Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 09

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Tulamidische Schauermärchen

Wie der Schöne Baron vom Tode Falk Fröhlings erfuhr und wie er darauf antwortete.


Baronie Taubental, 2. Travia 1033 BF

Auf Castillo Chellara (in den frühen Morgenstunden)

Autor: vivar

„Die Zwölfe mögen Euch einen guten Morgen schenken, Euer Hochgeboren!“, zog Majordomus Gualdini wie jeden Morgen die Vorhänge im barönlichen Schlafgemach auf, so dass die Praiosscheibe ihm bei der mühseligen Aufgabe helfen konnte, den Baron zu wecken.

„Mhmmmm...“, ertönte es unwillig aus den Kissenbergen, doch Gualdini, der einer langen Hausdienertradition entstammte, ließ sich davon wenig beeindrucken. „Euer Hochgeboren mag geruhen sich aus den Federn zu erheben, denn vor Eurer morgigen Abreise ins Taubental gilt es noch einige wichtige Geschäfte zu regeln.“ Ein Kissen flog haarscharf an dem alternden Majordomus vorbei: „Verschwinde!“ – „Zudem ist soeben die geschätzte Tante Eurer Hochgeboren zurückgekehrt, meiner bescheidenen Einschätzung nach sehr aufgelöst...“

Ein Kopf erhob sich aus den Kissen. „Tante Yashima ist zurück? Aber sie wollte doch nach Santa Catalina zum Jahrmarkt... Bona dea, ihr ist doch nichts zugestoßen?" Der schöne León de Vivar stand nun mit einem Mal senkrecht im Bett. "Schnell, führ' sie herein!"

"Mit Verlaub, Euer Hochgeboren", wandte Gualdini sittsam den Blick vom makellosen Leib seines Herrn ab, "vielleicht solltet Ihr Euch zuerst etwas überziehen. Ich habe Domna Yashima gebeten, derweil im Amazonensalon Platz zu nehmen und Ihr eine Erfrischung reichen lassen."

"Wie? Ach so, ja." Dom León blickte an sich hinunter, und ließ sich dann von einem Diener, den Gualdini mit einer geübten Augenbrauenbewegung aus seiner Ecke gerufen hatte, einen kunstvoll mit Silberfäden durchwirkten Morgenmantel anlegen, das Gesicht waschen und das volle schwarze Haar zu einem Eslamszopf flechten. Auf Fellschuhen, die den Füßen schmeichelten und sie vor dem kalten Marmorboden schützten, eilte er sodann, Gualdini im Schlepptau, in den Besuchertrakt.

Yashmina saba Dhachmani, eine kleine Khunchomerin von rundlicher Statur, wie stets in prunkvolle Gewänder gehüllt und wie stets stark geschminkt, saß im Prunksalon des Castillo Chellara, der aufgrund eines Glastischchens mit drei Bronzefigurinen offiziell Amazonensalon hieß, von Dom León jedoch aufgrund seiner schweinerosafarbenen Tapeten und Diwane respektlos Schweinestube genannt wurde. Als ihr Neffe im Morgengewand durch die Tür trat, legte sie ihren Handspiegel, mit dessen Hilfe sie den Khol unter ihren Augen nachgezeichnet hatte, neben sich und seufzte erleichtert. "Habibi! Geliebter Brudersohn!", begann sie auf Tulamidya. "Du kannst dir die Todesängste nicht vorstellen, die ich durchlebt habe! Dein Land sollte nicht Tal der Tauben, sondern Tal des Todes heißen! O Graus und Schrecken!" Sie stürzte auf ihn zu und küsste ihm die Hände - seine Wangen erreichte sie aufgrund ihrer geringen Größe nicht.

"Was ist denn geschehen, o Vaterschwester meines Herzens? So beruhige dich doch - hier bist du in Sicherheit!" Der weitgereiste Dom León führte Domna Yashima zurück auf den Diwan, schenkte ihr aus einem Becher verdünnten Wein ein, und ließ sich an ihrer Seite nieder.

Die Händlerin stürzte das kühle Getränk hinunter und begann dann: "Teurer Brudersohn! Als ich am gestrigen Tage aus deinem Kasr aufbrach um mich ins liebliche Tal der Tauben zu begeben, war ich noch voller Freude, denn ich war erfüllt von dem Gedanken, die erhebenden Tänze zu sehen, mit denen hierzulande der Radscha gehuldigt wird. Und warum sollte ich nicht selig lächeln, wusste ich doch noch nicht, welch böse Djinnen dein Reich durchstreifen.

Auch, als ich mit meinen Wagen und meinen Knechten das Haus im Walde erreichte, ahnte ich noch nichts von meinem Unglück. Der Haran des Anwesens, ein alter Herr von der fröhlichen Art eines Spielmanns und der Würde eines Edlen, empfing mich höflich und in allen Ehren, samt seinem Sohn und seiner Tochter, die wenig mehr als ein Kind war. Als er hörte, dass ich auf dem Weg ins Tal der Tauben war, erfüllte ein seliges Lächeln ein Antlitz und er sprach: 'Auch ich werde mich am morgigen Tage aufmachen zu jenem heiligen Orte, um die Freuden der Lieblichen Göttin zu genießen.' Und er lud mich ein die Nacht in seinem Hause zu verbringen und am nächsten Morgen gemeinsam mit ihm weiter zu reisen. O unglückseliger Alter! Hätte ich doch nie auf seine Worte gehört, hätte ich doch nie eingewilligt, die Nacht unter den Balken seines Daches zu verbringen!

Wir ließen uns an seiner reich gedeckten Tafel nieder, und er wies mir den Ehrenplatz an seiner Seite zu. Je später der Abend wurde, desto mehr Wein ließ er in unsere Becher füllen, und ich verstand wohl, dass der Haran wohl ein Fass ohne Boden unter seine Ahnen zählen musste, denn er trank Becher nach Becher und wurde doch nicht trunken.

Als die Nacht herein gebrochen war - Finsternis umhüllte das Haus und nur im Inneren erleuchteten Kerzenschein und die Wärme des Herzens dieser guten Menschen unsere Antlitze - bat der Sohn des Harans seinen Vater, er möge doch für uns, seine Gäste singen. Da holte die junge Tochter eine Laute von der Wand, schlug die Saiten an, und der Haran erhob seine Stimme. Und wahrlich, ich sage Dir, teurer Neffe, wenn sein Vater ein Weinfass war, so war seine Mutter eine Nachtigall! So bezaubernd klang seine Stimme, zu fröhlich seine Lieder, dass wir alle abwechselnd zu Tränen gerührt und zum Lachen gebracht wurden. Als der Alte aber gerade zu seiner schönsten Ballade angesetzt hatte, geschah es..."

"Was geschah, o Vaterschwester! Sprich geschwind!", erwiderte der weitgereiste Dom León, bereits ganz im Zauberbann der Geschichte.

Domna Yashima blickte ihn unter gesenkten Lidern an und senkte die Stimme: "Die Tür wurde aufgestoßen... und die Niederhöllen brachen über uns herein! Zottelige Männer und wilde Weiber mit funkelnden Kettenhemden und scharfen Schwertern, brüllend vor Zorn wie schwarze Löwen, fielen über uns her, schlugen von allen Seiten auf uns ein, als wären sie von Dämonen besessen, Ausgeburten der Djehenna, ein Spuk der Nacht, ohne Gnade ihre tödlichen Hiebe nach links und rechts verteilend, den Rebensaft, den wir vor Schreck auf den Boden gegossen hatten, mit unserem Blut vermischend, so dass alles rot war!

Djadim, mein tapferer Djadim, versuchte mich und meine Ehre zu verteidigen, doch sie schlugen ihn nieder; der Sohn des Harans zog seinen Säbel, doch sie erschossen ihn wie einen räudigen Hund, und der edle, der gute, der größte aller Gastgeber selbst; dieser erlitt einen solchen Schrecken, dass er den Geist aufgab, wobei ich zweifle, ob es in seinem Falle nicht auch der Wein gewesen sein mag...

Einerlei! Wie gierige Wölfe eine Herde unschuldiger Schafe, so trieben sie uns im Hofe zusammen. Sie nannten sich Herren des Gutes, dann ergriffen sie aus unserer Mitte die Tochter des Harans und raubten mir meine drei Wägen und sandten mich zurück zu dir. Zu Fuß - zu Fuß! - musste ich durch die stockfinstere Nacht irren, und hätte mein treuer Jizhaban sich nicht des Weges erinnert, gewiss wären wir nun dem fürchterlichen Drachen zum Opfer gefallen!"

Dom León, auf dessen schöne Stirn sich während der Erzählung eine dunkle Wolke gelegt hatte, wechselte einen vielsagenden Blick mit Gualdini, dann legte er seine Tante die Hand auf die Schulter und sprach sanft: "Das sind schlimme Nachrichten, die du uns überbringst und es dauert mich, was dir widerfahren ist. Meine Seele preist die Größe der Herrin Rahja, dass dir dabei nichts Schlimmeres zugestoßen ist, denn das könnte ich mir meinen Lebtag nicht verzeihen. Sei versichert, dass ich alles darum geben werde, deine Waren zurück zu gewinnen oder dir die Kosten zu erstatten. Doch sage mir, allerliebstes Tantchen, hast Du nicht in Erfahrung bringen können, was die Namen dieser Schurken sind, woher sie kamen und in welcher Zahl sie über euch herfielen?"

Da zog Domna Yashima den Brief hervor, denn sie vom Anführer der Räuber erhalten hatte und überreichte ihn ihrem Neffen. "Zwar war es dunkel und ich bin mir nicht sicher, aber nach meinen Schätzungen muss es ein Dutzend gewesen sein. Woher sie kamen, weiß ich nicht, aber gewiss nicht aus einem zivilisierten Land. Vielleicht sind es Thorwaler oder andere Barbaren?"

Nachdem der Vivar den Brief überflogen hatte, reichte er ihn mit ausdrucksloser Miene an seinen Majordomus weiter. "Gualdini, setz' ein geharnischtes Antwortschreiben auf und lege es mir hinterher zur Unterschrift vor. Morgen werde ich mich auf dem Weg nach Santa Catalina der Sache persönlich annehmen. Sage daher den Soldaten, sie mögen sich bereit halten. Rufe auch Nuerta und Isonzo! Sie sollen meine Antwort an diesen Halmdahl überbringen und nebenbei ein wenig Augen und Ohren aufsperren. Und lass mir und meiner Tante ein kräftiges Morgenmahl richten - sie hat es sich nach dem Schrecken der Nacht redlich verdient und ich könnte nicht so unhöflich sein, sie dabei alleine zu lassen."

"Jawohl, Hochgeboren", verneigte sich Gualdini. "Halten zu Gnaden, aber haltet Ihr diese beiden Questadores wirklich für geeignet, als Boten zu fungieren? Sie haben beide einen... wie solch ich sagen... ahem... explosiven Charakter, Hochgeboren."

"Glaub mir, Gualdini, sie sind wie geschaffen für diese Aufgabe..."