Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 27
Edlengut Selkethal, 01. Rahja 1044 BF
Autoren: Amarinto, Eliane & Jan
Das Gasthaus war bereits voller Leben, als Skrayana die Schwelle überschritt. Der warme Schein der Öllampen und Kerzen flackerte auf polierten Holztischen, an denen sich Reiter, Zuschauer und reisende Kaufleute drängten. Sie alle spürten noch die Aufregung des Rennens in ihren Adern, und der Wein floss in Strömen. Die Luft war durchzogen vom Duft nach gebratenem Fleisch, gewürztem Wein und einem Hauch von Staub, den die Gäste hereingetragen hatten. Skrayana schritt mit der unerschütterlichen Haltung einer zukünftigen Ritterin durch den Raum. Ihre für ihr Alter bereits enorme Körpergröße, ihr kräftiger Körperbau, die hohen Wangenknochen, der lange blonde Zopf und die sehr helle Haut mit den typischen Zügen ihres Vaters ließen keinen Zweifel an ihrem barbarischen Erbe. Sie trug den einfachen, aber gut gepflegten Wappenrock mit den Farben ihres Lehrmeisters, Dareius Amarinto. Er kennzeichnete sie als Schülerin eines der bekanntesten Turnierstreiter des Horasreichs, doch dies spielte hier in Almada natürlich keine Rolle. Dennoch, obwohl sie jung war, strahlte sie daher ein natürliches Selbstbewusstsein aus, das sich mit der rohen Kraft ihres Gjalskerländischen Erbes vermischte. "Skrayana!", rief eine vertraute Stimme. Silem Ross, der athletische Wagenlenker, setzte sich an einen Tisch in der Nähe des Kamins, ein Becher Wein in der Hand. "Mach deinem Herren keine Schande!" Er grinste und prostete ihr zu.
"Ich? Niemals!", erwiderte sie mit einem herausfordernden Lächeln, wandte sich zum Gastwirt und ließ einige Münzen auf die Theke fallen. "Wein, in einem großen Becher. Ich...äh, habe großen Durst." Sie grinste strahlend. Der Wirt nickte verständnisvoll und füllte einen ordentlichen Becher mit Wein und steckte die horasischen Münzen ein.
Gerade als Skrayana sich mit dem frisch gefüllten Becher umdrehte, um sich zu Silem zu gesellen, drängten zwei jugendliche almadanische Edeldamen mit strahlenden Gesichtern und leuchtenden Augen in den Gasthof. Ihre Stimmen waren voller Begeisterung über das Rennen, das sie eben noch diskutierten, und in ihrer Eile bemerkten sie Skrayana erst im letzten Moment. Ordonya Al'Morsqueta und Rondralia d'Ouvici, die junge Knappin der Caballera Luciana Al'Morsqueta, hatten die erste sich bietende Gelegenheit genutzt, um sich von Domna Usanza da Selaque von Culming und Ordonyas älterer Schwester Sarkyoza abzusetzen. Die beiden Mädchen hatten nicht die geringste Lust, diese albernen Geschichten und Gedichte von diesem Falber hören zu müssen. Oder dabei zuzusehen, wie ihre Begleiterinnen sich den anderen dümmlich-verträumt vor sich hinseufzenden Damen und Jungfrauen anschlossen, die diesen Schönling umschwärmten. Schließlich waren hier überall Caballeros und Caballeras und andere Kämpfer! Echte Helden! Mit aufregenden Berichten von Triumphen und Heldentaten und Schlachten und Geschichten voller Ruhm und Ehre und großen Opfern! Und zusätzlich waren sie Domna Lucianas strenger Aufsicht entkommen. Kostbare Freiheit, die sie in vollen Zügen auskosten würden!
„Komm, Rondralia. Wir holen uns was zu trinken, und dann sehen wir mal. Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen. Hab ich dir von den drei Caballeras vorhin erzählt? Vielleicht sind sie ja hier.” Ordonya drängte zur Theke, den Blick über die Schulter zu ihrer Freundin gewandt.
„Achtung!” Doch es war zu spät. Schwungvoll rammte sie Skrayana ihre Schulter in die Seite. Der Zusammenstoß ließ Skrayana leicht ins Taumeln geraten, und nur mit einer geschickten Bewegung ihres kräftigen Arms gelang es ihr, den Becher Wein nicht gänzlich über sich oder die beiden Damen, oder viel mehr Mädchen zu verschütten. Einige Tropfen fielen dennoch auf die Tischkante, und ein überraschter Laut entfuhr einer der jungen Frauen.
"Oh, verzeiht!" rief die hintere von ihnen hastig, während die andere mit großen Augen auf Skrayana blickte. Ihre Neugier funkelte beinahe ebenso sehr wie die silbernen Stickereien an ihren Kleidern.
Skrayana lachte und richtete sich wieder zu voller Größe auf, musterte die beiden neugierig. "Ihr seid offenbar schneller als ein Rennpferd unterwegs. Aber keine Sorge, der Wein ist nicht verloren!" Sie hob den Becher spielerisch an, prostete den beiden zu und nahm einen ordentlichen Schluck.
Ordonya, erleichtert, dass offensichtlich nichts passiert war, grinste. „Eher unaufmerksam. Entschuldigt bitte.” Fasziniert musterte sie ihr Gegenüber. Die andere war riesig! Aber sie wirkte nicht viel älter als Sarkyoza. Dafür war sie deutlich beeindruckender. „Dürfen wir Euch für die Unannehmlichkeit auf etwas zu Trinken…” Ordonya verstummte und schalt sich eine Närrin. Die Hühnin hatte Wein in der Hand, was sollte sie mit mehr. „Oder etwas zu Essen einladen? Seid Ihr auch mitgeritten?”
Rondralia trat, etwas skeptischer als Ordonya, hinzu und flüsterte Ordonaya etwas ins Ohr. Die Kleidung der beiden Mädchen war in lindgrün, blutrot und schwarz gehalten, mit silbernen Stickereien. Obwohl die Kleider edel waren, hatte jemand auf Bewegungsfreiheit und Praktikabilität geachtet. Während sie sich eine Strähne ihres dunklen Haares hinter das Ohr strich, fuhr Ordonya etwas verlegen fort: „Darf ich vorstellen: Rondralia d’Ouvici, Knappin meiner Schwägerin Luciana Al’Morsqueta. Und ich bin Ordonya Al’Morsqueta.” Sie zögerte einen Moment, dann brach aus ihr hervor: „Seid Ihr Thorwalerin? Meine Schwester wurde bei ihrer Rückkehr von einem Thorwaler begleitet, der ist genauso groß wie Ihr!” Dann besann sie sich einer Sache, die Aki ihr erklärt hatte. „Oder sagt Ihr Du?”
Skrayana brai Rahjalina Kaarstett hob eine Augenbraue und musterte die beiden jungen Damen mit einem abwägenden Blick. Dann richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und schmunzelte. "Thorwalerin? Hah! Ihr vergleicht mich doch nicht ernsthaft mit diesen verweichlichten Leichtmatrosen, oder?" Ordonyas Augen wurden groß und Röte schoss ihr in die Wangen. Sie setzte an, etwas zu sagen. Rondralia strafte sich indessen, auch wenn ihr das selbst albern vorkam. Doch Skrayana lachte, und ihre Stimme trug eine gespielte Gekränktheit in sich. "Dennoch erfreut Euch kennenzulernen Signoras! Ich bin Skrayana brai Rahjalina Kaarstett aus Phecadien, Knappin von Cavalliere Dareius Amarinto." Sie vollführte einen in Anbetracht ihrer Größe und des Weinbechers in ihrer Hand durchaus eleganten Kusliker Hofknicks. Rondralia war verwirrt, aber neugierig, aber auch etwas skeptischer als ihre Gefährtin, war unentschlossen und verharrte zunächst in ihrer straffen Haltung, die sich nur langsam entspannte, weil um sie herum, das ganz normale Treiben vor sich ging und auch die eigenartige Knappin einen freundlichen Eindruck machte. Skrayana nahm einen weiteren tiefen Schluck Wein und setzte den Becher mit einem selbstbewussten Klacken auf dem Tisch ab. "Eure Einladung zum Essen abzulehnen, wäre gegen alle Regeln der Cortesia. Es wäre mir also eine Ehre!" Sie verbeugte sich knapp. "Aber um Eure Frage zu beantworten, nein, ich hatte leider nichts das Privileg am Rennen teilzunehmen. Cavalliere Dareius war der Ansicht, es wäre noch zu gefährlich." Die tiefe Falte zwischen ihren Augenbrauen und ein erregtes Schnauben machten deutlich, was sie vom Beschluss ihres Schwertvaters hielt.
„Ja, das hat meine Schwester auch gesagt, als ich mich anmelden wollte. So ungerecht!“ Ordonyas Unverständnis war offensichtlich. Dann verkündete sie selbstbewusst: „Aber nächstes Jahr bin ich dabei! Egal, was sie sagt.“
Rondralias Blick sah man an, was sie dazu dachte, aber sie wollte ihrer Freundin die freudige Trotzigkeit gönnen. Sie aber interessierte sich tatsächlich noch mehr für die Großgewachsene vor ihnen. “Ich vermute, wer einen Ritt Euch, bei Eurer Statur und Kraft ablehnt, muss seine Gründe haben. Gibt es solche Rennen dort, wo Ihr herkommt auch?” Freundlich-herausfordernd blickte sie der Großen mit stolz angehobenem Kinn entgegen, wobei sie ihren Blick ohnehin nach Oben richten musste.
Die jugendliche Hünin zog eine Braue hoch. Sie klang ehrlich überrascht. “In Phecadien? Natürlich haben wir auch Pferderennen. Das Hinterland der Deiche ist flach und eignet sich bestens dafür. Mein Schwertvater besitzt zudem einen Streitwagen, er hat vor kurzem damit am Wagenrennen in Punin teilgenommen. Ich durfte bereits einige Male mit ihm und seinem Wagenlenker Signor Silem auf der König-Khadan-Straße fahren und er hat versprochen, dass ich bald alleine damit fahren darf.” Bei dem Wort Wagenlenker deutete sie auf einen horasischen Edelmann der an einem Tisch am Kamin saß.
“Oh, verzeiht, ich war ehrlich der Annahme, dass Ihr nicht aus dieser Gegend stammt, eher aus dem Norden, wenn auch nicht aus Thorwal, wo Ihr die Thorwaler Seeräu…fahrer doch verweichlicht nennt, eine überraschende Bezeichnung.” Rondralia war ernsthaft verlegen, ob ihres Fauxpas, von dem sie allerdings immer noch annahm, dass er kein wirklicher gewesen sein konnte.
Ordonya nickte zustimmend, ihrer Freundin zur Seite springend. „Der Thorwaler, den wir kennen, ist nämlich auch so beeindruckend groß und stark. Er lästert immer über die Größe der Weingläser bei uns. Verweichlicht ist er nicht, allerdings ist er auch kein Matrose. Andererseits sind die Horasier, die ich heute getroffen hab, auch ziemlich wehrhaft gewesen.“ Sie wirkte etwas ratlos, hatte das Gefühl, vielleicht wieder ein Fettnäpfchen getroffen zu haben.
Skrayana versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ihre physische Präsenz war so unübersehbar, ihre barbarische Abstammung so offensichtlich, nicht einmal die feinste horasische Hofetikette konnte davon ablenken, dass sie die Tochter eines Barbaren aus dem hohen Norden war. Ein lautloser Seufzer entwich ihren Lippen, aber dann straffte sie sich, die beiden meinten es ja nicht böse, sie waren nur neugierig. Also entschied sie sich, das Thema offensiv anzugehen und richtete sich wieder zu voller Größe auf, ein stolzes Lächeln im Gesicht, funkelnde blaue Augen über ihren hohen Wangenknochen.
“Ihr habt Recht Signoras, zumindest zum Teil. Ich wurde in Phecadien geboren und meine Mutter stammt aus einer Grangorer Kaufmannsfamilie, aber mein Vater ist Gon Arradh bren Bartakh, ein berühmter Krieger, Häuptling und Condottiere aus dem Gjalskerland, nördlich des Orklandes. Er hat an der Trollpforte mit dem großen Rastar Ogerschreck gegen den Dämonenmeister gekämpft und kam als Söldner in Horasreich, wo er im Thronfolgekrieg kämpfte und seine neue Heimat fand. Er traf dort meine Mutter, die seine Hand im Traviabund nahm. Er ist dem Haus Amarinto, dessen Oberhaupt mein Schwertvater ist eng verbunden und daher hat Cavaliere Dareius zugestimmt, mich zur Ritterin auszubilden.”
Die lächelte freundlich und blickte in die Gesichter der beiden jungen almadanischen Edeldamen.
Ordonya schien es beinahe, als sei ihr Gegenüber etwas verstimmt. Aber dann gewannen ihre Neugier und Begeisterung die Überhand. „Wie aufregend das sein muss, so weitgereiste Eltern zu haben! Und einen Helden zum Vater! Mit so guten Verbindungen! Kennt Ihr seine Heimat? Ich war noch nie so weit weg! Irgendwann möchte ich reisen. Vorhin habe ich eine Caballera aus Nostria getroffen.“ Sie seufzte vor Fernweh, bevor sie sich am Riemen riss.
Skrayanas Lächeln verschwand langsam von ihren Lippen und ein eher nachdenklicher Blick machte sich dort breit. “Nein, leider war ich noch nie in der Heimat meines Vaters. Auch meine Verwandten dort habe ich noch nie getroffen, ich habe mein ganzes Leben bislang im Horasreich verbracht, das hier ist mein erste Reise ins Ausland.”
„Ach, ich war auch noch nie in der Heimat meines Großvaters, und auch nicht im Horasreich. Aber wir sind ja noch nicht alt, Haben noch alle Abenteuer vor uns. Wenn Ihr eines Tages Begleitung auf einer Reise gen Firun sucht, ich wäre liebend gern dabei.“ Ordonya schwieg einen Moment, in Tagträume von abenteuerlichen Heldenreisen versunken. Schliesslich fuhr sie fort: „Wisst Ihr, ich beneide Euch um Eure Größe, Domnatella Skrayana. Die muss im Kampf ein ziemlicher Vorteil sein. Jedenfalls ist es ein Nachteil, klein zu sein. Meine Reichweite ist einfach nicht gut.“ Sie seufzte.
Skrayana konnte nicht verbergen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Selten sprachen Leute so positiv über ihre Größe. In Grangor hatten andere Kinder sie oft ‘Trollmädchen’ oder gar ‘Ogerkind’ genannt. Nun als Jugendliche musste sie die Erfahrung machen, dass viele attraktive Jünglinge von ihrer Physis eingeschüchtert oder gar abgeschreckt wurden. Nur ihr Schwertvater, der selbst hochgewachsen war und dem sie dennoch auf Augenhöhe begegnete, hatte nie auch nur ein negatives Wort darüber verloren und sie stets ermuntert ihre Größe zu ihrem Vorteil einzusetzen. “Danke…” Sie lächelte schüchtern. “...ich kann bereits den Zweihänder schwingen, als wäre er ein Teil von mir. Cavalliere Dareius schlug mir letztens vor, wir sollten eines dieser Andergaster Zweihandschwerter erwerben, damit ich damit üben könnte. Habt ihr diese Schwerter schon einmal gesehen? Sie sind gigantisch und man soll damit Orks mit einem Hieb in zwei Teile spalten können.”
Rondralia hingegen war ernsthaft bedrückt und schämte sich ein wenig ob ihrer beinahe frechen Neugier und Skepsis, jetzt wo sie wusste, das dort die Tochter eines wahren Helden vor ihr stand. Noch dazu mit einer so interessanten Geschichte. Sie wusste dementsprechend nicht recht was zu sagen war und so schwieg sie, war froh, dass Ordonyas Plappermaul den peinlichen Moment etwas entschärfte.
Ordonya hingegen sah Skrayana weiterhin neugierig an. „Ich glaube, auf Quríabor hängt ein ein Andergaster, über dem Kamin. Aber der ist alt, ein Andenken einer Ahnin. Wir nennen ihn den Ogertod. Weil er so riesig ist.“ Rondralia nickte. Die Waffe war beeindruckend, wenn auch bestimmt nicht mehr für den Einsatz im Ernstfall geeignet.
Ordonya fiel ein, dass sie eine Einladung ausgesprochen hatte. Sie sah sich nach einem freien Tisch um. Schließlich fand sie einen, am Ende der Theke, von dem sich gerade ein paar Gäste erhoben. Sie schien nicht die einzige, die ihn bemerkt hatte. „Rasch, da drüben, bevor jemand schneller ist“, drängte sie die anderen beiden durch die Gästeschar an der Theke vorbei. Der Schankjunge kam ihnen mit einem Tablett voller Wein entgegen. Ordonya streckte ihm einige Münzen entgegen: „Gibst du mir zwei? Und bringst uns bitte gleich was zu Essen, für drei?“
Der Junge zögerte, dann erkannte er die Münzen und grinste. „Sicher. Nehmt den Weißen, der ist besser.“ „Danke.“, lächelte Ordonya, folgte dem Rat und erreichte den Tisch zwei Schritte vor der anderen Gruppe. Rasch glitt sie auf die Bank und winkte ihren Begleiterinnen.
Skrayana setzte sich und stellte ihren großen Becher Wein vor sich ab. Sie nahm ein mehrfach gefaltetes Papier aus ihrer Tasche und breitete es vor sich aus. Es zeigte eine grobe Karte des nördlichen Horasreichs, Almadas und Teile der Khôm und der Nordmarken. Sie deutete auf eine Stadt an der Küste, etwas südlich von Grangor. “Das ist Sewamund, dort kommen wir her.” Sie zeichnete den Küstenlandstrich von den Windhagbergen, dem Phecanowald hinunter bis zum Sewak mit mit ihrem Finger nach. “Das sind Phecadien und Sewakien.” Dann zeigte sie auf Almada. “Woher kommt ihr?”
„Aus Mestera“, deutete Ordonya etwas praioswärtig von einer Stadt, die den Namen Bangour trug. Dann fuhr sie von dort nach rechts und oben. „Wenn Ihr von hier, vom Selkethal, gen Taladur reist, und dann gen Efferd über die Eisenstraße, passiert Ihr es zu Eurer Linken.“ Skrayana folgte Ordonyas Finger aufmerksam mit den Augen. “Das ist gar nicht so weit von hier, oder?”
„Nein, gar nicht weit. Wenn Ihr über Artésa oder den Phecanowald in Eure Heimat zurück kehrt, dann liegt es auf dem Weg.“
Ihre Hand strich weiter über die Karte, zeigte die beiden Wege, bis der Finger auf dem Küstenverlauf unterhalb Sewamunds verharrte. „Ich war noch nie in Phecadien, oder am Meer. Oder auf einem Streitwagen. Wie ist das? Ist es nicht langweilig, ein Rennen nur auf ebener Strecke zu reiten?“ Neugier und ein wenig Sehnsucht lagen in ihren Worten.
Skrayanas Augen begannen zu leuchten, als sie vom Wagenlenken sprach. “Es ist unglaublich auf einem Streitwagen zu stehen. Man fühlt sich wie eine Heldin des alten Bosparan oder heilige Leomar selbst auf dem Donnersturm. Aber was Phecadien angeht, wir haben auch Berge, nicht weit weg vom Meer im Hinterland, höchstens 15 Meilen.” Sie deutete auf das Gebirge welches sich wie Den Phecanowald wo die Zwerge leben und den Windhag, dort soll es immer noch Drachen geben. Außerdem haben wir viele Kanäle, über die man springen muss, wenn man an der Küste entlangreitet.”
„Oh, das will ich erleben!“, seufzte Ordonya begeistert. „Und vielleicht einen Streitwagen ausprobieren. Vielleicht, wenn ich Caballera bin, nachdem wir die Novadis zurück in die Wüste getrieben haben, Sarkyoza mich nicht mehr braucht.“
"Mein Herr führt seinen Wagen mit sich, er und Signor Silem haben ja am Wagenrennen in Punin teilgenommen. Vielleicht können wir Signor Silem überreden, Euch morgen zu einer kleinen Ausfahrt mitzunehmen?”
„Wirklich? Das wäre phantastisch!“, strahlte Ordonya. „Meint Ihr, Domna Skrayana, Signor Silem wird sich darauf einlassen? Rondralia, lass uns auch Domna Luciana fragen, bevor sie es am Ende noch verbietet. Oder vielleicht besser direkt meine Schwester. Wenn wir Seleas Erlaubnis haben, wird keiner Einspruch erheben.“ Die freudige Aufregung ob des in Aussicht gestellten Abenteuers war dem Mädchen deutlich anzusehen.
Rondralia taute, dank der direkten Ansprache, wieder auf und ihre Zurückhaltung wich langsam: “Fragen können wir sicherlich, aber ich nehme an, dass sowohl Domna Luciana als auch Domna Selea zuvor Dom Silem und seinen Wagen kennenlernen wollen.” Sie nestelte an ihrem Armband aus rot-weißen und blau-gelben Fäden.
“Also ich glaube Signor Silem würde es erlauben. Er ist ein sehr freundlicher Mann, und immer für ein wenig Spass zu haben. Er ist zudem ein meisterlicher Wagenlenker, ihr müsst euch also keine Sorgen machen. Seine Familie betreibt die Kaiserlich Kusliker Karossenmanufactur und wenn ihr irgendwas über Streitwagen wissen möchtet, kann er euch alles erzählen!” Skrayana war ebenso sichtlich begeistert von der Aussicht auf ein weiteres Abenteuer. Genauso deutlich wurde, wie viel Respekt sie vor dem Wagenlenker aus Kuslik hatte.
“Das kann und will ich auch gar nicht in Fragen stellen, Domnatella Skrayana, aber unsere Schwertmütter sind ebenso freundlich, aber eben auch gründlich. Daher schätze ich, dass sie auf ein Treffen bestehen werden, schon alleine dem Knüpfen von Kontakten wegen.” Manchmal überraschte sich Rondralia selbst damit, wie erwachsen sie ab und an daher redete, von ihrem Vater konnte sie das nur in Teilen haben. Ihre Schwertmutter musste schon ein gutes Stück auf sie abgefärbt haben.
Ordonya nickte zustimmend. Wie umsichtig ihre Freundin wieder einmal war. „Wie wäre es, wenn wir erst Signore Silem fragen, er ist ja hier. Und dann…“ Sie verstummte, als sie ihre Schwägerin hereinkommen sah, einem hochgewachsenen, gutaussehenden Fremden den Vortritt lassend. Das Mädchen seufzte. „Und dann wohl Domna Luciana, da sie anders als meine Schwester auch hier ist.“
Rondralia grummelte bejahend und setzte sogleich eine etwas ernstere Miene auf.
“Ja, natürlich. Ich muss auch Cavaliere Dareius um Erlaubnis fragen.” Ihre Mundwinkel bildeten ein fröhliches Lächeln. “Dort ist er auch schon!” Sie zeigte auf den hochgewachsenen Fremden. “Neben Domna Luciana, richtig?” Ordonya und Rondralia nickten bestätigend. Die drei Jugendlichen sahen, wie Cavalliere Dareius sich einen Moment nach freien Plätzen umsah. Auch Signor Silem bemerkte dies und hob die Hand, auf seinen Tisch deutend. Signor Dareius wechselte einige Worte mit Caballera Luciana, dann geleitete er sie galant zu seinem Wagenlenker, machte die beiden miteinander bekannt, bevor er Domna Luciana den Stuhl zurecht schob und sich dann selbst setzte. Ordonya leerte ihren Becher, sah zu den anderen beiden. „Wollen wir jetzt fragen? Vielleicht gibt Domna Luciana uns für den Rest des Abends frei, wenn sie beschäftigt ist.“ Die Aussicht gefiel ihr offensichtlich. „Bringen wir den dreien Wein mit. Was trinken Dom Dareius und Dom Silem am liebsten? Die Auswahl hier ist ja nicht so gut wie zu Hause, aber auch nicht so schlecht. Oder sollen wir einen guten von den Zelten holen?“ Sie sah Rondralia fragend an.
Diese war einmal mehr überfahren von Ordonyas Energie und sortierte im Kopf erstmal die flutenden Inhalte, um dann schließlich im typisch hochtrabend-selbstbewussten Ton zu antworten: “Ein wohlfeiles Getränk wird uns sicherlich zum Vorteil gereichen. Aber alles mit der Zeit, zuerst den Wein, dann treten wir an den Tisch, warten bis wir aufgefordert werden zu sprechen, plänkeln etwas und kommen dann zur Sache. So könnte ein Botesa draus werden. - Domna…tella Skrayana, begleitet Ihr uns?” Skrayana nickte und legte die Stirn in Falten. “Signor Dareius trinkt gerne einen süßen und leichten Roten, wenn er zu Hause ist. Arivorer Blut oder Bosparanjer. Also vielleicht einen leichten Rotwein?” Dann ergänzte sie. “Wie alle Phecadier ist er aber auch einem guten Bier nicht abgeneigt.”
Gemeinsam machten sich die drei jungen Frauen auf den Weg durch das zunehmende Gedränge des Gasthauses. Unvermittelt blieb Ordonya stehen. „Nando.“ Während Skrayana sie fragend ansah, ahnte Rondralia, was ihrer Freundin vorschwebte. „Mein Bruder. Wir schicken ihn zu den Zelten den Wein holen. Der will sowieso nicht hier sein.“ Sie nickte zufrieden, drängte zur Theke und bestellte vier große Wein und zwei kleine, mit Wasser verdünnte, während sie nach ihrem Bruder Ausschau hielt. Als sie ihn entdeckte, winkte sie ihn, sobald er von seinen Notizen aufsah. Rondralia war immer wieder erstaunt, wie viele Gedanken und Ideen Ordonya gleichzeitig haben konnte, an ihr war sicher eine (über)eifrige Tsageweihte verloren gegangen.
Der Junge, Nando, der herüber kam, war schmal und drahtig, nicht besonders groß, die dunklen Haare etwas durcheinander. Er hatte eine Kladde unter dem Arm, wie ein Schreiber, doch seine Kleidung ließ keine Missverständnisse bezüglich seiner Herkunft zu.
Fragend sah er Ordonya und Rondralia an, bevor er sich artig in Skrayanas Richtung verbeugte. „Domnatella, sehr erfreut. Ich bin Nandorito Al'Morsqueta.“
Skrayana vollführte einen Kusliker Hofknicks, was aufgrund ihrer Größe und kräftigen Erscheinung stets ein wenig merkwürdig, aber dennoch elegant aussah. “Es ist mir eine Ehre, Dom Nandorito.” Sie nahm seine Hand zum Handkuss und lächelte freundlich. “Ich bin Skrayana brai Rahjalina Kaarstett, Knappin aus dem fernen Phecadien.”
Verlegen nahm Nandorito die Hand und hauchte einen Handkuss darauf. Es war offensichtlich, dass er darin nicht sehr viel Übung hatte, auch wenn er sich nicht ungeschickt anstellte. „Es ist mir eine Ehre, Domnatella. Willkommen in Almada und Waldwacht, ich hoffe, unsere Heimat gefällt Euch, muss sie doch recht anders als die Eure sein.“
Skrayana unterstützte sein Unterfangen einen Handkuss zu platzieren, indem sie ihr Handgelenk geschickt im rechten Moment drehte. Sie grinste. “Danke. Ja, es ist schön hier. Nicht so windig wie in Phecadien. Aber das Meer vermisse ich dennoch ein wenig.”
„Das kann ich mir vorstellen, nach allem, was ich dazu gelesen habe“, nickte Nandorito. Nachdem seine Schwester dem Austausch mit ihrer neuen Bekannten ungeduldig zugesehen hatte, erklärte sie nun mit etwas gesenkter Stimme: „Nando, wir wollen Luciana fragen, ob wir Streitwagen fahren dürfen.“ „Warum?“ Seine Schwester verdrehte die Augen. „Ist doch egal, du musst ja nicht mit. Auf jeden Fall schadet es bestimmt nicht, sie gnädig zu stimmen. Mit was von dem guten Wein, den wir dabei haben, für ihre Gäste. Aber wenn wir den selber holen, dann gibt es vielleicht Ärger. Wenn wir aber jemand schicken, auf den Luciana weniger ein Auge hat…“ Der Junge grinste, Rondralia verdrehte die Augen, vielleicht war auch eine Phex-Geweihte an Ordonya verloren gegangen. „Was bekomme ich dafür?“ „Du hast was gut.“ „Reicht nicht.“ Ordonya seufzte. „Strafübungen für mich, mindestens zwei Stunden, die du bei Iridrixitt verbringen kannst?“ „Einverstanden. Rosa oder Renocella?“ „Rosa. Obwohl, besser auch einen roten Renocella.“ „Dann bis gleich. Die Damen.“ Mit einer Verbeugung verabschiedete sich Nandorito und verschwand im Getümmel gen Tür. Ordonya bezahlte den Wein, reichte jeder der anderen beiden zwei Becher - Skrayana zwei große, Rondralia einen großen und einen kleinen. Dann drängten sie sich durch die Gäste zu dem Tisch, an dem Signor Silem, Cavalliere Dareius und Domna Luciana in ein angeregtes Gespräch vertieft saßen.
Domna Luciana bemerkte, wie sich ihre Knappin und ihre junge Schwägerin mit einer hochgewachsenen jungen Frau näherten. Wartend in höflicher Entfernung stehen blieben, auf eine Pause im Gespräch wartend. Je länger sie ihre ausgesprochen interessante Unterhaltung mit Dom Dareius und Signor Silem fortsetzte, desto unruhiger wurde Ordonya, während Rondralia versuchte sie vor einem Fauxpas zu bewahren. Zufrieden stellte Domna Luciana fest, dass ihr Rondralias Geduld vorbildlich war. Die Selbstbeherrschung ihres anderen Schützlings hatte sich zwar merklich verbessert, ließ aber weiterhin zu wünschen übrig.
Schließlich nickte Domna Luciana den drei Mädchen zu. Die Gruppe näherte sich. Jede der drei stellte einen Becher Wein auf den Tisch, behielt einen zweiten in der Hand.
Dareius kannte seine Knappin nur zu gut. Sie war nicht gerade talentiert darin, ihre Gedanken zu verbergen, sie zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab wie das Licht- und Schattenspiel im Gemälde eines phecadischen Meisters. Sie hatte sicherlich wieder irgendeine verrückte Idee oder zumindest etwas ausgefressen. Er seufzte und stellte sich auf das Schlimmste ein. Ihr eigentümlicher Charme ließ ihn aber dennoch großmütig lächeln.
Domna Luciana wandte sich an die beiden Männer: „Darf ich vorstellen, werte Doms, meine Knappin Rondralia d‘Ouvici.“ Die genannte knickste, nicht ohne danach stolz das Kinn zu recken. „…und meine Schwägerin Ordonya Al’Morsqueta, für deren Ausbildung ich gegenwärtig ebenfalls verantwortlich zeichne, bis unsere Soberana Schwerteltern gefunden hat.“ Ordonya verneigte sich höflich, wenn auch ein wenig zu hastig, um ihre erwartungsvolle Ungeduld zu kaschieren. Silem Ross und Dareius Amarinto nickten wohlwollend und freundlich. Der immerzu fröhliche und positive Wagenlenker zwinkerte den Knappinen zu. “Signoras, da habt ihr aber ordentlich Wein mitgebracht. Man könnte denken ihr wolltet uns bestechen oder… milde stimmen.” Er lachte herzlich, während Dareius nur sanft schmunzelte. Er genoss einen solchen Abend mit Silem, der Wagenlenker aus Kuslik war über die Jahre zu einem engen Freund geworden und hatte nie, trotz einiger persönlicher Rückschläge, seine positive Art verloren.
Einen Moment suchte Luciana nach Nandorito, fand den Jungen aber nicht. Beschämt spürte sie eine gewisse Erleichterung. Der Junge war kein Kämpfer, würde es nie werden. Seine fehlenden Fortschritte bedeuten für sie nicht nur persönliches Versagen in ihrer Funktion als Lehrerin und Vorbild, sondern auch, dass sie die Familia im Stich ließ. Dass sie den in sie gesetzten Erwartungen aller nicht genügte. Dass der Junge der engste Gefährte ihres verstorbenen Sohnes gewesen war, machte es nicht leichter.
„Vielen Dank für den Wein. Nun, was habt ihr auf dem Herzen?” Es war offensichtlich, dass die drei etwas wollten.
“Zu allererst wollten wir Euch einen Wein anbringen, Domna, Schwertmutter, und dann wollten wir teilhaben an dieser illustren Runde, denn amüsanterweise lernten wir so eben die Knappin Eures Gesprächspartners kennen - sie kommt aus dem Norden.” Rondralia hatte schnell die Initiative ergriffen bevor Ordonya zu früh mit der Tür ins Haus fallen könnte, ganz ab davon was sie eben noch besprochen hatten. Ihre Schwertmutter nickte lobend. „Sehr aufmerksam.“
Da platzte Ordonya hervor: „Also, wisst Ihr, Domna Luciana, Domnatella Skrayana ist schon Horasierin, aber ihr Vater ist ein nordischer Held aus der Schlacht bei der Trollpforte! Sie kann schon einen Zweihänder führen!“ Ordonyas Augen leuchteten vor Bewunderung, obwohl sie eigentlich nur Rondralias Fehltritt wegen der Herkunft ihrer neuen Bekannten hatte abschwächen wollen. „Und sie ist schon Streitwagen gefahren! Wie eine bosporanische Heldin oder der heilige Leomar selbst beim Donnersturm!“
Rondralia konnte die rostigen Angeln der gleich ins Haus fallenden Tür in Ordonayas Händen förmlich knirschen hören und seufzte laut und schwer aus um dieses imaginäre Geräusch zu übertönen.
Dareius blickte Skrayana amüsiert an. “Ah, meine geschätzte Knappin. Vorbild an Tugend, Bescheidenheit und Demut. Es freut mich, dass du neue Kontakte geknüpft hast.” Skrayana lächelte nur etwas unsicher angesichts des offensichtlichen Sarkasmus ihres Schwertvaters und nickte.
Brennende Röte stieg Ordonya ins Gesicht. Sie setzte an, etwas zu sagen, das Missverständnis aufzuklären, doch Domna Luciana war schneller. „Dom Dareius, was haltet Ihr davon, wenn die junge Skrayana den beiden anderen Domnatellas im Rahmen einiger Übungen morgen früh die Vorteile von Zweihändern demonstriert?“, erkundigte sie sich. „Rondralia und Ordonya ständen bei Sonnenaufgang zur Verfügung.“
“Ich habe keine Einwände.” Dareius nippte an seinem Wein und lächelte zufrieden.
Rondralia warf Ordonya einen finsteren Blick zu, das war es dann wohl mit ihrem abendlich Ausflug und der Wein schmeckte auch nicht mehr so gut wie zuvor.
Die andere schien weder der Blick ihrer Freundin noch der Vorschlag Domna Lucianas zu stören, während sie erst Dom Dareius, dann Signor Silem unauffällig neugierig musterte, ohne zu starren. Wo blieb bloß Nandorito mit dem Wein? Andererseits war keiner der Becher leer, so dass Nachschub vielleicht den Eindruck erweckt hätte, sie versuchten die Erwachsenen betrunken zu machen. Ungeduldig wippte Ordonya auf ihren Fußballen. Es hatte einfach keinen Sinn zu warten. Wer nicht wagte, der nicht gewann. Sie holte Luft. „Domna Luciana?“ „Ja, Domnatella Ordonya?“ „Wisst Ihr, Dom Dareius und Dom Silem haben einen Streitwagen dabei.“ „Ich hörte davon.“ „Ich und Rondralia…“ „Rondralia und Ihr!“ „Rondralia und ich… wir haben noch nie einen echten gesehen, der auch in Benutzung ist. Dürfen wir ihn uns ansehen?“
Rondralia traute ihren Ohren kaum, warum konnte Ordonya auch nie einem Plan folgen…? Jetzt war es zu spät.
„Ansehen. Ist das alles, was Ihr wollt?“ Ordonya zögerte unmerklich, dann entschied sie sich für die Wahrheit. „Nein, am liebsten würde ich mit ihm fahren.“ Ihre Augen glänzten. „Aber ich will ja nicht unverschämt sein.“ Domna Luciana wusste, wie viel Beherrschung Ordonya diese ruhig vorgetragene Antwort kostete. Das Mädchen lernte zunehmend. Sie sah ihre Knappin an. „Ich nehme an, Ihr teilt beide Wünsche?“
Rondralia nickte. „Ja, Domna Schwertmutter. Ich hätte es nur behutsamer und vielleicht etwas demütiger an Euch herangetragen.“ Domna Lucianas anerkennendes Nicken war zwar subtiles, aber für ihre Knappin deutlich erkennbares Lob.
„Es ist nicht an mir, über den Streitwagen zu entscheiden.“, erklärte die Caballera schmunzelnd und nippte an ihrem Wein. Dareius Amarinto blickte zu seinem Freund und Wagenlenker Silem Ross. Der grinste fröhlich. “Wenn es denn Herrschaften nichts ausmacht, würde ich die jungen Damen natürlich zu einer Ausfahrt mitnehmen. Der Streitwagen ist ein zentrales Element der rondrianischen Traditionen, es ist sicher nicht verkehrt, wenn die angehenden Ritterinnen sich damit vertraut machen.” Dareius nickte und wandte sich an Luciana. “Von mir aus gerne, Silem ist ein meisterlicher Wagenlenker, ich habe keine Bedenken was die Sicherheit angeht.” Zugleich entwich Skrayana ein leiser Seufzer der Erleichterung und ein vorsichtiges Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
Domna Lucina nickte. „Nun denn, da Dom Dareius und Dom Silem so großzügig sind, sehe ich keinen Grund, der dagegen spricht. Ich erwarte natürlich, dass Ihr beiden mir morgen Abend berichtet, die Eigenheiten des Führens von Streitwagen, ihre Vor- und Nachteile im Einsatz erläutern könnt.” Die Pause, die folgte, war kaum wahrnehmbar.
„Wenn Ihr mir zusichert, dass Euch für den Rest des Abends benehmt und auch für Domnito Nandoritos Verhalten bürgt, habt Ihr ihn zu Eurer freien Verfügung. Seit pünktlich bei Sonnenaufgang bei den Übungen. Und Euch bewusst: fällt einer von Euch dreien durch Fehlverhalten auf, ziehe ich meine Erlaubnis bezüglich des Streitwagens zurück. Verstanden?”
Rondralia und Ordonya nickten, bestätigten im Chor. Domna Luciana nickte. „Dann viel Vergnügen, wir sehen uns morgen früh.” Entzückt verbeugten sich die beiden Mädchen, bedankten sich artig bei den drei Erwachsenen und verabschiedeten sich. Ordonya entdeckte Nandorito in der Tür. Kaum dass sie außer Hörweite der Erwachsenen waren, meinte sie zu ihren Begleiterinnen: „Sieht so aus, als hätten wir den guten Wein für uns.”
“Wenn du Morgen früh bei den Übungen, die du uns eingebrockt hast, unangenehm auffallen willst, dann ja.”, Rondralia war gespielt schnippisch. Ein Schluck konnte aber sicher nicht schaden… Skrayana nickte und schmunzelte schelmisch. “Wir müssen einfach alle ungefähr gleich viel trinken, dann fällt es nicht auf.”
Ordonya nickte begeistert. Zumal sie ja nur zwei Flaschen hatten.
Wenig später hatten sich die vier Jugendlichen ein Plätzchen abseits gesucht. Musik und Gelächter drangen nach draußen, während die drei angehenden Caballeras bei hervorragendem Wein einen wunderbaren Abend, den Beginn einer Freundschaft erlebten. Nandorito leistete ihnen Gesellschaft. Es kümmerte ihn nicht, der jüngste zu sein, bei manchen Themen wenig zu sagen zu haben, konnte er doch ungestört seinen Gedanken nachhängen.
Als die jungen Damen strahlend von dannen gezogen waren, wandte sich Domna Luciana wieder ihren Gesprächspartnern zu. „Das war sehr großzügig, werte Doms. Auf einen angenehmen Abend.” Den Rest des Abends verbrachten Auch diese drei bei gutem Wein mit einer angeregten Konversation über Geschichten von Kriegen und Schlachten, glorreichen Turnieren, aufregenden Wagenrennen und die Herausforderungen und Sorgen, die Kinder wie auch Knappinnen bedeuteten.
Als man sich schließlich nach dem gemeinsamen Rückweg zu den Zelten dort verabschiedete, waren erste Pläne für zukünftige Wiedersehen geschmiedet. „Viel Erfolg für die lange Distanz, Dom Dareius.” “Das wünsche ich Euch ebenso, Signora” Er verabschiedete sie mit einem Handkuss, sein Begleiter Silem tat es ihm gleich. Nach einer leichten Verbeugung betrat Domna Luciana ihr Zelt, ließ die Männer in der Dunkelheit zurück.