Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 01

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Kaiserlich Selaque, 15. Praios 1033 BF

Auf Burg Albacim

Autor: SteveT

Unruhig schritt Praiosmin von Elenta, die kaiserliche Reichsvogtin zu Selaque, zum neunten oder zehnten Male an diesem Abend in ihrem Turmzimmer auf Castillo Albacim auf und ab. Tiefe Sorgenfalten furchten ihre Stirn, die Finger ihrer linken Hand hielten das bereits heiß gewordene güldene Auge des Praios krampfhaft umklammert, das geweihte Schutzamulett, das alle Angehörigen der Suprema trugen.

Am vergitterten Fenster angekommen, warf sie zum x-ten Mal einen Blick hinaus in die stockfinstere Nacht. Das Madamal stand voll und rund über dem Raschtulswall, jedoch wurde es immer wieder von den vorbeiziehenden Fetzen tiefschwarzer Gewitterwolken verdunkelt. Nicht mehr lange und es würde ein mächtiges Unwetter über sie hereinbrechen.

Sie presste ihre Stirn an die kühlen Gitterstäbe des Fensters und verrenkte ihren Hals so gut es ging, um hinauf zum wolkenverhangenen Gipfel des Berges Albamonte zu spähen, an dessen Westflanke Selaque und Castillo Albacim in 600 Schritt Höhe lagen. Nichts! Kein Wachfeuer vom Torre di Alba war zu sehen, dem Spähturm, den ihr Amtsvorgänger Radmon von Selaque auf dem Gipfel des Albamonte hatte errichten lassen.

Früher hatten sich die Selaquer hier oben sicher gefühlt, deren Häuser sich wie Vogelnester an die Steilwand des Berges klammerten. Vor nunmehr 30 Jahren aber waren die Ferkinas eines Nachts - ohne Hilfsmittel, nur mit primitivsten Seilen - die fast senkrecht abfallende Westwand des Berges hinabgeklettert, auf die sich nicht einmal die Klippziegen hinaufwagten. Über 300 Einwohner waren im Schlaf ermordet und elendig massakriert worden - seitdem wusste man, daß es keinen natürlichen Schutz vor den Wilden gab. Um vor solchen Überfällen gewarnt sein, war der Torre di Alba seither immer mit einer Wachmannschaft besetzt, die im Notfall mit Spiegelzeichen bei Tag oder Brandzeichen in der Nacht warnen sollte. Seit drei Tagen und drei Nächten aber kamen keinerlei Zeichen mehr von dem Turm. Es stand zu befürchten, dass die Wilden bereits oben auf dem Berg waren und ihre blutigen Messer wetzten.

Drunten im Burghof drängten sich Dutzende oder gar hundert von Menschen eingepfercht und eng aneinander gedrückt. Ein Großteil der Bevölkerung Selaques suchte nun hier in der Burg Zuflucht und mussten aus Mangel an Platz und Räumlichkeiten im Freien auf dem Burghof schlafen. Wehe ihnen, wenn gleich eines der typischen bosquirischen Unwetter losbrach.

Domna Praiosmin blickte nach Nordwesten, dorthin wo das Elenta-Tal und ihr Heimatort lagen. Dort in dem baumlosen Hügelland war die schwache Glut Dutzender kleiner Feuer zu sehen. Sie machte sich keine Hoffnungen, das dies bereits die Feuer einer zu ihrer Rettung heranziehenden Streitmacht der kaiserlichen Armee sein konnten. Es waren eher die Lagerfeuer der Ferkinas, die dort das geraubte und geschlachtete Vieh brieten und wahrscheinlich dazu ihre barbarischen Tänze aufführten. Sie dachte an ihren Sohn - Aureolus, den sie seit nun schon über zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte, genau wie seinen Vater, Raihé Coûlo, denn sie pflegte Rakolus von Schrotenstein, der für andere ein gesuchter Reichsverräter war, stets nur mit dem Kosenamen seiner elfischen Mutter anzureden.

Es klopfte an der Tür und ihr Burghauptmann Giordan Schlehwein trat ein, begleitet von einer anderen, ärmlich gekleideten Person, die ihren Caldabreser tief ins Gesicht gezogen trug. "Pardonniert die Störung, Euer Hochgeboren!" verneigte sich Giordan knapp. "Aber dieser Bursche hier begehrte Einlass auf der Burg und er bringt uns Nachricht aus Elenta." Er zögerte und Domna Praiosmin sah, dass die Augen des alten Haudegens feucht schimmerten. "Leider keine guten...", fügte der Burghauptmann mit leiser Stimme hinzu.

Praiosmin von Elenta blickte zu ihrem Waffenknecht, der ihr bereits in den Tagen der Belagerung durch die Hundsfotte der so geheißenen L.A.W. treu gedient hatte und dann zu dem vielleicht zwanzigjährigen Knaben, dem der Hauptmann den Hut vom Kopf zog und mit einer Hand im Genick nach unten drückte, damit er vor der Reichsvogtin zumindest die Andeutung einer Verbeugung vollführte.

"Dich kenne ich doch!", stieß die Herrin Selaques aus, als ihr Blick auf das Gesicht und vor allem auf die nun nicht mehr von einem Caldabreser bedeckte Ohrmuschel des jungen Mannes fiel - sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes ein "Schlitzohr" vor sich - einen zu seiner Schande mit einem Schnitt ins Ohr gekennzeichneten Marktdieb namens Fuocco, über den sie einst selbst auf dem Markt Elentas das Urteil gesprochen hatte.

Der junge Mann nickte, das Gesicht zu einer bedauernden Grimasse verzogen. "Halten zu Gnaden, Euer Wohlgeboren, ich hätte uns beiden das Wiedersehen gerne erspart. Aber der Capitano hier bestand darauf, dass ich Euch berichte, dass die Blutsäufer unser ganzes Dorf niedergemacht haben - meine Mutter, meine Brüder, sogar unsere Ziege!" "Mein Mitgefühl!", nickte Domna Praiosmin. "Mögen Praios der Herr und sein Diener Boron sie eines Schlüssels würdig erachten. Aber was ist mit den anderen Bewohnern Elentas geschehen - wieviele konnten sich vor den Wilden retten? Sind sie auf dem Weg hierher? Was ist vor allem mit meiner Administradora, Domna Liguria?"

Fuocco starrte sie ungläubig an. "Ich sagte doch gerade: Sie haben unser ganzes Dorf niedergemacht! Es konnte sich niemand retten. Ich selbst bin nur am Leben, weil ich gestern in Alina war. Was die Administradora betrifft - ich habe sie gesehen, sie lag in der Nähe vom Dorfteich. Zumindest glaube ich, dass sie es war...". Er schluckte: "Ihr Kopf fehlte, ebenso wie der von manch anderem."

Domna Praiosmin wankte rückwärts und ließ sich in den Sessel an ihrem Schreibpult fallen. Ihre eigene Familia, zwei Vettern und eine Base lebten mit ihren Kindern in Elenta... hatten dort gelebt, wenn dieser Streuner die Wahrheit sprach. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Wenn es nur Aureolus gut ging! Die Sorge um ihren Sohn war größer als aller Schmerz.

Burghauptmann Giordan schob den Überbringer der schlechten Nachricht aus dem Turmzimmer und schloss die Tür, ehe er mit einem Räuspern die Aufmerksamkeit seiner Herrin wieder zu erlangen versuchte. "Das ist noch nicht alles, Euer Hochgeboren! Soeben erhielten wir per Brieftaube endlich auch Antwort vom Castillo da Vanya."

"Endlich!" hob die Reichsvogtin wieder den Kopf. Ihr Gesicht schien binnen weniger Augenblicke um 10 Jahre gealtert. "Was schreibt Domna Rifada? Mit wie viel Mann kann sie für unseren Entsatz sorgen?"

Der Hauptmann trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und reichte seiner Herrin die winzige Nachricht, die soeben zusammengerollt am Fuß einer grauen Botentaube eingetroffen war. "Das Schreiben ist nicht von der Junkerin selbst, sondern von deren Ehegemahl. Er bedauert, aber seine Gattin sei nach Kornhammer aufgebrochen und habe ihm vor ihrer Abreise strikt untersagt, ohne ihre Erlaubnis derart riskante Entscheidungen zu treffen."

Die Reichsvogtin überflog die Nachricht unter Zuhilfenahme einer Lupe und wurde während der Lektüre erst kalkweiß und dann feuerrot. Mit zornfunkelndem Blick zerknüllte sie den Papierfetzen und warf ihn in das Feuer des Kamins in ihrem Gemach. "Das ist der Tropfen, der das Fuder zum Überlaufen bringt! Dafür bringe ich das Weib vor das königliche Hochgericht! Praios vergib mir.... aber der Namenlose und alle Dämonen der Hölle sollen sie holen!"

Ein greller Blitz zerriss das dunkle Gewölk, gefolgt von langem, tiefgrollendem Donner.



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 01