Chronik.Ereignis1033 LSV 87

Aus Almada Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ragath, 3. Praios 1033 BF

Im Tempel der Schönen Göttin (früher Abend)

Autor: León de Vivar

Nach dem Gespräch mit dem Aranjuezer hat Dom León das Castillo des Grafen zu Pferd verlassen und ist in die Stadt hinab geritten - schnurstracks ins Weberviertel zum Tempel der Schönen Göttin, vor dessen Haupthaus er seine schwarze Shadifstute wiehernd steigen lässt, um in nicht zu übersehendem Selbstbewusstsein auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen.

Als kurz darauf ein junger Tempeldiener heraustritt, schwingt der Baron sich vom Pferd und geht die Stufen ein wenig hinauf.

"Rahja zum Gruße, Fratenello."

"Rahja segne Euch, Dom..."

"León de Vivar, Baron im Taubental; ich bin hier, um der Schönsten der Göttinnen meine Aufwartung zu machen."

"Mit der größten Freude, Hochgeboren. Tretet nur ein; ich werde mich um Eure Stute kümmern, wirklich ein schönes Tier."

"Habt Dank, das ist Mulaika in der Tat. Gebt gut auf sie Acht, Fratenello."

"Ihr braucht keine Sorge zu haben, Eure Stute ist im Hause Rahjas so sicher wie in Sulvas Schoss."

"Das gebe Tharvun, Fratenello." Dom León übergibt dem Novizen die Zügel und betritt die Vorhalle des Tempels.

Drinnen empfängt ihn der schwere Duft von Rosenwasser. Im Hintergrund ist zaghaft eine Laute zu vernehmen. Rote und rosenfarbene Vorhänge zerteilen die Halle, diffundieren auf angenehme Weise das durch spitzbögige Fenster hereindringende Abendlicht und verwehren den Blick auf das Allerheiligste.

Die in stillem oder gemurmelten Gebet vor einer Statue der Schönen Göttin verharrenden Gläubigen überlässt der Baron sich selbst und schreitet auf die Tempeldienerin am Ende des Raumes zu. Er verneigt sich leicht. Die Verneigung wird erwidert. Er breitet die Arme aus. Die Tempeldienerin entkleidet ihn ruhig, nimmt ihm zuerst den Hut vom Haupt, dann den Rock, den Degen, das Wams, und so fort. Dabei spricht sie die Worte: "Ich entkleide dich vom Hochmut. Ich entkleide dich von der Gewalt. Ich entkleide dich von der Angst. Ich entkleide dich vom Zweifel. Ich entkleide dich von der Lüge. Ich entkleide dich vom Hass. Lege die Welt ab und sei Gast im Hause der Herrin."

Nackt tritt der Gast durch den seidenen Vorhang und steigt die sechs Stufen in das Reinigungsbecken hinab, in dessen Mitte ihm das Wasser bis zur Brust reicht. Er schließt die Augen und taucht zwölf Mal in dem warmen Rosenblütenwasser unter, sechs Mal, um sich von der Welt zu reinigen, sechs Mal, um sich auf das Ewige Fest, das ihn im Allerheiligsten erwartet, vorzubereiten. Vor jedem Eintauchen murmelt er einen der Kosenamen der Göttin: "Ruhmreiche Stute. Zarte Rose. Wurzel der Wonne. Holde Herrin. Schenkerin der Erleuchtung. Brunnen der Freuden. Meine Seelenlust. Schönste Schmiedin meiner Ketten. Königin des Rausches. Vollkommene Gastgeberin. Süßester Tropfen. Ende meiner Klagen."

Auf der anderen Seite des Beckens steigt der Gast daraufhin sechs Stufen hinauf. Der Vorhang wird von einer helfenden Hand geöffnet. Wieder breitet der Gast die Arme aus, damit der Tempeldiener ihn mit duftendem Rosenöl salben kann. "Ich bade dich in Demut. Ich salbe dich in Sanftmut", spricht der Novize. Dann legt eine Geweihte dem Gast einen bodenlangen, seidenen Mantel um. "Ich kleide dich in Zuversicht", lächelt sie. Sein gelöstes Haar flicht sie mit sanften und kundigen Händen zu einem Eslamszopf, seine Augen unterstreicht sie mit einem Kohlestift, seine Lippen akzentuiert sie mit leuchtendem Rot, während sie sagt: "Ich schmücke dich mit Harmonie." Mit den Worten "Ich gebe dir Wahrhaftigkeit zu trinken" wird dem Gast eine aus knorrigem Rebholz gedrechselte Schale mit dem göttlichen Tharf gereicht. Er leert die Schale bis zur Neige und spürt, wie sich eine wohlige Wärme in allen seinen Gliedern ausbreitet.

In diesem Moment, auf einen Wink aus dem Hintergrund, treten die Priesterin und der Novize zur Seite. Eine zierliche, braungelockte Frau in gold-roter Seidenrobe tritt wiegenden Schrittes auf den Gast zu, fasst seine beiden Hände und blickt ihm die Augen. "Ich küsse dich mit Liebe" spricht Mireia von Culming und küsst den Gast auf den Mund. "Welche Freude! Sei willkommen im Hause der Herrin!" Zu den beiden anderen winkt sie ab: "Sorgt euch nicht, ich kümmere mich persönlich um unseren Gast.

Ihr habt den Tempel der Schönen Göttin lange nicht mehr aufgesucht, Dom León", schmollt die Gastgeberin der Leidenschaft.

"Vergebt mir, wenn ich gesündigt habe, Hochwürden", verneigt sich der Vivar vor der schönen Tempelvorsteherin.

"Die Vergebung wird Euch mindestens den restlichen Abend kosten", droht sie scherzhaft. "Kommt mit..."

(später)

Aus dem hinteren Bereich des Allerheiligsten, wo es sich Domna Mireia und Dom León in den weichen Kissen gemütlich gemacht haben, dringt fröhliches Gelächter.

"Huhu, Ihr seid ein Spaßvogel! 'ich hab dem Albernier mit dem Handschuh den Bartflaum gestreichelt', köstlich, mein Lieber, köstlich! Und Euer Bad mit der Gemahlin Dom Ettels und ihren Zofen auf der Anreise! Ganz wunderbar! Ach, da wäre ich zu gern dabei gewesen, bei diesem Reichskongress. So viele Anekdoten! Da müsste ich mich ja fast ärgern, dass ich stattdessen zum Fest der Freuden nach Belhanka gereist bin!"

"Das solltet ihr nicht, holdselige Mireia! Ich habe lediglich diese kleinen Schwänke derart aufbereitet, dass sie über die generelle Tristeza einer khômstaubtrockenen, sterbenslangweiligen Zusammenkunft schmerbäuchiger, rotnasiger, grobschlächtiger alter Würdenträger auf einem zugigen Schloss im westwinddrachen- und ogerverseuchten Windhag hinwegtäusche. Ihr könnt mir glauben, dass ich den heiteren Zug nach Belhanka tausendmal vorgezogen hätte!"

Während ihre beringte Hand einer Strähne spielt, die sich aus seinem Zopf gelöst hat, blickt die Tempelvorsteherin verträumt in die Ferne, als hänge sie noch der Erinnerung des Belhankaner Festes nach, von dem sie erst vor einem Dutzend Tagen zurückgekehrt ist. "Aber am Eröffnungstag der Landständeversammlung gewiss seid Ihr nicht nur gekommen, weil Ihr mich mich Euren Geschichtchen vom vergangenen Jahr beglücken wollt...?" Sie wendet den Kopf und blickt ihn erwartungsvoll an.

Er lächelt ertappt und senkt sein Haupt. "Gewiss nicht, o Zuckermund. Ich kam, weil ich aufgewühlt war und in mir Sehnsucht nach der Herrin verspürte. Unruhe herrscht in der Versammlung und im Volke, Unruhe herrscht auch in mir. Die Harmonie droht verloren zu gehen."

"Na, dem können wir abhelfen", fährt sie ihm mit dem Finger über die Brust und zieht sanft sein Kinn zu sich her.

Ebenso sanft ergreift Dom León ihren Finger und legt seine Hand darauf, um den Kuss zu unterbinden. "Das könntet Ihr in der Tat. Allerdings handelt es sich um mehr als um mein persönliches Seelenheil. Es geht um unser geliebtes Land, um unser Königreich, das auch die Schöne Göttin liebt. Die Versammlung ist uneins und hat bereits am heutigen Tage viele Anträge aus sich hervorgebracht, welche diese Disharmonie nur weiter schüren würden. Dagegen hat Euer werter Bruder, Dom Savertin, einen Vorschlag eingebracht, der dem Lande Almada endlich die ersehnte Einheit und Harmonie schenken könnte, die es braucht, um seinen äußeren Feinden mit Gelassenheit entgegen zu sehen: Der König soll endlich seine Braut, die Novadiprinzessin, ehelichen, um den Frieden mit den Wüstensöhnen zur Vollendung zu bringen und sich einen fürchterlichen Feind im Süden zu einem starken Freund zu machen.

Ich halte viel von diesem Antrag und werde ihn unterstützen, auch wenn ich nicht weiß, ob unser König darauf hören wird - und auch wenn ich persönlich vom Travienbund nicht sonderlich angetan bin."

Domna Mireia platzt ein glockenhelles Lachen heraus. "Ha, das weiß ich wohl! Und davor, dass Mütterchen Travia Euch ihrer Schönen Schwester entreißt, da sei San Baccio davor!" Schnell drückt sie ihm einen Kuss auf die Stirn.

Mit breitem Grinsen entgegnet der Vivar: "Bisher hat der Heilige stets seine schützende Hand über mich gehalten. Sorgen sollten sich eher die Hohen Brüder und Schwestern der Traviakirche machen, hab' ich doch schon so manches Gänslein in die Freuden der Extase eingeführt!"

"Ach, Ihr seid ein wahrer Diener der Leidenschaft!" Wieder setzt es einen vergnügten Kuss. Dieses Mal wird er erwidert.

"Und da bei unserem König", schenkt Dom León seinem Gegenüber Wein nach, "- nach allem, was meine Schwester vom Hofe schreibt - nichts darauf hin deutet, dass er es mir gleich tun will, wird eine fürstliche Hochzeit weniger großen noch kleinen Schaden bringen, sondern sich vielmehr als sehr nützlich für Almada erweisen.

Unter dem Aspekt des Nutzens habe auch ich einen Antrag eingebracht, der -"

"Ihr? Ihr betreibt Politik auf offener Bühne? So kenne ich Euch gar nicht! Bisher habt Ihr doch vor allem hinter verschlossenen Bettvorhängen Glanzleistungen vollbracht!"

"Ich gebe zu", lächelt er entschuldigend, "dass das auch immer das Feld ist, auf dem ich bevorzugt Ehrenkränze erringe. Aber auch das bunte Treiben der Politik bringt mir bisweilen Freude. Mein Antrag also ist ganz auf den Ausgleich und die Harmonie zwischen unserem König und uns, den Ständen, gerichtet, denn nur wenn die Freiheit des Königs und die Freiheit der Stände in einem angemessenen, rahjagefälligen Verhältnis zueinander stehen, können wir auch gegen unsere äußeren Feinde bestehen. Konkret habe ich eine ausdrückliche Würdigung und Anerkennung der Stände und ihrer Rechte durch den Almadanerkönig gefordert.

Ich würde mir die Unterstützung der Familia von Culming für diese rahjagefällige Sache wünschen. Doch wie Ihr wisst, wechselt Euer Vetter, Dom Stordan, nur ungern ein Wort mit mir, und Euem Bruder, Dom Savertin, bin ich womöglich gar nicht bekannt. Könntet Ihr nicht mit den beiden sprechen und sie dazu bewegen, meinem Antrag ihre und die ihrer Caballeros zu schenken?" Erwartungsvoll blickt der schöne Vivar die schöne Culmingerin an.

Chronik:1033
Die Landständeversammlung
Teil 87