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Ein Geräusch weckte [[Richeza Aldonaza von Scheffelstein|Richeza]]. War es das Schlagen des offenen Fensterladens im Wind? Das leise Rascheln des Vorhangs in der Balkontür? Oder der Pulsschlag ihres Herzens, den sie noch immer deutlich – wenn auch leiser – in ihren Ohren vernahm. | Ein Geräusch weckte [[Richeza Aldonaza von Scheffelstein|Richeza]]. War es das Schlagen des offenen Fensterladens im Wind? Das leise Rascheln des Vorhangs in der Balkontür? Oder der Pulsschlag ihres Herzens, den sie noch immer deutlich – wenn auch leiser – in ihren Ohren vernahm. | ||
Sie drehte sich auf die Seite. Die Müdigkeit lastete wie eine bleierne Decke auf ihren Schultern, aber es tat gut, zum ersten Mal seit so langer Zeit in einem bequemen Bett zu liegen. Ein ferner Blitz erhellte das Zimmer, beleuchtete die holzvertäfelte Wand, das leere Rechteck, wo einst das Gemälde ihrer Vorfahren gehangen hatte, das von Domna [[Praiosmin von Elenta|Praiosmin]]s Soldaten beschädigte Mobiliar. | Sie drehte sich auf die Seite. Die Müdigkeit lastete wie eine bleierne Decke auf ihren Schultern, aber es tat gut, zum ersten Mal seit so langer Zeit in einem bequemen Bett zu liegen. Ein ferner Blitz erhellte das Zimmer, beleuchtete die holzvertäfelte Wand, das leere Rechteck, wo einst das Gemälde ihrer Vorfahren gehangen hatte, das von Domna [[Praiosmin von Elenta|Praiosmin]]s Soldaten beschädigte Mobiliar. | ||
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"Warte!" Richeza griff nach dem Arm der Alten, hielt sie fest. "Was weißt du von meiner Mutter?" | "Warte!" Richeza griff nach dem Arm der Alten, hielt sie fest. "Was weißt du von meiner Mutter?" | ||
Die Augen der alten Frau schimmerten dunkel. "Eine Menge, mein Kind. Mehr als Ihr ahnt." Sie sah auf die Hand der Edlen, die ihren Ärmel umklammert hielt. | Die Augen der alten Frau schimmerten dunkel. "Eine Menge, mein Kind. Mehr als Ihr ahnt." Sie sah auf die Hand der Edlen, die ihren Ärmel umklammert hielt. | ||
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Bevor Richeza etwas erwidern konnte, stieß sich die Frau mit beiden Beinen vom Boden ab und erhob sich in die Luft. Richeza stand noch auf dem Balkon und blickte ihr nach, lange nachdem die Dunkelheit die Alte verschluckt hatte. | Bevor Richeza etwas erwidern konnte, stieß sich die Frau mit beiden Beinen vom Boden ab und erhob sich in die Luft. Richeza stand noch auf dem Balkon und blickte ihr nach, lange nachdem die Dunkelheit die Alte verschluckt hatte. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Derselbe Wind, der Richeza aus dem Schlaf riss, weckte auch den frischgebackenen "Burgherrn" [[Moritatio da Vanya|Moritatio]] viel zu früh aus einem ohnehin unruhigen Schlummer. | |||
Er war ein solcher Idiot! Nichts konnte er richtig machen oder sagen. 'Du siehst wie eine ''richtige Frau'' aus!', wiederholte er im Geiste nochmals seinen verhängnisvollen Satz, wegen dem ihn Richeza | |||
den gesamten restlichen Abend angegiftet, angeschwiegen oder mit unleidlichen Blicken bedacht hatte. Die schöne Romina-Alba war auch ein für allemal über alle Berge – die würde er bestimmt niemals wiedersehen. | |||
Dazu kam noch die Tag für Tag größer werdende Angst vor seiner Rückkehr nach Punin. 'Aha, unser treuloser Deserteur und Fahnenflüchtiger gibt sich auch wieder einmal die Ehre!', hörte er [[Filippo di Lacara]] und seinen verderbten Vetter [[Juanito di Dubiana]] schon spöttisch ätzen. 'Los! Vor dem gesamten Regiment antreten zum Spießrutenlauf!' | |||
Schon vor über zwei Wochen hätte er sich im Hofjunkerquartier in der Residencia einfinden müssen – sie würden ihn gewiss für ein paar Tage an den Pranger stellen lassen, und danach musste er wahrscheinlich für den Rest des Jahres ohne jede Hilfe die Latrine reinigen und den Pferdestall ausmisten – wenn ihm nicht sogar vor dem Kaiser der Process gemacht wurde. Er schüttelte den Kopf, und es rieselte ihm eiskalt den Rücken hinunter. | |||
Wo nur seine Mutter und Gujadanya blieben? Das Castillo war wieder ihres – und er selbst hatte dazu sogar einen kleinen Beitrag leisten können. Aber jetzt musste er wirklich fort, um seine Pflicht vor dem Kaiser und Almada zu erfüllen – er brachte sonst ja nur Schande über seine Farben, dass er die eigenen Privatfehden höher hielt als den Dienst am Kaiserreich. | |||
Nein, gleich morgen früh wurde er zu Richeza gehen und ihr seinen Abschied verkünden. Sie war die Tochter von Mutters Schwester, die hier einst gelebt hatte – also warum sollte sie nicht die Befehlsgewalt über das Castillo übernehmen können, bis Rifada selbst mit Verstärkung eintraf? Auf die Anwesenheit ihres ungeliebten Vetters, der sich nur falschen Hoffnungen hingab, während er seine eigentliche Aufgabe vernachlässigte, konnte sie dabei sicher sehr gut verzichten. Die einzige Schwierigkeit war, dass er dem wackeren Weggefährten Anzures Ballan sein derzeit einziges verfügbares Ross als Belohnung geschenkt hatte. Es würde also morgen und an den nächsten Tagen auf einen langen Fußmarsch bis nach Punin hinauslaufen ... | |||
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