Chronik.Ereignis1027 Tulamidische Reise 03

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Oase El'Ankra, 8. Peraine 1027 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Garten des Sultans (2. Efferdstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: León de Vivar

Umgrenzt von mit Obsidiansplittern besetzten Mauern lag im Herzen der Oase ein Garten, der das Auge erfreute. Weitauffächernde Tamara[1] und knorrige Ölbäume spendeten Schatten, während Yasmin und Lilaq[2] ihren betörenden Duft verbreiteten. Um einen Tumhazartalish[3] schwirrten einige voreilige Schmetterlinge. Über den von weichem Gras bedeckten Erdboden waren Steinplatten verlegt worden, die vom einzigen Zugang des Gartens, einem aus festem Erz geschmiedeten Törchen, vorbei an einem kleinen Teich, in dem sich bunte Zierfische tummelten, durch den von meisterlichen Gärtnern geschaffenen Miniatururwald zu einem runden Säulenpavillon führten.

Hier lag Khorim ben Suleyman, oberster Diener des Kalifen im Nordosten der Großen Wüste, zwischen den Körper umschmeichelnden Kissen, betrachtete die Deckenfresken und spielte mit dem schwarzen Haar seiner Lieblingssklavin. Er war ein stattlicher Mann mittleren Alters, der sich rühmen konnte, viele Jüngere im Wurf mit der Dschadra oder im Wettlauf zu besiegen – und da sich niemand traute, den Sultan herauszufordern, blieb es auch dabei.

Als er die Schritte seines Wesirs vernahm, richtete er sich auf und erwartete seinen Untergebenen in sitzender Position.

Djadir ben Saiman, ein hagerer, knochiger Alter, dessen markantestes Erkennungszeichen seine buschigen Augenbrauen unter dem roten Turban waren, verneigte sich tief vor dem Sultan. „O Säbel des Nordens“, sprach er dann, „die Gäste, deren Kommen du erwartetest, die beiden Beni Dhachmani, sind angekommen und bitten darum, von dir, Ankhra Al’Ankhra[4], empfangen zu werden, um dir ihre Geschenke zu überbringen.“

„Haben sie sich gereinigt?“ Späher hatten ihm seit langem vom Kommen der Beiden berichtet.

Der Wesir nickte. „Und sie haben auch schon etwas zu sich genommen. Sie wohnen seit dem gestrigen Gottesbuchstaben schon in der Karawanserei, Sahib.“

„So mögen sie vor mich treten. Richte ihnen eine Kammer im Gästetrakt. Sie sollen meine Gäste sein. Und du“, wandte er sich an seine Sklavin, „bringe Tee und Früchte. Yallah!“

Nach einer Weile erschienen zwei junge Männer von – wie der Sultan fand – beachtlicher Schönheit. Sie waren beide in dunkle Kaftane gehüllt und hatten den Kopf mit blauen Turbanen umwickelt, die nur die ebenmäßigen, edlen Gesichter freiließen. Man konnte ihnen ansehen, dass sie Brüder waren. Während der Ältere jedoch breitschultrig und vollbärtig war, hatte der Andere, Kleinere eine schlanke, knabenhafte Gestalt. Auf seinem weichen, anmutigen Gesicht zeigte sich noch nicht einmal Flaum.

„As-salaamu aleikum, Sultan Akhbar Al’Ankhra[5]“, sprach der Ältere der beiden mit wohl tönender Stimme und führte die rechte Hand zum Mund, zum Herzen und zur Stirne. Der Jüngere tat es ihm gleich.

„Wa aleikum as-salaam, Said ben Dhachmani! Marhaba![6], erwiderte der Sultan den Gruß.

„Mit Tränen lauterer Freude erfüllt es mein vom Staub der Wüste trockenes Auge, o mit dem Gedächtnis eines Elefanten Gesegneter, dass du dich meines bescheidenen und unbedeutenden Namens noch entsinnest.“

„Noch ist mein Auge scharf, Sohn eines durch die Schatten eilenden Fenneq[7]. Doch sag’, ist dieser Knabe dein Bruder?“

„Und erneut beweist du, großer Fürst, den Scharfsinn eines Adlers. Amando ben Dhachmani ist mein Bruder“, erwiderte der Ältere, woraufhin sich der Knabe erneut verneigte. „Nun aber wollen wir – mit deiner Erlaubnis, o Vater der Huld – dir die bescheidenen Gastgeschenke überreichen, die unser Vater Djerid uns mitgab.“ Er winkte zwei muskulösen Kriegern, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten. Diese, mit Spiegelpanzer und Helm gerüstet, wie ihr Herr jedoch ohne Waffen, brachten eine kleine Kiste und ein längliches Bündel herbei und stellten beides vor dem Pavillon ab. Nach einer Verneigung verschwanden sie wieder.

Im gleichen Moment kam die Sklavin – nun züchtig verschleiert – wieder und stellte ein Tablett mit Tee, eine Schale mit Perainäpfeln und Feigen, sowie einen mit einem Tuch bedeckten Teller auf einem kleinen Tischchen ab. Dann kniete sie sich schräg hinter ihrem Herrn nieder und begann, einzuschenken. Dabei betrachtete sie verstohlen die beiden Fremdlinge.

Said beherrschte sich, um den Blick nicht mit einem Lächeln zu erwidern und öffnete den Deckel des Behälters. Darin befanden sich, wie der mächtige Khorim erkennen konnte, drei Tuchbeutel und ein metallbeschlagenes Kästchen.

Er hob die Hand zum Zeichen, dass der junge Mann ihm etwas reichen dürfe.

Nach kurzem Zögern griff dieser in die Truhe, öffnete vorsichtig einen der Beutel und reichte ihn dem Sultan. Bräunliche Samen befanden sich darin. Auf den verwunderten Blick des Empfängers hin, der einer unausgesprochenen Frage gleichkam, beeilte er sich zu sagen: „Das sind Samen von Rosen, die an unserem Haus ranken – für deinen Garten, Licht der Beni Novad.“

Als der Sultan nach kurzem Nachdenken zufrieden nickte, führten die jungen Männer abwechselnd die anderen Geschenke vor.

„…ein Kleinod für deine Hauptfrau…“

„…ein gläserner Becher…“

„…eine Maschine, die dir die Zeit sagen kann – genauer als die Sonne…“

„…eine Klinge aus scharfem Stahl, in Taladur geschmiedet, damit du sie mit deinem starken Arm führst. Mein Bruder und ich hoffen, dass unsere Geschenke dir gefallen, Großmütiger.“

Der Großmütige nickte und sprach erneut „Marhaba!“. Dann ließ er sich von der Sklavin den Teller mit dem Tuch reichen und entfaltete es. Er nahm das duftende Fladenbrot, das seine Dienerinnen gerade erst aus fein gemahlenem Mehl gebacken hatten, streute Salz darüber und brach es, um den beiden Gästen mit eigener Hand jeweils ein Stück zu geben.

Innerlich atmete Said auf, als er von dem noch warmen Brot abbiss. Der Sultan hatte ihn erneut als seinen Gast aufgenommen.

Die drei Männer ließen sich von der Sklavin, welche die beiden schönäugigen Fremden immer noch mit stummer Neugier betrachtete, Tee reichen. Sie kamen auf die Reisebedingungen und die Familie zu sprechen, wobei die beiden jungen Männer erfuhren, dass Khorim ben Suleyman vor wenigen Wochen erst ein Sohn geboren worden war. Sie sprachen dem Vater ihre Glück- und Segenswünsche aus und der junge Amando, der eine helle Stimme hatte, erkundigte sich nach dem Wohlbefinden des Erstgeborenen. Dieser sei Gast am Hofe des Kalifen, antwortete der Herr von El’Ankhra unbestimmt. Taktvoll wechselten die beiden Brüder das Thema.

Nach einer Weile sagte der Gastgeber, der ein kluger Mann war: „Ihr Beni Dhachmani, nun sagt mir, was der Grund für eure Anwesenheit hier ist. Denn ich glaube nicht, dass ihr diese weite Reise nur auf euch genommen habt, um mir diese mit Bedacht und Sinn für Kunst ausgewählten Geschenke zu überbringen.“ Dabei strich er über die Klinge des prachtvollen Säbels.

„O gewiss, Abu l’Ahjanim[8]“, erwiderte da der weit gereiste Said mit einem schönen Lächeln, „sind wir gekommen, um dir Geschenke zu bringen. Nicht nur diese bescheidenen Mitbringsel aus unseres Vaters Haus, die jetzt vor dir liegen und von denen wir hoffen, dass sie dir gefallen, wollten wir dir geben. Nein, etwas Größeres bieten wir dir, Sahib Al’Rumman Seray[9] – die Freundschaft der Sippe der Dhachmani.“ Und damit nahm er eine Frucht aus der ihm von der Sklavin dargereichten silbernen Schale.

Die Brauen des Sultans zogen sich etwas zusammen, wie immer, wenn er geschäftlich wurde. „Ich habe, o Freundlicher, schon einiges von den Dhachmani gehört – dass sie reich und mächtig und tüchtig im Handel seien, vor allem aber, dass sie am Meer, in der Stadt Khunchom, sowie am Yaquirflusse im Lande Al’Mada, zu Hause sind. Ich aber lebe in der Wüste – was Rastullahs Wille ist. Was hilft da die Freundschaft?“

„Die Wüste, Abu l’Diffa[10], liegt zwischen Al’Mada und dem Meer“, sprach mit seiner hellen Stimme der Knabe, der bisher geschwiegen hatte, wie es sich für Jüngere im Beisein von Älteren gehörte. Er war im Gegensatz zu seinem Bruder des Novadischen nicht mächtig und redete daher im Dialekt Mhanadistans.

Leicht irritiert blickte ihn darob sein älterer Bruder an, nahm jedoch den Hinweis auf, als er sagte: „Die Reichtümer Khunchoms und Punins ziehen im Norden an dir vorbei, wie Vögel in großer Höhe vorbeifliegen und unerreichbar für die Katze sind. Du aber besitzt viele Kamele, Rösser, Datteln und Melonen und handelst obendrein mit Porzellan und Salz. Wenn die Dhachmani deine Freunde wären und du, Ben es-Sidda[11], ihr Schutzherr, könntest du genügend Reichtümer erhandeln – für einen entsprechend günstigen Preis.“

Listig lächelte der Sultan: „Du sprichst gut, Besitzer einer flinken Zunge, und dein Vater hat Recht getan, dich zu seinem Sâfir[12] zu machen. Doch warum sollte ich mir von eurer Kâfila[13] nicht einfach nehmen, was mir gefällt, wenn sie durch das Gebiet der Beni Ankhara zieht?“

„Weil du mit Klugheit gesegnet worden bist, Khorim ben Suleyman“, war die Antwort des Dhachmani. „Weil du vom Friedensschluss zwischen den Söhnen der Wüste und denen des Mittelreiches gehört hattest, der durch die Weisheit des Kalifen – Ehre sei seinem Namen – zustande kam. Weil dann beim nächsten Mal keine Kâfila der Dhachmanis mehr durch dein Stammesgebiet ziehen würde. Weil es noch genügend andere Karawanen gibt. Und weil du der Freund und Beschützer der Dhachmanis sein willst.“

„Ich muss darüber nachdenken. Wir werden am morgigen Tage weiter darüber sprechen, tefaddal[14]“, sagte der Sultan und erhob sich, „heute Abend werdet ihr mit mir speisen. Ala yomakum Mubarak Rastullahi.[15] “ Er ließ nach dem Wesir schicken, der die beiden Fremdlinge in ihr Gemach im Gästetrakt des Palastes brachte.

In einem Gästezimmer des Sultanspalastes (2. Hesindestunde)[Quelltext bearbeiten]

Als sie schließlich allein in ihrer Kammer im Obergeschoss des gutshofartigen Palastes waren, fragte der Knabe auf Garethi: „Was war das gerade? Warum entließ er uns so plötzlich?“

Ruhig lächelnd antwortete der Ältere: „Vielleicht war er der Thematik für den Augenblick leid. Wer kann es ihm verdenken?“ Und er gähnte hinter vorgehaltener Hand.

„Oder er hat die begehrlichen Blicke bemerkt, die seine Sklavin dir zuwarf und wollte – dich kennend – Schlimmeres verhindern“, grinste der Amando Genannte und blickte sich in dem Raum um. Er war schlicht und doch geschmackvoll eingerichtet, dabei hell und durch die dicken Mauern angenehm kühl.

„Bei den Wüstenkindern ist mit so etwas nicht zu scherzen. Hier werde ich mich beherrschen, denn schließlich sind wir nicht zum Vergnügen hier.“

„Ich schon!“

„Du hättest nicht mitkommen müssen.“

„Ich wollte dir aber bei deinen diplomatischen Bemühungen zusehen.“

Said lachte. „Wenn die Gespräche gut verlaufen, reisen wir in einer Woche weiter gen Fasar. Du solltest dich aber nicht zu viel zeigen – sonst könnte einem aufmerksamen Beobachter auffallen, dass deine schlanke Gestalt und deine Bartlosigkeit nicht unbedingt Zeichen deiner pueritas[16] sind.“

Doch sein Gesprächspartner hörte ihm schon nicht mehr zu. Er war an ein großes Fenster getreten und blickte auf den kleineren der beiden Innenhöfe des Palastes. Er lag völlig still und war recht uninteressant bis auf ein großes, in die gegenüberliegende Wand eingelassenes Holzgitter, hinter der leise eine getragene Weise gesungen wurde. Fasziniert lauschte der Knabe dem lieblichen Ton, bis er bemerkte, dass ihn zwei dunkle Augen durch das Gitter beobachteten. Erschrocken zuckte er zurück.

  1. Tul.: Dattelpalmen
  2. Tul.: Flieder
  3. Tul.: Perainenspeer
  4. Tul.: Löwe der Löwen
  5. Nov.: Der Friede sei mit dir, großer Fürst von Al’Ankhra.
  6. Nov.: Auch mit dir sei Friede, Said, Sohn Dhachmanis! Sei willkommen!“
  7. Nov.: Wüstenfuchs
  8. Nov.: Vater der Helden
  9. Nov.: Herr des Perainapfelpalastes
  10. Tul.: Vater der Gastfreundschaft
  11. Nov.: Sohn der Stärke
  12. Nov.: Gesandter
  13. Nov.: Handelskarawane
  14. Nov.: wenn es euch gefällig ist.
  15. Nov.: Euer Tag sei von Rastullah gesegnet.
  16. Bosp.: Knabenhaftigkeit
Chronik:1027
Tulamidische Reise
Teil 03