Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 03
Im Raschtulswall, 24. Praios 1033 BF
Am Fuße des Djer Kalkarif im Raschtulswall
Autor: SteveT
"NURANSHAR !!!"
Ghazal iban Muyanshîr kannte diese Stimme nur zu gut - es war die seines Häuptlings, die Stimme Nasfagul Paschas, und sie klang alles andere als wohlwollend.
Er schluckte und verscheuchte die beiden jungen Krieger, die vor der Jurte des Shârs Wache hielten mit einer Handbewegung.
Als er in das Häuptlingszelt eintrat, funkelte ihn sein Anführer böse mit blitzenden Augen an. "DAS IST NICHT DIE AUSERWÄHLTE!" brüllte er und deutete anklagend auf die blonde Gefangene, die sie beide feindselig und kratzbürstig mit nicht minder blitzenden Augen anstarrte.
Der Häuptling hielt Ghazal vorwurfsvoll seine linke Gesichtshälfte entgegen, auf der die Fingernägel des Weibes tiefe blutige Kratzspuren hinterlassen hatten, die im ohnehin narbenversehrten Anlitz des Häuptlings zunächst gar nicht aufgefallen waren.
"Neun Tage ist dieses elende Weibstück nun schon bei uns und noch immer war ich nicht fähig, sie zu nehmen und den prophezeiten Sohn des Sonnenstiers mit ihr zeugen! Selbst wenn es mir einmal gelingt, sie niederzuringen und ihre wilde Kraft zu brechen, so kommen mir plötzlich Bilder von haarigen Rotpelz-Weibern in den Sinn und alle Kraft meiner Lenden ist schlagartig vergangen! Das ist Hexerei Du Sohn einer
Blutlosen, da steckst Du dahinter!" Er versetzte Ghazal einen Fausthieb, daß dieser rückwärts gegen die Zeltplane geschleudert wurde.
Die Gefangene verstand nicht, was die beiden Wilden in ihrer Grunzsprache untereinander stritten, aber Romina-Alba wußte, daß es um sie selbst ging.
"D-d-das ist nicht möglich!" hielt sich Ghazal das Kinn und spuckte mit einem zähflüssigen Blutfaden seinen vorletzten verbliebenen Zahnstumpf aus.
"Willst Du behaupten, die Geister würden lügen? Wehe Dir, Nasfagul, wenn Du ihren Zorn heraufbeschwörst!" Er rappelte sich wieder auf und drohte dem Shâr nun seinerseits mit seiner Knochenkeule. "Du musst mit der Tochter des Hairans der roten Stadt auf dem Goblingrabhügel einen Sohn zeugen! So wollen es die Geister und wer bist Du, daß Du etwa am Wort Deines Ahnen Khenubaal Pascha zweifeln magst?"
"Dann bring mir die Richtige, alter schwacher Mann! Die da will ich nicht mehr länger in meinem Zelt! Sie ist trocken, störrisch und gefährlich! Wenn Du mir nicht die richtige Gebärerin des auserwählten Sohnes des Sonnenstiers herbeischaffst, dann drehe ich ihr morgen wie einem wilden Tier den Hals herum!" Er demonstrierte gestenreich, wonach ihm der Sinn stand.
"Ich muss die Ahnen anrufen," schüttelte Ghazal den Kopf. "Zügle Deine Wut, bis sie mir gesagt haben, wie wir handeln sollen. Ich kann nicht glauben, daß ich mich getäuscht haben soll."
"Du bist uralt!" wank der Häuptling wütend ab. "Es wird Zeit, daß wir einen jüngeren Nuranshâr erwählen - einen, dem die Geister gehorchen und mit dem sie nicht ihr Spiel treiben!"
Ghazal wandte sich beleidigt zum Gehen und verließ das Zelt. Beim Durchschreiten des Zelteingangs flüsterte er zu der nur für ihn selbst sichtbaren Djinni: "Du nicht, Qualalahina! Du bleibst hier und behältst die beiden im Auge!"
Autor: von Scheffelstein
Aureolus konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Nun hatte er es beiden heimgezahlt: Dem Shâr, der seine Verwandten getötet hatte. Und dem alten Schamanen, der ihn vor Jahren schon, als er mit seiner Mutter bei den Bâni Khadr gefangen war, getriezt hatte, ja, der ihm gefährlich werden konnte.
Und außerdem hatte er die hübsche Grafentochter davor bewahrt, das Schicksal aller blonden Frauen zu teilen, die je von den Bâni Khadr gefangen genommen wurden: ihre Schenkel für den Shâr zu öffnen, ob sie wollten oder nicht.
Begierig starrte Aureolus Domnatella Romina an, die seit Tagen nackt und mit gebundenen Händen auf einem Fell vor der Bettstatt des Häuptlings lag. Ob sie noch Jungfrau war? Zu schade, dass sie nicht wusste, wer ihr Retter war! Ob sie es ihm danken würde? So, wie er es sich erhoffte? Wie er ... es verdiente?
Er leckte sich über die Lippen. Wie gerne würde er von ihr kosten. Sie zu seiner Braut machen. Aber nicht wie dieser plumpe Ferkina, der sich für den Gott aller Liebhaber hielt und nichts anderes war als ein Barbar. Nein, er wollte, dass sie ihn liebte. Ihr sollte es gut gehen! Er konnte dafür sorgen. Er hatte Macht! Und er würde noch mehr davon bekommen in der Zukunft. Wenn sie sich auf seine Seite stellte, würde er sie beschützen. So wie sein Vater seine Mutter beschützt hatte. Aber er würde sie auch lieben. Mehr als sein Vater seine Mutter geliebt hatte, die für ihn doch nichts anderes gewesen war als die Amme seines Sohnes. Seine Amme.
Zornig biss Aureolus die Zähne zusammen. Es hatte ihn stets geschmerzt, zwischen seinen Eltern zu stehen, die er gleichermaßen liebte. Zwischen seiner Mutter, die ihn verehrte, die ihn auf Händen trug und doch schwach war. Und seinem Vater, den er verehrte, der unnahbar war, und von dem er doch so vieles lernen konnte. Hätte lernen können, verbesserte er sich bitter.
Nein, er würde alles anders machen. Er würde seine Frau lieben. Es wäre ihm gleich, ob sie ihm Kinder gebar oder nicht. Sie sollte glücklich sein. Ein verschworenes Paar – das wären sie. Wenn auch die ganze Welt ihnen trotzte: Nichts würde sie entzweien. Sie würden das Bosquirtal beherrschen. Almada vielleicht. Ihn würden die Menschen fürchten. Sie würden die Menschen lieben. Zusammen aber wären sie gute Herrscher, von denen man noch lange spräche.
"Ich liebe dich, Romina", flüsterte er.
Die Zeltplane wurde zurückgeschlagen, der Alte trat heraus und riss Aureolus aus seinen Tagträumen. Was bei allen Dämonen der Niederhöllen machte er hier? Erging sich in kindischen Phantasien und verschwendete seine Kraft darauf, einem Mädchen die Jungfräulichkeit zu erhalten, die sie doch nur an einen anderen verlieren würde. Falls sie sie überhaupt noch besaß.
Kopfschüttelnd zog Aureolus sich zurück, ehe der Zauber verblasste und er wieder sichtbar wurde. Er hatte Wichtigeres zu tun. Es war mal wieder an der Zeit, seiner Mutter einen Besuch abzustatten, um sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen. Die Krieger, die aus Elenta zurückgekehrt waren, hatten von Flachländern berichtet, die dort umherstreunten und den Turm geplündert hatten. Lächerlich, dass ausgerechnet die Bâni Khadr das Wort 'Plünderung' in den Mund zu nehmen wagten! Aber wenn nun wirklich Söldner aus Schrotenstein oder Falado eingefallen waren, um die Gunst der Stunde zu nutzen? Viel beunruhigender allerdings war die Kunde, dass auch ein anderer Ferkina-Stamm derzeit in Almada sein Unwesen trieb. Ein Stamm, der mit den Bâni Khadr verfeindet war. Und den er nicht kontrollieren konnte. Offenbar hatte er das Gefasel des Alten von dem Sonnenstier-Blutkrieger unterschätzt. Auch die Schamanen anderer Stämme schienen ähnliche Weissagungen zu treffen. Das war beunruhigend und passte gar nicht zu seinen Plänen.
Er wollte der Herr der Ferkinas sein. Er wollte mit ihnen das Bosquirtal erobern und Selaque und Schrotenstein unter seiner Hand vereinen. Das Erbe seiner Mutter und seines Vaters. Wenn sie schon nicht hatten vereint sein können, so sollten es wenigstens ihre Lehen sein. Und wem, wenn nicht ihm, sollte vergönnt sein, über das vereinte Bosquirtal zu herrschen?
Du musst mit der Tochter des Hairans der roten Stadt auf dem Goblingrabhügel einen Sohn zeugen. Die Worte des Schamanen kamen ihm in den Sinn. Herrscher über Ragath. Ras'Ragath, wie die Ferkinas es nannten. Das also war Nasfáguls Ziel. Herrscher über die Flachlande. Vereiniger der Stämme des Raschtulswalls.
Diese Idioten! Niemals würde ein Ferkina über die Grafschaft herrschen. Aber wenn Romina tatsächlich sein würde ... Graf Aureolus von Elenta-Ehrenstein. Nein, der Name war blöd! Aber der Titel passte zu ihm. Seine Hochwohlgeboren Graf Aureolus von Ragath. Warum sollte er sich mit dem Bosquirtal zufrieden geben, wenn er mehr haben konnte?
Aber zunächst einmal musste er Romina aus den Händen der Wilden befreien, ohne dass er es sich mit diesen verscherzte. Er brauchte die Ferkinas. Und er konnte nicht länger all seine Kraft darauf verwenden, sich zu verstecken und den Shâr daran zu hindern, seine Beute zu vögeln.
Es wird Zeit, dass wir einen jüngeren Nuranshâr erwählen. Da hatte der Shâr recht, dachte Aureolus, als er in Hemd und Hose schlüpfte und sich den Umhang überstreifte. Die Geister gehorchten ihm! Nun würde er sein Spiel mit ihnen treiben ...
Mit unsichtbarer Hand griff er nach seinem Stab. Auf dem Djer Kalkarif gab es eine Höhle, in der die Ferkinas ihre Ahnengeister verehrten. Dort würde er die Antworten finden, die er brauchte, um sich den Stamm endgültig untertan zu machen.
- Bevor es weitergeht, macht Aureolus einen Abstecher nach: Schauplatz: Raschtulswall, Teil 12.
Autor: Romina Alba
Nun lag sie schon seit Tagen nackt auf diesem stinkenden Fell. Sie war so gebunden, dass sie sich kaum bewegen konnte, sie fror fast ständig und noch ein paar Tage und sie würde auch ohne Fesseln nicht mehr aufstehen können. Man kümmerte sich um sie, gab ihr Wasser und Nahrung, nachts wurde sie zugedeckt und der vermummte Wilde lies seit kurzem die Finger von ihr. Allen Zwölfen und vorallem Rahja sei Dank war er bisher nicht fähig gewesen, sie zu besteigen. Sie hatte sich jedesmal bis zur Erschöpfung gewehrt, hatte Zähne und Krallen einsetzt. Einige Male hatte er sie niedergerungen, um dann doch zeternd wieder von ihr abzulassen. Seit dem Streit mit dem Schamanen sah er sie kaum noch an. Doch sie erinnerte sich noch gut an seinen Blick und die Geste über den Hals, es war nur eine Frage der Zeit... sie schluckte trocken...
Sie begann wieder lautlos zu beten, ging Schritt für Schritt alle Zwölfe durch, kehrte aber immer wieder zu Rondra zurück, um um Stärke zu bitten. Dann widmete sie sich der Fürbitte für jeden Einzelnen des dahingemetzelten Rossbanners, für die kleine Waldwachterin und vor allem für Onkel Gendahar, der jetzt bestimmt in Rondras heiligen Hallen weilte. Sie weitete die Gebete auf die Alveranier aus und als ihr kein Gebet mehr einfiel, fing sie von vorne an. So verging ein weiterer Tag und man störte sie nur, um sie füttern, auf den Topf zu setzen und zu waschen.
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