Gerne dürft Ihr Vesper mit mir halten und die Nacht hier verbringen, wenn Ihr das wünscht. Ihr seht müde aus, wenn mir das zu sagen erlaubt ist."
Er lächelte leicht und dachte nicht zum ersten Mal an diesem Abend an Domna Rifadas Mutter, die nicht einmal ganz so alt geworden war, wie Rifada jetzt war. Ihr Ziel, den Marmorthron zurückzuerobern, hatte sie nie erreicht. Und so voller Hass und Groll und Zorn war sie gewesen, dass er bezweifelte, dass sie in ihrem Leben Glück empfunden hatte, das nicht aus dem Leid ihrer Feinde erwachsen war. Das Leben nahm einem Vieles: Macht, Besitz, Gesundheit, Freunde und Geliebte. Aber allein die Götter wussten, warum manche Menschen beim Anblick der Scherben nur die Risse sahen und Hass empfanden, während jene, die sich der Liebe verschrieben hatten, in jeder Scherbe ein neues Ganzes erblickten. 


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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
In der Mark Ragathsquell, am Ufer der Harma:
Zur selben Zeit. viele viele Dutzend Meilen weiter nördlich,
Der junge [[Eslam der Jüngere von Ragathsquell|Eslam Inglessio von Ragathsquell]], der Viertgeborene und älteste Sohn des Junkers aus dem ehemaligen Fürstengeschlecht, sah gelangweilt zu, wie zwei Eigenhörige seiner Familia mit Spaten und Spitzhacke ein Loch in die fingerdicke Eisschicht hackten, die das normalerweise schnell fließende Flüsschen Harma bedeckte - die Grenze zwischen der Dominie seines Vaters [[Talfan von Ragathsquell|Talfan]] und der der verstorbenen Stierfürstin [[Aldea von Harmamund]], der vor einigen Götterläufen ihre auch nicht viel freundlichere Tochter [[Morena von Harmamund|Morena]] nachgefolgt war. Eslam Inglessio spuckte seinen Kautabak aus und begutachtete stirnrunzelnd wie der dicke Garobaldo - seines Zeichens zweiter Leibkoch seines Vaters mit überaus passendem Namen - einen Regenwurm aus einer kleinen Kiste mit Erde klaubte und ihn angeekelt auf einen zum Haken gebogenen dünnen Draht spießte.
"Ob das bei dieser Kälte etwas bringt?", fragte er den Koch skeptisch. "Die Fische sind doch alle längst erfroren oder rechtzeitig den Fluss und dann den Yaquir runter bis in die Südpforte oder ins Yaquirtal geschwommen. Nur ein kompletter Volllidiot von Fisch würde während der [[Tristeza]] in diesem efferdverlassenen Eisbad bleiben!"
"Das sehe ich ganz genauso!", nickte Garobaldo und gab den beiden hörigen Knechten ein Zeichen, dass das geklopfte Loch im Eis längst groß genug war. Er warf den Haken mit dem zappelnden Wurm befestigt an einer dünnen Schnur in das Eisloch und ging in die Hocke, um besser durch das trübe Eis schauen zu können. "Euer werter Vater ist aber der Überzeugung, dass die Silberflitzen auch während der Tristeza unter dem Eis am Grund der Harma leben. Und da er ebensolche - gedünstet auf Schalotten und Kürbispüree - Ihrer Majestät der Kaiserin höchstselbst während des kaiserlichen Hoftages zu Ragath servieren will und wir bis dahin noch an der genauen Rezeptur feilen müssen, brauchen wir eben auch bei diesem Firunswetter frische Silberflitzen."
"Dann seht zu, welche zu fangen!", befahl ihm Eslam Inglessio buchstäblich von oben herab, denn er saß auf dem Rücken seines Apfelschimmels, um den er den Vater lange angebettelt hatte und den er zu seinem siebzehnten Tsafest endlich erhalten hatte. Er glaubte, dass er das Lieblingskind von Talfan von Ragathsquell war und so gab er sich Mühe, alles stets zu dessen vollsten Zufriedenheit zu erledigen, denn irgendwann einmal sollte all dies Land hier ihm gehören - und nicht irgendeiner seiner zahlreichen Schwestern. Er wollte sein Ross gerade über die schmale Holzbrücke gehen lassen, die hier über die Harma führte, um sich das Ganze auch einmal vom Harmamunder Ufer aus zu betrachten - doch die Frau unter den zwei Hörigen hielt ihn zurück.
"Nicht, edler Domnito! Die Brücke ist bloß für Menschen gemacht! Sie wird einstürzen unter dem Gewicht Eures Pferdes!"
Eslam Inglessio sah sie ungläubig an. Wer baute so einen schwächlichen Murks? Andererseits ... besonders stabil sah sie wirklich nicht aus. Er blieb also am eigenen Ufer und ließ sein Pferd dort auf und ab stolzieren, als er auf einmal am anderen Ufer aus dem Waldstück in etwa hundert Schritt Entfernung eine größere Anzahl Reiter näherkommen sah, der eine noch größere Anzahl marschierender Fußsoldaten folgte.
"Wer oder was zum Namenlosen ist das jetzt?", rief er. Der Koch zog vor Schreck schnell seinen Angelhaken aus dem Wasser, die beiden Hörigen bewaffneten sich wieder mit Spaten und Spitzhacke. Die Ankömmlinge waren durchweg bewaffnet und gerüstet – Eslams älteste Schwester Tsaya hatte schon darüber gesprochen, dass es möglicherweise eine große Blutfehde geben werde in Ragatien und Bosquirien, nachdem unlängst das irgendwie mit ihnen verwandte Mannweib [[Rifada da Vanya]] zur Unterredung beim Vater gewesen war. Eslam Inglessio konnte kaum erwarten, dass es tatsächlich soweit kam, um sich im Kampf seine ersten Sporen zu verdienen. Vor allem nachdem er gehört hatte, dass es dann gegen die Harmamunds ginge, denen er nur zu gerne einiges von ihrem Land abknöpfen würde, um die eigenen Latifundias zu erweitern.
Eslam Inglessio zog sein Rapier - eine bronzeverzierte Waffe aus der Schmiede der Gebrüder Sfazzio - und wartete am Brückenkopf, bis die Reiter heran waren, deren offensichtlicher Anführer auch ein junger Bursche zu sein schien, nur wenige Götterläufe älter als er selbst. "HALT!", gebot er ihnen gebieterisch. "Ab hier beginnt unser Land, und es wäre mir neu, dass wir einen Kriegshaufen angefordert haben. Was ist Euer Begehr?"
"Befehl des Grafen, Junge!", gab [[Servando Cronbiegler]] unwirsch zurück, dem aber der herablassende Tonfall, die Garderobe und vor allem das Pferd des jungen braunhaarigen Burschen verrieten, dass er von Stand sein musste - bei solchen Magnatensöhnen hieß es für ihn als Bürgerlichen immer vorsichtig zu sein. "Wir wollen nach [[Castillo Quazzano|Quazzano]] und die Karte weißt dies als den kürzesten Weg aus! Also lasst uns unseres Weges ziehen - alles andere braucht Euch nicht zu interessieren!"
"Ich rate Euch dennoch: Kommt keinen Schritt näher!", gab Eslam Inglesso unbeeindruckt eine letzte Warnung zurück.
"Pfft!", schnaufte Servando höhnisch - kaum trocken hinter den Ohren, aber einem gräflichen Detachement den Durchzug verwehren wollen. "Vorwärts! Weiter!", drehte er sich zu den Gardisten des ihm anvertrauten Aufgebots um und ritt dann selbst auf die Holzbrücke. Die ersten zwei weiteren Gardereiter folgten ihm dichtauf - der junge Caballero aus höchstem Ragather Großbürgerhause hatte fast das Ragathsqueller Ufer erreicht, als die Brücke plötzlich mit lautem Krachen und Knarzen unter den drei Rössern und Reitern nachgab und sie allesamt ins eiskalte Wasser stürzten, die Eisdecke des Flusses zerschlagend.
"HAHAHAHAHA!", lachte Eslam, und auch die beiden Hörigen, die mit dem Finger auf die drei Gestürzten deuteten und sich prustend auf die Schenkel schlugen. Nur der Koch Garobaldo reichte dem pudelnass ans Ufer schwimmenden Servando eine helfende Hand, um ihn ans Ufer zu ziehen.
"Und dabei habe ich Euch noch gewarnt!", schmunzelte der junge Ragathsqueller. Plötzlich aber wurde ihm der Ernst der Lage bewusst, da einer der gestürzten Geleitreiter offenbar unter sein panisch strampelndes Pferd geraten war. Er trieb blutend und besinnungslos im Wasser. Inglessio schnippste nach den beiden Eingehörigen. "Rapido! Rein mit euch! Zieht den Soldat aus dem Wasser!"
Die Hörigen gehorchten mit furchtsamen Blick. Einer von ihnen stieg ins eiskalte Wasser, sich am vorgereckten Spaten des Anderen festhaltend, und zog den ohnmächtigen Gardisten, der mit dem Gesicht nach unten getrieben war, am Wappenrock zum Ufer, wo ihn der Koch, Servando Cronbiegler und auch der hastig vom Pferd gestiegene Domnito mit vereinten Kräften hoch ans steile Ufer zerrten.
"Der Mann braucht einen Heiler, und Ihr selbst und der andere müsst aus den nassen Sachen raus!", stellte Eslam Inglessio fest und hielt Servando die ausgestreckte Rechte zum Handschlag hin. "Ich schlage vor, Ihr begleitet uns nach Ragathsquell - es sind nur zwei Meilen! Eure Leute können ja so lange dort drüben rasten."
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifadas vormals finstere Miene hatte sich während des Vorschlags ihres Gastgebers immer weiter aufgehellt, und als Boraccio D'Altea schließlich endete, hob auch sie ihren Weinpokal und hielt ihn diesem zum Anstoßen entgegen, um ihren Pakt mit einem gemeinsamen Herunterstürzen des verbliebenen Weins zu besiegeln, wie es gute, alte, almadanische Sitte war.
"Wahrlich, Ihr seid ein Mann nach meinem Geschmack!", rief sie begeistert aus, nur um dann noch schnell "äh ... also, ich meine: in kriegerischer Hinsicht!" hinterher zu schieben. Er konnte ja nicht wissen, dass sie ihrem eigenen Geschlecht den Vorzug gab, und Männer bildeten sich bei derlei Ausrufen gerne schnell etwas ein. 
"Ich nehme Euer Angebot gerne an! Ich muss zugeben, dass Eure Bedenken hinsichtlich des Hoftages wohl berechtigt sind. Morena dort in unsere Gewalt zu bekommen, wird sich schwierig gestalten. Trotzdem solltet Ihr die Woche vor dem Hoftag nutzen, wenn alle Straßen des Königreichs ohnehin voll von Kriegsvolk sein werden, um Euer Terzio hier aus Caldaia hinunter ins Bosquirtal marschieren zu lassen. Es kann auf meiner eigenen Burg im Vanyadâl in Kaiserlich Selaque und auch auf Burg Schrotenstein am Schwarzen See einquartiert werden. Wenn wir Albacim belagern müssen, dann könnte Euer zwergischer Sappeur-Meister in der Tat von Nutzen sein, denn die Feste ist eine harte Nuss, die schwer zu knacken ist. Ich verfolge aber einen anderen Plan, um dort einzudringen und mit Praiosmin abzurechnen. Es muss einen geheimen Zugang zur Burg oder zumindest zum darunter liegenden Markt Selaque geben, der mit dem Torre di Alba in Zusammenhang steht. Einem hohen Spähturm auf dem Gipfel des Berges, an dessen Hang Selaque liegt. Wie genau dieser Zugang beschaffen ist, werden wir erst dort herausfinden, denn Praiosmins Familia - die schon während ihrer Kindheit unsere Feinde waren - hüten dieses Geheimnis natürlich gut."
Sie überlegte kurz und sah zum Fenster in die stockdunkle Nacht hinaus. "Die Abrechnung mit Praiosmin muss aber bis nach dem Hoftag warten. Erst einmal hat die Befreiung von Richeza und Belisetha Priorität. Wenn wir also nicht an Morena selbst herankommen, schlage ich vor, dass wir uns stattdessen ihren Bruder als Faustpfand greifen, um diesen gegen meine Angehörigen einzutauschen. Ich sage Euch eins gleich vorneweg, damit Ihr keine Skrupel bekommt, wenn es Zeit zum Zuschlagen ist: Es handelt sich bei ihm um einen Fraternello - er ist ein Geweihter des Schwarzen Cumpans. Aber keine Sorge - er ist kein wirklicher Mann der Kirche, dessen Entführung uns der Herr Boron krumm nehmen wird, sondern er empfing die Weihen nur aus machtpolitischen oder dynastischen Gründen - vermutlich weil ihn die verfluchte Aldea von Harmamund als ungeeignet für ihr Erbe ansah. Aber er ist in Wahrheit nicht gläubiger als Ihr oder ich und wird uns nicht mit Gebeten zum Schweigsamen einschläfern können oder dergleichen. Wir packen ihn uns einfach in dem Kloster, das er besetzt hat, ohne vom Raben von Punin dort eingesetzt worden zu sein und geben ihn dann wieder im Tausch gegen Richeza und Belisetha heraus. Dies aber muss schon jetzt bald passieren, da Richezas Zustand erwähntermaßen nicht der Beste ist. Zwei Männer von Vogt Hesindian von Kornhammer haben mich zu diesem Behufe schon hierher auf Euer Castillo begleitet. Wenn Ihr selbst mich noch mit zwei, drei kampferprobten Getreuen begleitet, so können wir schon morgen früh zurück nach Ragathsquell reiten und losschlagen!"
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Im Weiler Grioli nahe Quazzano:
"Haha! Das ist ein Frosch!", triumphierte die alte Mutina, als sie sich zu den gefärbten Pelura-Kugeln im Schnee hinabbeugte, um sie genau in Augenschein zu nehmen. "Der schlägt deinen Igel!", rief sie zum kaum jüngeren Poggio hinüber, dessen Kugeln sie in hübscher Formation beiseite gerollt hatte.
"Freu dich nicht zu früh, mein Täubchen - ich habe ja auch noch einen Wurf !", holte sie der 82jährige Ottaciano auf den Boden der Realität zurück und warf seine letzte verbliebene grüne Kugel einmal demonstrativ in die Luft, um sie mit der Eleganz eines alten Könners wieder aufzufangen. Die jüngeren eigenhörigen Bewohner des Weilers Grioli, die den Ragathsquellern und Harmamunds gleichermaßen Frondienst schuldeten, schüttelten nur den Kopf, wenn sie die drei Dorfältesten bei ihrem Pelura-Spiel bei dieser Hundskälte auf dem verschneiten Dorfplatz beobachteten. Aber die drei Alten pflegten diese Tradition schon seit 40 Götterläufen an ausnahmslos ''jedem'' Praiostag, und es gab schlichtweg ''kein'' Wetter, das sie davon abhalten konnte.
Ottaciano wollte eben mit großer Geste zu seinem letzten und möglicherweise alles entscheidenden Wurf ansetzen, als plötzlich von Südosten her Hufgetrappel zu hören war und kurz darauf zehn bewaffnete Reiter auf dem Dorfplatz in der Mitte der einzigen Straße Griolis erschienen. Harmamund-Schergen, wie ihr Wappen schon verriet. Der Anführer, ein in Domna Morenas Gunst stehender hochnäsiger Stadtmensch aus Ragath, war den drei Alten leider gut bekannt.
"Ihr da!", blaffte Giordan Cronbiegler die drei an. "Vorhin sind Soldaten, angeführt vom jungen von Ragathsquell, hinüber nach Quazzano gezogen. Sind sie schon wieder herausgekommen und hier durchgezogen? Antwortet wahrhaftig, oder es wird für euch schlimme Konsequenzen haben!"
"Soldaten?", fragte Poggio mit extra zur Schau gestellter Ahnungslosigkeit. "Also, ich habe keine gesehen! Da muss ich wohl gerade mein Boronsstündchen gehalten haben."
"Ich habe heute Vormittag die Peluras poliert", hob auch Mutina ahnungslos die Achseln. Sie hatte die Bewaffneten des kleinen Ragathsquellers vom Küchenfenster aus wohl gesehen. Aber der war ein guter Junge, und sie hoffte, dass er diesen hochtrabenden Patrizierspross hier bald mal auf sein tatsächliches kleines Maß zurückstutzte.
Als auch Ottaciano auf den fragenden Blick Giordans hin nur ratlos den Kopf schüttelte, winkte dieser unwirsch in ihre Richtung ab: "Euch soll bald Gevatter Boron holen, faules Drecksgesindel! Geht wieder an die Arbeit anstatt hier müßige Spielchen zu spielen!" 
Er ritt verärgert zum Ortsausgang, von wo aus man die hübsche Schlossburg Quazzano inmitten der verschneiten Felder aufragen sah. Etwas mehr Deckung wäre gut gewesen. Man konnte zwar von hier aus sehr gut erkennen, wer das Castillo verließ und um wie viele Personen es sich handelte. Aber man würde diese dann erst recht dicht an Grioli herankommen lassen müssen, um sie anzugreifen, da man selbst umgekehrt ja auch schon aus über einer Meile Entfernung auf den baum- und strauchlosen Feldern gesehen werden konnte. Es hieß also erst einmal abzuwarten, was sich auf Quazzano tat ...
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Als er sich aus seiner gebeugten Haltung über die Karte der Kloster-Latufundias wieder erhob, vernahm Amando Almadarich ein ganz leises scharrendes Geräusch hinter sich, als ob die Türe zu seiner Kammer sacht geöffnet wurde. Tatsächlich öffnete sich die Eichentür langsam und herein trat aus der totalen Dunkelheit des Korridors just jene Person, über die er gerade eben noch nachgesonnen hatte.
"Ihr!", rief er überrascht aus. "Ihr habt Nerven, meine Tochter, noch einmal dieses Haus unseres Schweigenden Herrns zu betreten, nachdem man Euch dessen Brandschatzung bezichtigt!"
"Mich?", zischte Rifada böse und deutete mit ungläubigem Blick auf die eigene Brust, während sie ganz in die kerzenbeschienene Studierstube eintrat und die Türe wieder hinter sich schloss. "Eure Schwester, diese machtlüsterne Ketzerstochter, ist die Verursacherin all dieses Übels! Das wisst Ihr so gut wie ich! Ich habe selbst gesehen, wie ein Hexer mit unheiligen Wesen diese geweihte Stätte angriff. Und Eure Schwester war davor und danach erstaunlich oft zugegen. Es gefiel ihr nicht, dass Abt Marbodano ein Vertrauter unserer Familia war - lieber wollte sie eine ergebene Mirhamionette wie Euch in diesem Amt sehen! Aber diese Rechnung hat sie ohne mich gemacht!"
"Versündigt Euch nicht weiter mit solche Lügen, Domna Rifada!", schaute nun der hagere Boroni ungläubig. "Meine Schwester ist eine ehrbare Frau! Sie würde in ihrem Leben niemals mit ..." 
Ehe er den Satz vollenden konnte, schoss plötzlich Rifadas Faust zu einer geraden Rechten nach vorne, die Amando so knallhart am Kinn traf, dass er mit glasig verdrehten Augen eine Pirouette auf der Stelle drehte und dann mit dem Oberkörper auf seinen Schreibpult stürzte, von dem er benommen zu Boden rutschte.
"Für einen Boronsbruder redet Ihr viel zu viel - auch wenn Ihr kein echter seid!", schüttelte Rifada missmutig den Kopf und zog ungerührt den leeren Kornsack aus ihrer Wamstasche. Sie zog ihn dem Harmamund-Sohn über den Kopf und band ihm mit einem ebenfalls mitgebrachten Strick die Hände auf den Rücken.
Die Türe öffnete sich wieder einen Spalt, und der Scheffelsteiner Capitan Abelardo lugte herein, der mit seinem Waffenknecht draußen links und rechts der Tür gewartet hatte: "Alles in Ordnung, Domna?"
"Ja - selbstverständlich!", zuckte Rifada mit den Achseln, hob den gefesselten Fraternello ächzend an und warf ihn sich wie einen leblosen Sack Getreide über die Schulter. "Haltet die Türen auf! Das Klappergestell kann ich allein tragen!"
Die beiden Scheffelsteiner tauschten mit verkniffenem Grinsen einen Blick, dann begleiteten sie - einer vorneweg, einer hinterher laufend - die Vanyadâlerin, und ihre schwere Last aus dem Kloster nach draußen in die Nacht.
==[[Mark Ragathsquell]], 9. Tsa 1036 BF==
===Kloster [[La Dimenzia]], abends===
'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Das Silberlicht des Madamals erleuchtete die mondhelle Nacht, die - reflektiert durch die nahezu geschlossene Schneedecke ringsumher - noch heller als gewöhnliche Vollmondnächte wirkte. Außer dem kurzen Schrei einer vorbeifliegenden Eule störte nichts die absolute nächtliche Stille auf dem Grund des von einer hohen Mauer umfriedeten Klosters der Heiligen Noiona in der gräflichen Gemarkung Ragathsquell. Auch die Schritte der über einem Dutzend Rösser und Maultiere, die sich dem Kloster im Dunkel der Nacht von Nordwesten her näherten, wurden beinahe vollkommen vom fesselhohen Schnee geschluckt und gedämpft.
Das vorderste Ross blies schnaubend eine Atemwolke aus seinen Nüstern in die frostklare Nacht, als es von seiner Reiterin direkt vor der Klostermauer gezügelt wurde.
"Da wären wir! La Dimenzia!", klärte sie flüsternd einige der ihr nachfolgenden Begleiter auf und verwendete dabei den Namen für das altehrwürdige Klsoter, der sich im Volksmund dafür eingebürgert hatte, auch wenn die borongeweihten Priester diese Bezeichnung nicht schätzten.
"Haltet einmal mein Pferd gut fest!", bestimmte [[Rifada da Vanya]] und drückte dem auf dem Ross neben ihr im Sattel sitzenden Burgcapitan Abelardo aus Scheffelstein die Zügel ihres eigenen Pferdes in die Hand. Rifada stemmte sich daraufhin balancierend im Sattel hoch, stellte die Füße auf diesen und richtete sich schließlich wackelig auf dem Pferderücken stehend zu ihrer vollen Größe auf. [[Boraccio D'Altea]], der hünenhafte Cronvogt zu Khahirios, der sie mit seinen Männern und Frauen von seiner Burg aus hierher begleitet hatte, verfolgte ihre artistische Einlage mit verdutzt-skeptischem Blick.
So aber konnte Rifada über die annähernd drei Schritt hohe Mauer hinwegsehen. Das Hauptgebäude des Klosters war nur noch eine schwarzverkohlte Ruine. Der Schneefall der letzten Tage hatte auch die letzten Brandnester des flammenden Infernos gelöscht und zugedeckt, dessen unfreiwillige Zeugen Richeza, Belisetha und sie vor einigen Tagen geworden waren. Im Wirtschaftsgebäude aber brannte in einigen Kammern noch Kamin- oder Fackellicht. Offenbar hatten sich noch nicht alle Klosterbewohner selig träumend in die Arme ihres schwarzen Herrn begeben, obwohl inzwischen etwa die Stunde vor Mitternacht angebrochen sein sollte.
"Scheinbar ist der eine oder andere noch wach!", ließ Rifada ihre kopfstarke Begleitung wispernd wissen. "Da ich Euch nicht tiefer als unbedingt notwendig in diese Fehde hineinziehen will," wandte sie sich danach, noch immer flüsternd, an Dom Boraccio, nachdem sie schnörkellos vom Pferderücken hinab in den Schnee gehopst war, "schlage ich vor, dass Ihr mit Euren Leuten hier draußen auf uns wartet und die Umgebung im Auge behaltet, falls sich irgendjemand von außerhalb nähern sollte, der uns in die Quere kommen könnte. Ihr beide dagegen", sie wandte sich an Dom Abelardo und an den Waffenknecht ihres Schwagervaters Hesindian, "begleitet mich nach innen, wenn ich jetzt unseren Freund [[Amando Almadarich von Hamamund|Amando Almaderich]] heraushole - ob es ihm gefällt oder nicht."
Sie kramte etwas aus ihrer Satteltasche hervor, was wie ein leerer Mehlsack aussah. Hatte sie deswegen heute früh bei den Windmühlen von Wilsemund haltmachen wollen und war im Inneren von einer der Windmühlen verschwunden?
"Da stecke ich unsere Boronskrähe hinein und ziehe ihm den Sack dicht über den Kopf. Solange Ihr also Acht gebt, dass er Euch nicht an Eurer Stimme erkennt, könnt Ihr ganz unbesorgt sein, dass die Harmamunds von Eurer Beteiligung an dieser schönen Geiselnahme erfahren ..."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Efferdane riss erschrocken die Augen auf, als die Klinge des Mannes ihr bedrohlich nahe kam. Langsam ließ sie den Arm sinken und machte einen Schritt zurück. Doch dann legte sich ein entschlossener Zug um ihre Lippen. Sie hob den Arm nur ein wenig seitwärts, bis das brennende Scheit über dem Stroh schwebte, auf dem die Kranke lag.
"Nur zu!", sagte sie grimmig. "Tötet mich, und wir werden alle hier verbrennen!"
"EFFERDANE, NEIN!"
Erstmals wandte die junge Ragathsquellerin den Blick von dem bedrohlichen Mann vor ihr. Rohaja von Ragathsquell schob sich an dem Hünen vorbei in den Raum. "Lasst sie in Ruhe, das ist meine Schwester!", rief sie dem Mann zu.
"Rohaja …?!" Efferdane hob das brennende Scheit wieder an, diesmal aber, um es rasch von dem Stroh fort zu bewegen, ehe noch Glut herunter tropfte und ein Unglück verursachte.
"Das ist Boraccio D'Altea, der Cronvogt von Khahirios. Und das da …" Rohaja machte eine unbestimmte Bewegung in Richtung der Tür, wo, verdeckt durch den breiten Rücken des Einäugigen, eine weitere Person eingetreten zu sein schien. "Das ist Hernán von Aranjuez, der Junker von Aranjuez, den kennst du wohl. Ach und … äh … Baron von Dubios", fügte sie rasch hinzu. "Sie sind hier, um uns zu helfen, Eslamino zu finden."
Efferdane sah von ihrer Schwester zu dem Einäugigen und an diesem vorbei zur Tür. Dann trat sie zögernd beiseite und steckte das Scheit zurück in den Kamin, ehe die leckenden Flammen ihre Hand erreichten.
Nachdem die Lage sich wieder entspannt hatte senkte Boraccio seine
Klinge und steckte die Waffe wieder weg. Er schien ein wenig peinlich
berührt zu sein und murmelte etwas in seinen Bart, das man als
"Entschuldigt bitte" interpretieren mochte.
Mit eher bedachteren Schritten näherte er sich der liegenden Frau und
betrachtete sie aufmerksam.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die Frau auf dem Lager lag in einer wenig bequem scheinenden Haltung auf dem Rücken, die Beine seitlich angewinkelt, eine raue Wolldecke bis zu den Schultern hochgezogen. Sie trug Hemd, Wams und Hosen, die ihr samt und sonders zu groß waren. Eine Hand lag auf der Decke, die andere in der Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen, die Finger halb unter dem Hemd verborgen. An der rechten Hand trug sie einen Ring, der vor kurzem offenbar noch an einem anderen Finger gesteckt hatte, dort, wo eine schwärende Wunde zu sehen war. Beide Handgelenke wiesen kaum verheilte Schürfwunden auf. Auch an Wangen und Nase hatte sie rotblaue Frostwunden, quer über den Hals lief ein verschorfter Kratzer, lang, glattrandig; und schräg darüber, bis zum Kinn hinauf, dunkelblaue Flecken, regelmäßig, übersät von zahlreichen winzigen Blutpunkten.
Die aufgesprungenen, blutverkrusteten Lippen hatte die Frau leicht geöffnet, ihre Augen ebenso, doch immer wieder flatterten die Lider zu, als wären sie zu schwer oder die Frau zu müde oder schwach, die Augen ganz zu öffnen. Ihr schwarzes Haar klebte in der schweißnassen Stirn.
"Wir haben sie vor Sonnenaufgang hier im Dorf gefunden, nicht weit von der Taberna, im Schnee", erklärte Efferdane zögernd, als müsse sie sich für den Zustand der Fremden rechtfertigen. "Sie hatte Fieber und war halb erfroren, aber ich denke, es geht ihr schon besser, Dom … Boraccio."
Die Augen der Frau schlugen erneut auf, drei Herzschläge lang begegnete ihr Blick dem des Araceners, dann fielen die Lider wieder zu.
"Irgendwo hier in der Nähe treibt sich ein Mann oder … irgendwer mit einer Stiermaske herum. Vielleicht hat er …", begann Efferdane erneut und verstummte dann, als sie den Blick des Hünen sah, der auf den Hals der Kranken gerichtet war.
Ihren Hals, der nicht viel besser aussah als vor sechs Jahren, als nur die Hände und Worte seiner Wildhüterin die Edle vor dem sicheren Tod bewahrt hatten.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die Augen der Edlen flatterten mehrmals auf und wieder zu, ehe sie dem Blick des Condottieres einige weitere Herzschläge standhielten. Boraccio hatte durchaus den Eindruck, dass sie ihn erkannte, denn kurz veränderte sich ihre Mimik, so schwach allerdings, dass er aus ihrem Mienenspiel nicht klug wurde. Statt etwas zu sagen, wandte sie den Kopf ab, und die Hand an ihrem Schlüsselbein griff nach dem Saum der Decke und krallte sich darin fest.
"Kennt Ihr sie?", fragte Efferdane erstaunt und warf ihrer Schwester einen hoffnungsvollen Blick zu. Vielleicht würden die Doms hier wirklich bei der Suche nach ihrem Bruder helfen. Und dafür sorgen, dass dieser Stiermensch aus dieser Gegend verschwand. Am besten für immer. "Sie spricht nicht", wandte sich Efferdane wieder an den Aracener. "Sie …" Aber in diesem Moment traten ein weiterer Mann und eine Elfe – Halbelfe? – in den Schankraum und versperrten Efferdane die Sicht auf den Knienden und die Kranke.
Die Halbelfe ging neben dem Lager in die Hocke, besah sich die Frau eine Weile, ohne sie zu berühren, nahm dann wortlos deren Hand aus der des Vogtes, legte drei Finger auf das Handgelenk der Edlen, nahm sie einzeln wieder fort und griff nach der Decke, um sie fortzuziehen, doch die Frau drehte den Kopf in ihre Richtung und hielt die Decke fest.
Erstmals schien die Edle etwas wacher, beinahe kampfbereit, als ihr Blick dem der Halbelfe begegnete. Erst, als diese die Decke losließ und mit den Schultern zuckte, entspannte sich die Kranke etwas.
"Schlaf, ein paar Tage Ruhe, Wärme, dann wird sie das wohl überleben", erklärte Simyane Apfelblüte lakonisch. "Bis der Frostbrand heilt, werden ein paar Wochen vergehen. Das meiste ist harmlos, aber schmerzhaft. Darum", sie wies mit dem Kinn in Richtung des brandigen Fingers, "sollten wir uns kümmern."
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
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"Vielleicht habt ihr Recht!", nickte er und ließ sich hochhelfen. "Reiten wir nach Ragath."
"Vielleicht habt ihr Recht!", nickte er und ließ sich hochhelfen. "Reiten wir nach Ragath."
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