Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 24
Edlengut Selkethal, 01. Rahja 1044 BF
Nach dem aufregenden ersten Tag des Rennens hatte Zafira beschlossen, die Nacht mit Feiern ausklingen zu lassen. Das kleine Dorf am Rande des Selkethals war erfüllt von Musik, Gelächter und dem Duft von gebratenem Fleisch. Fackeln tauchten die Gassen in ein warmes, flackerndes Licht, und die Taverne, in der Zafira sich aufhielt, war voller fröhlicher Menschen. Mit einem Krug Wein in der Hand genoss sie die ausgelassene Stimmung, als ihr Blick auf Tizinio fiel.
Der gutaussehende Stallknecht mit den dunklen Locken und dem verschmitzten Lächeln zog Zafira sofort in seinen Bann. Sie tauschten einige Worte, die schnell in ein lebhaftes Gespräch über Pferde, Abenteuer und die Schönheit Almadas übergingen. Als die Nacht voranschritt, ergriff Zafira mit einem selbstbewussten Lächeln Tizinios Hand und zog ihn aus der Taverne hinaus in die stille Dunkelheit. Vorbei an den leise wiehernden Pferden der Stallungen führte sie ihn zielstrebig hinauf in den Heuspeicher, wo die junge Ritterin wie selbstverständlich die Führung übernahm und Tizinios Verwirrung in einem Moment purer Leidenschaft zerstreute. Der Heuspeicher duftete nach trockenem Gras und Sommernächten, und das Mondlicht, das durch die Ritzen der Holzwände fiel, warf silberne Muster auf ihre Haut. Zafira fühlte sich lebendig, frei und voller Abenteuerlust. In jener Nacht dachte sie nicht an Konsequenzen, sondern genoss die leidenschaftlichen Augenblicke mit Tizinio in der warmen, duftenden Dunkelheit.
Doch als der Morgen dämmerte, zerriss ein lauter Knall die Stille. Die Tür des Heuspeichers flog auf, und Zafira fuhr erschrocken hoch. Vor ihr stand eine junge Frau, deren Gesicht vor Zorn gerötet war, mit wutverzerrten Zügen und einer Mistgabel in den Händen. Es war Faenza, Tizinios Verlobte, von der er in der Nacht kein einziges Wort verloren hatte. „Du niederträchtiges Weibsstück!“ schrie Faenza, ihre Stimme überschlug sich vor Empörung. Zafira, noch immer nackt und vom Schlaf träge, riss die Augen auf, doch bevor sie auch nur einen Ton herausbringen konnte, stürzte Faenza mit erhobener Mistgabel auf sie zu. „Ich bring dich um! Du Zahorischlampe hast meinen Tizinio verführt!“
Was folgte, war ein Spektakel aus Geschrei, Panik und schallendem Gelächter. Zafira sprang auf, versuchte ihre Kleidung zu greifen, doch Faenza ließ ihr keine Zeit. Die Mistgabel fuhr gefährlich nah an ihr vorbei, und Zafira, die mit Heu im Haar und Staub auf der Haut um ihr Leben rannte, stürzte aus dem Speicher hinaus in die Ställe. Der Tumult lockte die Stallknechte und einige Frühaufsteher aus dem Dorf an, die die Szene mit großen Augen und ungläubigen Blicken verfolgten. „Haltet sie auf!“ schrie Faenza, doch niemand wagte sich zwischen die fuchsteufelswilde Verlobte und die fliehende Zafira. Lachend und kopfschüttelnd blieben sie in sicherer Entfernung stehen, während Zafira schließlich zu ihrem ungesattelten Rappen gelangte. Mit einem beherzten Sprung schwang sie sich auf den Rücken des Pferdes, trieb es an, und der Hengst galoppierte davon. Im gestreckten Galopp preschte Zafira durch das erwachende Dorf. Männer riefen ihr belustigt nach, Frauen hielten sich die Hände vor die Münder, einige Kinder liefen johlend hinterher. Zafira, immer noch nackt, spürte die kühle Morgenluft auf ihrer Haut, und obwohl die Situation absurd war, konnte sie nicht anders, als selbst über die Farce zu lachen.
Als sie sicher war, dass sie Faenza weit hinter sich gelassen hatte, hielt sie ihr Pferd an, ließ sich erschöpft über den Hals des Tieres sinken und atmete tief durch. Noch einmal blickte sie zurück, wo am Horizont das Dorf lag und Faenza, immer noch mit der Mistgabel bewaffnet, schreiend und schimpfend stand. Zafira richtete sich auf, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. Der nächste Tag des Rennens wartete, und sie wusste, dass dieses Abenteuer in die Geschichte eingehen würde – zumindest in ihre eigene.
Gwena und Kyrilla hatten sich für das morgendliche Training aus dem ganzen Trubel zurückgezogen und hielten ihre Übungen in einem nahen Waldstück ab. Sie waren gerade auf dem Rückweg, als ihnen eine einsame Reiterin auffiel. Und ja, ihre Augen täuschen Sie nicht. Sie war völlig nackt auf ihrem Pferd. Kyrilla grinste. *Ein wahres Fest der heiteren Göttin zur Ehr. Bei letzten Rennen Domnatella Farfanya und nun…” Ein Grummeln neben ihr, ließ Kyrilla aufhorchen. Sie warf einen Blick zur Seite und sah die düstere Miene ihrer Herrin Gwena. “Verzeiht, Herrin. Ich sollte diesen Namen nicht mehr erwähnen.” Ein weiteres Grummeln und ein Nicken war die einzige Antwort, die sie erhielt.
Sie näherten sich der Reiterin, die sie immer noch nicht bemerkt hatte. Gwena holte tief Luft und rief: “Der Liebholden zum Gruße. Ihr nehmt es mit der Ehrerbietung der Herrin Rahja anscheinend sehr genau. Benötigt ihr Hilfe, oder ist es Euch lieber, so zurück ins Dorf zu reiten?”
Zafira wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen und wandte sich in die Richtung aus der sie die Stimme vernahm. Zwei Reiterinnen kamen auf sie zu. Beide waren in Leder gerüstet. Die Größere von ihnen, schwarzhaarig mit bronzefarbener Haut, hatte eine Stangenwaffe über ihren Rücken gegurtet, während die andere, mit blonden zu Zöpfen gebundenen Haaren, Speer und Schild an der Seite ihres Pferdes befestigt hatte. Sie hatte beide schon bei dem Rennen gesehen, aber noch kein Wort mit ihnen gewechselt.
Zafira richtete sich auf dem Rücken ihres Pferdes auf, zog die Schultern zurück und bemühte sich, einen souveränen Eindruck zu machen. „Rahjas Gunst ist mit mir, wie Ihr seht“, erwiderte sie mit einem leicht schiefen Lächeln, während sie versuchte, ihre Verlegenheit hinter einem Hauch von Humor zu verstecken.
Dann aber nickte sie leicht und zwang sich, in einem leichtherzigen Ton zu antworten. „Aber Ihr habt recht. Vielleicht sollte ich mir etwas anziehen, ich bin nicht sicher, ob das Dorf bereit ist, sich nochmals von meinem Anblick inspirieren zu lassen.“ Dann, leiser und mit einem Hauch von Unsicherheit in der Stimme, fügte sie hinzu: „Hättet Ihr zufällig etwas, das ich mir leihen könnte? Um meine…ehrenvolle Rückkehr angemessen anzutreten?“ Trotz der peinlichen Situation konnte Zafira ein kleines Schmunzeln nicht unterdrücken.
Gwena schaute kurz über Zafira und dann zu ihrer Knappin Kyrilla. “Ihr seid etwas kleiner als meine Knappin, daher dürften Euch Ihre Sachen notdürftig passen.” Kyrilla riss die Augen auf. “Aber ihr dürft verstehen, dass ich ihr nicht zumuten möchte in Unterkleidung ins Dorf zurück zu reiten. Was ich Euch wohl anbieten kann, ist das meine Knappin auf die Hacienda zurück reitet und dort Kleidungsstücke von ihr holt oder zu Eurer Bleibe reitet und dort etwas aus Euren eigenen Beständen holt. Dies natürlich nur, wenn es Euch nicht zu unangenehm ist jemand Fremden in Euer Zimmer zu lassen. Es liegt an Euch.”
Zafira, die immer noch nackt auf ihrem Hengst saß, straffte ihre Schultern ein wenig, als Gwena ihr den Vorschlag unterbreitete. Ein Schmunzeln zuckte über ihr Gesicht, doch in ihren Augen lag ein Hauch von Erleichterung. „Ich danke Euch, Signora Gwena, für Eure Großzügigkeit und... diskrete Hilfe,“ sagte sie mit einem angedeuteten Lächeln, das ein wenig ihrer Verlegenheit verbarg.
Nach kurzem Überlegen richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Kyrilla und nickte ihr zu. „Ich denke, es wäre am besten, wenn Ihr zu meiner Unterkunft reitet. Ihr findet dort meine andere Kleidung – vorausgesetzt, sie wurde nicht von einem wütenden Mob beschlagnahmt,“ fügte sie mit einem trockenen Humor hinzu. „Und macht Euch keine Sorgen. In meinem Zimmer ist nichts kompromittierendes zu finden.“ Sie zögerte kurz und dachte an die rahjagefälligen Holzschnitte des berühmten belhankaner Turnierstreiters und Frauenschwarms Malrizio ya Duridanya. „Oder wartet…nein, nichts wirklich kompromittierendes.“ Sie zwinkerte.
Nachdem man sich über die Lokalitäten ausgetauscht hatte, machte sich Kyrilla sofort auf den Weg und ließ die beiden Kriegerinnen allein zurück.
“Da Ihr meinen Namen ja schon kennt, Ihr seid Signora Zafira von Weilenschein aus Yaquirien, wenn ich Euren Namen bei der Ankündigung des Rennens richtig verstanden habe. Darf ich Euch vielleicht einen gut gemeinten Rat geben, Signora. Lasst die Finger von verheirateten oder verlobten almadanischen Männern. Ihr könnt froh sein, der Mistgabel entronnen zu sein, ohne das sie Euren wahrhaft rahjagefälligen Körper durchbohrte. Und kümmert Euch in den nächsten Tagen besser selbst um Euer Pferd. Almadanische Frauen sind sehr nachtragend. Haltet Euch besser zurück und wenn Eure rahjanischen Gelüste Euch wieder überkommen, haltet Euch an Euresgleichen.”
Zafira musterte Gwena mit einem schiefen Lächeln, das irgendwo zwischen amüsiert und genervt balancierte. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Morgenwind frech in ihre Augen wehte, und ließ die Worte der Kriegerin einen Moment in der Luft hängen, bevor sie antwortete.
„Euer Rat, Signora Gwena, ist sicherlich gut gemeint…“ begann sie in einem Ton, der höflich klang, aber von einer deutlichen Note von Selbstbewusstsein durchzogen war. Sie grinste, lehnte sich leicht zur Seite und tätschelte den Hals ihres Rappen, der zufrieden schnaubte. „…aber was wäre das Leben ohne ein wenig Risiko?“
Dann wurde ihr Blick ernster, und sie neigte leicht den Kopf. „Ich gebe zu, dass ich vielleicht etwas... unvorsichtig war. Doch Rahja lehrt uns, den Moment zu genießen, nicht wahr? Und ist es nicht so dass Fehler manchmal die besten Geschichten schreiben?“ Sie zuckte mit den Schultern, und ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen. „Aber keine Sorge, Signora. Ich werde Eure Warnung beherzigen, zumindest in Bezug auf Mistgabeln. Ich ziehe es vor, meine Haut unversehrt zu lassen.“ Sie blickte an sich herunter und lacht keck. Den Eindruck eine gewisse Unsicherheit zu überspielen, konnte sie dabei aber nicht verbergen. Die junge Adlige aus dem Yaquirbruch war trotz ihres Ritterschlages in mancherlei Hinsicht doch mehr Jugendliche als Erwachsene.
“Aus Euch spricht die Unbekümmertheit der Jugend und ich muss gestehen, ich beneide Euch etwas darum. Ich wollte Euch auch nicht zu nahe treten. Jeder entscheidet selbst über sein Schicksal.” Gwena begann die Schnüre ihrer Lederrüstung zu öffnen und als sie den Brustpanzer in der Hand hielt, reichte sie diesen Zafira. “Bedeckt Eure obere Blöße, bis meine Knappin wieder da ist.” Sie lächelte. “Er ist zwar etwas groß, aber notdürftig wird er reichen.” Es war auch zum Teil Eigennutz, denn so langsam machte sie der Anblick der barbusigen Kriegerin doch nervös.
Zafira nahm den Brustpanzer entgegen und hielt ihn einen Moment in der Hand, als würde sie die Geste Gwenas abwägen. Ein Hauch von Verlegenheit schlich sich auf ihr Gesicht, doch sie überspielte es mit einem schiefen Grinsen. „Nun, ich nehme an, es ist besser, als weiterhin die kühle Morgenluft zu genießen,“ bemerkte sie mit einem Augenzwinkern und zog den Panzer über. Der war tatsächlich zu groß, und das Leder saß so locker, dass es beinahe komisch wirkte.
„So?“ Zafira streckte die Arme in einer übertriebenen Geste aus und drehte sich halb im Sattel, sodass Gwena die improvisierte Bekleidung begutachten konnte. „Ich schätze, ich bin jetzt würdig, als Amazonenkriegerin aufzutreten, oder? Oder vielleicht doch eher als wandernde Rahjanovizin?“
“Zumindest bedeckt es Eure Blöße und lenkt die Fellachen nicht mehr von der Arbeit ab.”, erwiderte Gwena. “Ob Ihr Euch einer Amazone würdig erweist, kann ich Euch nicht beantworten, denn ich bin noch keiner begegnet. Und zu Eurem anderen Vergleich mit einer Rahjanovzin, kann ich Euch sagen das diese in der Regel offenherzige Kleidung tragen, welche aber dezent das Wertvollste bedecken und nicht so wie ihr, ihr blankes Hinterteil der Praiosscheibe präsentieren.” Dabei schaute Gwena noch einmal provokant darauf. “Vielleicht solltet ihr Euch auf das nächste Rennen konzentrieren. Es geht auf die lange Distanz und diese ist wahrlich anspruchsvoller als das vorherige.”
Zafira richtete sich im Sattel auf, ihre Haltung plötzlich ernster, als Gwena das bevorstehende Rennen erwähnte. Das provokante Lächeln, das eben noch auf ihren Lippen gespielt hatte, verblasste, und in ihren Augen glomm eine Entschlossenheit auf. Sie atmete tief ein, um die kühle Morgenluft zu genießen, die sie wieder zu sich selbst brachte. „Ihr habt recht, Signora Gwena,“ sagte sie mit einem Nicken, das ihre neue Ernsthaftigkeit unterstrich. „Das Rennen über die lange Distanz wird kein Kinderspiel. Es erfordert nicht nur Ausdauer, sondern auch strategisches Denken – und, wie ich schätze, weniger… Ablenkungen.“
„Ich habe nicht den weiten Weg aus Oberfels hierher gemacht, um als naive Maid abgestempelt zu werden, Signora. Ich werde dieses Rennen reiten und alles geben, was ich habe.“ Ihre Stimme war klar und fest, ohne jegliche Spur von Spott oder Unsicherheit. „Nicht nur für mich selbst, sondern auch, um zu zeigen, dass ich meiner Verantwortung als Ritterin würdig bin.“
Für einen Moment herrschte Stille zwischen den beiden Frauen, durchbrochen nur vom leisen Schnaufen der Pferde. “Dann lasst uns alles geben und ein gutes Rennen abliefern.” Gwena hielt ihr die Hand hin. “Und danach treffen wir uns auf einen Becher und lassen uns gegenseitig hochleben. Schlagt ein, Ritterin aus Oberfels."
Zafira nickte mit aufrichtigem Ernst im Blick. “Das werden wir.” Sie ergriff Gwenas Hand und drückte sie kräftig. In starkem Kontrast zu ihrem ansonsten jugendlichen Aussehen waren ihre Hände kräftig und trugen die Schwielen von unzähligen Stunden, die sie mit Fecht- und Reitübungen verbracht hatte.
etwas später am gleichen Morgen
Autor: BBB
“Domna Zafira.” Die Züge des Gastgebers waren ernst und in seiner Stimme schwang eine Autorität mit, wie man sie von einem Edlen Almadas in einer solchen Situation wohl erwartete. Nachdem er von dem morgendlichen Vorfall gehört hatte, hatte er sofort nach der liebfelder Caballera schicken lassen - und sich, trotz einer gewissen Restmüdigkeit, persönlich seiner Fellachin angenommen. Gefunden hatte er sie, Mistgabel in der Hand, am Wegesrand des Ortsausgangs, mit hochrotem Kopf und wütend schnaubend.
Von diesem Zorn war nun nichts mehr zu sehen. Faenza stand, den Blick gesenkt, die Schultern hängend, in einer Ecke des Raumes. Ihre Augen waren verquollen und gerötet, ihre Unterlippe zitterte leicht und von Zeit zu Zeit hörte man ein leises Schluchzen.
“Habt Dank für Eure Zeit”, fuhr der Edle des Selkethals, an die Caballera gewandt, fort. “Mir ist zu Ohren gekommen, dass es heute früh zu einem Zwischenfall kam. Diesbezüglich möchte Euch meine Magd etwas mitteilen. Faenza.”
Auffordernd blickte er zu dem kleinen Häufchen Elend, das, von zwei kräftigen jungen Männern flankiert, erneut zu schluchzen begann. Aber der Ton, in dem der Edle sie angesprochen hatte, verlangte eine Reaktion.
“Es… es tut mir leid”, brachte sie schließlich hervor. Tränen liefen ihr über die Wangen, doch in ihren verheulten Augen war noch immer tiefer Hass zu erkennen, den sie der jungen Liebfelderin entgegenbrachte.
Die junge Ritterin begegnete ihr mit erhobenem Kinn und stolzem Blick. Langsam und in einer herrschaftlichen Geste nickte sie wohlwollend.
Algerio nickte den beiden Männern zu, die die Frau an den Schultern packten und aus dem Raum führten. Erst, als die Tür hinter ihnen geschlossen war, wandte sich der Edle des Selkethals wieder seinem Gast zu. “Seid versichert, sie wird angemessen bestraft werden. Ich nehme solche Vorfälle nicht leicht, schon gar nicht wenn sie sich gegen einen meiner Gäste richten. Es steht Euch natürlich frei, formal Anklage zu erheben, wenn Ihr dies wünscht.”
Zafira wandte sich an den Gastgeber, ihre Haltung aufrecht, doch mit einem Hauch von Demut in ihrer Stimme. „Dom Algerio, ich danke Euch für Eure Fürsorge und für die schnelle Reaktion. Doch ich möchte keine formale Anklage erheben. Es war…ein Missverständnis, das zu weit ging. Faenza handelte aus Schmerz und nicht aus Böswilligkeit.“
Sie machte eine kurze Pause und sprach dann weiter, ihre Stimme nun sanfter. „Ich trage selbst einen Teil der Verantwortung für das, was geschehen ist. Ich habe ohne nachzudenken und egoistisch gehandelt und ihre Gefühle verletzt, ohne es zu wollen. Die Herrin Rondra lehrt uns, nicht nur für Ehre und Gerechtigkeit zu kämpfen, sondern auch Größe und Nachsicht zu zeigen, wenn andere schwach sind.“
Zafira senkte den Blick leicht, ihre Stimme nun noch gedämpfter. „Außerdem, Dom Algerio, möchte ich mich aufrichtig bei Euch entschuldigen. Als traviagefälliger Gastgeber habt Ihr mehr Respekt verdient als solch einen Tumult. Mein Verhalten war unüberlegt, und ich hoffe, dass Ihr meine Entschuldigung annehmt. Es lag nicht in meiner Absicht, Euch oder Euer Haus in Verlegenheit zu bringen.“
Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Algerio. Es war erst das zweite Jahr, in dem sie diese Rennen veranstalteten - und schon wieder erregte eine nackte Reiterin Aufmerksamkeit. Es schien ihm fast so, als spielte ihnen Rahja selbst einen Streich… oder segnete die Rennen mit einem Augenzwinkern.
Aber immerhin schien sich, was ein Politikum hätte werden können, in Wohlgefallen aufzulösen.
Und so ließ Algerio den herrschaftlichen Habitus für einen Moment erleichtert fallen, machte einen Schritt auf seinen Gast zu. “Dann lasst mich Euch heute Abend auf einen Wein einladen, auf dass wir über diese Episode lachen können wir alte Freunde… und auf Rahjas undurchschaubare Wege anstoßen!”, schlug er vor.
Zafira hielt die Luft an, während sie Dom Algerios Worte vernahm, dann ließ sie ihre Anspannung mit einem leisen Seufzen los. Ihre Haltung blieb aufrecht und würdevoll, doch in ihrem Inneren war sie erleichtert, dass der Gastgeber so souverän und mit einer Spur von Humor reagierte.
Mit einer eleganten Verbeugung, erwiderte sie: „Dom Algerio, ich nehme Eure Einladung dankbar an. Es ist wahrlich ein Geschenk Rahjas, dass selbst aus den ungewöhnlichsten Umständen Freude und Gemeinschaft entstehen können.“ Ihr Mundwinkel zuckte, und sie erlaubte sich ein kleines Lächeln, das zugleich schüchtern und charmant wirkte. „Ich freue mich darauf, bei einem Glas Wein mit Euch nicht nur über Rahjas Launen, sondern auch über die Schönheit Almadas und die glorreichen Pferde zu sprechen.“
“So sei es”, grinste der Edle des Selkethals. “Ich danke Euch und freue mich auf den Abend!”
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