Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 09

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Edlengut Selkethal, 19. Rahja1043 BF

Autoren: BBB, Jott

“Warum mache ich das eigentlich?”, ging es Domna Madalena da Selaque von Culming durch den Kopf, als sie das Örtchen Selkethal auf dem Weg Richtung Hundred verließ und sich den bunten Wagen näherte, welche hier auf der Wiese, nahe der Straße standen und etwa zwei Dutzend Zahoris als Unterkunft dienten. “Warum kann ich dir nur so selten etwas abschlagen, Usanza…”, grübelte sie weiter, zu sich selbst sprechend. “Und warum muss Algerio ausgerechnet mit diesem Zahori befreundet sein und ihn hierher einladen… bei Praios, von allen herumziehenden Vagabunden, warum dieser?”

Sie seufzte und setzte ihren Weg fort, bis sie die Wiese erreicht hatte. Die Wagen standen nur in wenigen Schritt Entfernung vor ihr. Aber sie zögerte.

“Ich hätte einen Laufburschen schicken sollen…”, sagte sie leise zu sich selbst. Ihr Blick ging zurück zum Dorf, wie auf der Suche nach einer Entschuldigung, doch noch umzukehren. Aber es half nichts. Sie hatte ihrer Schwester ihr Wort gegeben. Und dazu stand sie.

“Travia steh mir bei”, dachte sie bei sich, um dann laut in Richtung der Wagen zu rufen: “Ich suche den Aves Geweihten, der auf den Namen Ta’iro hört!” Dann wartete sie, ohne einen Fuß auf die Wiese zu setzen. Sie hatte nicht vor, auch noch querfeldein zu gehen. Der Zahori sollte zu ihr kommen, immerhin so viel konnte sie wohl verlangen… immerhin war sie von Stand. Und er nur ein Zahori. Ein gut aussehender, charmanter, ihrer Schwester den Kopf verdrehender Zahori.

Ta'iro lag währenddessen langsam hin und her schwingend in der Hängematte, die in seinem Wagen über dem Bett hing, und las in einem Buch. Inzwischen fiel es ihm schon nicht mehr so schwer. Es war, wie Hamme gesagt hatte, als sie ihm vor ein paar Jahren, in seiner Zeit auf der Blutgischt, das Lesen beigebracht hatte... man musste üben. Doch viel zu oft war er zu ungeduldig dafür. Nur manchmal, während der heißen Mittagsstunden, konnte er sich genug zusammenreißen, um zumindest ein, zwei Kapitel zu lesen. Ritter Eisenhart hatte gerade sein Schwert gezogen und bedrängte die Herzogin, als Ta'iro eine weibliche Stimme nach ihm rufen hörte. Eigentlich eine willkommene Ablenkung. Allerdings klang sie ein wenig… ablehnend? Er schwang sich aus der Hängematte und warf einen Blick durch den Schlitz zwischen den Fensterläden, die zum Schutz gegen die Sonne geschlossen waren.

Als er die Frau erkannte, zu der die Stimme gehörte, hob Ta'iro erstaunt die Braue. Unerwartet. Aber interessant. Er schaute kurz zu seinem Hemd, das unordentlich auf der Truhe lag, entschied sich aber dagegen und öffnete die Läden. Lächelnd beugte er sich aus dem Fenster. "Ihr habt den Geweihten gefunden, nach dem Euch verlangt, Domna. Kommt schnell in den Schrein, die Hitze da draußen ist ja fürchterlich." Ohne ihr eine Gelegenheit für Widerworte zu geben schloss er die Läden. Er grinste. Man musste es ihr ja nicht zu einfach machen. Dann öffnete er die Türe und lehnte sich in gespannter Erwartung an den Rahmen.

Domna Madalena hatte sich keinen Finger breit bewegt. Sie stand da, wie eine Marmorstatue. Und auch jetzt, da sie den Aves Geweihten in der offenen Tür stehen sah - mit nacktem Oberkörper! Wie... unangemessen - machte sie keine Anstalten, seiner Einladung zu folgen. Stattdessen schüttelte sie langsam den Kopf, halb als Antwort auf die Einladung, halb zu sich selbst und jenen Teil in ihr, der gern nachgeben und zu ihm gehen wollte. Sie seufzte leise. “Er ist nur ein Mann. Ein unverschämter, gewöhnlicher Mann.”

“Ich… nein, danke!”, rief sie ihm zu und ihre Stimme klang gefasster und ruhiger, als sie es eigentlich war. “Lasst uns lieber ein paar Schritte im Schatten der Bäume gehen, ich habe Euch etwas mitzuteilen.” Doch insgeheim musste sie zugeben, dass der Zahori in einem Punkt Recht hatte. Es war heiß. Viel zu heiß, eigentlich. Es wäre sicher... nett gewesen, bei ihm zu sein, in seinem Wagen. Nur zu zweit. Aber nichts in der Welt würde sie dazu bringen, zu einem halbnackten Zahori in den Wagen zu steigen. Weihe hin oder her, es gab Grenzen, die sie nicht zu überschreiten gedachte! Sie war immerhin die Junkerin von Blumenau und verheiratet noch dazu, bei den Göttern!

"Wie immer ihr wünscht, Domna Madalena! Gebt mir einen Augenblick, ich ziehe mir nur schnell etwas an. Nicht dass es Gerede gibt." Grinsend drehte er sich um und ging ins Innere des Wagens. Dort warf er sich sein Hemd über, bevor er zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe seines Wagens hinabstieg und beschwingten Schrittes zur Straße ging.

Domna Madalena schaute unauffällig auf die unter dem offenen Hemd noch immer entblößte Brust des Zaubertänzers… “Das also findet Ihr... angemessen?”, fragte sie. Doch noch bevor er etwas erwidern konnte, riss sie ihren Blick mit einem Kopfschütteln los. “Nun denn. Gehen wir ein paar Schritte.”

Sie wandte sich gen Rahja und ging los - etwas zu eilig, um der Situation zu entkommen.

"Auf Rahja zu. Eine interessante Wahl. Wusstet Ihr, Domna, dass die Wege, die wir wählen viel über uns verraten? Ängste, Hoffnungen, …", Ta'iro senkte die Stimme und lächelte, "...verborgene Wünsche." Eigentlich sagte ihm der von ihr gewählte Weg lediglich, dass sie wohl nicht in Richtung des Dorfes gehen wollte. Wahrscheinlich um nicht mit ihm gesehen zu werden. Aber die sonst so selbstsicher auftretende Domna wirkte nach seiner Behauptung nun doch verunsichert. Sein Lächeln wurde breiter. Seit er Geweihter geworden war, glaubte man ihm solche Aussagen. Wobei...ein bisschen Wahrheit lag ja wirklich in seiner Behauptung. "Was meine Kleidung angeht, so tut es mir leid, Domna Madalena, aber da Ihr mir nur zugerufen habt, dass ihr mir etwas mitteilen wollt, nicht aber was, habe ich keine Ahnung was eine angemessene Kleidung für diesen Anlass wäre. Außerdem ist meine Auswahl begrenzt. Aber wenn Euch meine momentane Kleidung nicht zusagt, dann kann ich gern zurückgehen und mir meinen zyklopäischen Lendenschurz anziehen. Der wäre zumindest den Temperaturen angemessen." Er grinste.

Im Gehen musterte sie ihn noch einmal von Kopf bis Fuß, etwas länger, als sie eigentlich vorgehabt hatte. “Es wird wohl genügen”, stellte sie dann fest und verlangsamte ihre Schritte etwas. Sie waren weit genug vom Dorf entfernt. Jeder, auf den es ankam, wusste ohnehin, dass sie nur etwas erbitten wollte. Sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, damit es kein Gerede geben würde. “Ich bin zu Euch gekommen, weil ich eine Nachricht für Euch habe. Und weil ich etwas in eigener Sache mit Euch klären muss.”

"Das überrascht mich. Beides." Er hielt ihr die offene Hand entgegen, was Madalena stehenbleiben und ihn verwundert anblicken ließ.

"Die Nachricht?!"

“Ah. Ihr könnt lesen?”, fragte Madalena sichtlich überrascht. Sie hatte es ihm nicht zugetraut…

"Jeder in meiner Sippe kann es. Abgesehen von meinen jüngsten natürlich." Er sah sie ernst an. "Vielleicht solltet ihr Eure Vorurteile beizeiten einmal überdenken." Dass er noch immer mit dem Finger die Worte entlang fuhr, musste sie ja nicht wissen. Lesen war lesen.

“Vielleicht. Wer weiß... “ Es war ihr unangenehm ertappt worden zu sein, und spontan fiel ihr nichts ein, um die Situation zu retten. Also tat sie, was sie immer tat, wenn sie nicht weiter wusste. Sie zuckte die Schultern, wandte sich ab und setzte ihren Weg fort. “Nein, die Nachricht, die ich für Euch habe, wurde nicht niedergeschrieben. Ich wurde von meiner Schwester gebeten Euch einzuladen. Sie feiert morgen ihren neunundzwanzigsten Tsatag und würde sich sehr freuen, wenn Ihr den Feierlichkeiten beiwohnt.”

Ta'iro lächelte. Wie hatte Usanza ihre Schwester nur dazu gekriegt der Einladung nicht nur zuzustimmen, sondern sie auch noch persönlich zu überbringen? "Und Ihr? Würdet Ihr Euch auch… freuen?"

Die Frage traf Domna Madalena unvorbereitet. Und sie war… unverschämt. “Nein”, antwortete sie direkt, wenngleich sie sich nicht sicher war, ob es nicht eher eine Lüge aus Anstand war als die Wahrheit, “aber... es ist auch nicht relevant, wie ich dabei empfinde. Darf ich meiner Schwester ausrichten, dass Ihr erscheinen werdet?”

"Wenn es ihr Wunsch ist, dann komme ich gern!"

“Gut. Dann hätten wir das geklärt. Dann zu meinem zweiten Punkt.” Ihr war sehr bewusst, wie viel nun davon abhing, die richtigen Worte zu finden. “Da Ihr des Lesens mächtig seid, habt Ihr vielleicht bereits mitbekommen, dass Usanza gedenkt sich einen Ehemann zu suchen. Ich weiß, dass sie Euch in der Vergangenheit sehr… zugetan gewesen ist”, versuchte sie eine neutrale, für keinen verletzende, aber dennoch politisch wenig verfängliche Formulierung zu wählen. “Soweit ich weiß, war Vater sogar bereit gewesen, eine direkte Abstammung zu einem entfernten Verwandten der Linie da Selaque zu bezeugen, um eine Verbindung zu legitimieren. Auch wenn es letztendlich nicht dazu gekommen ist. Warum auch immer.”

Sie atmete einmal tief ein, um ihre Gedanken zu ordnen und sich nicht weiter zu verzetteln. Warum, bei den Göttern, hatte Usanza die Gelegenheit damals nicht ergriffen? Sie hatte diesen jungen Mann doch so vergöttert… Und warum hatte er die Gelegenheit nicht ergriffen, sich zum Caballero erheben lassen? Sie konnte es nicht verstehen.

“Ihr müsst wissen”, fuhr sie schließlich fort, “es bedeutet ihr viel, sich zu vermählen. Und bei den Rennen in den nächsten Tagen werden wohl einige Teilnehmer dabei sein, die Usanza gern kennenlernen würden und die eine gute Partie abgäben.”

"Nicht so wie ein dreckiger Zahori, meint ihr?" Sie hatte es nicht gesagt, aber das musste sie auch nicht. Sie hatte es ihn von ersten Moment an spüren lassen. Seit ihre Schwester ein Interesse an ihm gezeigt hatte. Er blickte sie einen Moment lang mit einem Anflug von Verbitterung an, dann ließ er seinen Blick über das vor ihnen in der Sonne liegende Tal schweifen. "Ja, ich habe mitbekommen, dass sie eher mich als ihre Heiratsabsichten aufgeben will."

Er hätte erleichtert sein sollen. Usanza hatte sich damals in den Gedanken verrannt, ihn zu ehelichen. Auch als der Zauber am Tag, nachdem er für sie getanzt hatte, seine Wirkung verlor, wollte sie nicht davon ablassen. Er hatte versucht es ihr auszureden. Schließlich ließ ihr Stand ohnehin nicht zu, dass sie sich einen damals noch vogelfreien Vagabunden zum Mann nahm. Dann hatte sie die Idee mit dem entfernten Verwandten, der in ihm seinen verloren gegangenen Sohn wiederfinden sollte. Sie hatte wohl gehofft ihn mit der Aussicht auf einen Titel locken zu können.

Doch er hatte abgelehnt. Er mochte nicht von Stand sein, doch sein Blut war blauer als das vieler heutiger Adliger. Er hatte es nicht nötig sich durch deren Hände zu einem von den Ihren erheben zu lassen. Hätte der Herr des Schicksals vor tausend Jahren etwas anderes für seine Familie gewollt, dann säße er jetzt vielleicht sogar auf einem Thron. Doch das war nicht der für ihn vorgesehene Weg.

Warum nur war er jetzt nicht erleichtert, dass Usanza die Hoffnung auf eine Ehe mit ihm endlich aufgegeben hatte? Er blickte Madalena eindringlich an. "Das müsste Euch doch sehr gelegen kommen, Domna Madalena!?"

“Ihr meint, dass meine Schwester jemand anderen heiraten möchte? Nachdem Ihr sie abgelehnt habt? Das kann Euch kaum verwundern… aber ja, es ist auch in meinen Augen eine… angemessene Entscheidung, die für alle Beteiligten von Vorteil ist.”

"Ihr seid also glücklich damit, mich nicht an Eure Schwester gebunden zu wissen?" Er blieb stehen und lächelte vielsagend. Dieser Unterton. Deutete er etwa gerade an, dass sie aus Eifersucht die Verbindung der beiden ablehnte? “Durchaus…”, bestätigte Madalena und entschied sich damit, die subtile Andeutung zu ignorieren, wohl wissend, dass es ein gefährliches Spiel sein konnte den Zahori zu ermutigen. Aber es war nunmal auch die Wahrheit.

"Interessant." Ta'iro blickte ihr einen Moment tief in die Augen und Madalena wurde bewusst, wie nah er bei ihr stand. Sehr nah. Unangemessen nah. Zu nah!? War es doch ein Fehler gewesen? Schnell drehte sie sich weg, ging weiter, um etwas Distanz zu schaffen. “Und ich werde noch glücklicher damit sein, wenn sie eine gute und angemessene Partie gemacht hat, ja”, beendete sie das Thema.

Sie seufzte. “Ich möchte Euch also… inständig… bitten, ihrem Glück nicht im Wege zu stehen und nichts zu unternehmen, was sich negativ auf sie, ihren Ruf oder ihre Aussichten auswirken könnte.” "Und was soll ich nun Eurer Meinung nach tun?"

Madalena überlegte kurz.

“Nichts. Eigentlich braucht Ihr nichts tun. Usanza wird sich in ein paar Tagen mit einem oder zwei potenziellen Kandidaten hier treffen, sie werden sich unterhalten und vielleicht, sollte alles gut laufen, bei den Rennen ein wenig Zeit miteinander verbringen. Und wenn Ihr diese Treffen einfach nicht beachtet und Usanza keine Hoffnungen in Bezug auf Euch macht, wäre das schon alles, was ich von Euch erbitten kann.”

"Aber Ihr verlangt auch nicht, dass ich ihre Hoffnungen zunichte mache?"

“Würdet Ihr einem solchen Verlangen denn nachkommen?”, beantwortete Madalena die Frage mit einer Gegenfrage. Ta'iro dachte einen Moment nach. "Nein, wahrscheinlich würde ich das nicht.”

“So hatte ich auch nicht eingeschätzt. Insofern… nein, ich verlange nichts dergleichen. Nur, dass Ihr einer anderweitigen Verbindung nicht im Wege steht… in ihrem eigenen, besten Interesse.”

"Das werde ich nicht, wenn sie glaubt, dass eine Ehe sie glücklich macht. Im Gegenteil ich werde ihr sogar dabei helfen damit glücklich zu werden, falls sie erkennt, dass sie sich getäuscht hat." Er grinste. "Natürlich in ihrem eigenen, besten Interesse!"