Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 18

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Elentinische Ebene, 4. Tsa 1036 BF

Alina

4. Tsa, später Nachmittag

Autor: Lindholz

'Der ist dem Tode näher als dem Leben', dachte Lucrann da Vanya als er auf den Mann hernieder sah. Selbst das Atmen schien ihm schwer zu fallen und war als nur schwaches, immer wieder stockendes Röcheln zu vernehmen.

"Diese Scheusal hat meinen Mann einfach mit seinem Höllenross niedergeritten, hoher Herr, und sich mein Kind genommen... meinen armen Sohn", brachte die verzweifelte Frau hervor. Besagter Bursche mochte an die vierzehn Lenze zählen, und dennoch hockte er, mit einem Gesicht weiß wie der Mond und ausdruckslos wie eine Maske, auf dem staubigen Boden des Raumes; als hätte er dem Tode selbst ins Antlitz gesehen - vielleicht auch etwas weit Schrecklicherem. Das Weib warf sich vor Lucrann auf die Knie und brach erneut in Tränen aus: "Was hätte ich denn tun sollen, wenn nicht ihm Nahrung zu geben, wie er verlangt hat? Nie würde ich aus freien Stücken einem Frevler an den Göttern helfen oder stehe gar selbst mit üblen Kräften im Bunde, das schwöre ich! Ihr müsst mir glauben, ich bitte Euch!"

Der Baron von Schrotenstein hatte keinen Anlass an ihren Worten zu zweifeln; die Frau hätte als Schauspielerin schon die Damen bei Hofe in den Schatten stellen müssen, um eine Lügengeschichte derart überzeugend vorbringen zu können. Und was er sah, sprach ohnehin für sich.

"Wann ist der Mann hier in Alina eingetroffen?", setzte er dennoch seine Befragung fort.

"Gestern, hoher Herr, am gestrigen Morgen", antwortete das Weib, langsam die Fassung zurückgewinnend, "Und er ist sofort wieder aufgebrochen, als er hatte, was er wollte."

"Wohin?"

"Gen Süden, hoher Herr."

Lucrann da Vanya nickte ernst während er nachdachte: 'Was hatte der Nekromant nur vor? Was war sein Ziel?' Die Frau schien aufzuatmen, als sie sah, dass sich der ernste Blick des Adligen von ihr abgewandt hatte, doch blieb sie nicht lange verschont.

"Gibt es sonst noch etwas, was sie mir sagen kann? Irgendetwas, was er erwähnt hat? Etwas Auffälliges, was sie gesehen hat?", bohrte er noch einmal nach.

"Nun...", sie schien ihre Erinnerungen nach etwas zu durchwühlen, was dem Baron von Nutzen sein konnte, "Seine Haut sah aus, wie weißes Leder und spannte sich über den Schädel als säße kein Fleisch mehr daran. Und er hat hat gestunken, Herr, wie verrottendes Fleisch und das... Ding, auf dem er ritt, ebenso. Die Augen schienen das einzige wirklich Lebendige an ihm."

Lucrann da Vanya winkte uninteressiert ab. Das Aussehen entsprachen in ihrer Abartigkeit zwar seinen Taten, doch hatte man ihm schon zuvor genug berichtet, um den finsteren Gesellen erkennen zu können. Er legte eine Münze auf den wackeligen Schemel, auf den zu setzen man ihn bewegen wollte, als er eingetreten war - ein Angebot, das er ausgeschlagen hatte. Er wusste kaum zu sagen, ob die Frau es besser für die Heilung oder Beerdingung ihres Mannes einsetzen sollte; also blieb er stumm und schickte sich an, die Stube zu verlassen, als die Bäuerin noch einmal ihre Stimme erhob.

"Oh, da wäre noch etwas, hoher Herr: Der Mann - er hat geredet!"

Lucrann da Vanya wandte sich um, wobei seine Gesichtszüge eine Mischung aus Verärgerung und Verwunderung zum Ausdruck brachten.

"Das scheint mir kaum erwähnenswert."

"Ich meine nicht mit mir, Herr, und auch nicht mit meinem Sohn. Nun, natürlich hat er schon zu mir gesprochen, als er mir befahl...", das Weib merkte selbst, dass sie die Geduld ihres Gegenübers zu strapazieren begann und brach den Satz ab, um erneut zu beginnen, "Ich wollte sagen, dass er mit jemandem gesprochen hat, der nicht da war. Vielleicht sogar mit mehreren."

"Mit jemandem gesprochen, der nicht da war also." wiederholte der Baron von Schrotenstein und fuhr sich mit der Hand über den Bart am Kinn.

"So ist es Herr. Es war, als wenn jemand im Fieber spricht, Herr."

Lucrann da Vanya dankte der Bäuerin und verließ nun endgültig die Kate. 'Was hatte das nur zu bedeuten? Haben Geister ihn begleitet, die sich verborgen hielten? Vielleicht gar Dämonen? Oder hatten ihn seine dunklen Künste in den Wahn getrieben? War dies womöglich schon die Strafe Borons für den Frevel an seinem Kloster - ein Ort, der für jene als Zuflucht diente, deren Geist schwach war?' Dieser Nekromant entzog sich immer mehr seinem Verständnis. Was ging hier nur vor? Mit grimmiger Miene befahl er den Männern, den Weg nach Süden fortzusetzen. Der Vorsprung des Nekromanten war groß, doch das durfte sie nicht entmutigen. Diesen Untaten musste ein Ende gesetzt werden!