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''Almada, in Deinen Armen, an Deinem Busen will ich immer sein!'' | ''Almada, in Deinen Armen, an Deinem Busen will ich immer sein!'' | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
"Das hat er schön gesagt, unser Fürst, nicht wahr?", sagte die junge Handelsherrin [[Birella Veracis]]. "Das mit dem Leben der Gegenwart und dass die kommenden Tage unter unserem Fürsten lebens- und liebenswert sein sollen." | |||
[[Torquato Tournaboni]], lächelte wehmütig, während seine schlanken Finger mit den Blättern eines Rosenstrauches spielten, vorsichtig darauf bedacht, die Dornen nicht zu berühren. Für die hellroten Blüten, die an den Rändern schon ein wenig welk wurden, schien er keinen Blick zu haben. | |||
"Wie soll denn die Gegenwart lebenswert sein, meine teure Domna Veracis, wenn die Vergangenheit so grausam war, dass ein Leben nicht ausreicht, sie zu vergessen?" | |||
"Müssen wir denn vergessen?", fragte die junge Puninerin zurück und warf dem Ratsherrn einen Blick von der Seite zu, doch der drehte noch immer gedankenverloren die Blätter zwischen seinen Fingern. "Müssen wir uns nicht viel mehr all dessen erinnern, was zu Streit und Missgunst führte, auf dass eine solche Zeit sich nie wiederhole?" | |||
"Wie könnt Ihr so einfach darüber hinwegkommen?", seufzte der Bankier. "Ihr habt Euren Vater verloren!" Sein Blick ging hinüber zum Musikpavillon, wo die Spielleute soeben zum [[Schalmeiensang und Lautenklang|Ragathsky-Marsch]] ansetzten. "Ich vermag nicht zu ermessen, wie schmerzlich der Verlust für Euch ist." | |||
'Nein', dachte Birella Veracis, 'und wenn Ihr mich nicht einmal anseht, werdet Ihr es auch nicht an meinen Augen ablesen können. Und anderes auch nicht.' | |||
"Diese Zeit unter dem falschen Kaiser", sagte Torquato Tournaboni und rupfte ein Blatt vom Rosenstrauch, "die war wie ein Unwetter, in dem so viele ihr Leben ließen, das grausam in Almada wütete und es zerstört zurückließ." | |||
Birella Veracis betrachtete den Mann ein wenig von der Seite. Hatte ihr hoher Vater recht gehabt, der ihn für einen Träumer und Herumtreiber und Taugenichts gehalten hatte, gerade so wie Birellas Bruder, der den Kaiser verehrt und nach der Ermordung des Vaters erschreckt außer Landes geflohen war? Laut sagte sie: "Manchmal bedarf es eines Gewitters mit Blitz und Donnerschlag und Regen, der den ausgedörrten Boden tränkt und den Staub aus der Luft wäscht, damit man wieder klar zu sehen vermag und Neues wachsen und gedeihen kann. ''Um die Zukunft glor- und segensreich zu gestalten, auf dass unser Land, unser Almada wieder zu dem erblühe, das es einstmals war''", zitierte sie den Fürsten. | |||
Torquato Tournaboni seufzte erneut und ließ die dünnen Schultern hängen. Er hatte abgenommen, trotz des Weines, dem er zuletzt vermehrt zugesprochen hatte – auch jetzt hielt er einen Kelch in der rechten –, und in den dunklen, fast schwarzen Augen, lag ein trauriger Blick. "Ihr habt gut reden, Teuerste", sagte er, "denn Ihr führt Euer Haus mit ruhiger Hand und mit äußerster Klugheit, und es steht bald besser da als zu Lebzeiten Eures hohen Vaters – und das soll etwas heißen! Ich aber habe auf die falschen Pferde gesetzt und falle immer weiter ab gegen den Albizzi." | |||
'Kein Wunder!', dachte die junge Handelsherrin und betrachtete missgestimmt das nachlässig geschnürte Wams des langjährigen Freundes, das leicht zerzauste Haar, das mal wieder einen Barbierbesuch vertragen konnte, die ungeputzten Stiefel. Torquato Tournaboni war auf dem besten Wege, ein Mann zu werden, der zu lange dem Einfluss weiblicher Fürsorge entzogen war, dachte sie. Dumm nur, ärgerte sie sich, dass die Männer nicht verstehen wollten, dass sie ihre Leidenszeit nur noch verlängerten – bis diese ein Leben währte! –, wenn sie sich derart vernachlässigten, bis keine Frau sie mehr eines Blickes würdigte! Schade, dachte sie, denn er war doch einst ein so gutaussehender und galanter junger Herr gewesen. | |||
Aus Gewohnheit errötete sie ein wenig bei dem Gedanken, aber auch dies entging dem Puniner Bankier, der einen Schluck aus seinem Kelch nahm – einen großen Schluck, der den Kelch leerte – und die Hand nach dem Tonkrug auf der Mauer ausstreckte, um sich nachzuschenken. | |||
Birella Veracis hinderte die Hand daran, indem sie sie ergriff und sacht von dem Krug wegzog, näher zu sich. Überrascht sah er sie an. Zum ersten Mal an diesem Nachmittag. Die Puninerin spürte, wie ihr Herz ein wenig schneller zu schlagen begann, als sie den Blick seiner Augen, der schönen, langbewimperten dunklen Augen, einfing. Doch schon senkten sich diese wieder, und der Ratsherr seufzte. | |||
"Ihr habt so recht!", sagte er bekümmert. "Ich trinke zu viel." Und er stammelte ein wenig vor sich hin von seinem Unglück und den schweren Zeiten, die kaum leichter geworden waren, seit der Kaiser vergangen war. | |||
Birella Veracis war sich nicht sicher, ob sie ihn lieber ohrfeigen sollte, damit er das Jammern ließ, oder ob es hilfreicher wäre, ihm die Lippen mit einem Kuss zu verschließen. Erbaulicher, dachte sie, wäre gewiss Letzteres, aber zu einfach wollte sie es ihm machen. Niemand, dachte sie, wollte einen Mann, der mit der Ergebenheit eines zu oft gescholtenen Hundes zu einem heraufsah, treu vielleicht, lieb gewiss, aber ohne Zähne, ohne eigenen Willen. | |||
Sie betrachtete ihn eine Weile, wie er so dastand, seine Finger noch in ihrer Hand, aber kraftlos, sein Blick wieder auf die Musikanten gerichtet. Ob eine Ohrfeige vielleicht doch etwas nützte? Wann endlich brächte er den Mut auf, sie zu fragen? Jetzt, wo ihr Vater tot war, wen sollte er noch fürchten? Sie selbst etwa? Nein, wohl eher nur die Zurückweisung. | |||
Sie seufzte nun ebenfalls, doch Selbstmitleid hatte noch nie zum Ziel geführt, dachte sie, und sie war eine tüchtige Frau, kein Mädchen mehr, nein Soberana eines der prosperierenden Handelshäuser der Capitale, wenn er blind war, dann würde eben sie ihm selbst die Augen öffnen, wenn er mutlos war, nun, dann brauchte er wohl jemanden, die ihm wieder auf die Beine half. | |||
"Kommt", sagte sie, "wir wollen uns ein wenig im Garten umsehen! Wie oft haben wir auch Gelegenheit, die Schönheit des Augenblicks und den Frieden und die Stille zu genießen wie die hohen Damen und Herren des Königreiches? Aber der bleibt hier!" Sacht nahm sie den Kelch aus seiner Hand und stellte ihn auf die Mauer. Dann hakte sie sich bei ihm ein und führte ihn zwischen den Rosensträuchern und Rabatten hindurch in Richtung des Musikpavillons, wo die Spielleute nun zum Tanze aufspielten. | |||
Ja, es war Zeit, aus diesem armen Tropf wieder einen gesellschaftsfähigen Mann zu machen! | |||
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