Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 21
Im Raschtulswall, 2. Rondra 1033 BF
Am Djer Kalkarif
2. Rondra, am Vormittag
Autor: Simanca
Wie die Knöchel einer Hand erhoben sich die fünf Gipfel des Berges vor ihm, als er getragen von den flüsternden Winden immer näher heran glitt. Mit einem Krächzen verkündete er den Bewohner des Berges seine Anwesenheit und zog die Flügel eng an den Körper, um sich tiefer gleiten zu lassen. So nah am Gebirge war es herausfordernd, mit den Winden zu tanzen, als führe man kurz vor einem Sturm Rabenluftbalett auf.
Neugierig äugte Ruy nach unten und erkannte die Bilder aus den Gedanken seiner Seelengefährtin wieder. Dort waren die dampfenden Wasserflächen, aus denen immer wieder, wie von übermütigen Wassergeistern emporgespien, heiße Strahlen aus Dampf und Wasser emporschossen. Elegant flog er eine acht um zwei der Geysire und flatterte dann, um wieder an Höhe zu gewinnen. Eine Biegung der Sonne entgegen, der Holzhütte zu, die dort wartete. Mit leisem Schnarren ließ er sich auf einer Föhre nieder und äugte ins Tal unter ihm hinab. Sträucher mit reifen Beeren weckten seine Aufmerksamkeit und er vermerkte, wo er die Leckerbissen finden konnte. Gewissenhaft sah er sich jedoch zuerst um. Von der gnadenlosen Höhensonne unbeschirmt und von ihrem Besitzer offenbar unversorgt, dörrten die Pflanzen auf den Beeten trostlos vor sich hin. Nur ein pelziges Nagetier raschelte leise zwischen den strohigen Halmen, unbemerkt von der alten Frau, die ihren Rock raffte und den Umhang enger um die Schultern zog, ehe sie sich gestützt auf ihrem Stecken erhob.
Der Blick der Alten glitt noch einmal über das Grab, dass unweit der Hütte angelegt worden war. Dann wandte sie sich dem Haus zu. Kurz bevor sie den Eingang erreicht hatte, sah die Greisin über die Schulter zurück. Aufmerksam beugte sich Ruy etwas vor und folgte ihr mit dem Blick, als sie hinein ins Haus ging und sich bei der Feuerstelle hinkniete. Mit dem Stecken scharrte sie in der Asche, erhob sich dann wieder und sah sich murrend in der Hütte um.
Mit einem beherzten Sprung in die Luft, erhob sich Ruy von der Föhre und segelte hinab, spreizte die Schwungfedern und landete elegant neben dem geflochtenen Boronsrad . Probeweise zupfte er an dem Zeichen des Raben herum, bis es wieder sorgfältig mittig auf dem Grab lag. Skeptisch stelzte er einmal um die Ruhestätte, legte dann den Kopf schief und spähte hinüber zur Behausung. Im Spiel des Windes schlug die Tür immer wieder auf und zu.
Als die Alte die Tür mit dem Stecken nach außen aufstieß und wieder vor der Hütte erschien, flatterte er eilig hinauf auf das strohgedeckte Dach und äugte hinab zu ihr. Prüfend sah sich die Alte noch einmal um und ihr Blick saugte sich für die Dauer eines Atemzugs auf dem schwarzgefiederten Beobachter fest. Suchend legte Ruy den Kopf schief.
Als er sah, wie die Greisin den Rock raffte und sich den Stecken zwischen die knochigen Schenkel klemmte, nur um im nächsten Moment von den Winden getragen emporzusteigen, gurrte er leise und lachte in sich hinein. Ihm schien, als würde die Alte der Richtung folgen, in welche er selbst zu fliegen gedachte. So warf er sich vom Dach der Hütte aus in die Luft und schlug mit den kräftigen Flügeln, um rasch an Höhe zu gewinnen.
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